Die Kirche zu Schöngleina Ein paar verwitterte Grabsteine lehnen außen an der nördlichen Kirchenwand. Einer zeigt das Relief eines Ritters in voller Rüstung: Georg Friedrich, den letzten männlichen Spross aus dem Geschlecht derer von Lichtenhain. Er starb 1655 und mit ihm die männliche Linie der Lichtenhainer, die einst als Vasallen der Herren von Lobdeburg, dann der Grafen von Weimar-Orlamünde und schließlich des ernestinischen Kurfürsten Johann Friedrich I. seit 1341 auf dem Rittergut in Gleina saßen. Hier am Ort ließen die Lobdeburger bereits zwei Jahrhunderte zuvor eine Burg bauen, befestigt mit Gräben und Wällen. Einer der einst fünf Türme existiert noch als Ruine. Das Gut ging nach Georg Friedrichs Tod an die Freiherren von Brand. Später entstand aus dem Gut ein Schloss mit Parkanlagen. Der letzte adelige Besitzer, der nach dem Ersten Weltkrieg entthronte Herzog Ernst II. von Sachsen-Altenburg, übereignete es 1936 der Carl-Zeiss-Stiftung. Die einstige Domäne der Lobdeburger wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Bodenreform volkseigenes Staatsgut. Eine urkundliche Erwähnung und Reste romanischer Baukunst deuten darauf hin, dass mindestens seit 1228 in „Glyna“ eine Kapelle stand. Unter dem Patronat der Lichtenhainer diente sie als Pfarrkirche. Die Patrone ließen sie im gotischen Stil umbauen. Der polygonale Chor mit dem Sterngewölbe stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, wie auch das Mauerwerk des Langhauses. Die Bauleute verwendeten dafür noch erhaltene Mauerpartien und Sandsteinquader des Vorgängerbaus. Eine Inschrift in der Kirche datiert mit „ANNO DOMINI 1610 DEN 26 APRILIS HADT DURCH HULFE GOTTES DER EDLE GESTRENGE UND EHRNFESTE VALTEN VON LICHTENHAIN DIESE KIRCHE ZU BAUEN ANGEFANGEN“ den umfassenden Umbau der Kirche durch Valentin von Lichtenhain. Der Dachstuhl mit dem aufgesetzten westlichen Dachreiter entstand. Die Dachkonstruktion weist darauf hin, dass sich noch ein kleinerer über dem Chor befand. An der Südseite entstanden der zweigeschossige Anbau für die Patronatsloge, die zwei flachbogige Durchbrüche mit dem Inneren des Kirchenschiffs verbindet, und der Treppenturm als Zugang dazu, sowie zum Glockenturm. Im Inneren des Kirchenschiffs ließen die Bauherren einen Triumphbo-
gen zwischen Chor und Langhaus errichten und die gotischen Fenster im Chor erneuern. Ornamentale, künstlerisch originelle, in Secco-Malerei ausgeführte florale und figürliche Motive schmückten Triumphbogen und Chor. Bereits 1743 erforderte die Baufälligkeit des Gotteshauses seine grundlegende Erneuerung. Die dreigeschossige Empore wurde eingebaut und ein Zugang vom Gutshaus direkt in das Obergeschoss des Treppenturmes zur Patronatsloge errichtet. Die Familie von Brand hatte wohl nicht viel gemein mit der „gemeinen“ Gemeinde. Aus dieser Zeit stammt auch der prächtige Kanzelaltar, der Elemente der Spätrenaissance und des Barock vereint und heute nach langer Auslagerung im kirchlichen Kunstgutarchiv Apolda wieder den Chor schmückt. Umschwebt von fünf Engeln im Chorhimmel und gekrönt von der erst vor kurzem restaurierten Christusfigur. „Fast in alter Pracht“, freut sich Herbert Großwendt, langjähriger Kirchenältester, „leider fehlen in den Nischen die Statuetten des Christus und der Apostel. Der Altar steht jetzt im Zentrum des Chores. Früher stand er vermutlich zu ebener Erde auf der linken Seite, im Blickfeld der Patronatsloge. Die beiden Engel des Prospekts der ursprünglichen Orgel fanden sich wieder an, als ein auswärtiger Pfarrer sie einem Antiquitätenhändler anbot. Er hatte sie ‚sichergestellt’, als die Orgel selbst wegen der Einsturzgefahr der Kirche nach Dornheim kam.“ Der Pfarrer wurde suspendiert. Die beiden Engel restaurierte der passionierte Rabiser Holzschnitzer Klaus Biedermann. „1991 stand an der Pforte direkt zum Chorraum ein Schild: ’Betreten verboten. Einsturzgefahr!’. Der Turm stand schief, die Decke war herunter gebrochen, mutwillige Zerstörung tat ein Übriges. Die Pfarrerstelle war vakant, die Kirche, zu DDR-Zeiten stark vernachlässigt, stand zum Verkauf“, erinnert sich die Architektin Christine Biedermann. „Für mich war es unerträglich, zuzusehen, wie ein Bauwerk mit solcher Geschichte verfällt. Da schrieb ich an den ‚Förderkreis alte Kirchen‘, stellte einen Antrag auf Notsicherung und beantragte einen Zuschuss zur Erhaltung denkmalgeschützter Objekte im Landkreis Stadtroda. Am 1. September 1993 erhielten wir vom Kreis 4000 DM. Die Gemeinde Schöngleina legte noch 10 000 DM drauf und half mit tüchtigen ABM-Leuten bei den Aufräumungsarbei-
ten. Der Schutt lag in der Kirche meterhoch. Eine Kahlaer Firma führte die dringendsten Sicherungsmaßnahmen aus. So ermutigt, gründeten wir am 2.11.1994 den ‚Verein zur Rettung der Kirche zu Schöngleina’. Der neue Pfarrer Stephan Elsässer gehörte dazu, Bürgermeister Hans-Joachim Schwarz, Gerd Klapetz, Herbert Großwendt, Siegfried HollandMoritz und Horst Neubert. Zwanzig Leute aus Schöngleina und den umliegenden Städten und Dörfern.“ Christine Biedermann hebt auch wohlwollende Unterstützung von außen hervor. Vom Landeskonservator Professor Rudolf Zießler im Thüringer Landesamt für Denkmalpflege, der deutlich machte, dass unter seiner Ägide keine Kirche in Thüringen verfällt und in diesem Sinne wirkte. Von Jörg Schindewolf aus der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises kam die wertvollste Anregung: „Beantragt Fördermittel, beantragt Fördermittel! Bei den höchsten Stellen. Dann ziehen die auf Landesebene bestimmt nach.“ Ein langer, beschwerlicher Weg folgte, mit höchst erfreulichen Ergebnissen. Nach der Sicherung des Dachstuhls und der Abnahme des Turmes begannen 1997 die planmäßigen Sanierungsarbeiten. Nun auch durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler und die Evangelische Kirche Thüringens unterstützt. Die Kirchgemeinde selbst trug mit regelmäßigen Kulturveranstaltungen zur Finanzierung bei. Viele Freunde der „Restaurationsbewegung“ spendeten dafür. „Da schwebt er nach oben, seinem höchsten Dienstherren ein paar Meter näher...“, meinte ein Zuschauer, als der Kran am 10. September 2000 Pfarrer Elsässer zur Spitze des neu aufgesetzten Turmes hob, gemeinsam mit dem Schöngleinaer Schmied Dietger Schraepel, der den Turmknopf montierte. Vorläufiger Höhepunkt der denkwürdigen Rettung eines Kirchenschatzes, für die die Gemeinde Schöngleina 2003 den Thüringischen Denkmalschutzpreis erhielt. Wenn der Verein Fördermittel erhielt, sprachen Christine Biedermann und Pfarrer Elsässer gern von den „Wundern der Kirche Schöngleina“. Wunder ja, aber eben mit bedeutender Selbstbeteiligung. Einiges bleibt noch zu tun. Weitere Wunder und jegliche, auch noch so kleine Unterstützungen sind da sehr willkommen.
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