Kirchenschätze

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Die Kirche »St. Salvator« in Hermsdorf Vorzeiten, wohl um das Jahr 1150, kamen Siedler aus Franken ins „Holzland“. Neben ihren Holzhütten errichteten sie auch eine Kirche, klein aber wehrhaft, als „Fluchtburg“ zum Schutze vor den benachbarten Sorben oder vagabundierendem Raubgesindel geeignet, vermutlich wie im Fränkischen üblich, mit massivem Turm, hochgelegenen Fenstern und durch Palisaden geschützt. Schriftliche Zeugnisse, wie die Kirche aussah, liefert allerdings erst ein Kirchenrechnungsbuch aus dem Jahre 1588. Demnach war das Fachwerk des oberen Teils des Turmes mit Schiefer beschlagen und das Dach mit Ziegeln gedeckt. Drei bronzene Glocken und eine neue Kirchturmuhr deuten auf eine wohlhabende Gemeinde hin, die zudem stetig wuchs. Um 1600 auf 200 Seelen. Für so viele wurde es im Kirchenraum zu eng. Der Einbau einer Empore schuf zunächst Platz, doch bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg bedurfte es einer zweiten. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts verdoppelte sich die Zahl der Einwohner Hermsdorfs. Dazu pilgerten noch die aus den benachbarten Gemeinden Oberndorf und Reichenbach zu Bußgottesdiensten und Kirchenfesten hierher. Pfarrer und Gemeinde beklagten gegenüber ihrem Landesherrn, dass es für die Gläubigen oft nicht genügend Stehplätze in der Kirche gäbe, sie sogar draußen auf dem Kirchhof oder im „Leichenhäuslein“ stehen müssten, und dass es bei trübem Wetter auf den „Weiberplätzen“ zu dunkel sei, um die Texte lesen zu können. Sie ersuchten ihn beharrlich, anstelle des inzwischen auch sichtlich baufälligen Kirchleins den Bau einer größeren Kirche zu genehmigen. Die dafür nötigen 2000 Gulden wollten sie aus Rücklagen, durch Holzverkauf und Verwendung von Holz aus dem Kirchenwald aufbringen und Abbruchmaterial nutzen, sowie Frondienste leisten. Wie auch in späterer Zeit schafften die rührigen Hermsdorfer vollendete Tatsachen schon vor einer endgültigen Entscheidung und rissen die alte Kirche ein. Die Genehmigung durch das Konsistorium erfolgte prompt, die Grundsteinlegung am 6. Mai 1732 und bereits am 1. Advent des gleichen Jahres die Weihe des neuen Gotteshauses. Der golden glänzende Knopf mit dem Stern über der Wetterfahne ziert seit dem 3. März 1733 den Turm. Von der alten Kirche verblieben das von einem unbekannten Künstler

im 15. Jahrhundert geschaffene Kruzifix, die drei Bronzeglocken und die Turmuhr. In den Folgejahren entstanden von der Hand des Eisenberger Malers Schildbach Deckenmalereien und Bilder entlang der Emporen. Zeitgemäß im Rokokostil, fantastisch plastisch in Grisaille-Technik gemalt, adaptierte er sinnbildliche Motive aus der damals verbreiteten Merian-Bibel, stellte den „St. Salvator“ – den Heiligen Erlöser Christus, seine Apostel und die Propheten dar. Der Reformator Dr. Martin Luther, in der Hand die aufgeschlagene Bibel, dominiert die Kirchendecke. Kaum hatte sich die Gemeinde finanziell vom Kirchenbau halbwegs erholt, leistete sie sich 1750 die erste kleine Orgel. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erwies sich in Folge des industriellen Aufschwungs Hermsdorfs durch den Bau der Eisenbahnstrecke und die Porzellanfabrik das Kirchengebäude erneut als zu klein. Ein dem Zeitgeschmack entsprechender neugotischer Anbau vor dem Portal schaffte Abhilfe und gleichzeitig Platz für eine neue Orgel, gebaut von den Gebrüdern Poppe in Roda und 1885 eingeweiht. Erstmalig sorgten auch zwei große eiserne Öfen in der Kirche für Wärme an kalten Tagen. Leider zogen die Schornsteine schlecht, die Öfen qualmten und verrußten im Laufe der Jahre die Gemälde an Decke und Emporen total, die Farben blätterten ab, so dass sich der Kirchenvorstand 1922 veranlasst sah, sie grundlegend restaurieren zu lassen. Weitere grundlegende bauliche Veränderungen erfolgten 1973 bis 1975, um für die Gemeindearbeit, für die Christenlehre, fürs Musizieren, für Kirchenbüro und Friedhofsverwaltung dringend benötigte Räume zu schaffen. Baumaßnahmen außerhalb der Kirche genehmigten die Behörden dafür nicht, aber mit Zustimmung des Instituts für Denkmalpflege und des Kreiskirchenamtes Weimar fand sich eine Lösung durch eine Zwischendecke in Höhe der ersten Empore. Mit Bedacht auf die wertvollen Gemälde, die fast vollzählig erhalten blieben. Die Kanzel musste allerdings einem Lesepult weichen, der Altar einer einfachen Mensa, aber das mittelalterliche Kruzifix erfüllt mit seiner Ausstrahlung den schlichten Altarraum bis heute. Die nun geringere Höhe des Kirchenraumes wirkt vielleicht weniger Ehrfurcht gebietend, schafft aber eine heimeligere, keinesfalls weniger andachtsvolle Atmosphäre.

Für das rege musikalische Geschehen in der Kirche wünschte sich die Gemeinde schon lange eine neue Orgel. Die Poppe-Orgel erhielt in den 60er Jahren eine pneumatische Steuerung. Deren bis zu fünf Meter lange Schläuche verursachten einen deutlichen Zeitverzug zwischen Anschlag und Ton, der den Organisten sehr missfiel. Als dann eines Tages 1980 der Weimarer Professor Johannes Ernst Köhler das Instrument in einem Brief an die Denkmalbehörde kategorisch für unbespielbar und nicht erhaltenswert erklärte, konnte sie 1982 ein neues bei der Orgelbaufirma Sauer in Frankfurt an der Oder bestellen. Es sollte 133 TM kosten – Mark der DDR. Durch unzählige Bastelabende und regelmäßige „Orgelbasare“ kamen, auch dank spendenfreudiger Gemeindeglieder und Orgelenthusiasten, bis 1987 bereits mehr als 100 TM zusammen. Eigentlich sollte die Orgel erst 1992 kommen, doch der langjährige, viel zu früh verstorbene Kantor, Kirchenmusikdirektor Hubertus Merker handelte einen früheren Termin aus. Es klappte, weil ein polnischer Kunde auf seine bestellte Orgel verzichten musste. Glück für die Hermsdorfer. Doppeltes Glück im Nachhinein, denn 1992 hätten sie für diese Orgel 450 TDM zahlen müssen und das nicht gekonnt. Im März zur Probe gespielt, für gut befunden, abgebaut, in Kisten verpackt und auf einen LKW verladen, stand sie glücklicherweise in der Nacht auf dem Platz des VEB Kraftverkehr, als ein Schornstein auf die Werkstatthalle der Firma Sauer fiel und sie vollkommen zertrümmerte. Ein Wunder. Ein kleines auch, dass beim letzten Basar vor der Grenzöffnung noch einmal eine extra große „Orgelkollekte“ von rund 8000 Mark eingesammelt werden konnte. Zu den ideellen Schätzen in der Kirche gehört das rege musikalische Leben. Seit 1985 gibt es die „Musikalische Woche“ mit jeweils sieben Veranstaltungen „höherer Ordnung“. Unterm Dach der Gemeinde musizieren Vorschulkinderchor, Kinderchor, Posaunenchor, Sing- und Instrumentalkreis und seit 1979 der Ökumenische Chor. Der junge Kantor Every Zabel leitet jetzt das Ganze, Frau Annelies Merker im Hintergrund. Die Glocken vom Turm der Kirche „St. Salvator“ läuten mit eisernem Klang. Die bronzenen dienten eingeschmolzen im 1. Weltkrieg unfriedlichen Zwecken.

Evangelisch-lutherische Kirchgemeinde Alte Regensburger Straße 18 · 07629 Hermsdorf · Kirchbüro · Telefon 03 66 01/93 99 44 ev-kirchgemeinde-hermsdorf@web.de 18


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