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Kakophonische Tanzmusik

Ein Totentanz

Es war der 11. Mai 1984, im KOMM Innsbruck: Das Konzertplakat kündigt eine damals neue Band aus dem East Village in New York an, die Band heißt Swans. Sie hatten kürzlich ihre selbstbetitelte Debüt-EP und ihren ersten Longplayer „Filth” veröffentlicht. Das Plakat verspricht „kakophonische Tanzmusik”, haben sich Swans doch zusammengetan, um nicht lediglich, wie es im Fachjargon heißt, eine wall of sound zu errichten, sondern gleich einen mountain of sound: „I like the idea of standing in a room full of sledge hammers”, sagt Sänger Michael Gira damals. Das Zentrum ihrer Musik: ein dichter und donnernder Bass und ebensolches Schlagzeug (das seinem Namen gerecht wird), überlagert von Gegenrhythmen von Percussion schreienden Gitarren und eine dröhnende, unheilschwangere Stimme. Swans damals waren: ein Anschlag. Ein Zeitsprung von beinah exakt 39 Jahren, wieder nach Innsbruck: Swans sind einer der Headliner am Heart of Noise-Festival, diesmal im Treibhaus. Tags zuvor haben Boris bereits die Ohren klingeln gemacht, die Nachwirkungen sind noch hörbar, als Gira mit großer Bandbesetzung am zweiten Festivaltag die Bühne betritt. 1984 ein zorniger Junge, ist er heute ein misslauniger, alter Mann. Im Gepäck eine Setlist, die zuvorderst auf das 16. SwansAlbum „The Beggar” fußt, das zum damaligen Zeitpunkt allein der Presse zugänglich war. Zwischen „Filth” und „The Beggar” liegen Welten – haben Swans in den 40 Jahren doch zahlreiche Metamorphosen durchgemacht, „wie Bowie”, sagen Wegbegleiter. Klangen sie früher düster, brutal, zermürbend, brach die unheilschwangere Atmosphäre etwa in ihrer Karrieremitte auf, folkloristische, or- chestrale Ethnoklänge ließen aus dem Dunkel Licht fließen. „Swans are beautiful animals, who are really obnoxious. They’re hateful things”, erklärt Gira den Bandnamen – und nie war es so deutlich wie im orgiastischen Schwanengesang der Spätwerke: Im Chaos zu dröhnen ist leicht; doch Swans verstehen auch, ihre elegische Ritualmusik live, auf der Bühne, in ein surreales Stillleben, einen Albtraum zu verwandeln – und daran sind nicht nur die Verstärker Schuld, die am Anschlag kratzen. Gira, als schamanischer Zeremonienmeister, ist eine Furie, wenn er sogar eine Akustik-Gitarre dronen lässt. Das Mantra? Sinister, orgiastisch. n Swans gastieren am 3. November in der Arena. Den Abend eröffnet Ex-Gitarrist Norman Westberg solo.

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Vergangenen Dezember im Volkstheater: Neubauten-Urgestein Blixa Bargeld findet sich im Rahmen des zweitägigen Desertshore-Festivals ebda. mit dem italienischen Filmkomponisten Teho Teardo ein. Bereits 2013 debütierte man umjubelt mit „Still Smiling”, drei Jahre später folgte der Nachfolger „Nerissimo”: dies steht im Italienischen für eine Art Superschwarz, programmatisch auch für den Konzertabend, der unter prominentem Einsatz von elegischen Streichern ebenso das schwärzeste Schwarz aus den Saiten zupft und kitzelt, dazu schleicht Bargeld facettenreich mit seinen existenzialistischen Überlegungen wie eine ebenso nachtschwarze Katze um die Ecke. (Am zweiten Festivaltag folgten übrigens Michael Gira und Kristof Hahn von Swans – siehe dazu links.)

Nun soll dieses Jahr nicht nur ein Livealbum ihres legendären Auftritts im Silent Green, einem alten Berliner Krematorium folgen, sondern als Vorbote auf ihr drittes Album ebenso eine EP mit neuer Musik. Live werden Teardo und Bargeld diesmal von Cellistin Laura Bisceglia und Gabriele Coen an der Bassklarinette begleitet, die, unterstützt von einem Streichquartett, aus dem durch Philosophie und Kunstgeschichte mäandernde Gesamtwerk spielen werden. n Teho Teardo & Blixa Bargeld gastieren am 25. November im WUK.