Die Kirche »St. Margarethen« in Kahla „Kahle“ duckt sich im Tale der Saale vor dem romantischen Panorama dreier Berge: dem Lichtenberg mit der Leuchtenburg, der Königin des Saaletals, dem Pfaffenstein und dem Dohlenstein mit seiner etwas unheimlichen Steilwand. Hier siedelten schon vor mehr als 3000 Jahren die Vorfahren der Kahlaer, die ein paar Hundert Jahre später bereits mit Töpferscheiben töpferten. Bis heute setzt die Porzellanfabrik diese Keramikertradition mit Porzellinern fort. Die heutige Stadt Kahla entstand um die Burg der Herren von Cal herum. Ihre älteste bekannte urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1184, der Name Cala wohl von den kahlen Kalkbergen. Der Platz an der Stadtkirche St. Margarethen heißt heute noch „Die Burg“. Der Turm der Kirche, mit der hohen schlanken Turmspitze, flankiert von vier Ecktürmchen, überragt, neben dem erheblich jüngeren Schlot der Porzellanfabrik, seit 1495 die Silhouette der Stadt. Ihre Vorgängerin, vermutlich schon mit der einstigen Burg zusammen erbaut, fiel 1410 wie diese und Teile der Stadt einem verheerenden Brand zum Opfer. Wahrscheinlich war auch sie bereits der Heiligen Margarethe geweiht, einer der vierzehn Nothelferinnen. Der Legende nach lebte die schöne Schäferin zur Zeit der Christenverfolgung durch Kaiser Diokletian in Antiochia in Pisinien. Der heidnische Stadtpräfekt Olybrius begehrte sie zur Frau. Als Christin verweigerte sich ihm Margarethe, worauf er sie voller Wut martern und in den Kerker werfen ließ. Dort wollte ihr der Teufel in Gestalt eines Drachens Gewalt antun. Mit dem Kreuzzeichen tötete sie ihn. Der verschmähte Olybrius ließ sie enthaupten. Auf dem Weg zur Richtstätte betete sie für Frauen in Kindesnöten. Sie gilt seitdem als Nothelferin der Schwangeren. Ihr Bildnis ziert das Kahlaer Wappen und als Relief das Rathaus der Stadt. Eine Tafel am Turm bezeugt, dass die Kahlaer bereits „im Jahre des Herrn 1411 am Sonnabend nach Ostern“ begannen, ihr Gotteshaus wieder aufzubauen. Zwei Jahre später stand der Turm, aber erst 1495 erhielt er einen Helm. Eine Besonderheit des Kirchenbaus besteht darin, dass der 1462 fertiggestellte Chor sich auf eine „Cavata“ stützt, die als offenes gotisches Kreuzgewölbe das abfallende Gelände ausgleicht. 1906 ummauert, diente der Raum als Sakristei. Jetzt finden hier vielerlei kirchlichen Veranstaltungen statt.
Für den Einbau einer dritten Empore und einer Orgel wurde das Schiff zwischen 1791 und 1793 um dreieinhalb Meter erhöht. Die Orgel baute 1796 der Milbitzer Orgelbauer Johann Andreas Schulze. Bei ihrem letzten Umbau 1962 blieben noch einige Register des ursprünglichen Werkes erhalten. Zurzeit kaum noch bespielbar, entschloss sich die Gemeinde, ein neues Instrument zu beschaffen und sammelt dafür Geld. „Die Kirche besaß bereits 1496 eine Orgel. Im gleichen Jahr erblickte hier Johann Blankenmüller das Licht der Welt, später als Johann Walter der ‚Ur-Kantor der evangelischen Kirche‘, ein bedeutender Kirchenmusiker und Komponist, der als Freund und Berater Luthers viele Texte des Reformators vertonte. Johann Walter ist aus der evangelischen Kirchenmusik nicht wegzudenken, geschweige denn aus der Kahlas. Die neue Orgel soll ihm als ‚Johann-Walter-Orgel‘ ein Denkmal setzen“, erhellt die Kirchenälteste Maren Hellbig das kirchenmusikalische Geschehen zur Reformationszeit und heute. Bei der Sprengung der Saalebrücke gegen Ende des Zweiten Weltkrieges beschädigte die Druckwelle auch die Kirche. Das machte umfangreiche Instandsetzungen erforderlich. Dabei riss man die dritte Empore wieder ab, verkürzte die beiden verbleibenden und verglaste die Fenster modern farbig. Die Orgel vor den Westfenstern verdüstert den Kirchenraum. Das soll sich mit der neuen ändern. Zu den „inneren“ Schätzen der „fledermausfreundlichen“ Kirche gehört, neben diesen Flattertieren im Turm, als ältestes Kunstwerk der romanische Taufstein aus dem 12. Jahrhundert. Das steinerne Stehpult, Teil einer Renaissancekanzel aus dem Jahre 1554, stand bis 1955 in der Kahlaer Kirche St. Nikolaus und zeigt zwischen Tod und wiederauferstandenem Christus den Sündenfall im Paradiese. Der verschmitzte Schnitzer fand, dass mindestens in einem der Äpfel am Baume der Erkenntnis der Wurm drin sein muss und setzte der „bösen“ Schlange eine Krone auf. Die Barockkanzel von 1615 an der Südwand, mit Bildnissen von Christus, Johannes, Moses und einem Propheten (?), dazu Johannes und Lukas auf der Treppenwange, ergänzt das historische sakrale Inventar. Besondere Erwähnung verdient das seltene, denkmalgeschützte Vierergeläut im Kirchturm. Die kleinste und älteste Glo-
cke „Rex Gloriae“ ließen die Kahlaer 1415 kurz nach dem Stadtbrand gießen. Die „Benigna“ goss 1470 vermutlich der Glockengießer Hans Sindermann in Erfurt, die „Maria“ (anno 1516) und „Concordia“ (1509, 1920 kg !) Heinrich Ciegeler ebendort. Kalligrafisch und ornamental prächtig gestaltet, überstanden alle wie durch ein Wunder alle Kriege unversehrt. Dazu trug auch der erste evangelische Kantor an der Stadtkirche bei: Als der im Schmalkaldischen Krieg siegreiche Kaiser Karl V. 1547 nach Kahla kam, überzeugte ihn Peter Schmitzerling mit einer eindringlichen Stegreifrede und bewahrte die Stadt vor Plünderung und Brandschatzung durch Herzog Albas Söldner. Der Landesherr Kurfürst Johann Friedrich I., Gefangener im Tross des Kaisers, betete damals in St. Margarethen. 1552 nach seiner Gefangenschaft wieder in Kahla, huldigte ihm der Kantor mit einer eigenen Komposition. Seiner gewaltigen Leibesfülle wegen nagelten Kahlaer Handwerker zwei Stühle für ihren Fürsten zusammen. Luther predigte schon 1524 in St. Margarethen, gegen die Bilderstürmerei und gegen die murrenden Protestanten, die dem in Orlamünde radikal missionierenden Luther-Kontrahenten Karlstadt nahestanden. „Von Pfingsten bis zum Erntedank halten wir unsere Kirche offen. Täglich von 11 bis 13 Uhr. Außer den Gottesdiensten finden regelmäßig Konzerte statt. Meist zwei im Monat. Im September 2011 feierten wir den 600jährigen Baubeginn und 2012 steht unter dem Motto ‚Reformation und Musik‘. Wir erwarten dazu viele prominente Mitwirkende. Gerhard Schöne kommt bestimmt. Natürlich singt unsere seit 60 Jahren bestehende ‚Johann-Walter-Kantorei‘, dazu unser Kinder- und Jugendchor und das ‚Kollegium voKahle‘“, freut sich Pfarrer Matthias Schubert über die „lebendige“ Kirche.
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