Kirchenschätze

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Die Kirche »St. Salvator« in Stadtroda Anfang des 12. Jahrhunderts saßen die Herren von Roda an der Roda und rodeten den Wald am linksseitigen Ufer, für Siedler, die sich hier niederlassen wollten und sollten. Die erste urkundliche Erwähnung eines Ortes Roda fand sich mit 1247, als die Herren von Lobdeburg hier ein Zisterzienserinnenkloster gründeten. Gedacht auch als letzte Ruhestätte für ihr Adelsgeschlecht. Infolge der Reformation 1531 aufgehoben, existiert davon nur noch die Ruine der gotischen Klosterkirche. Das geistliche Zentrum des Ortes links der Roda bildete bis ins 15. Jahrhundert die Kirche zum Heiligen Kreuz, heute Friedhofskapelle, spiritueller Ort für die „Kreuzkirchenmusik“, vielfältige Kasualien und Objekt grundlegender Restaurierung. Als sich mehr und mehr Ansiedler im Tal rechts der Roda niederließen, erhielten auch sie dort das Marktrecht und bauten am Hang eine zweite Kirche „Unserer lieben Frau“. Die Liebfrauenkirche übernahm nach der Reformation die Rolle der Hauptkirche von Roda. Neben der Kirche entstand aus einem mittelalterlichen Steinhof, den das Kloster 1449 an die Stadt verkaufte und der um 1500 an die Ernestiner kam, das Schloss. In dieser Zeit ernährten sich Rodas Bürger redlich von der Landwirtschaft und vom Handwerk, lebten aber gar nicht beschaulich und in Frieden. Mehrfach grassierte die Pest und verheerten Hochwasser der Roda die Stadt. Doch am Schlimmsten litten sie unter kriegerischen Raubzügen. Während des 30-jährigen Krieges zogen mehrfach schwedische Truppen plündernd durch die Stadt. Am 26. April 1638 steckten sie sie an und äscherten sie fast vollständig ein. Der Feuersbrunst fielen 104 Häuser zum Opfer. Auch Liebfrauenkirche und Schloss brannten vollständig nieder. Nach einem Friedensdankfest im Jahre 1650 und mit dem gnädigen Erlass des Herzogs Johann Georg zu Sachsen zur Unterstützung mit Spenden durch die Superintendenturen Plauen, Ölßnitz, Weida und Neustadt begann die Kirchgemeinde, an gleicher Stelle eine neue Kirche „Sankt Salvator“ zu bauen. Ein kaum noch lesbares Steinchronogramm im Westportal weist auf das Jahr 1653 hin und nennt die wichtigsten Persönlichkeiten, die den Bau beförderten: Herzog Friedrich Wilhelm, den Superintendenten Dr. Enoch Himmel für den Entwurf, die Pfarrer Georgius Zeidler und

Bernhardo Müller, sowie den Organisten und Stadtschreiber Nicolaus Seidemann, zeitweise auch Bürgermeister, „der allein das so große Werk zu unternehmen riet, leitete, emsig förderte“. Es entstand ein originelles achteckiges „Langhaus“, mit einem erhöhten Chor und der Sakristei an der Südseite. Zwei Emporen umschlossen den Altar, auf Stützsäulen, die gleichzeitig die flache Decke und das Dach trugen. Mehrere Treppen führten von außen zu den Logen der Honoratioren der Stadt. Später führte sogar ein überdeckter Gang vom Schloss, das zwischen 1663 und 1668 wiedererstand, direkt in die Fürstenloge. Im Gegensatz zum gotischen Hauptportal erhielten die Kirchenfenster eine schlichte rechteckige Form ohne jeglichen Zierat. Den Kirchenraum dagegen schmückten der auf Kosten des Hofsecretarius Johann Heinrich Winter errichtete Altar, die vom fürstlichen Amtsverwalter Tobias Seifardt gestiftete Kanzel und der Taufstein, den der Schösser auf der Leuchtenburg, Samuel Ebart, der Kirche verehrte. Die Kirchenweihe erfolgte zu Weihnachten 1655. Für eine Orgel musste die Kirchgemeinde allerdings noch einige Jahre sammeln, unterstützt durch Kollekten aus Eisenberg, Orlamünde und Saalfeld, bis 1672 der Zwickauer Orgelbauer Georg Lorenz Leube das Instrument einbauen konnte. Leider gab es nicht nur edle Spender sondern auch Diebe. Jedenfalls stahlen derart ruchlose Gesellen 1677 das gesamte Altargerät. Demzufolge „... mit Meister Adam Schmieden Bürgern und Schlößern zu Jena ein Gedinge getroffen, wegen eines neuen eisernen Kastens in das Gotteshaus alhier zum neuen Ornat zu schaffen, von guten, starken, tüchtigen Blechen...“ Der eiserne Kasten hielt tatsächlich späteren Einbrechern stand, die so nur Altartücher, Fenstervorhänge und Bücher mitgehen lassen konnten. Die drei Glocken ließ die Gemeinde nach dem Brand unter Verwendung des geschmolzenen Metalls neu gießen. Sie erhielten ihren Platz wieder in einem Glockenhaus neben der Kirche, weil für einen Kirchturm nicht genug Geld in die 1690 angelegte Turmbaukasse kam. Dieses „Provisorium“ hielt sich bis heute. Auch die Schlacht bei Jena und Auerstedt ging nicht spurlos an Roda vorbei. „St. Salvator“ diente der Unterbringung von 2500 gefangenen Preußen. Sie hinterließen eine total demolierte Kirche mit

zerschlagenen Fenstern. Da sich mit der Zeit die Dachstützung des Kirchenschiffs als unsicher erwies, kamen neben dem Mittelpfeiler zusätzlich zwei seitliche zum Tragen. Gleichzeitig erfuhr das Innere der Kirche eine gründliche Renovierung, die auch die noch von der Truppenunterbringung 1806 verbliebenen Schäden behob. Die Orgel, ursprünglich 1799 als sein größtes Werk vom Rodaer Orgelbauer Christian Friedrich Poppe gebaut, restaurierte der Familienbetrieb Poppe 1869, bevor sie 1938 die Dresdener Gebrüder Jehmlich unter Verwendung alter Register im alten Barockgehäuse erneuerten und 1962 sowie 1968 Jehmlich und Gerhard Kirchner sie in den heutigen Stand setzten. Ein 1883 gegründeter Kirchenbauverein wollte „an Stelle des jetzigen unschönen Kirchengebäudes eine ‚liebliche Wohnung des Herrn Zebaoth’ errichten“. Es kam zwar eine beträchtliche Summe zusammen, doch es reichte nur für weitere Renovierungsarbeiten. Die verhinderte zunächst der Erste Weltkrieg. Dem fiel zu allem Übel und zu Rüstungszwecken auch noch die große Bronzeglocke zum Opfer. Nach Krieg und Inflation konnte die Apoldaer Firma Schilling sie durch zwei Klangstahlglocken ersetzen. Die verbliebenen Bronzeglocken wurden während des Zweiten Weltkrieg zu Rüstungszwecken konfisziert. Ihr heutiges Aussehen verdankt St. Salvator planwirtschaftlich langwierigen Umbaumaßnahmen von 1962 bis 1968 zu einem im reformatorischen Sinne schlicht und licht gestalteter Andachtsraum. „Mein Blick fällt stets zuerst auf die schöne barocke Kanzel. Moses mit den Gesetzestafeln trägt wie ein ‚Stamm’-Vater den christlichen Glauben. Die Propheten darüber verbreiteten ihn einst, der lebendige Pfarrer verkündet ihn aktuell von der Kanzel und über allem hält der Heiland die Welt in seinen Händen“, beschreibt Pfarrer Tobias Steinke, Seelsorger der Kirchgemeinde, seine Gedanken beim Eintritt in das Gotteshaus. Sicher wandert dann sein Blick zum Altar mit dem 420 Jahre alten Kruzifix aus der Kirche von Culmitzsch, einem sächsischen Dorf, das der Braunkohle weichen musste. Es entfaltet im Gegenlicht der Morgensonne oder bei der abendlichen Beleuchtung eine ganz besondere Aura. An einem guten Ort der Besinnung.

Evangelisch-lutherisches Pfarramt Kirchweg 16 · 07646 Stadtroda · Telefon 03 64 28/6 20 17 kirche-stadtroda@online.de · www.kirche-stadtroda.de 30


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