Die Kirche »St. Nicolai« in Bobeck Das 800-jährige Bestehen ihres Dorfes feierten die Bobecker 1991. Eine urkundliche Erwähnung, die 1190 dem Anarch Vogt von Bürgel das Holzungsrecht in einem „Bobecke“ genannten Waldstück zusprach, gilt als falsch datiert, da der darin erwähnte Papst Coelestin erst ab 1191 residierte. Offenbar siedelten aber bereits um das Jahr 800 herum hier „Heiden“, deren Christianisierung mit der Gründung der Klöster in Bürgel und Lausnitz im 12. Jahrhundert voranschritt. 1133 benennt Bertha von Gleisberg ein „Wüstenbobeck“. Tatsächlich gibt es zwischen Bobeck und Waldeck nahe dem Burkertsloch ein Flurstück „Wüstung Bobeck“, das wohl den Ort einer um 1100 wahrscheinlich infolge von Krieg und Seuchen ausgestorbenen Siedlung kennzeichnet. Am heutigen Standort Bobecks gab es ursprünglich eine romanische Wallfahrtskapelle, vermutlich von den Zisterzienserinnen des 1138 errichteten Klosters an der Lausnitz besorgt. Die Kapelle wurde 1219 dem Heiligen Nikolaus geweiht und bereits 1304 durch den Anbau eines Langhauses zur Kirche erweitert „als sie infolge eines Streites zwischen dem Probst zu Klosterlausnitz und dem Abt von Bürgel über das Patronatsrecht von dem Bischof von Naumburg dem Letzteren zugewiesen wurde. Die Kirche bildet ein Rechteck und zeigt gotische Anlage mit dreiseitigem Chorschluß, im Chor und Langhaus sind spitzbogige Fenster sichtbar, doch flachbogig vermauert“, beschreibt Kirchenhistoriker Ernst C. Löbe. Als Relikt aus dieser Zeit, da viele Pilger hierher wallfahrteten, verblieb der von außen zugängliche Opferstock mit einer Öffnung, durch die die Opfergaben der Wallfahrer ins Innere der Kapelle rutschten oder aber ein in der Nische befindliches Heiligenbild in Bewegung gesetzt werden konnte. Auf den Grundmauern des alten Baues erhielt St. Nicolai zwischen 1668 und 1672 dann im Wesentlichen die heutige Gestalt. Auch zwei Emporen und einen Kanzelaltar. Der Bobecker Zimmermann und ehemalige Kirchenälteste Reinhard Kunze entdeckte 2004 eine zugeputzte Stiftertafel, die bekundet, „... 1669 ist dieses Gottes Hauß und Kirche, hochnothwendig reparieret und verneuert worden, zu deren Verneuerung der weilant Durchlauchtigste Hochwohlgeborene Fürst und HERR Herr Friedrich Wilhelm, Herzog zu Sachsen Ein und Zwanzig Alte Schock .... und der Hochedle Magnificus, Hochachtbare
und Hochgelahrte Herr Johannes Thomae 167 Alte Schock ...“ stifteten. Bobecker Familien trugen demnach ebenfalls ein erkleckliches Sümmchen dazu bei. Den Turm erneuerte die Gemeinde 1760/61 und krönte ihn mit der barocken Haube, die ihn bis heute schmückt. Drei Jahre später leistete sie sich eine Orgel, erbaut von Johann Michael Hartung aus Vippach. Er erhielt dafür 236 Taler. Die Dorfbewohner mussten ihm und seinen Gesellen 10 Wochen Logis, Speis und Trank gewähren. Diese Orgel löste 1888 eine neue, zweimanualige Poppe – Orgel mit 12 Registern ab. Seit 1957 von einem elektrisch betriebenem Gebläse versorgt, steht das vorher mit regenerativer Muskelkraft betätigte noch nebenan. Zwei Glocken läuten vom Turm über das Dorf. Bis heute pünktlich ausgelöst von einer mittlerweile 100-jährigen mechanischen Uhr mit Schlagwerk, angefertigt von der Firma Weule in Bokenem, mit der Bahn bis Papiermühle transportiert und von dort mit einem Fuhrwerk nach Bobeck. Zwei Vorgängerinnen kamen 1852 mit Girlanden geschmückt in einer Prozession von Thalbürgel nach Bobeck. Die gewichtigen Klangkörper trugen wohl dazu bei, dass die ohnehin schon leicht „gen Morgen“ geneigte und morsche Kirchturmspitze noch mehr in Schieflage geriet und ein Jahr später repariert werden musste. Die große Glocke wurde samt Orgelprospektpfeifen und sämtlichem Kupfer- und Messinggerät der Dörfler gegen Ende des Ersten, die kleine gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zu Rüstungszwecken eingeschmolzen. Nach dem Krieg stiftete der Bobecker Brauereibesitzer Emil Otto Seise eine neue große Glocke. Der Stiftung gingen tragische Ereignisse voraus: Nachdem 1916 sein 14-jähriges Töchterchen Lisbeth nach einem Transmissionsunfall ihren schweren Verletzungen erlag, starb zwei Jahre später an einer Lungenentzündung auch sein Sohn Martin. Das Familiengrab der Seises befindet sich auf dem Friedhof am Ostrand des Dorfes. Eine neue kleine Glocke gossen die Gebrüder Schilling 1963 in Apolda. Die nächsten Turmreparaturen fanden laut Dokumenten im Turmknopf 1839, als der Turm sich neigte, und 1898 statt. Im Jahre 1961 völlig neu eingedeckt, ebenso 1973 das Langhaus, begannen die Bobecker 1990 mit Blick auf sein 700-jähriges Bestehen erneut, ihr Gotteshaus gründlich zu restaurieren. Der Turm stand ge-
nau zum Geburtstag 2004 wieder in „alter Pracht“ und das Langhaus erhielt eine neue Eindeckung, um den Schwammbefall zu beheben. Die zunächst eingebauten Dachluken missfielen der Denkmalbehörde so sehr, dass sie später noch Fördermittel für Mansarden bewilligte. Das Schiff erhielt neue Fenster und teilweise einen neuen Fußboden. Inzwischen schreitet die Renovierung des Kirchenraumes weiter voran. Ein gutes Dutzend Bobecker und Freunde der Kirchgemeinde arbeiten beharrlich daran. Im „NAW“ und im Rahmen von ABM. Die hohe Decke erstrahlt bereits hellblau in frischem Glanze. Die Emporen an der Südseite zeigen sich mit denkmalgerecht bemalten Kassetten, illusionistisch marmoriert und gerahmt. Die der Nordseite, bereits verschalt und sauber verputzt, stehen kurz vor ihrer Vollendung. Zurzeit untersuchen die Restauratoren Jürgen Seifert und Michael Matz wiederentdeckte Fragmente symbolischer und figürlicher mittelalterlicher Wandmalereien. Es bedarf der Kenntnisse und des erfahrenen Blickes von Restauratoren, um in ihnen die Heiligen Barbara, Katharina, Johannes und Wolfgang zu identifizieren. Die Rudimente der Bildnisse werden konserviert. Sie wieder herzustellen, überfordert die Möglichkeiten der Gemeinde. Jüngst läuteten die Glocken einen festlichen Gottesdienst ein. Die Orgel erklang, Pfarrer Stefan Elsässer predigte, fast hundert Gemeindemitglieder, Freunde und Gönner, auch aus der Bobeck seit den 50-er Jahren verbundenen Partnergemeinde Unterdeufstetten, beteten und sangen aus Freude darüber, dass es weitergeht. „Schritt für Schritt. Fördermittel sind avisiert, so dass wir auch den barocken Kanzelaltar aus dem 18. Jahrhundert restaurieren können, mit den Schnitzfiguren Christus, flankiert von Moses und Johannes. Die eigenen Anteile tragen wir zusammen, irgendwie. Auf ein paar Wochen kommt es dabei angesichts des ehrwürdigen Alters des Gotteshauses von 792 Jahren nicht an“, sagte Kirchenvorstand Reinhard Müller optimistisch, würdigte das Geschaffene und dankte allen, die dazu beitrugen. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Die Bobecker schritten schon ein beachtliches Stück in Richtung Ziel.
Evangelisch-lutherisches Pfarramt Dorfstraße 6, 07646 Schlöben · Telefon 03 64 28/4 06 87 Post@kirchgemeinde-schoengleina.de 7