Die Kirche »St. Jacobus« in Dornburg Wie im Dornröschenschlaf liegt das Städtchen Dornburg auf dem Sporn einer Hochebene links des Saaletals. Verborgen hinter seinen in Deutschland als Ensemble einzigartigen drei Schlössern. Ein früherer Hofgärtner erteilte jedem danach Fragenden die Auskunft: „Dornburg lät an enner dummen Ecke.” Weithin sichtbar dagegen stehen aufgereiht an der steilen Abbruchkante eines Muschelkalkfelsens das neugotische „Alte Schloss“, wo schon im 10. Jahrhundert eine romanische Burg und Kaiserpfalz aufragte, daneben das vom letzten adligen Schlossherrn Ernst August I. von Sachsen erbaute Rokokoschlösschen. Einen Katzensprung weiter das Renaissanceschloss, ursprünglich Herrenhaus eines der Burglehenshöfe. Richtig erwacht Dornburg, wenn an sonnigen Tagen Hunderte Besucher durch die idyllischen Schlossgärten „lustwandeln“, Tausende, wenn die Rosen blühen und während des alljährlichen Rosenfestes die Rosenkönigin residiert. Der mächtige Bergfried mit der kirchenartigen Laternenkuppel überragt das Schlösserpanorama. Die Kirche der Stadt versteckt sich dahinter. Die erste dem Apostel Jacobus geweihte Pfarrkirche entstand 1589 auf den Grundmauern der zur Burg gehörenden Pfalzkapelle. Als die Stadt, die nach einem verheerenden Brand der „Altstadt“ im Jahre 1353 in der Nähe der Burg neu aufgebaut worden war, am 9. Juli 1717 erneut niederbrannte, wurde mit ihr auch die Kirche in ihrer heutigen barocken Gestalt wieder errichtet. Zum Pfingstfest 1718 fand der erste Gottesdienst im neuen Gotteshaus statt. Auch das Pfarrhaus und der Ratskeller am Markt entstanden damals und überdauerten die Zeitläufte bis heute. Der stets offene nördliche Seiteneingang führt in ein lichtes, drei Emporen hohes Kirchenschiff. Durch die Fenster des polygonen Altarraumes wirft das Morgenlicht Sonnenflecken auf die weißen Wände. Die bunten Farben der Osterglocken, Narzissen und Tulpen auf dem Altar glühen gleichsam als Zeichen der Wiederauferstehung. Ein Pfauenauge gaukelt darüber hin. Der barocke Altar und der dazu passende Taufstein stammen aus einer Apoldaer Kirche. Die sonst schmucklosen Wände beleben vorübergehend bunte Plakate von Amnesty International, die die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte kindgemäß illustrieren. Ein Zet-
tel über einer Spendenbox am Ausgang wirbt: „Wir benötigen noch 50 000 € für die Restarbeiten zur Restauration.“ Zu den bemerkenswerten Schätzen der Kirchgemeinde gehören ein kunstvoller Abendmahlskelch und eine goldene Kanne. Beides Nürnberger Arbeiten aus dem 16. Jahrhundert. Um den Kelch rankt sich die legendäre Geschichte vom „Kroatensturz“: Die Weimarer Herzogin Anna Maria lebte während des Dreißigjährigen Krieges von 1612 bis zu ihrem Tode im Jahre 1643 in Dornburg. Im Verlaufe der Kriegshandlungen überfielen am 7. September 1631 kroatische Reiter das Dornburger Schloss. Als die Marodeure die Herzogin drangsalierten, sprangen ihr getreue, mit Musketen bewaffnete Bauern bei und trieben die Trunkenbolde in der Dunkelheit listig über die Felskante des Steilabsturzes. Als Dank für ihre Rettung stiftete die Dame den heute kunsthistorisch wertvollen Abendmahlskelch. Einen mindestens ebenso kostbaren Schatz stellt die Barockorgel auf der Westempore dar. Ein Meisterwerk Johann Christian Adam Gerhardts aus Dorndorf, des letzten Sprosses der bedeutenden Thüringer Orgelbauerfamilie. „Zum 1. Adventsonntag 1820 wurde die neugebaute hiesige Orgel in unserer Stadtkirche mittels feierlichen Gottesdienstes eingeweiht. Anlaß und Möglichkeit zur Orgelerneuerung gab die Schenkung des Kaufmanns Herzer“, berichtet dazu die Ortschronik. Eine Inschrift auf der Windlade weist sie als Vermächtnis der Brüder Augustin und Carl Herzer aus. Diese größte Gerhardt-Orgel, am originalen Standort und nahezu original erhalten, verknüpft in einzigartiger Weise die barocke und romantische Stilrichtung in der Klangwelt der Orgelbaukunst. Sie verfügt sowohl über die hellen, klaren Obertonregister, als auch über die ausgeprägt reichen Klangfarben, auch in den tieferen Tonlagen. Es erscheint im Nachhinein als Glücksfall, dass einige zwischen 1898 und 1971 geplante Restaurationen nicht zur Ausführung gelangten. Lediglich ihre Zinnpfeifen fielen 1917 der Kriegsrüstung zum Opfer. Den heutigen, sensibel restaurierten Zustand des Instruments stellte 1989 der VEB Potsdamer SchukeOrgelbau her. Der Innenraum der Kirche erfuhr 1898 eine umfassende Erneuerung, im damaligen Zeitgeschmack mit einer engelreichen Deckenbemalung. Die nächste
nahm ihren Anfang mit einer Liebesgeschichte. Jutta Grünig, geboren in Quedlinburg, übersiedelte 1967 aus Westfalen nach Thüringen und heiratete Ernst Keppler, Professor und Leiter des Instituts für Pflanzenzüchtung an der Uni Jena. „Liebe kennt keinen Stacheldraht“, sagt sie. Sie sah sich in ihrer neuen Heimatstadt um, sah einen verwahrlosten alten Friedhof, kümmerte sich um die Aufräumarbeiten. Sah, dass es in die Kirche regnete, holte sich für die Kirchenrestaurierung die „volle ideelle Unterstützung“ von Altbischof Dr. Braecklein und Bischof Dr. Leich. Materielle gab es nicht. Da ging sie am Markt von Tür zu Tür und fragte die Leute, „ob sie ein paar Piepen dafür locker machen könnten“, wie sie es ausdrückt. „Ein besonders Wachsamer zinkte mich dafür bei der Staatssicherheit an. Ich sprach auf einer Synode mit Oberkirchenrat Manfred Stolpe über ein Schieferdach. Er fragte mich, ob ich Devisen hätte. Seine Frau arbeitete an der Uni, vielleicht bekamen wir deshalb den Schiefer aus Lehesten – ohne Westgeld. Das sammelte ich allerdings bei Freunden und Bekannten in Westfalen ein, um es hier eins zu sieben einzutauschen. So bekam ich damals 57 000 Mark zusammen.“ Auf ihre Initiative hin beschloss 1977 das Institut für Denkmalpflege mit den Räten des Bezirks, des Kreises und der Stadt, mit Kreiskirchenamt und Ortskirche die Kirchensanierung. In den folgenden drei Jahren kam diese dann in den heutigen ansehnlichen Zustand. Dafür und für ihre unermüdliche Kulturarbeit, unter anderem als Vizepräsidentin der Thüringer Synode, als einzige Bürgermeisterin Dornburgs, als Begründerin des Vereins „Dornburger Impressionen“, gemeinsam mit ihrem Mann, und für den Erhalt des Alten Schlosses verlieh ihr Bundespräsident Roman Herzog 1993 das Bundesverdienstkreuz. Sonntagsgottesdienst. Die Handvoll Kirchgängerinnen verstummen und lauschen andächtig dem Glockengeläut. Als es verhallt, intoniert der Organist mit hörnergleichem hell schmetterndem Schall einen Choral. Gesang ertönt. Pfarrerin Magirius – Kuchenbuch verbindet in ihrer Predigt weltliches Geschehen mit christlichen Anliegen. Geige und Flöte erklingen. Jutta Keppler liest aus dem Neuen Testament.
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