Kirchenschätze

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Die Kirche in Kleinbucha „Wachet auf – ruft uns die Stimme“, in diesem Falle die Stimme der kleinen Barockorgel im Dorfkirchlein zu Kleinbucha. Pfarrer Dr. Wolfgang Freund erklomm die schmale Treppe zur Orgelempore, zog alle Register und intonierte einige Sequenzen des Chorals. Heller Klang, mit sonoren dunklen Tönen untermalt, erfüllte das kleine Kirchenschiff. „Diese Orgel macht süchtig mit ihren klaren Stimmen. Vielleicht ist es auch das Gefühl, auf einem kostbaren, weil seltenen Instrument zu musizieren. Das Werk eines unbekannten, offenbar meisterhaften Orgelbauers stammt vermutlich aus dem frühen 18. Jahrhundert und blieb fast original erhalten. Die Kirchgemeinde erwarb es Anfang des 19. Jahrhunderts aus Zwabitz. Sie ließ es 1994 begutachten und der Orgelsachverständige der Landeskirche, Klaus Rilke, befand es als sehr interessantes Zeugnis des barocken Orgelbaus und denkmalswürdig. Infolge dessen erhielt die Saalfelder Orgelbauwerkstatt Rösel & Hercher den Auftrag, die Kleinbuchaer Barockorgel denkmalgerecht zu restaurieren. Die Hoffnung auf finanzielle Unterstützung erfüllte sich nach beharrlich gestellten Anträgen an Landeskirche und Landesamt für Denkmalpflege. Die Kirchgemeinde selbst sammelte dafür 5100 DM ein. Die Orgel steht frei auf der Empore, wie sie vermutlich einst frei in einem herrschaftlichen Hause stand. Darauf deutet zumindest das allseitige barocke Schnitzwerk, auch auf der Rückseite, hin. Über die endgültige Fertigstellung erzählt Pfarrer Freund eine erfreuliche Episode: „Die Förderquellen versiegten um 2000. Es fehlten aber noch 7000 Mark, respektive 3500 €. Davon erfuhren ‚die Studenten’, einstige Kommilitonen an der Uni Jena, inzwischen honorige Professoren und Doktoren um die Sechzig, die sich seit 40 Jahren regelmäßig an einem Wochenende im Juli in Kleinbucha treffen, hier wandern, zechen und im Dorfteich baden. Spontan beschlossen sie eine Hilfsaktion und spendeten 3600 €, sodass wir sogar noch einen Motor für das Gebläse einbauen konnten.“ Ebenfalls um das Jahr 2000 fanden nun die vom Landesamt für Denkmalpflege mit der bauarchäologischen Erkundung beauftragten Weimarer Restauratoren Michael Matz und Partner heraus, dass es sich bei der Kirche selbst um einen historischen Schatz handelt: Um eine in ihrer Bausubstanz weitgehend erhalten geblie-

bene romanische Saalkirche. Bisher wiesen darauf die halbkreisförmige Apsis und der Triumphbogen im Inneren der Kirche hin. In ihren jüngsten Befunden identifizierten die Weimarer nun auch den Saal anhand der Art und Weise seiner Aufführung als romanisches Gemäuer. Aus welcher Zeit es ursprünglich stammt? In ihrer jetzigen Gestalt entstand die Kirche jedenfalls im Jahre 1768. Diese Jahreszahl hinterließen die Maurer im Putz der Fensternischen. All diese interessanten Erkenntnisse führten allerdings zunächst nicht dazu, dass spontan freistaatliche Quellen sprudelten, um eine Restaurierung der Kirche zu fördern. Die nahm die Kirchgemeinde, wie bei der Orgel, erst einmal selbst in die Hände, finanziell unterstützt durch die Horst-Minihold-Stiftung und die Landeskirche. Die Wände wurden frisch verputzt, hucklig und bucklig wie einst, die Bodenplatten im Altarraum neu verlegt, das morsche Podest für das Gestühl erneuert und das Gotteshaus erstmals elektrifiziert. In einem zweiten Bauabschnitt erhielten die umlaufende Empore, die Kanzel hoch über dem Altar und die Decke ihre ursprüngliche, arg verblichene naive Blumenbemalung im „Bauernbarock“ wieder farbenfroh aufgefrischt und verleihen dem Saal so eine Atmosphäre heiterer, andachtsvoller Intimität. Von besonderem Glanze, wenn ihn der prachtvolle Kronleuchter erhellt. Auch um ihn rankt sich eine Geschichte: Gerhard Backert, einer der sich für die Kirche engagierenden Kleinbuchaer, erhielt zum Siebzigsten von seinem künstlerisch ambitionierten Bruder einen geschnitzten Leuchter geschenkt. Der gefiel ihm so gut, dass er auf die Idee kam, Bruder Wilfried, gelernter Maschinenbauschlosser, könnte einen Lüster für die Kirche „schmieden“. Für Wilfried, der mit seiner Familie seit 1960 im bayerischen Weilbach lebt, Kleinbucha aber von früher und von späteren Besuchen kannte, eine echte Herausforderung. 1000 Stunden und 1000 DM wendete er für Entwurf und Fertigstellung seines größten Kunstwerks auf und stiftete es für die Kirchgemeinde. Aber für eine romanische Saalkirche ...? Die Denkmalbehörde drückte zu Gunsten der gelungenen, mit Herzblut verrichteten Arbeit ein Auge zu. Jedenfalls erstrahlt der Kronleuchter aus glänzendem Kupfer und glitzerndem Kristallglas in voller Pracht, ganz besonders zur Weihnachts-

zeit. Zu seiner Einweihung Weinachten 2002 wünschten sich Wilfried Backert und seine Frau Charlotte das Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“, gespielt auf der Barockorgel. Und sie bekamen auch die vom Pfarrer versprochene echte Thüringer Bratwurst. Im hölzernen Glockenstuhl des Kirchturms mit dem Zeltdach hängen zwei Glocken. Die größere wurde im Jahre 1400 gegossen und trägt die Inschrift „Ave Maria gracia plena dominus tecum – Gegrüßet seiest Du, gnadenvolle Maria, der Herr ist mit Dir“. Auf der kleineren gibt es keine Widmung, dafür eine lustige Legende über sie. Eines Tages ging nämlich beim Läuten ihr Klöppel verloren. Man vermutete, er sei durch die Turmluke hinaus geschleudert worden, auf den Erdboden gefallen und, da er dort nicht lag, ins Erdreich eingedrungen. Die Kleinbuchaer gruben danach und gruben – eine tiefe Grube vor der Kirche. Den Klöppel fanden sie nicht. Die Grube jedoch füllte sich mit Wasser. So entstand der Dorfteich, in den heute noch ‚die Studenten’ baden gehen. Viel später entdeckten sie den Klöppel im Turm. Er war in den dichten Spinnweben hängen geblieben. Wer über die schmale Stiege und eine Leiter in den Turm steigt, kann ihn sich ansehen. Die dichten Spinnweben auch. Kleinbucha mit seinen 60 Einwohnern liegt am Dehnabach, knapp drei Kilometer oberhalb von Dienstädt. „Im Schatten“ dieses durch seine Dorfkirche und deren wunderschönen spätgotischen Schnitzaltar weithin bekannten Dorfes. Darin liegt aber für das kleinere Nachbardorf und seine romanische Kirche mit ihren besonderen „Schätzen“ auch eine Chance. Denn der kurze Weg dahin, knapp drei Kilometer den idyllischen Dehnagrund aufwärts, zwischen mit Buchen, Fichten und Kiefern bewaldeten Höhen, lohnt sich nach ihrer so sorgfältigen inneren Wiederherstellung. Pfarrer Dr. Freund klopft außen mit dem Knöchel behutsam auf den Putz. Es klingt hohl. Ja, die Fassade – es gibt immer noch viel zu tun.

Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde Kleinbucha · Evangelisch-lutherisches Pfarramt Orlamünde Burgstraße 65, 07768 Orlamünde · Telefon: 0 364 23/2 24 03 pfarrer.freund@web.de 20


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