Heimatkurier 01 2011

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44. JAHRGANG

DAS HISTORISCHE MAGAZIN DES NORDBAYERISCHEN KURIERS

NR. 1/2011

Sechziger

Schilderwald

Schaefers Welt

Stockfische

Wie ein Jahrzehnt das vertraute Bild der Stadt grundlegend veränderte

Wie ein Heimatschützer gegen die wilde Reklameflut ankämpfte

Der Maler Hans Schaefer liebte fränkische Idyllen und Bayreuths romantische Winkel

Wie hungrige Proletarier im „Neuen Weg“ mit edlem Kabeljau versorgt wurden


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Liebe Leser, wer hätt’s gedacht? Die ältesten Geschäfte der Stadt, die unverändert im gleichen Gebäude die Jahrhunderte überdauert haben, sind drei Apotheken. Das Gewerbe scheint ganz offensichtlich widerstandsfähiger gewesen zu sein gegen die Stürme der Zeiten als alle anderen Branchen. Ansonsten gibt es meines Wissens heute kein anderes Geschäft mehr in unserer Stadt, das auch nur ein einziges Jahrhundert überlebt hat. Der letzte „LädlaOldtimer“ war das Porzellangeschäft Grünewald im Haus Maxstraße 3. Ganz anders sieht es bei den Wirtshäusern aus: „Wolffenzacher“, „Eule“ und „Bauernwärtla“ haben beispielsweise über 100 Jahre auf dem Buckel. Und das Hotel „Goldener Anker“ erfreut sich sogar einer fast 260-jährigen Familientradition. In dieser Ausgabe steht die 400-jährige Mohrenapotheke im Blickpunkt (siehe Beitrag von Dr. Sylvia Habermann Seite 4/5). * Der älteste Sportverein der Stadt dürfte unbestritten die Privilegierte Schützengilde von 1623 sein, aber die vielleicht wichtigste Vereinsgründung der Stadt liegt erst 150 Jahre zurück. Am 13. Januar feierte die Bayreuther Turnerschaft dieses stolze Jubiläum. Die Turner trugen viel dazu bei, die starre Bayreuther Gesellschaft des 19. Jahrhunderts aufzulockern.

INHALT

Verkehrsbüro Seite 3

Mohrenapotheke Seite 4/5

Stockfische Seite 6

Pflasterstein Seite 7

Die Sechziger Seite 8/9 Mit einem rauschenden Fest wurde vor 100 Jahren die Zugehörigkeit zu Bayern gefeiert. Hier eine Triumphpforte in der Bahnhofstraße. Und sie bannten mit der Turnerfeuerwehr das Gespenst der Stadtbrände. Übrigens wurde schon damals eine Bewegung nach allen Regeln der Kunst vermarktet. Da inserierte der Konditor Wilhelm Friedmann aus der Ludwigstraße seine Turnertörtchen, andere Geschäftsleute boten Turnerpfeifen und Turnertrinkhörner, Turnerhüte, Turnergürtel und Turner-Liederbücher an. * Weil wir gerade bei Jubiläen sind: Reichlich halbherzig hat die Stadt Bayreuth im vergangenen Jahr das 200-jährige Jubiläum „Bayreuth bei Bayern“ begangen – fast so, als schäme sie sich ein wenig ihrer bayerischen Zugehörigkeit und fühle sich nur wohl in der fränkischen Identität. Beim offiziellen Festakt der Regierung von Oberfranken war kein städtischer Repräsentant anwesend. Vor 100 Jahren hatte sich die Stadt noch mit Ergebenheitsad-

resse geradezu weiß-blau verrenkt. Tatsächlich hätte sie auch heute allen Grund zur Dankbarkeit: Bayern-König Max Joseph I. kaufte 1810 das ehemalige Fürstentum Bayreuth von Napoleon für 15 Millionen Francs ab und befreite es damit aus schwerer französischer Drangsal. Im neuesten Archivband des Historischen Vereins für Oberfranken zeichnet Professor Helmut Schaller die damaligen Übernahmefeierlichkeiten nach. * Abschließend noch ein Nachwort zum 90. Geburtstag der Wagnerenkelin Verena Lafferentz, die bei einer städtischen Feierstunde am 18. Januar eine bemerkenswerte Stegreifrede hielt. Wer wusste bis dahin schon, dass die vier Wagnerenkel in den 20er Jahren barfuß zur Schule gingen. „Ja, die Wagnerle können sich nicht einmal Schuh’ kaufen“, sollen die Bayreuther damals gewispert haben. Auch sonst erfuhren die geladenen Geburtstagsgäste manche Neuigkeit. Bis zum Tod von Vater Siegfried habe es eine überaus glückliche Kindheit in Wahnfried gegeben, so Verena Lafferentz. Erst mit dem „Vormund“ (Winifreds Geliebten Heinz Tietjen?) sei die Lüge ins Haus gekommen ... Ihr

Gruß vom Bayreuther Turnverein 1903. Der Fünfte von links, Fritz Rasp, wurde später ein berühmter Schauspieler. Bernd Mayer

Hans Schaefer Seite 10/11

Reklameflut Seite 12/13

Einst & Jetzt Seite 14

Bayreuth-Quiz Seite 15

Wafner Seite 16

Arbeitswelten Seite 16

Unser Titelbild Dieses nächtliche Pastellbild von der kriegszerstörten Friedrich-vonSchiller-Straße (Blickrichtung Bahnhof) wurde vom Maler Hans Schaefer im ersten Nachkriegswinter 1945/46 vom Fenster seiner Wohnung am Wilhelmsplatz angefertigt. Damit wich Schaefer zumindest einmal von seiner Vorliebe für idyllische Landschaften und romantische Winkel ab und hielt die Tristesse einer Ruinenkulisse fest. Der kleine Mensch auf der Straße nimmt sich verloren inmitten der Trümmerlandschaft aus. Das Bild ist im Historischen Museum der Stadt Bayreuth ausgestellt (siehe auch Beitrag über Hans Schaefer Seite 10/11).


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Touristikzentrale auf Wanderschaft

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Im neuen Jahr Umzug in die vierte Station seit dem Zweiten Weltkrieg

Am 1. Januar hat die Marketing & Touristik GmbH ihre neuen Räume im repräsentativen Eckgebäude Opern-/Wölfelstraße bezogen – Anlass für eine Rückschau auf die drei vorausgegangenen Stationen der Bayreuther Tourismus-Zentrale. Sein erstes Quartier hatte das „Verkehrsbüro“ des Fremdenverkehrsvereins bereits im Jahr 1948 in der Alten Wache Bahnhofstraße 2, dem letzten Relikt der einstigen Mainkaserne (Bild unten rechts). Bereits wenige Jahre später erfolgte der Umzug in das übriggebliebene Erdge-

schoss des einstigen Reitzenstein-Palais (Bilder oben rechts und unten links), das vor dem Krieg das Neue Rathaus war. Der herrschaftliche Charakter des Reitzenstein-Palais und seine Stuckdecken waren auch noch beim Abbruch der Ruine im Juli 1966 zu erkennen. Der nächste Umzug der Bayreuther Touristik-Zentrale war nur wenige Meter weiter auf der gleichen Straßenseite Luitpoldplatz 7 (vorher 13). Hier hatte die Stadt bereits 1930 ihr erstes städtisches Verkehrsamt eröffnet (oben links).


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Vier Jahrhunderte Mohrenapotheke Die drei ältesten Geschäfte Bayreuths sind Apotheken

Von Sylvia Habermann Als „älteste Apotheke Bayreuths“ feierte die MohrenApotheke im Dezember 2010 ihr 400-jähriges Jubiläum. Dabei ist sie nicht nur die älteste Apotheke - sie ist überhaupt das älteste noch existierende Geschäft der ganzen Stadt und sie blieb zudem von der Gründung bis heute im selben Gebäude angesiedelt. Betrachtet man die beiden nächstfolgenden, die ebenfalls diese Kriterien erfüllen, stellt man mit Erstaunen fest, dass das zweit- und das drittälteste Geschäft von Bayreuth ebenfalls Apotheken sind – nämlich die Adlerapotheke im Haus Maxstraße 47 seit 1672 und die Hofapotheke, seit 1752 in ihrem noblen Gontard-Bau am Sternplatz.

Apothekengründer kam aus Gera Der Gründer und Erbauer der Mohrenapotheke, Johann von Gera (in den Kirchenbüchern zumeist „von Göra“ geschrieben), war 1605 aus seiner Heimatstadt Apolda als Apothekengehilfe nach Bayreuth zu Johann Drosendorfer gekommen, der an der Stelle des heutigen Hauses Maximilianstraße 32 eine Apotheke betrieb. Von Gera

kaufte seinem Chef Drosendorfer das Apothekeninventar samt aller Gefäße, Instrumente und Pressen, Brennzeug, Gewürze, Rohstoffe und fertige Arzneien zum stolzen Preis von 725 Gulden und 20 Reichsthalern ab. Dies war der Grundstock seines künftigen Geschäftes.

Pestepidemie forderte über 700 Opfer Bayreuth war in jenen Jahren eine darniederliegende Stadt. 1602 hatte den ganzen Sommer über eine Pestepidemie gewütet, in der über 700 Einwohner den Tod fanden. Zwar ergab sich mit der Verlegung der markgräflichen Residenz nach Bayreuth 1603/04 eine glänzende zukunftsweisende Perspektive. Doch schon ein Jahr später brach mit dem Stadtbrand von 1605 die nächste Katastrophe herein. Johann von Gera konnte 1609 drei zusammenhängende kleine Grundstücke am Eingang vom Marktplatz in die Breite Gasse, die heutige Sophienstraße, erwerben. Die vorher darauf gestandenen alten Häuslein waren im Stadtbrand zugrunde gegangen. Hier erbaute der Apotheker sein neues stattliches Haus, das als besonderen Komfort sogar ein Badstüblein auf-

zuweisen hatte. Im Hinterhof gab es einen eigenen Pumpbrunnen, einen Pferde- und einen Schweinestall sowie eine Holzschlichte. Als Architekt gilt Michael Mebart, der auch beim Wiederaufbau der abgebrannten Stadtkirche und am Alten Schloss tätig war. Seine Spezialität war es, gotische Reminiszenzen in die Bauformen der Zeit um 1600 einzufügen – sehr schön zu erkennen am Erker der Mohrenapotheke mit seinem „gotischen“ Maßwerk in den Brüstungsfeldern. Die Apotheke gedieh, und der Immobilienbesitz der Familie vermehrte sich in den folgenden zwei Jahrzehnten. Johann von Gera wurde am 19. Februar 1635 in Bayreuth begraben, er war 66 Jahre alt geworden. Parallel zum Aufbau der Apotheke war die Familiengründung verlaufen. Am 25. November 1605 heiratete der schon 36-jährige Gera in Bayreuth die 22 Jahre alte Anna Maria Schüpfer aus Hiltpoltstein. Wie die Ehe zustandekam, ist nicht mehr herauszufinden. In den folgenden Jahren wurde, wie in vielen Familien jener Zeit, ein Kind nach dem anderen geboren und eines nach dem anderen verstarb. Zehn Kinder brachte Anna Maria von Gera zur Welt, doch als sie 1655 selber starb, scheinen mindestens sieben,

wahrscheinlich aber sogar neun ihrer Kinder bereits tot gewesen zu sein. Aufgrund einiger Lücken in den Bayreuther Kirchenbüchern lassen sich nicht alle Lebensdaten genau feststellen. Das erste Baby kam im April 1607 und wurde nur 14 Tage alt, es hieß wie die Mutter Anna Maria. Im folgenden Jahr wurde wieder eine Tochter geboren, ebenfalls Anna Maria genannt. 1609 kam der Sohn Tobias zur Welt, der elf Wochen alt wurde.

Hohe Sterblichkeit bei Kindern Der nächste Sohn, 1610 geboren, hieß Johann Georg und erreichte das Erwachsenenalter. 1612 kam Wolfgang Adam und 1614 dann Catharina, die es immerhin auf 45 Lebensjahre bringen sollte. Die nächsten beiden Kinder, Johann Wolfgang und Martha Magdalena wurden 1617 und 1619 geboren und starben beide innerhalb der ersten Woche des Oktober 1620, was vermuten lässt, dass es eine ansteckende Erkrankung war, die sie im Abstand weniger Tage dahinraffte. 1621 gebar Anna Maria von Gera noch einen Sohn, der ebenso wie der im Jahr zuvor (Fortsetzung auf Seite 5)

Die drei ältesten Geschäfte der Stadt: Links die 400 Jahre alte Mohrenapotheke (Aufnahme um 1930), in der Mitte die Adlerapotheke (um 1920), rechts die Hofapotheke (um 1930). Fotos: Archiv Mayer


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(Fortsetzung von Seite 4) verstorbene „Johann Wolfgang“ genannt wurde. Das letzte Kind des inzwischen 53jährigen Apothekers war dann 1622 der Sohn Wolf Samuel, der seinen Vater um ein Jahr überlebte und als Dreizehnjähriger im Juli 1636 starb. Der Sohn Johann Georg von Gera erlernte ebenfalls den Beruf des Apothekers und war zum Nachfolger als Besitzer und Betreiber der Mohrenapotheke bestimmt. Diese Stellung konnte er jedoch nur vier Jahre lang ausüben. Im

Die Mohrenapotheke bis zum Jahr 1678 September 1638 verehelichte er sich mit Dorothea Brand, einer Tochter des Forstmeisters Lorenz Brand aus Jöslein. Doch schon im Februar des darauffolgenden Jahres 1639 wurde der junge Mann zu Grabe getragen. Die Erbinnen waren nun seine Mutter Anna Maria und seine Schwester Catharina, die am

Das frühere Offizin der Mohrenapotheke mit Deckenmalerei. 22. Mai 1638 den Pfarrer Christian Faber in Gefrees geheiratet hatte. Bereits vier Wochen später wurde sie Witwe und sie verehelichte sich ohne das übliche Trauerjahr einzuhalten gleich wieder: am 4. Februar 1639 mit dem Stadtvogt Johann Hetzel in Bayreuth. Auch ihr zweiter Mann, der

erst 38 Jahre alt war, starb nach einer nur fünfmonatigen Ehe mit der Gera-Tochter im Juli 1639. Danach lebte Catharina Hetzel wieder in der Mohrenapotheke. Am 26. September 1642 heiratete sie Leonhard Pfaffenreuther, einen Kollegen und vielleicht früheren Gehilfen ihres verstorbenen Vaters. Er kam aus

Regensburg und war der Sohn eines dortigen Superintendenten. Catharinas dritter Ehemann übernahm nun die Mohrenapotheke. Mit dem Erbe der Tochter Johann von Geras war Pfaffenreuther ein gemachter Mann. Neben dem stattlichen Haus am Marktplatz mitsamt dem kostbaren Apothekeninventar gehörten dazu auch ein Gartengrundstück mit einem Haus, ein Acker und eine Wiese im Neuen Weg. Catharina Pfaffenreuthers Mutter Anna Maria von Gera konnte bis zu ihrem Tod in ihrem angestammten Wohnhaus bleiben. Am 29. März 1655 wurde sie, die letzte Trägerin des Namens „von Gera“, auf dem Bayreuther Friedhof beerdigt. Über Pfaffenreuthers Tochter Maria Magdalena kam das Gebäude der Mohrenapotheke 1678 an den Schwiegersohn Johann Wolfgang Franck und an den Apotheker Wolfgang Perger. Da Letzterer ein Sohn des Regensburger Hospitalmeisters Jacob Perger war, dürfen wir hier eine Verwandtschaft mit Pfaffenreuther vermuten.

Zum „Ausfegen“ Frankfurter Pillen Aus dem Angebot der Apotheken im 17. Jahrhundert

Von Sylvia Habermann Im Angebot der Apotheken des 17. Jahrhunderts waren nicht bloß reine Pharmazeutica zu finden. Die Stadtkirche beispielsweise bezog ihre Oblaten für die Kommunion aus der Mohrenapotheke. Es gab außerdem Tinten und sicherlich auch Mineralien, die man zum Farbenmischen benötigte, außerdem seltene Gewürze und Kräuter, für die das Haus einen Trockenboden hatte. Die Apotheken handelten auch mit Süßweinen, die man zum Genuss und als Arzneimittel zu sich nahm. Mit Honig oder Zucker und allerlei Gewürzen vermischt waren sie ein beliebtes Mittel gegen Halsschmerzen, wobei sie sicher vielfach den Halsschmerz nicht vertrieben und stattdessen noch einen gewaltigen Kopfschmerz verursacht haben. Viel verwendet und in den Apotheken zubereitet wurden sogenannte „Latwergen“, ein mus- oder breiartiges Nahrungsergänzungsmittel, oft auf der Basis von

Zwetschgenmus hergestellt, das nichts half, aber wohl auch nichts schadete. Als klassische Arzneimittel des etwas stärkeren Kalibers hatte jede Apotheke Laudanum und Theriak im Angebot. Laudanum war eine Opiumtinktur, die man bei großen Operationen wie z. B. Amputationen als eine Art Narkosemittel einsetzte, sie wurde aber auch gegen fiebrige Schmerzen empfohlen. Theriak war eine komplizierte Mischung aus bis zu 30 geheimen Ingredienzien, die immer auch Opium ent-

Theriak als Mittel gegen die Pest hielt. Theriak galt als ein Mittel gegen die Pest, aber auch gegen Vergiftungen. Für ausgesprochen heilkräftig hielt man ferner zwei spezielle Pülverchen, abgerieben vom Narwalzahn oder von Bezoarsteinen. Beide Materialien waren sehr teuer. Der Narwalzahn, ein Stoßzahn des männlichen

Gründelwals, wurde in Europa vielfach für das Horn des legendären Einhorns gehalten. Bezoarsteine bilden sich aus unverdaulichen Resten im Darm von Wie-

Purgierpulver als Abführmittel derkäuern. Diese beiden tierischen Materialien gehörten im Barock auch als bestaunenswerte Raritäten in jede Kunst- und Wunderkammer und wurden gern in Goldoder Silberhalterungen gefasst. Die Mohrenapotheker, oder zumindest einer von ihnen, müssen eine solche Kunst- und Wunderkammer gehabt haben – davon zeugen das ausgestopfte Krokodil und die Schildkrötenpanzer, die zum Altbestand des Hauses gehören. Für heutige Begriffe etwas zu heftig wirkten die von den Apothekern hergestellten „Vomitivtränklein“ und „Purgierpulver“, also Brechund Abführmittel. Hier kann ein berühmter Nachbar und

Kunde der Mohrenapotheke als Zeuge dienen: der Barockdichter Siegmund von Birken, der von 1658 bis 1660 in der Spitalgasse wohnte und stichwortartige Tagebücher geschrieben hat. Im Mai 1660 war Birken übrigens mit der Korrektur der gedruckten Leichenpredigt für die 1659 verstorbene Catharina Pfaffenreuther beschäftigt und am 29. Juli brachte er ein „Carmen gratulatorium“, d. h. ein Glückwunschgedicht, zur neuerlichen Verheiratung des „Herrn Apothekers“ der Mohrenapotheke zu Papier. Bis zu viermal pflegte sich der Dichter nach der Einnahme von Vomitivtränklein zu erbrechen, und wenn ein Purgierpulver ihn selber oder seine Frau sieben- oder achtmal in das sogenannte „Secret“ oder „Heimliche Gemach“ ihres Hauses trieb, vermerkte er das als großen Erfolg. Er schwor ferner auf das sogenannte „Markgrafenpulver“ und auf „Frankfurter Pillen“ und notierte zufrieden, sie hätten ihn „wohl ausgefegt“.


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Ein edler Fisch für hungrige Arbeiter Erinnerungen an die einstige Stockfischwässerei im Neuen Weg

Von Bernd Mayer Für die hungrigen Arbeiterfamilien im einstigen Bayreuther Armenviertel Neuer Weg erwies sie sich als wahrer Segen: die Stockfischwässerei der Familie Schmitt im Haus Carl-Schüller-Straße Nummer 24, die im weiten Umkreis zu riechen war. Ihre Anfänge reichen zurück bis in die Zeit der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre, als in vielen Familien Schmalhans Küchenmeister war. Da kam ein gesundes wohlschmeckendes Nahrungsmittel zu erschwinglichen Preisen gerade recht. Der heute 75-jährige Dieter Härtl, dessen Mutter Berta (geborene Schmitt) viele Jahre die Seele des Betriebs war, hat den Fischgeruch heute noch in der Nase. Als Bub verfolgte ihn dieser Geruch so

Bereicherung für den Speiseplan sehr, dass er in späteren Jahrzehnten keinen Fisch mehr essen wollte. Grundsätzlich ist der Stockfisch jedoch bei entsprechender Behandlung eine Bereicherung für den Speiseplan. Bei ihm handelt es sich um einen Kabeljau in getrocknetem Zustand. Härtl: „Ich habe später in Alaska mit eigenen Augen gesehen, wie Eskimos den Kabeljau am Stock in der Luft getrocknet haben.“ Die Familie Schmitt betrieb in der Carl-Schüller-Straße (sie trug in den 20er Jahren noch ihren alten Namen Hirschenstraße) eine Deli-

Karl-Max-Straße). Die Schmitts waren bemüht, sozial schwachen Arbeiterfamilien beim Einkauf so weit wie möglich entgegenzukommen. „Wenn das Geld knapp war, dann wurde eben angeschrieben, und der Fisch wurde erst eine Woche später bezahlt“, erinnert sich Härtl. Auf dem kargen Speisezettel der „Neia Wecher“ war der Fisch eine hochwillkommene Abwechslung, denn Fleisch war für viele fast unerschwinglich. Bezeichnend für das Proletarierelend ist ein altes „Versla“ aus einem anHeinrich Schmitt mit einem gewässerten Stockfisch - eine be- deren Bayreuther Arbeiterviertel, der „Burg“, zwischen gehrte Mahlzeit für die Familien im Neuen Weg. Bahnhof und St. Georgen: „In katessen- und Gemüsehand- dem Bau noch in weiter Ferlung. Die Stockfischwässerei ne. Anfangs wurden die stellte sozusagen ihre Spezi- Stockfische noch in großen alitäten dar, die oberfran- Bottichen unter freiem Himkenweit ohne Konkurrenz mel gewässert. war. Von der fernen Insel- Die Kundschaft waren in ersgruppe der Lafoten gelang- ter Linie Arbeiterfamilien, ten die getrockneten Schell- vor allem aus den benachfische mit abgeschlagenem barten Spinnereien (BayerKopf in Zentnerballen an den lein und Neue BaumwollRoten Main. Spinnerei). „In der Zeit vor Dieter Härtl weiß zu berich- dem Zweiten Weltkrieg war ten, dass die Schmitt’sche der Fisch noch eine billige Stockfischsaison von Spät- Mahlzeit – ein typisches Arherbst bis Karfreitag dauer- me-Leute-Essen“, weiß Härtl te. Bei der Aufbereitung der zu berichten. Aber nicht nur Fracht aus dem hohen Nor- Proletarier wussten die sehr den mussten schmackHilfskräfte – haften FiAuch vornehme scherzhaft sche mit ihKundschaft „Heringsrem zartlobändiger“ ckeren genannt – der Fleisch zu Familie Schmitt zuarbeiten. schätzen – auch ausgesproIn der Regel waren es ar- chen vornehme Kundschaft beitslose Maurer, die heilfroh stellte sich im Schmitt’schen waren, in der kalten Jahres- Delikatessengeschäft ein, vor zeit ein paar Mark zu ver- allem aus den stattlichen dienen, denn ein Schlecht- Bürgerhäusern der benachwettergeld war damals auf barten Wilhelmstraße (heute

Am Karfreitag war Schluss der Burg ist net gut wohna / gibt’s die Wochn sechsmal Bohna / sechsmal Bohna und ka Fleisch. / Ach is des a lumperts Zeich ...“ Nach dem Karfreitag war, wie schon erwähnt, alljährlich Schluss mit der StockfischWässerei und -Esserei, denn dann gab es, jahreszeitlich bedingt, erweiterte Verpflegungsmöglichkeiten, wie sie beispielsweise der Gemüsegarten eröffnete. Das Ende des Schmitt’schen Fischgeschäfts kam ziemlich abrupt im Kriegsjahr 1945. Am 11. April sollte eine Lieferung ins sächsische Plauen abgehen, aber der letzte große Bombenangriff an diesem Tag zog auch die Stockfischwässerei schwer in Mit(Fortsetzung auf Seite 7)

Die Familie von Heinrich Schmitt in ihrer Stockfischwäs- Gretel Schmitt in der Schmitt’schen Delikatessen- und Geserei in der Carl-Schüller-Straße 24. Fotos: Archiv Mayer müsehandlung, in der auch die Fische gehandelt wurden.


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Vom Pflasterer Christian Ernst

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Ein Kalkstein in der Ludwigstraße mit der Jahreszahl 1889 und seine Geschichte Von Sylvia Habermann Ein Stein im Gehsteigpflaster an der Grundstücksgrenze zwischen dem Haus Ludwigstraße 18 und dem Gebäude der Regierung von Oberfranken zeigt die sorgfältig eingemeißelte Signatur „Chr. Ernst“ und die Jahreszahl „1889“ auf einem jener feinen hellen Kalksteine, die vor der Verbreitung von Asphalt, Betonsteinen und neuerdings grauem Granit jahrhundertelang die typische Pflasterung der Bayreuther Straßen war.

brauchte er einen Nebenverdienst, so dass ihm Ende des Jahres 1827 seine Mutter ihre Konzession zum Betrieb eines Kramladens in dem Häuschen in der Altstadt überließ. Da es in der Altstadt keinen Bäcker gab, wollte er sein Warenangebot acht Jahre

hent Greiner brachte aber die Unterschriften von immerhin 30 zufriedenen Kunden bei. Der Magistrat erteilte Ernst trotzdem eine Konzession. Im selben Jahr 1827 wurde am 25. Juni der Sohn Christian Ernst geboren. Von 1843 bis 1846 erlernte er bei seinem

Ausgeprägter Berufsstolz? „Chr. Ernst“ – ein Pflasterer mit ausgeprägtem Berufsstolz? Bei etwas gründlicherer Nachforschung entpuppt sich die Familie Ernst, die in der Altstadt ansässig war, als eine ganze Dynastie von Pflasterermeistern, durch vier Generationen vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Christian Ernsts Großvater Johann erwarb 1799, in jungen Jahren, ein bescheidenes, um 1755 gebautes Häuslein auf dem Grund des ehemaligen Friedhofs der damals schon längst abgebrochenen St.-Nikolaus-Kirche. Im folgenden Jahr 1800 wurde der Sohn Andreas Ernst geboren, der ebenfalls das Pflastererhandwerk erlernte. Als Andreas geheiratet und eine kleine Familie gegründet hatte,

Am Ende eines langen Berufslebens später um einen Brothandel erweitern – ein Vorhaben, das die dörflich geprägte Altstadt in zwei Lager spaltete. Denn auch der Wirt Jacob Greiner verkaufte Brot, war aber nach Ansicht mancher seiner Kunden unzuverlässig. Greiner wehrte sich beim Stadtmagistrat gegen die Zulassung des neuen Konkurrenten. Die beiden Gegner griffen zu einem sehr modernen Mittel, um ihre Interessen durchzusetzen: Unterschriftenlisten. Andreas Ernst hatte 19 Befürworter für seinen geplanten Brotladen, sein Kontra-

Stockfischwässerei ... (Fortsetzung von Seite 6) leidenschaft. Eine Sprengbombe des alliierten Bombengeschwaders ging im Schmitt’schen Garten nieder und zerstörte den Wässereibetrieb. Auch das Lager in der benachbarten Scheune wurde halbseitig getroffen – eine Einladung für Plünderer, die sich schon bald über die Vorräte hermachten. Allerdings wurden sie ihrer Beute nicht froh: Da sie die Stockfische nicht lange genug wässerten, erkrankten sie an Durchfall. „Der Monat April war damals ungewöhnlich warm, und es bestand zeitweise so-

habe drei erwachsene Söhne zu Hause, die keine beständige Arbeit hätten. Nach zehnjähriger Gesellenzeit kaufte der inzwischen 29-jährige Christan Ernst seinem Vater die Hälfte des ohnehin kleinen und nur einstöckigen Hauses in der Altstadt ab, vermutlich um seinem Meisterrechts- und Verehelichungsgesuch einen besseren Start zu verschaffen. Mit Erfolg, denn die Meisterkonzession wurde ihm im Mai 1857 erteilt und im selben Jahr heiratete er Anna Schertel, Bauerntochter vom Kreuzstein. Nach ihrem Tod verehelichte er sich 1876 ein zweites Mal, diesmal mit der wesentlich jüngeren Anna Margarete Potzler aus Pegnitz.

gar Seuchengefahr“, erinnert sich Härtl. Der Fisch, der zum Teil in Mülltonnen und Abfallhaufen gelandet war, rief sogar die Behörden auf den Plan. Alle Versuche, die Stockfischwässerei nach dem Krieg wiederzubeleben, waren zum Scheitern verurteilt. Zwar versuchte nach der Währungsreform ein Hofer Delikatessengeschäft, die Tradition fortzusetzen, aber: „Es hat einfach nicht mehr hingehauen“, merkt Härtl an. Die Zeitgenossen hatten inzwischen andere Wünsche und Sehnsüchte, und auch der Essensgeschmack hatte sich gewandelt.

Vater Andreas das Pflastererhandwerk. Er war dann zehn Jahre lang Geselle. Für die übliche Gesellenwanderung wurde ihm ein Wanderbuch ausgestellt, aus dem wir erfahren, dass er kräftig und untersetzt war, blonde Haare, eine große Nase und schlechte Zähne hatte. Er scheint jedoch nie auf Wanderschaft gegangen zu sein, denn das Wanderbuch enthält keinen einzigen Eintrag, und im Jahr 1848 beantragte der Vater Andreas Ernst zudem die Überlassung einer aufgelassenen Lehmgrube mit der Begründung, er

Bei der Pflasterung der heutigen Ludwigstraße war Christian Ernst mit 62 Jahren nach den Begriffen der damaligen Zeit ein alter Mann. Sicherlich war er angesichts seiner schweren Tätigkeit auch körperlich mitgenommen und deswegen am Ende seiner Berufstätigkeit. Er verstarb am 16. Februar 1892 im Beisein seines Sohnes Hans in seinem Haus in der Altstadt. Stadtarchiv Bayreuth, Akten Nr. 3806, 14022, 14298, 17084, 20980 a /5. Horst Fischer, Häuserbuch der Stadt Bayreuth, Bayreuth 1991, Bd. IV S. 1840 bis 1842.

Ach, diese Jugend ... „Was soll nur aus einer sol- vermeidlichen Glimmchen Jugend werden? Was stengel kommen sie brülsich unsere männliche Fort- lend und pfeifend schon zum bildungsjugend leistet, das Schulhaus gestürmt. Wie die lässt auch bei den größten Lernlust und AufmerkOptimisten samkeit den Glaudieser Ein Stoßseufzer aus Burschen ben an das Gute im in der den 20er Jahren Menschen Schule ersterben. sein mag, Wer an einzelnen Tagen ge- kann man sich leicht dengen 7 Uhr abends die Stra- ken. Können braucht man ßen um die Luitpold- ja heute nichts mehr. Anschule begehen muss, der stand ist auch abgedarf froh sein, wenn er mit schafft. Die Lehrer sind zu heiler Haut durch die Rot- bedauern.“ (Aus einem Leten wild gewordener Ben- serbrief im Bayreuther Taggel kommt. Mit dem un- blatt vom 11. März 1920.)


Nostalgische Rückblende auf ein Jahrzehnt des ungestümen Wandels Die 60er Jahre hinterließen viele Spuren im Stadtbild / Oberbürgermeister Hans Walter Wild war die prägende Persönlichkeit / Rathaus-Neubau und Mainüberdachung Die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts waren ein Jahrzehnt des ungestümen Fortschritts, verbunden mit gravierenden Veränderungen im Bayreuther Stadtbild, aber auch im Leben der Bürger. Hier einige Blitzlichter aus diesem Jahrzehnt, das vom damaligen Oberbürgermeister Hans Walter Wild nachhaltig geprägt wurde. 1. An vielen Punkten der Stadt – wie hier in der Hammerstatt – hausten noch Familien in Baracken. 2. Der Torso des Reitzenstein-Palais am Luitpoldplatz wurde im Juli 1966 abgebrochen. 3. Dieses Damenquartett genießt den Altweibersommer am Schloßberglein. 4. Das Nachtlokal „Funzel“ in der Richard-WagnerStraße hat im Januar 1962 Premiere. 5. Der Hohenzollernring erreicht den Josephsplatz. 6. Der Marktplatz mit der Baustelle des Kaufhauses Hertie (1962). 7. Architekt Hans Reissinger vermauert den letzten Stein für das Richtfest der Stadthalle (Januar 1963). 8. Oberbürgermeister Hans Walter Wild und sein Stab blicken wohlgefällig auf das Modell des Neuen Rathauses. 9. Das Gaswerk wird 1965 nach über 100-jähriger Produktion stillgelegt. 10. Die spektakulären Wahlerfolge der NPD in Bayreuth führen zu Protestaktionen von Schülern. 11. Ein Plätzchen im Kornfeld ist immer frei – auch für diese Anhängerin der neuen Oben-ohne-Mode. 12. Elefanten ziehen über die alte Ludwigsbrücke zum Luitpoldplatz. 13. Kioske im Einmündungsbereich Mainstraße/ Schulstraße. 14. Blick vom Josephsplatz zur Ludwigsbrücke vor der Mainüberdachung (um 1965). 15. Der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt mit Frau Loki und Oberbürgermeister Wild bei der Festspielpremiere 1967. 16. Ein Schlüsselereignis der 60er Jahre: OB Wild fordert bei einer Kundgebung mit Willy Brandt eine Universität für Bayreuth.

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Bayreuther Heimat als Lebensmotiv Hans Schaefer war ein Maler und Grafiker von altmeisterlicher Perfektion

Von Bernd Mayer Fragt man Heimatkenner nach dem „Maler Alt-Bayreuths“ im 19. Jahrhundert, so fällt meist der Name Heinrich Stelzner, dem unter anderem ein wundervolles BayreuthAlbum mit 20 Ansichten aus dem Jahr 1860 zu verdanken ist. In seine Fußstapfen trat im 20. Jahrhundert ein liebenswürdiger, überaus feinfühliger und naturverbundener Künstler: Hans Schaefer, geboren am 22. Juli 1900 in Bayreuth. Sein Tod am 15. Januar 1976 liegt nun schon wieder 35 Jahre zurück, und es besteht die Gefahr, dass er trotz eines Straßennamens im Stadtteil Burg immer mehr in Vergessenheit gerät. Die Bayreutherin Bärbel Arzberger verbindet viele

Die Motive mit der Seele gesehen persönliche Erinnerungen mit Schaefer. Zusammen mit ihrem verstorbenen Mann, dem Gymnasialprofessor Helmut Arzberger (ehemals GCE), hat sie nach Schaefers Tod fast schon missionarisch immer wieder Person und Werk ins Gedächtnis gerufen. „Er war ein Maler mit altmeisterlicher Perfektion, aber keineswegs eine nur rückwärtsgewandte Persönlichkeit“, merkt Bärbel Arzberger an. Seine ganze Leidenschaft als Künstler habe der heimatlichen Land-

schaft gegolten. Von Helmut Arzberger stammt der Satz: „Schaefer sah seine Motive mit der Seele ...“ Dem Sohn eines Konditormeisters aus der Sophienstraße war sein künstlerisches Talent bereits in die Wiege gelegt. Seine Vorfahren malten und schnitzten, und vom Vater Schaefer übernahm Hänschenklein auf vielen Wanderungen die Liebe zur Natur. Wie viele andere Künstler fertigte er in jungen Jahren Repliken von Werken berühmter Maler an, doch schon in den 20er Jahren fand er zu seinem persönlichen unverwechselbaren Ausdrucksstil, vor allem bei der Anfertigung von Exlibris in ungezählten Variationen. „Keines gleicht dem anderen, gewundene Zaubergärten tun sich auf, und eine Fülle von Ideen gewinnt Gestalt“, beschrieb Helmut Arzberger das kreative Schaffen Schaefers. Schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der Heimatforscher Karl Meier-Gesees auf den jungen Künstler aufmerksam. In seiner Heimatbeilage „Bayreuther Land“ findet man bereits 1927 einen Scherenschnitt Schaefers über das alte Brauchtum des „Fitzelns“ kurz vor Silvester, am Tag der unschuldigen Kindlein. Zwischen dem gemütvollen Publizisten und dem heimatverbundenen Maler und Grafiker kam es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit über Jahrzehnte hinweg. Beide waren

Das von Schaefer gezeichnete Wohnhaus des Dirigenten Hans Richter unweit der Graserschule, das 1967 der Spitzhacke zum Opfer fiel.

Ruinen des Sophienschlosses auf dem Sophienberg 1814, von Schaefer nach einer alten Zeichnung entworfen. im Hauptberuf Lehrer, Schaefer zunächst an Zwergschulen im Landkreis und später an der Graserschule.

Bäume aller Art als Lieblingsobjekte Als leidenschaftlicher Landschaftsmaler konnte sich Schaefer vor allem für Bäume begeistern. Im Bayreuther Land, aber auch im Fichtelgebirge, in der Fränkischen Schweiz und im Frankenwald fand er sein Lieblingsmotiv in den verschiedensten Formen und Ausprägungen – Baum, Baum, überall Baum. Künstlerisch erfasste er das lebendige Wesen dieser NaDer Bayreuther Maler Hans Schaefer als 70-Jähriger in seinem Studierzimmer.

(Fortsetzung auf Seite 11)


11 (Fortsetzung von Seite 10) turdenkmäler, die ihm als Maler ganz offensichtlich reizvoller erschienen als die Bewohner der Landschaften, die auf seinen Bildern nur höchst selten anzutreffen sind. Dr. Wilhelm Müller, der frühere Vorsitzende des Historischen Vereins für Oberfranken, drückte es so aus: „Schaefer liebt jene knorrige Föhre, die an der Kreuzung zweier Altstraßen ein Richtpunkt für Fuhrleute und Wanderer war, oder auch jene Linde auf einsamer Flur ...“ Mit der Feder zeichnete Schaefer in den 30er Jahren die Tanzlinde von Langenstadt am Roten Main mit ihren weit ausladenden Zweigen. Ein prächtiges Motiv für eine Bleistiftzeichnung stellte für ihn ein Holzbirnbaum bei Oberpreuschwitz dar, um nur einige Beispiele anzuführen. „Schaefer hat die Eigenwelt einer jeden Baumart erfühlt“, schrieb Helmut Arzberger, so wie der Maler jedem Motiv sein Eigenleben ablauschte.

Bemerkenswerte Vielseitigkeit Zeitlebens blieb Schaefer seiner konservativen Malweise und seinem Genre treu. Dennoch war er nach dem Urteil von Bärbel Arzberger von einer bemerkenswerten Vielseitigkeit. Von Arbeiten mit Pastellkreide über Tempera-Malereien und Radierungen bis hin zu Scherenschnitten und künstlerischen Schriften reicht die Band-

Wilhelm Müller noch zu Lebzeiten Schaefers. Es waren Idyllen von Alt-Bayreuth wie etwa die Kirchgasse mit der Künstlerkneipe „Eule“, die ebenso wie die nordoberfränkischen Landschaften den Künstler magisch anzogen. Inzwischen ist so mancher malerischer Winkel, den Schaefer noch festgehalten hat, für immer zerstört, so beispielsweise die „Tabulatur“ unweit der Graserschule. Das anEin subtil gestaltetes Exlibris für Bärbel mutige BarockArzberger. häuschen diente im frühen 20. breite. Weit über Deutschland Jahrhundert dem ersten hinaus bekannt wurde er bei Festspieldirigenten Hans den Freunden und Sammlern Richter als Wohnsitz. von Exlibris (Bucheignerzei- Zumindest einmal wich der chen). Seine subtil ausgear- Maler mit den altmeisterlibeiteten kleinen Meisterwer- chen Tugenden von seiner ke bereicherte er ornamen- Vorliebe für eine heile Welt ab. tenreich mit symbolischen Im Winter 1945/46 malte er oder allegorischen Anspie- vom Fenster seiner Wohnung lungen. Bärbel Arzberger ist am Wilhelmsplatz aus die besonders stolz auf ein ganz winterliche Ruinenlandschaft persönliches Buchzeichen mit der Friedrich-von-Schillerihrem Namen, das er mit dem Straße, die beim ersten FlieFedermesser auf weißem Sei- gerangriff im April 1945 denpapier mit dunklem schwer getroffen worden war. Grund geschaffen hat. Die Kriegs- und NachkriegsIn seinen letzten Lebensjah- tristesse erschütterte wohl ren wurde besonders die Ra- auch das Weltbild des Malers dierung zu Schaefers bevor- zutiefst. Sein Pastellgemälde, zugter Technik. „Er handhabt das im Historischen Museum sie meisterlich, und jedem der Stadt Bayreuth ausgeBlatt ist anzumerken, mit stellt wird, ist ein außergewelch souveränem Können er wöhnliches künstlerisches die Radiernadel führt“, so Dr. Dokument der Nachkriegszeit

Das Fitzeln am Tag der unschuldigen Kindlein, ein Scherenschnitt des Künstlers aus dem Jahr 1927.

Schaefer als Schriftkünstler, der Gedichte und Prosa hingebungsvoll zu Papier brachte.

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(siehe unser Titelbild). Im Historischen Museum der Stadt findet sich auch der Nachlass von Hans Schaefer, den seine Tochter nach dem Tod des Malers übergeben hat – zwei Zeichenschränke voll von Arbeiten, die von Schaefers Produktivität und geradezu existentieller Leidenschaft zeugen. Der Künstler konnte zeitlebens nicht anders, als seine Skizzenbücher mit Bleistift und Federzeichnungen zu füllen, die er später häufig als Radierungen ausführte.

In den 20er Jahren die Schriftkunst erlernt Bei der Würdigung seines Lebenswerkes darf sein Schaffen als meisterlicher Schriftkünstler nicht unerwähnt bleiben. Ein Kulmbacher Schriftgrafiker hatte ihn schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts für die Kunst des Schreibens begeistern können, und Schaefer setzte sich mit der ihm eigenen Gründlichkeit mit dieser Kunstform auseinander. Dabei bediente er sich der verschiedensten Stilformen bei der Niederschrift von ausgewählten Gedichten und Prosatexten. Mit der ihm eigenen Bescheidenheit sprach Schaefer am Ende seines Lebens rückblickend von seinem „bisschen Schaffen“ und hegte Zweifel an seiner Bedeutung für die Öffentlichkeit. Doch auch dreieinhalb Jahrzehnte nach seinem Tod hat er es verdient, dass seine Heimatstadt ihm ein ehrendes Andenken bewahrt.

Dieser Neujahrsgruß als Scherenschnitt ist eine Kostprobe vom Humor des Künstlers Hans Schaefer.


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Als Don Quichote gegen die Werbeflut 50 Jahre war „Wutbürger“ Karl Kronberger das grüne Gewissen der Stadt

Von Bernd Mayer Der Bund Naturschutz blickt in diesen Tagen auf sein 90jähriges Bestehen zurück – für den Heimatkurier ein Anlass, sich an den kampferprobten Pädagogen Karl Kronberger zu erinnern. Fünf Jahrzehnte war er das grüne Gewissen der Stadt. Wegen seiner hochwirksamen Empörungsstrategie kann man ihn getrost als ersten grünen „Wutbürger“ Bayreuths bezeichnen, auch wenn er schon eineinhalb Jahrzehnte vor den Anfängen der Öko-Partei gestorben ist. Mit seiner Frau Gretl bildete Kronberger eine Bayreuther Naturgewalt der besonderen Art. Für die Kreisgruppe Bayreuth des Bundes Naturschutz bedeutete seine Amtszeit als Vorsitzender eine Ära: 45 Jahre lang leitete der gebürtige Mittelfranke aus dem Altmühltal die hiesige Ortsgruppe. 1923, drei Jahre nach seiner Hochzeit mit der Bayreutherin Gretl Stützinger, war er als junger Lehrer an der Friedrichschule vom damaligen Stadtschulrat Schüßler an die Spitze der Organisation berufen worden – ein Amt, das er bis 1968 mit wahrer Leidenschaft ausübte. Ein politischer Widerstands-

Reklameschilder in Kronbergers Visier kämpfer war Kronberger im Dritten Reich gewiss nicht. Sein zentrales Anliegen, den Naturschutz, verlor er zwar nie aus den Augen, ein bisschen Blut-und-Boden-Ideologie schwang jedoch in seinen Publikationen mit. So geriet er später, wie so viele, in die Mühlen der Entnazifizierung. Von früheren Schülern ließ er sich bestätigen, dass er den täglichen Unterricht mit einem Gebet und nie (wie sonst üblich) mit einem Führerwort begonnen hatte. Nach längerer Zwangspause durfte er schließlich ab 1947 wieder seinen Lehrerberuf ausüben und brachte es sogar noch für ein knappes Jahr zum Rektor. Blenden wir zurück in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Ab 1935 machte Kronberger mit der ihm eigenen Kompromisslosigkeit auch Jagd auf vermeintliche Um-

Beim Kiosk von Lauterbach/Göring an der Schulstraße störten Kronberger die Reklameplakate, deren Entfernung er 1936 forderte. weltverschmutzer der besonderen Art. Zielobjekte wurden die Reklameschilder mit verunstalteten Werbeschriften, die er als unerträglichen Kitsch empfand. Er hätte sich gewiss nicht träumen lassen, dass viele der damaligen Schilder – von Persil bis Odol – ein Dreivierteljahrhundert später gesuchte Antiquitäten sein würden. Bei seinem Feldzug gegen verunstaltete Reklame bediente er sich als Leiter der Bayreuther Naturschutzstelle sehr geschickt der örtlichen Presse, die seine Aufrufe beflissen verbreitete. Als Wächter über ein „reines“ Stadtbild konnte sich Kronberger (inzwischen zum Oberlehrer ernannt) auf eine Verordnung des bayerischen Innenministeriums vom 10.

November 1935 stützen, das „Sauberkeit und Schönheit in Stadt und Land“ einforderte. Im Namen der Stadt listete er penibel fast 70 mehr oder weniger störende Punkte im Stadtgebiet auf, meist harmlose „Kolonialwarenlädla“, deren Fassade mit Werbeschildern üppig bestückt waren – von der Zigarettenreklame bis zur Waschmittelwerbung. Auch im Landkreis machte Kronberger mobil: Landrat Schwarz musste in seinem Auftrag „den Unfug der wahl- und maßlosen Verpflasterung der Außenwände der Geschäfte, der Gartenzäune und der Nebengebäude mit Blechschildern jeder Größe und Farbe“ anprangern. Als couragierter Land-

schaftsschützer machte Kronberger auch vor Parteistellen nicht halt. Mit „Heil Hitler“ ermahnte er beispielsweise das städtische Bauamt, gegen ein Hinweisschild des Nationalsozialistischen Kraftfahrtkorps (NSKK) im Bereich der Motorsportschule in der Saas vorzugehen. Dieses stelle eine Landschaftsverschandelung dar und störe das Bild erheblich. Aus heutiger Sicht erscheint Kronbergers Kampf stellenweise doch ein wenig

Milchkanne und Schuhsalamander

überzogen und als eine Art Donquichotterie. Weil das Milchgeschäft Lehmann in der Richard-Wagner-Straße ein Leuchtschild in Form einer kleinen Milchkanne anbrachte, sah der Ordnungswächter gleich „Sauberkeit und Schönheit des Straßenbildes“ in Gefahr. Gleichermaßen störte ein leuchtender Salamander an einem Schuhgeschäft in der Opernstraße Kronbergers ästhetisches Empfinden. Beifall wurde ihm indes vom „Deutschen Bund Heimatschutz“ mit Sitz in Berlin zuteil. „Es ist überaus verdienstlich, wenn Sie den Kampf gegen die StandBesonders störend waren für den streitbaren Heimatpfleger schilder kräftig durchführen“, Standschilder an den Einfallstraßen wie hier an der Nürn- ließ ihn der Berliner Fachbeberger Straße. Im Hintergrund halblinks das Türmchen der Oberrealschule. (Fortsetzung auf Seite 13)


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Gegen die Werbeflut

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(Fortsetzung von Seite 12) auftragte Dr. Lindner im Mai 1936 wissen. Tatsächlich hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Stadtschilder von Hotels und Tankstellen vor allem am Stadtrand störend ausgebreitet. Die Arbeitsgemeinschaft gegen die Auswüchse gegen die Außenreklame bestärkte Kronberger ebenfalls in seinem Vorgehen. „Die Ausdehnung der Plakatwerbung bis ins letzte Dorf wäre unbedingt eine volkswirtschaftliche Fehlleitung schlimmster Art ...“ Im Visier war vor allem Zigarettenreklame auf öffentlichen Straßen und Plätzen, denn die Zigarette sei ein „starker Devisen- und Gesundheitsräuber“. In den Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Welt- Friseur Guth in der Bahnhofstraße geizte nicht mit Werbung. Für Kronberger waren neben krieges durchforstete Kron- der Holztafel folgende Schilder ein Ärgernis: Clorodont, Odol, Fromms, Birkenwasser, Bioxberger fast den gesamten Ultra – also weg damit ... Schilderwald im Bayreuther Umland. Sogar eine Werbetafel für die LuisenburgFestspiele am Unterkunftshaus des Fichtelgebirgsvereins musste auf sein Betreiben abgenommen werden. Zwischendurch sparte der Oberlehrer nicht mit Lob für reuige Sünder, aber auch für vermeintliche Musterknaben. So belobigte er im Oktober 1940 in einem Brief die Leitung der

Lob für Nürnberger Straßenbahn

Bayreuths erster „Wutbürger“: Der streitbare Rektor a. D. Karl Kronberger (1891–1973). Er leitete von 1923 bis 1968 die Ortsgruppe des Bundes Naturschutz. Die Aufnahme entstand auf einer Wanderung im Juni 1959. Fotos: Archiv Mayer

Nürnberg-Fürther Straßenbahnen für ihre sauberen Wägen mit ihren reklamefreien Sitzen, die sich wohltuend von der „abscheulichen Reklame“ in Wiener Bahnen abhebe. Dabei bediente er sich durchaus des Jargons der Zeit: „Gewiss, Reklame muss sein, aber sie darf nicht ausarten in das jüdisch-marktschreiende Getue der Systemzeit. Deutsche Reklame ist Güte!“ Zu diesem Zeitpunkt war der 49-jährige Kronberger bereits Oberleutnant im Landschützen-Bataillon 807 in Fürth. Dreieinhalb Jahre nach Kriegsende, am 4. November 1948, wurde Kronberger von der Regierung von Oberfranken zum Bezirksbeauftragten für den Naturschutz ernannt. Mit geballter Kraft widmete er sich jetzt wieder dem Naturschutz. Nie war sein Einsatz so wichtig wie in den folgenden zwei Jahrzehnten, in denen Baumschlächter allerorten

ganze Alleen umlegten, um die autogerechte Stadt zu verwirklichen. Kronberger war ein Bollwerk, das nicht leicht zu überwinden war – ein Grantler, der sich dem vermeintlichen Fortschritt mit wirksamen Zetermordio in den Weg stellte und gegen die „Baummörder“ wetterte. Überdies verstand er es noch immer gut, seine Empörung mediengerecht zum Ausdruck zu bringen. Doch der Durchsetzungskraft von Oberbürgermeister Hans Walter Wild war der fast 80Jährige nicht mehr gewachsen. Vergeblich protestierte er gegen das Abholzen der Königsallee Ende 1967 und andere Massenexekutionen von Bäumen. Als einmal bei Nacht und Nebel ein Baumensemble am Schlossberglein gefällt wurde, legte er aus Protest sein Amt als Naturschutzbeauftragter nieder. Doch er blieb bis zu seinem Tod am 12. Juni 1973 ein streitbarer Anwalt der Natur und der Heimat. Was ein Baum bedeutet, das hat er seinen ignoranten Zeitgenossen immer wieder ins Stammbuch geschrieben, so auch in seinem Lieblingsgedicht aus der Heimatbeilage „Bayreuther Land“ (Nr. 7/81937): Zu fällen einen schönen Baum, braucht's eine halbe Stunde kaum. Zu wachsen, bis man ihn bewundert, braucht er, bedenk es, ein Jahrhundert.


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Wo Cäcilie und Thyssen Torte aßen Die Richard-Wagner-Straße 11 und 12 einst und jetzt

Quizgewinner

Über 500 Einsender haben sich an unserem letzten Bayreuth-Quiz beteiligt. Vor allem die Frage 3 bereitete vielen Lesern Probleme. Die richtige Antwort: B) Luitpoldplatz, A) Lisztstraße, B) Kulmbacher Straße. Die Gewinner: Helmut Kolb, Riedelsberger Weg 68, 2. Preis Gerhard Schöberl, Spitzwegstraße 46, 3. Preis Gerhard Oetter, Brunnenstraße 3 (alle Bayreuth). Die Gewinner können ihre Preise in der Kurier-Geschäftsstelle, Maxstraße 5860 abholen.

Was läuft steht im Kurier. Das Bild oben zeigt die Häuser Nr. 10 und 12 der Richard-Wagner-Straße um das Jahr 1960, wenige Jahre vor dem Neubau des Kaufhauses Woolworth, der das Straßenbild nachhaltig veränderte. Zwei schöne alte Häuser des alten Rennwegs (so hieß die Richard-WagnerStraße zu Zeiten Richard Wagners) mussten dem Kaufhausneubau weichen, über dessen Ästhetik man sich eigentlich nicht streiten kann. Zwölf Entwürfe musste der Konzern einreichen, bis dem

Bauausschuss die Fassadengliederung genügend „zart“ erschien. Tatsächlich passte das Kaufhaus in die Umgebung wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge, doch in den 60er Jahren hielt man sich mit ästhetischen Skrupeln nicht allzu lange auf: Möglichst modern und großstädtisch sollte nach dem Geschmack des Stadtregiments Bayreuth sein. So musste auch das „Conditorei-Café Biedermeier“ im Haus Nr. 12 im Juni 1962 seine Pforten schließen – nach nahezu einem hal-

ben Jahrhundert. Hier „schlabbten“ einst die Kronprinzessin Cäcilie und der Industriebaron August Thyssen ihr Schälchen Kaffee. Auch dem Nachbarhaus Nr. 10 mit dem alteingesessenen Glasund Porzellanwarengeschäft Josef Stölzel schlug 1962 das letzte Stündlein. Am 5. November 1964 eröffnete Woolworth seine Bayreuther Filiale. Unser aktuelles Foto unten, aufgenommen von Rüdiger Kranz, zeigt die Situation fast ein halbes Jahrhundert später. B. M.

IMPRESSUM HEIMAT-KURIER Das historische Magazin des Nordbayerischen Kuriers Verantwortlich: Gert-Dieter Meier Redaktion: Bernd Mayer Mitarbeit: Dr. Sylvia Habermann, Bärbel Arzberger Fotos/Repros: Archiv Bernd Mayer, Dieter Härtl, Fritz Lauterbach, Rüdiger Kranz, Karlheinz Lammel, Historisches Museum der Stadt Bayreuth Historische Karikaturen: Matthias Ose Anzeigenleitung: Andreas Weiß Nordbayerischer Kurier GmbH & Co. Zeitungsverlag KG Maximilianstraße 58/60 95444 Bayreuth und Theodor-Schmidt-Straße 17 95448 Bayreuth

© 2011 Nordbayerischer Kurier


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Das historische Quiz um Alt-Bayreuth

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Unser Gewinnspiel für Stadtkenner und findige Neubürger

Machen Sie mit: Schreiben Sie die richtige Lösung auf eine Postkarte, vergessen Sie nicht Ihren Namen und Anschrift und werfen Sie die Karte in den nächsten Briefkasten oder geben Sie diese in einer der Kurier-Geschäftsstellen ab. Einsendeschluss ist der 14. April 2011. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte adressieren Sie die Postkarte an: Die Bomben haben im April 1945 überall im Stadtgebiet ihre Spuren hinterlassen. Wie heißt diese Straße? A) Luitpoldplatz, B) Maxstraße, C) Bahnhofstraße

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Nordbayerischer Kurier Heimat-Kurier/ Historisches Quiz Maximilianstraße 58/60 95444 Bayreuth

Gewinnen Sie:

1. Preis: 5-Gang-ÜberraschungsMenü inkl. Getränke für zwei Personen 2. Preis: Menü du Padrón für zwei Personen 3. Preis Zwei Flammkuchen inkl. ½ Liter Rießling

Eine Fotografie aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Hier hat sich viel verändert. Wie heißt die Straße im Vordergrund? A) Schulstraße, B) Mainstraße, C) Kanalstraße

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Restaurant-Brasserie Friedrichstraße 10 95444 Bayreuth Telefon: 09 21/2 21 00 Ein ländlich anmutendes Bild unweit der Innenstadt – um 1960. Wie heißt die Straße? A) Karl-Hugel-Straße, B) Carl-Burger-Straße, C)Kulmbacher Straße

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 11–14 Uhr und 17–24 Uhr


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und Schutzanzügen möglich wäre. Die Stadt hat deshalb

Mit dem Mülleimer auf Du und Du Von WAFNER

Biotonnen

Sperrmüll kann in der Heimwerkstatt mühelos aufbereitet werden. Für die Zerkleinerung von Möbeln, alten Kochherden, kaputten Radios, Fernsehern und so weiter empfiehlt sich die Anschaffung einer Motorsäge und eines Schneidbrenners, der normalerweise alles kleinkriegt, sowie Die Arbeitswelt der Glasperlenhütten im Fichtelgebirge war so rau wie die Gegend. Fotos: Archiv Mayer

Bayreuther Arbeitswelten

auch von mehreren Feuerlöschgeräten und – mit Rücksicht auf die Nachbarn – der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Sollten größere Einzelteile des Sperrguts übrigbleiben, so lohnt sich der Versuch, sie irgendwie in den Mülleimer zu stopfen und durch

Müllmännerbestechung wie beispielweise die Danebenstellung eines Kasten Festbiers und einer Stange Zigaretten, verbunden mit einem von der Hausfrau oder deren Tochter spendierten zärtlichen Zwinkern, einer außergesetzlichen Entsorgung zuzuführen. Hingegen sollte man sich von Naturfanatikern und grünen Extremisten keinesfalls überreden lassen, einen eigenen

Bayreuths Arbeitswelt war tergraben des Festspielhaunicht gerade das Lieblings- ses, den „Blauen Mädchen“ motiv der Fotografen – viel und den Bühnenarbeitern lieber konzentrierten sich beim Abtransport des „Siegdiese auf edle Postkartenmo- fried“-Drachen. Ein weites tive der Stadt. So tauchten Feld bietet der öffentliche erst Ende des 19. Jahrhun- Dienst, ihm ist ebenfalls ein derts die ersten Proletarier auf Kapitel gewidmet. Vom Fotografien auf, die meisten von ihnen waren eher zufällig ins Bild geraten. Bernd und Gerda Mayer haben nun im Dezember mit ihrem Buch „Leben und Arbeiten in Bayreuth“ eine Lücke in der Heimatliteratur geschlossen. In diesem Buch ist für viele Arbeitswelten Platz – für die der Proletarier in den drei großen Spinnereien genauso wie für die Welt der ehrbaren Hand- Marktfrauen mit Huckelkörben in werker, der Jünger Gu- der Kanzleistraße. tenbergs, der Verkäuferinnen und der Akteure im Oberbürgermeister über den Dunstkreis des Bayreuther Stadttürmer bis zum MüllBieres. Natürlich darf in mann reicht die Berufspalette. Bayreuth auch „Walhalls Schließlich wird in diesem wundersame Arbeitswelt“ Büchlein auch den Landnicht fehlen – mit dem stein- frauen und Holzweiblein über alten Notenwart im Orches- die Schulter geschaut.

Biomisthaufen vor der Haustür oder gar auf dem Trottoir vor dem Wohnhaus zu errichten. Viele Nachbarn würden dafür kein Verständnis aufbringen. Andere würden ihren eigenen Mist dort mit abladen, so dass die Begehbarkeit des Trottoirs mit dem darauf liegenden Misthaufen in Bälde nur noch mit Gummistiefeln

Die Fräuleins vom Amt hatten in der Bayreuther „Stadtfernsprecheinrichtung“ alle Hände voll zu „stöpseln“ (um 1900).

aufgestellt. In ihnen darf selbstverständlich nur nativ-organischer Abfall eingeworfen werden, als da sind welke Salatblätter, faule Tomaten, verwesende Leberwurst, verschimmeltes Fleisch, Käse, den kein Mensch mehr essen kann, verendende Goldfische, in Bier ertränkte Nacktschnecken, aber auch abgeschnittene Finger- und Zehennägel, ausgefallene Haare, sauer gewordene Leberknödel, kurz alles, was keine toxisch-anorganischen Chemiegifte enthält. Da die Entleerung dieser Biotonnen nur alle 14 Tage erfolgen soll, bewahren sie auch als zugedeckte Gefäße den naturnahen Charakter eines echten Misthaufenersatzes, der als Feuchtbiotop besonders in der warmen Jahreszeit Tausenden von Schmeißfliegen, Schnaken, Asseln und Ameisen Nahrung und Wohnung bietet.

Flohmärkte bieten allen Bürgern, deren Problemmüll von der Müllabfuhr nicht abgefahren wird, die Chance, denselben gewinnbringend an andere Bürger zu verkaufen. Ein Klavier, bei dem nur noch fünf Tasten anschlagen, weil fast alle Saiten gerissen sind, ist für einen Kenner heutzutage interessanter und wertvoller als jeder fabrikneue Bösendorfer-Konzertflügel. Desgleichen gelten durchgesessene Kanapees bei all jenen Zeitgenossen als kostbare Rarität, die ein halbes Leben lang auf der Suche nach gesäßfreundlicher Nostalgie durch die Welt geirrt sind. Nicht minder sind kaputte Schreibmaschinen, auf denen nur noch vier oder sechs Buchstaben getippt werden können, von nahezu allen modernen Lyrikern, denen nichts mehr einfällt, hochbegehrt. Für alle Bürger, die ihren Sperrmüll auf dem Flohmarkt feilbieten, empfiehlt sich daher, die Preise so hoch auszuzeichnen, dass auch dumme Mitbürger begreifen, um welche Occasionen es sich bei diesen Gegenständen handelt.


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