Three Minutes 01/2011

Page 6

seite 4

Auf dem deutschen Börsenparkett tummeln sich zunehmend ausländische Emittenten. Was macht den deutschen Aktienmarkt für Unternehmen aus China, Indien oder Russland so ­attraktiv? Und wie nachhaltig ist dieser Trend?

Ein Interview mit Barbara Georg, Head of Listing & Issuer Services Deutsche Börse AG.

Frau Georg, immer mehr chinesische Unternehmen gehen in Deutschland an die Börse. Können Sie uns die Gründe erläutern? Wäre es für diese Un­ter­nehmen nicht viel einfacher, in Hongkong oder Shanghai gelistet zu sein? Wir freuen uns sehr, dass die Deutsche Börse bei chinesischen Emittenten so beliebt ist. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Neben sachlichen Aspekten, wie dem Zugang zu europäischen Investoren, einem prozess- und kosteneffizienten Listing und der hohen Liquidität, spielen auch emotionale Gründe eine wichtige Rolle. Als starke Wirtschaftsnation genießt Deutschland in China ein hohes Ansehen. Deutschland steht für Stabilität und Wachstum; Produkte „Made in Germany“ sind sehr gefragt – nicht nur deutsche Autos, sondern auch deutsches Design und deutsche Technologien. Der Imagegewinn, der den chinesischen Emittenten aus einem Listing in Frankfurt entsteht, stärkt die Wahrnehmung und das Image im eigenen Land. In Einzelfällen sind auch strategische Überlegungen maßgeblich für die Entscheidung, wie zum Beispiel Kooperationen mit europäischen Unternehmen oder die Internationalisierung des operativen Geschäfts. Hinzu kommt, dass Börsengänge an den Heimatbörsen in Hongkong oder Shanghai für mittelständische Unternehmen vergleichsweise kompliziert und langwierig sind. In Shanghai gibt es eine Warteliste. Hier gehen im Wesentlichen große Staatskonzerne an die Börse. Die ­Deutsche

Börse hingegen bietet mit ihren Segmenten Entry, General und Prime Standard auch mittelständischen Unternehmen einen maßgeschneiderten Zugang zum Kapitalmarkt. Zudem sind wir mit Repräsentanzen in Peking, Hongkong und Shanghai auch vor Ort gut vertreten. Mit ZhongDe Waste Technology ging im Sommer 2007 das erste chinesische Unternehmen in Deutschland an die Börse. Mittlerweile notieren fünf chinesische Unternehmen im Prime Standard, ein Unternehmen im General Standard und sieben Unternehmen im Entry Standard der Deutschen Börse – darunter auch der Grohe-Partner JOYOU, Asian Bamboo und Powerland AG. Und die Tendenz ist steigend: Wir rechnen für 2011 mit rund zehn IPOs chinesischer Unternehmen in Frankfurt. Zurückzuführen ist diese erfreuliche Entwicklung vor allem auf die positiven Erfahrungen der Emittenten aus China und unsere intensiven Aktivitäten vor Ort. Warum wählen die chinesischen ­Unternehmen die Deutsche Börse in ­Frankfurt und nicht ­andere renommierte Börsenplätze in Europa, wie ­bei­­spiels­weise London? Auch die Londoner Börse umwirbt chinesische Kandidaten. Die Deutsche Börse bietet den Emittenten allerdings nicht nur einen kosten­ effizienten Zugang zu Kapital, sondern auch eine

sehr hohe Liquidität nach dem Börsengang. Im europäischen Vergleich mit Börsen wie Euronext oder London Stock Exchange (LSE) gilt die Deutsche Börse daher als attraktiver Listingplatz für Unternehmen, die einen Börsengang anstreben. Wie werden die chinesischen Emittenten von deutschen Investoren wahrgenommen? In den meisten Fällen sind die Unternehmen operativ doch ausschließlich in China tätig und nur die für den Börsengang gegründeten Aktiengesellschaften haben ihren Sitz in Deutschland. Das ist richtig. Bisher sind die meisten Emittenten überwiegend in China tätig und konzentrieren sich auf die Bearbeitung des wachstumsstarken Inlandsmarktes. Die chinesische Wirtschaft verzeichnet seit Jahren enorme Zuwächse: Allein im Jahr 2010 wuchs das Bruttoinlandsprodukt ­Chinas um knapp 10 Prozent. Dank der steigenden Haushaltseinkommen und der Entwicklung einer gehobenen Mittelschicht in China bieten die heimischen Märkte auch weiterhin großes Wachstumspotenzial. Um die Nachfrage bedienen und das eigene Wachstum finanzieren zu können, haben viele mittelständische Unternehmen aus China kurzfristig Kapitalbedarf. Umsatzzuwächse in Größenordnungen von 20 bis 50 Prozent und Ergebnismargen von über 20 Pro­zent sprechen für sich. Europäischen institutionellen Investoren und Privatanlegern bietet der Erwerb von Aktien chinesischer Unter­


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.