Die Kirche in Vierzehnheiligen Die wuchtige gotische Wehrkirche dominiert schon von weither die Silhouette des Hundert-Seelen-Dorfes Vierzehnheiligen. Herzog Wilhelm III., einer der beiden sich im „Sächsischen Bruderkrieg“ erbittert bekämpfenden Erben aus dem Hause Wettin, ließ sie nach den Naumburger Friedensverhandlungen und ihrer Versöhnung in den Jahren 1453 bis 1467 errichten. Eine Inschrift am südöstlichen Strebepfeiler weist ihn als Bauherrn und Patron aus und nennt Ditterich Pain als Baumeister. Der Bau von Dorfkirchen und ihr Patronat lag üblicherweise in den Händen des niederen Adels. Dass ein Fürst eine bauen ließ, noch dazu eine so imposante, hatte eine besondere Bewandtnis in dem Gelübde der beiden Brüder, nach dem zerstörerischen Krieg Gott zu danken und die Fürbitte aller Heiligen zu erlangen. Auf die diesbezügliche Mahnung der Gemahlin Margarethe des Kurfürsten Friedrich von Sachsen hin entstand die Kirche als Zeichen der Sühne, auf der höchsten Erhebung der Hochebene nördlich von Jena. Dort, wo die marodierenden kurfürstlichen Truppen gegen Ende des Bruderkrieges den Weiler Lutzendorf total verwüsteten. Steine der abgebrochenen Burg in Isserstedt dienten als Baumaterial für eine Kirche, die gleichzeitig ein Bollwerk darstellte. Gegen wen auch immer. Reste einer einst zwei Meter hohen Mauer und 24 Schießscharten deuten heute noch darauf hin. Bischof Dietrich III. zu Naumburg weihte das Gotteshaus den Vierzehn Nothelfern: Achatius, Ägidius, Barbara, Blasius, Christophorus, Cyriakus, Dionysius, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina, Margarete, Pantaleon und Veit. Die Nothelfer spielten im leidvollen Alltag des Mittelalters eine bedeutende Rolle im Glauben der Menschen, die bei Kriegsgreuel, Naturkatastrophen und Krankheiten, in Angst, Trauer und Verzweiflung Hilfe suchten. Bei der Wahl des Standortes spielte eine Quelle, die so genannte „Eselstränke“, die wohl entscheidende Rolle, weil sie auf wundersame Weise die Wunden der bei der Verwüstung Lutzendorfs Verletzten heilte. Die Kunde von diesem Wunder verbreitete sich rasch und machte die Kirche zum Wallfahrtsort. Dazu trugen wahrscheinlich auch Reliquien bei, die Wilhelm III. von seiner Pilgerreise ins Heilige Land mitbrachte. Nach dessen Tod hielt Herzog Georg der Bärtige von Sachsen inmitten der Re-
formationsbewegung dem katholischen Glauben noch die Treue, bis auch er 1538 starb. Damit endeten die Wallfahrten „zu den vierzehn Nothelfern bei Ihene“. So nannte sich auch das Dorf, das um die Kirche herum wuchs und dem die Wallfahrtei zu Gute kam. Auf Dauer erwies sich die lange Ortsbezeichnung allerdings für den Volksmund als zu umständlich. Die Leute nannten das Dorf bald einfach Vierzehnheiligen, so wie es seit 1639 offiziell heißt. Mit der Reformation verschwanden die vierzehn Altäre mit den Wandbildern der Heiligen und der Hochaltar. Vom ursprünglichen Bau blieben das Kirchenschiff erhalten und der Turm, allerdings jetzt mit einem Zeltdach an Stelle der früher hohen achteckigen Turmspitze, die wie die meisten Höfe und Katen 1775 einem verheerenden Dorfbrand zum Opfer fiel. Auch der 1801 abgerissene Chor fehlt, der Chorbogen wurde zugemauert. Einige Bruchstücke des Fenstermaßwerks und Skulpturenreste finden sich noch als schmückende Elemente an einigen Häusern im Dorf. Der Verlauf der Weltgeschichte wollte es, dass die Sühnekirche sich 1806 erneut inmitten eines historischen Gemetzels befand, dem zwischen sächsisch-preußischen und napoleonischen Truppen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Gottlob kaum beschädigt, diente sie immerhin der Nothilfe als Lazarett. Ob die Wunderquelle wieder heilend wirkte, ist nicht überliefert. Zum hundertjährigen Gedenken an die Toten der Schlacht wurde vor der Kirche ein Mahnmal errichtet und zur gleichen Zeit der dreischiffige Kirchenraum in den heutigen Kirchensaal umgestaltet. Wiederum hundert Jahre später baulich in Stand gesetzt, erhielten u.a. die Bogenfensternischen ihre farbenfrohe Ausmalung mit Weinblatt- und Traubenornamenten zurück. Eine wertvolle geschnitzte Darstellung des Abendmahls wurde sorgfältig restauriert. Durch das 2006 ebenfalls wiederhergestellte Buntglasfenster in der Ostwand flutet das Morgenlicht in den sakralen Raum. Zu Andachten und Konzerten erfüllt ihn der Klang einer der seltenen Orgeln des Orgelbauers Johann Georg Fink Jenensis, geschaffen im Jahre 1707. „Früher kamen die Menschen von sich aus in die Kirche, um zu beten. Heute muss die Kirche mehr und mehr auf sie zu gehen, sie bitten, dass sie kommen.
Unser Kirchensaal eignet sich da wunderbar für vielerlei lockende Veranstaltungen. Benefizkonzerte, um etwas für das Gotteshaus zu bewirken, eine Jazzwallfahrt, ein Fensterfest, jüngst ein Friedensfest mit Chormusik und einer Ausstellung des Europäischen Forums. Für Kinder wie Erwachsene zur Andacht, zur Erbauung oder zum selber Mitmachen“, resümiert Anneliese Seime, Vorsitzende des „Lebensraum Gönnatal“ e.V., die sich gemeinsam mit ihrem Mann Harald, dem bekannten Pantomimen, um die Kirche bemüht. „Als einen Höhepunkt im Kirchenkalender führen wir seit 2001 immer am Sonnabend vor dem Vierten Advent ein Krippenspiel auf. Ein selbst erdachtes „Musical“ mit viel Bewegung. Dazu rufen wir Alt und Jung auf, Kindergärten, Schulen, Gruppen, die sich kulturell engagieren. Aus dem Dorf, aus der näheren und weiteren Umgebung. Meist müssen wir allerdings etwas nachhelfen und persönlich werben. Die Mühe lohnt sich, Besucher kommen inzwischen von weit her und füllen die Kirche bis zum letzten Stehplatz.“ Der Verein „Lebensraum Gönnatal“ entstand, als sich Widerstand gegen Windräder auf dem Schlachtfeld um Jena und Auerstedt regte. Gemeinsam mit den „1806ern“ und anderen Schützern des Flächendenkmals kämpft er gegen die Windmühlen. Bisher erfolgreich. Dazu trug die Idee bei, auf diesem blutgetränkten Schauplatz der europäischen Geschichte an ein friedlich vereintes Europa zu appellieren. Es entstand der „Europaweg“ zwischen Vierzehnheiligen und Krippendorf. Etwa einen Kilometer lang, säumen ihn zurzeit 95 Kirschbäume 52 verschiedener Sorten aus acht Ländern. Gestiftet und feierlich gepflanzt von mehr oder weniger prominenten Sympathisanten, Institutionen, Unternehmen und Vereinen. Viele der Stifter setzten neben ihren Baum eine Stele mit einem Zitat, das sich auf den europäischen Gedanken bezieht. Christine Lieberknecht verewigte einen hochaktuellen Ausspruch Thomas Manns: „Wir brauchen kein deutsches Europa, wir brauchen ein europäisches Deutschland.“ Man denke – und wandle einmal nachdenkend die „Kirschenallee“ entlang. Von der Vierzehnheiliger Kirche bis zur Krippendorfer Mühle.
Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde Altengönna Vierzehnheiligen Nr. 1 · Telefon 03 64 25/5 06 10 harald@seime.com 36