Praxishandbuch Jugendcoaching

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Thomas Furrer (Hrsg.) Guido Langenegger

Praxishandbuch Jugendcoaching Mit klaren Zielen vorwärts; wissenschaftlich fundiert und praktisch anwendbar

Ein Forschungsprojekt von 2013 bis 2017 unter Beteiligung von Ăźber 140 Jugendlichen.

Wie funktioniert Coaching als zielorientiertes Beratungsangebot in der Jugendarbeit?


Finanzgebende

Mit finanzieller Unterstützung des Bundes im Rahmen des Kinder- und Jugendförderungsgesetzes KJFG.

Projektpartner Forschung

Projektpartner Coaching

Kinderund Jugendförderung Integrationsangebote Gemeinwesenarbeit

Projektpartner Ausbildung Schrift Grün

Projektpartner Methodik Individualpsychologie

Projektpartner Online-Umfrage Get it real

: Century Gothic : Pantone 382 u i Punkt 100%, i Strich 65%


Einleitung Die ersten Schritte zum spannenden Thema Jugendcoaching: Wie entstand dieses Projekt? Welche Personen sind dafĂźr verantwortlich? Wie ist dieses Buch strukturiert?


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Einleitung

Ausgangslage Offene und Verband-Jugendarbeit als wichtige Freizeitangebote In der Schweiz bestehen in über 900 Gemeinden Angebote der Offenen Jugend­ arbeit. In Jugendzentren und im öffentlichen Raum treffen sich jede Woche Tausen­ de Jugendliche, begleitet von Fachpersonen der Soziokulturellen Animation, Sozia­ len Arbeit, Sozialpädagogik und mit anderen qualifizierten Ausbildungen. Die Verbandjugendarbeit ist in der ganzen Schweiz bekannt. Pfadi, Jung­ wacht-Blauring, CEVI, BESJ und andere Organisationen decken einen wichtigen Teil der meist ehrenamtlichen Freizeitbeschäftigung ab. Die Offene und Verband-Jugendarbeit ist gefordert, Jugendliche in ihrer Lebenswelt zu erreichen. Häufig wird das Ziel formuliert Jugendliche professionell und nachhal­ tig in ihrer individuellen Entwicklung zu fördern. Jugendarbeit und Coaching? Coaching nimmt seit über 20 Jahren ei­ nen wachsenden Einfluss in der profes­ sionellen Förderung von Erwachsenen ein. 2011 entstand die Idee, im Rahmen Die aus dem Englischen stammenden Begriffe Coach und eines Forschungsprojekts dem Coa­ Coachee (die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ching von Jugendlichen eine wissen­ die von Coaching profitieren) werden als geschlechtsneutral schaftliche, methodisch nachvoll­ verstanden und beziehen sich gleichzeitig auf Männer ziehbare und gleichzeitig praktisch und Frauen. ­anwendbare Grundlage zu geben. 2013 bis 2017 wurde das Projekt ­Jugendcoaching «Get it real» durchgeführt. Über 140 Jugendliche wurden in rund 1100 Coachinggesprächen in den Kantonen Baselland, Basel-Stadt und Aargau ge­ zielt gefördert. Geschlechtergerechte Schreibweise: In diesem Praxishandbuch werden wo immer möglich beide Geschlechter erwähnt.

Dieses Buch berichtet über dieses wegweisende Projekt. Die Autoren sind der Mei­ nung, dass fachlich fundiertes Coaching für Jugendliche ein wichtiges und nach­ weislich wirksames Förderangebot ist. Schreibstil zwischen Wissenschaftlichkeit und Praxistauglichkeit Uns ist wichtig, eine wirksame Verbindung zwischen Wissenschaftlichkeit und ­Praxistauglichkeit zu erreichen. Der Schreibstil wird deshalb in Kapiteln oder bei Themen, die möglichst direkt in der Praxis umgesetzt werden sollen, entsprechend angepasst. Inhaltliche Bezüge und Vernetzungen herstellen Einzelne Kapitel und Themen werden mit relevanten Querverweisen miteinander in Verbindung gesetzt. So wird gewährleistet, dass Leserin und Leser effizient eine Übersicht erhalten.


Einleitung

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Grusswort Stärken stärken statt Schwächen schwächen: wie Jugendliche aufblühen Eine optimistische und pragmatische Generation im Aufbruch – so bezeichnet die Shell-Jugendstudie 2015 die heutigen Jugendlichen. Dies ist angesichts der durchaus schwierigen weltweiten Entwicklungen in gewisser Weise überraschend: Jugend­liche blicken meist optimistisch in die eigene Zukunft. Für viele von ihnen steht die berufliche Sicherheit an erster Stelle, dicht gefolgt von dem Wunsch nach Erfüllung – gemeint ist die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun. Diese Zuversicht können jedoch nicht alle Jugendlichen gleichermassen teilen. Insbesondere Jugend­ liche aus sozial schwächeren Schichten haben häufig Mühe, der eigenen Zukunft optimistisch entgegenzublicken und haben wenige Perspektiven. Die Forschung hat uns gezeigt, dass das eigene Schicksal nicht unveränderlich und «in Stein gemeisselt» ist, sondern dass eine gute Entwicklung vom Jugend­ alter hin zum Erwachsenwerden positiv beeinflusst werden kann. Die Positive Psycho­logie ist eine relativ junge Wissenschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das «gute Leben» zu erforschen, also wissen möchte, welche Faktoren zu einem ­erfüllten und zufriedenen Leben beitragen (Weber & Ruch, 2009). Wir wissen ­heute, dass die Charakterstärken eines Menschen als wichtiger Puffer gegen Stress und Krank­ heiten wirken können, uns also widerstandsfähiger gegen Widrigkeiten machen. Und wir kennen Möglichkeiten, die menschlichen Stärken zu fördern. Laut Park (2004) liegt dann eine gute Entwicklung im Sinne der Positiven Psychologie vor, wenn man K ­ indern und Jugendlichen Bedingungen schafft, die es ihnen ermögli­ chen, sich persönlich zu entfalten, zu wachsen und aufzublühen. Der Schlüssel dazu ist die Förderung der individuellen Stärken. Dies kann in der Familie, in der Schule, in Freundschaften oder eben durch gezielte Interventionen in der Jugendarbeit geschehen. Das Forschungsprojekt Jugendcoaching «Get it real» verfolgt genau diesen Ansatz und kann daher als positiv-psychologische Intervention innerhalb der ­ ­Offenen und Verband-Jugendarbeit betrachtet werden. Jugendliche sollen durch die Aktivierung ihrer eigenen Ressourcen in ihrer Reifung und Entwicklung gestärkt und unterstützt werden. Dabei findet das vielleicht wichtigste Coaching-Prinzip auch hier seine Anwendung: Die Jugendlichen lernen im Jugendcoaching, eigen­ mächtig und selbstverantwortlich Lösungen für ihre Anforderungen und Ent­ wicklungsaufgaben zu erarbeiten, ganz nach dem Prinzip «Stärken stärken statt ­Schwächen schwächen». Oder anders ausgedrückt: Anstatt zu versuchen, meine Schwächen zu reduzieren, finde ich lieber heraus, was ich gut kann und was mir Freude bereitet. Und ich werde mir bewusst, wie ich diese Stärken in meinen für mich relevanten Lebensbereichen (noch verstärkt) zum Einsatz bringen kann. Das ist Positive Psychologie und das ist die Vision von «Get it real».

Dr. phil. Sarah Auerbach, Diplom-Psychologin Dozentin und Projektleiterin an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Institut für Sozialpädagogik und Bildung


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Einleitung

Vorwort Projektleitung Wie kann das Potenzial der Offenen und Verband-Jugendarbeit verstärkt werden?

Thomas Furrer Initiant und Co-Projektleitung Bachelor in Science Hochschule Luzern, Soziokultureller Animator, Coach EASC, Bereichsleiter Kind Jugend Familie KJF, Stiftung Jugend­ sozialwerk Blaues Kreuz

Informelles Lernen, das bedeutet die Lernprozesse ausserhalb der offiziellen Schule, steht seit den 90er-Jahren verstärkt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Zahl­reiche Studien belegen, dass viele wichtige Lernprozesse im Alltag und in der Freizeit er­ folgen. In der laufenden Diskussion geht es auch um die Frage nach passenden Konzepten zum Erwerb von Kompetenzen. Ziel ist, Wissen erfahrbar und praktisch anwendbar zu machen. Verschiedene Fachpersonen wollen daher durch passende Methoden sicher­ stellen, dass die Angebote der Offenen und Verband-Jugendarbeit ein Umfeld für wirksame Lernprozesse sind. Insbesondere die Offene Jugendarbeit bietet eine ideale Ausgangslage für Fach­ personen, um Jugendliche in einem ungezwungenen Umfeld kennenzulernen. Durch wachsendes Vertrauen entsteht die Basis für eine verbindliche und frühzeitige Unterstützung in verschiedenen Entwicklungsprozessen und Lebensfragen. Dieses Buch widmet sich der Förderung von Jugendlichen durch Coaching. Ein­ gebunden in das Forschungsprojekt «Get it real» bieten folgende Themengebiete einen praxisnahen und fachlich fundierten Einblick:

Guido Langenegger Co-Projektleitung Master-Coach, Supervisor, Lehrsupervisor EASC

Dieses Buch ersetzt keine fundierte Ausbildung, sondern hat zum Ziel, besonders relevante Themen aufzugreifen. Wir hoffen, den Leserinnen und Lesern für sie re­ levante Fragen zu beantworten sowie das Interesse zu Jugendcoaching zu wecken.

Themengebiete •  Definitionen von jugendrelevanten Themen •  Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen •  Forschung zu Methodik und Wirkung •  Methodik – für Jugendcoaching aufbereitet oder entwickelt •  Empfehlungen für Jugendcoaching •  Arbeitsblätter zur praktischen Anwendung


Einleitung

Symbolik Folgende Symbolik verschafft eine klare Struktur: Infobox

Beispiel

Aufgabe

Reminder

Link (Download oder Online-Werkzeug)

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Einleitung

Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 Ausgangslage 2 Grusswort 3 Vorwort Projektleitung 4 Symbolik 5 Inhaltsverzeichnis 6

Fachliche Grundlagen

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Adoleszenz 10 Jugend 10 Coaching 11 Lebensweltorientierung 11 Funktionssysteme 12 Empowerment 12 Integration 12 Partizipation 13 Motivation, intrinsische 13

Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

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Entwicklungsaufgaben 16 Einflussbereiche und deren Rahmenbedingungen 20 Familie 20 Schule / Ausbildung 21 Freundeskreis / Peer-Group 21 Eigene und externe Ansprüche (Verbindung von intrapersonalen und interpersonalen Aufgaben) 22

Vision und Ziele von Jugendcoaching «Get it real»

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Wirkungs- und Leistungsziele in Bezug zu Jugendlichen Wirkungs- und Leistungsziele in Bezug zur Forschung

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Methodischer Ansatz

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Beratungssettings 28 Grundhaltung als Coach 28 Coaching und Integration 29 Coaching-Settings 29 Lebensplanungs-Coaching 29 Bildungs- & Arbeits-Coaching 30 Talent-Coaching 31 Fazit 31 Einführung in die Phasen des Coachingprozesses 32


Einleitung

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Forschungsgrundlagen 33 Datengrundlage 35 Forschungsdesign mit Fragestellungen 35

Forschungsergebnisse 39 Jugendcoaching-Gespräche (Erfassung durch Coach) Quantitative Evaluation durch die Coachs Qualitative Evaluation durch die Coachs Durch Coachs genannte Veränderungen und Erfolge Durch Coachs wahrgenommene Spannungsfelder Angewandte oder beobachtbare Methoden Temporäre Themen Zwischen- und Abschlussevaluation durch die Coachees Quantitative Evaluation durch die Coachees Mittelwerte quantitative Daten Qualitative Evaluation durch die Coachees

40 40 49 50 52 57 59 61 62 63 69

Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Rahmenbedingungen für Jugendcoaching 74 Voraussetzungen 74 Definition Jugendcoaching «Get it real» 74 Bausteine des Coachingkonzeptes 75 Coaching- und Theoriekonzepte 75 Anforderungen an einen Coach 77 Abgrenzung zu Fachberatung und Therapie 79 Phasen des Coachingprozesses 79 Ablauf Erstgespräch 82 Vertrag Einzelcoaching 83 Einführung in die Transaktionsanalyse 86 Steuerung sozialer Systeme 87 Ich-Zustände 88 Strukturmodell bzw. -analyse 88 Die Funktionsanalyse 88 Stärken und Einschränkungen, in der Rolle zu handeln 89 Vier Grundgefühle 90 Drama-Dreieck 92 Rollenverständnis 93 OK-Geviert 97 Das systemische Beratungskonzept (ein psychologischer Theorieansatz) 100 Die wichtigsten systemischen Fragetechniken 101 Spiegeln und aktives Zuhören 103 Reframing (Umdeutung) 105 Projektionen 108


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Einleitung

Widerstand 109 Übertragung 111 Gegenübertragung 111 Einführung in die Individualpsychologie nach Alfred Adler 113 Bedeutung für Jugendcoaching 115 Temporäre Themen 116 Visualisierung und Skalierung 117 Soziokultur und Talent-Coaching 119 Fachberatung 120 Methoden im Talent-Coaching 122 Abschied 123 Weitere relevante Ausbildungsthemen 124

Konklusion 125 Hauptunterschied von Jugendcoaching zu Coaching mit Erwachsenen 127 Einführung von Jugendcoaching in Organisationen 128 Dank 130 Am Projekt beteiligte Organisationen 131 Zu den Autoren 133

Anhang 135 Arbeitsblätter 136 Gesprächsraster Jugendcoaching 137 Potenzialanalyse 138 Zugehörigkeitsgefühl 143 Erkennen eigener Anteile 145 Beziehungsnetz   149 Online-Umfrage Jugendcoaching 150 Literaturverzeichnis 151


9 Fachliche Grundlagen

Fachliche Grundlagen

Fachliche Grundlagen Die Adoleszenz bzw. die Jugendzeit ist für Jugendliche und junge Erwachsene – wie auch für ihr Umfeld – ein herausfordernder Lebensabschnitt. Dabei können viele Fragen und Unsicherheiten entstehen – Jugendcoaching «Get it real» will in dieser Lebensphase konkrete Unterstützung leisten. Durch das Coaching werden Jugendliche und junge Erwachsene dabei unterstützt, eigenständige Lösungen für ihre Anliegen zu finden und umzusetzen, ihr Potenzial zu entdecken sowie alters­ gerechte Lebenskonzepte zu entwickeln. «Get it real» basiert auf verschiedenen sozialwissenschaftlichen Theorien und Methoden und bietet einen ziel- und lösungsorientierten Beratungsansatz. In diesem Kapitel werden Schlüsselbegriffe definiert, damit in den folgenden Kapiteln von einer fachlich definierten Beschreibung relevanter Schlüsselbegriffe ausgegangen werden kann.


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Fachliche Grundlagen

Adoleszenz «Get it real» richtet sich nach der Definition von Wilhelm Arnold, Jürgen Eysenck und Richard Meili: «Adoleszenz [ist eine] Periode der Nachpubertät, in der sich die personale Selbstverantwortung zu festigen beginnt. […] In psychischer Hinsicht werden die Erscheinungen der Pubertät allmählich im Sinne einer Persönlichkeits­ festigung abgebaut. Symptomatisch für diese Phase der Entwicklung ist das Streben nach Freiheit, verbunden mit zunehmendem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen (Arnold et al., 1980, S. 22)». Beginn und Dauer der Adoleszenz sind abhängig vom Kulturkreis. Für den mitteleuropäischen Raum besteht unter Fachleuten ein breiter Konsens, dass sie circa vom 13. bis zum 21. Altersjahr dauert. Bei Mädchen beginnt sie tendenziell etwas früher (vgl. Muuss, 1971, S. 8 und Mullis, 2010, S. 2ff.).

Jugend Jörg Hagedorn (2008, S. 9) definiert den Begriff «Jugend» wie folgt: «Jugend be­ deutet eine prekäre Lebensphase, und dies in verschiedener Weise: einerseits ver­ lassen Jugendliche gerade den Schonraum der Kindheit, andererseits fehlen ihnen noch die Privilegien der Erwachsenenwelt. Jugendliche müssen sich die Anerken­ nung durch ihre Eltern, Lehrer und Vorgesetzten erst hart erkämpfen. Vor allem aber sind an die Lebensphase Jugend auf der einen Seite gesellschaftliche Hoffnungen gebunden. Auf der anderen Seite steht die Erwachsenenwelt der Jugend mit Skepsis und diffusen Ängsten gegenüber.» Nach dieser Definition können die Begriffe «Ju­ gend» und «Adoleszenz» synonym verwendet werden. Gleichzeitig beschreibt «Jugend» aber nicht nur eine Phase, sondern auch die demographische Gruppe der Jugendlichen. Eine Definition, die beide Aspekte kom­ biniert, wird von Bernhard Schäfers und Albert Scherr (2005, S. 23) vorgeschlagen: «Jugend ist eine gesellschaftlich institutionalisierte, intern differenzierte Lebenspha­ se, deren Verlauf, Ausdehnung und Ausprägungen wesentlich durch soziale Be­ dingungen und Einflüsse (sozioökonomische Lebensbedingungen, Strukturen des Bildungssystems, rechtliche Vorgaben, Normen und Erwartungen) bestimmt sind. Jugend ist keine homogene Sozialgruppe, sondern umfasst unterschiedliche Ju­ genden.» Das eigentliche Alter ist bei beiden Definitionen nicht abschliessend festgelegt. «Get it real» schliesst Jugendliche im Alter von 14 bis 25 Jahren in die Definition bzw. in die geplante Zielgruppe mit ein und verwendet den Begriff «Jugend» aus­ schliesslich für die demographische Beschreibung. Für die Lebensphase «Jugend» wird der Begriff Adoleszenz verwendet.


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Coaching «Coaching» ist in den letzten Jahren zu einem Sammelbegriff für unterschiedlichste Angebote geworden. Entsprechend wichtig ist die Definition und Abgrenzung der in «Get it real» verwendeten Methodik. Ursprünglich wurde Coaching im Sportbereich verwendet, dann übernahm die Wirtschaft die Methodik, speziell im Management- und Personalbereich. Inzwi­ schen ist Coaching aber auch fester Bestandteil der Sozialen Arbeit (vgl. Birgmeier 2006, S.12). Diese versteht unter Coaching die professionelle, interaktive und per­ sonenzentrierte Einzelberatung zu Rollenfragen. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie die Klientinnen und Klienten ihre sozialen Rollen in Zukunft gestalten können und wollen (vgl. Rauen, 2003 zit. nach Birgmeier, 2010, S. 15). 1 «Get it real» orientiert sich massgeblich an den Theoriekonzepten der EASC1 Mehr Informationen: www.easc-online.eu (European Association for Supervision and Coaching) sowie bei Arbeitsblättern am individualpsychologischen Ansatz nach Alfred Adler. Ziel des Projekts ist, eine für Jugendliche anwendbare und erprobte Methodik zu entwickeln bzw. bei Bedarf bestehende Methoden anzupassen. Im Coaching werden den Coachees (engl. Bezeichnung für die Person, die das Coaching nutzt) keine Lösungen präsentiert. Indem die betroffene Person selber eine Lösung entwickelt, werden die Selbstwirksamkeit, die Selbstmanagementfä­ higkeit und die Eigenverantwortung gestärkt. Zudem soll durch das Coaching die Selbstreflexion und -wahrnehmung verbessert werden. Voraussetzung dafür ist eine tragfähige und vertrauensvolle Beziehung zum Coach (vgl. Birgmeier, 2010, S.15 ff.). Eine weitere Grundlage für einen Coaching­ prozess ist eine nicht prekäre Lebenssituation. Auch psychische Erkrankungen blo­ ckieren die von einem Coaching gefor­ derte Selbststeuerungsfähigkeit. Somit grenzt sich Jugendcoaching «Get it Jugendcoaching «Get it real» ist kein Therapieangebot. real» klar von therapeutischen Settings bzw. Beratungsprozessen ab. «Get it real» betont zudem die zeitliche Eingrenzung (Dauer, Regelmässig­ keit, ­Anzahl) des Coachings und die vertragliche Regelung der Ziele und Moda­ litäten. Dadurch entsteht eine grössere Verbindlichkeit und Zielorientierung im ­Coaching-Prozess.

Lebensweltorientierung Der Begriff «Lebenswelt» bezeichnet die Welt, wie Menschen sie wahrnehmen – dies im Gegensatz zur Lebenslage, den tatsächlichen materiellen und immateriellen Lebensbedingungen eines Menschen. Dazu gehören etwa die Arbeitssituation, der Zugang zu materiellen Ressourcen, der Wohnraum, das soziale Umfeld, aber auch die körperlichen Voraussetzungen. Während Lebenslage also die real existierenden Voraussetzungen beschreibt, meint Lebenswelt deren subjektive Wahrnehmung (vgl. Kraus, 2006, S. 11).

Fachliche Grundlagen

Fachliche Grundlagen


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Fachliche Grundlagen

Lebensweltorientierung heisst also, dass man sich an der subjektiv wahrgenom­ menen Umwelt einer Person orientiert. In Bezug zu Jugendcoaching «Get it real» wurde eine möglichst hohe Niederschwelligkeit in Bezug zur Lebenswelt der Ju­ gendlichen angestrebt. Die Jugendlichen sollen in ihrer individuellen Lebenswelt abgeholt werden und ihre persönlichen, für sie relevanten Prioritäten und Ziele im Coachingprozess setzen.

Funktionssysteme Der Begriff «Funktionssystem» orientiert sich bei «Get it real» an der soziologischen Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Danach bilden sich in der Gesellschaft durch funktionale Differenzierung Teilsysteme heraus, die exklusiv eine spezifische Funk­ tion übernehmen (z. B. Wirtschaftssystem, Rechtssystem, politisches System, Erzie­ hungssystem etc.). Diese Funktionssysteme entwickeln dabei jeweils eigene Regeln, Medien und erstrebenswerte Leistungen (vgl. Krause, 2005, S. 44).

Empowerment Wolfgang Stark beschreibt Empowerment «als Prozess im Alltag, eine Entwicklung für Individuen, Gruppen, Organisationen oder Strukturen, durch die die eigenen Stärken entdeckt und die soziale Lebenswelt nach den eigenen Zielen (mit-)ge­ staltet werden kann. Empowerment wird damit als Prozess der «Bemächtigung» von Einzelnen oder Gruppen verstanden, denen es gelingt, die Kontrolle über die Gestaltung der eigenen sozialen Lebenswelt (wieder) zu erobern» (1993, S. 41). Im Rahmen von Jugendcoaching «Get it real» geht es dabei in erster Linie darum, Jugendliche zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung und Problembewältigung zu befähigen.

Integration Integration bezeichnet die Eingliederung in ein bestehendes System. Es handelt sich dabei um die «Anpassung an ein Normengefüge und den Lebensstil einer Gesell­ schaft oder Gruppe (…), wobei abweichende Verhaltensweisen zugunsten eines Anpassungsprozesses allmählich aufgegeben werden sollen» (Bellermann, zitiert nach Mogge-Grotjahn, 2002, S. 125). Die Jugendphase ist geprägt von solchen Integrationsprozessen. Mit zuneh­ mendem Alter wandeln sich die Ansprüche verschiedenster Systeme (Eltern, Peers, Schule etc.) an Jugendliche. Diese müssen lernen, sich diesen veränderten Ansprü­ chen anzupassen – sich also zu integrieren.


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Partizipation «Partizipation» ist – ähnlich wie «Coaching» zu einem uneinheitlich verwendeten Sammelbegriff verkommen. Marlene-Anne Dettmann hat sich im Rahmen ihrer Dis­ sertation mit dieser Begriffsunschärfe auseinandergesetzt und schlägt die folgende Definition vor (2017, S. 74f.): «Partizipation in der Sozialen Arbeit wird verstanden als ein Bemächtigungspro­ zess, mit dem Ziel, mehr Entscheidungsmacht für die Adressatinnen und Adres­ saten zu erreichen. Partizipation als Instrument wird verfolgt, wenn im Rahmen von partizipativen Verfahren die Möglichkeit eröffnet wird, Fähigkeiten entwickeln zu können, die anschliessend zu einem selbstbestimmteren Leben führen können. Hierzu gehören Erfahrungen des Gehört-Werdens, des Vertretens und Aushandelns eigener Interessen und die Möglichkeit der Mitbestimmung. So kann von einem Lernprozess der Bemächtigung gesprochen werden. Partizipation als Ziel wird verfolgt, wenn Menschen Mitbestimmungsrechte in Angelegenheiten ermöglicht werden, von denen sie unmittelbar oder mittelbar be­ troffen sind. Dabei impliziert die Zielsetzung der Partizipation einen Ist-Zustand, in dem die Entscheidungsmacht unterschiedlich verteilt ist.» Bei «Get it real» liegt der Fokus auf der Einbindung von Jugendlichen bei Entschei­ dungsprozessen im Rahmen des Coachings. Dadurch sollen die Identifikation mit dem Prozess und den erarbeiteten Lösungen gestärkt und die Umsetzung begüns­ tigt werden.

Motivation, intrinsische Intrinsische Motivation entsteht aus der Freude an der Auseinandersetzung mit ei­ ner zu bewältigenden Aufgabe. Dabei wirken nicht äussere Umstände (Rahmen­ bedingungen, Erfolg, Entschädigung) als Anreiz, sondern es «wirkt die Arbeit in sich selbst belohnend, sie macht Spass und ist daher befriedigend» (Hentze, 1995, S. 32). Im Gegensatz zu der extrinsischen Motivation, welche durch äussere Anreize beeinflusst wird, ist die intrinsische Motivation weniger unbeständig und wirkt da­ durch nachhaltiger und langfristiger.

Fachliche Grundlagen

Fachliche Grundlagen



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Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz «Die Adoleszenz ist eine Lebensphase des Umbruchs, in der die Jugendlichen mit ihren körperlichen Veränderungen fertig werden müssen, sich von den Eltern loslösen, neue Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen, ihre sexuellen Bedürfnisse integrieren und eine neue soziale und erste berufliche Identität entwickeln» (Streeck-Fischer, 2004). Dies stellt hohe Herausforderungen an die Jugendlichen – und ihr Umfeld.

Aufgaben Adoleszenz

Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz


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Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

Entwicklungsaufgaben Die Adoleszenz ist in der Wahrnehmung erwachsener Bezugspersonen meist nega­ tiv geprägt. Dabei nimmt sie eine wichtige Funktion in der psychosozialen Entwick­ lung ein. Diverse Entwicklungsaufgaben sind in dieser Lebensphase zu bewältigen. Diese Aufgaben sind normativ, müssen also bewältigt werden. Die Altersgrenzen für die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben sind jedoch variabel. Ebenso vari­ iert der Grad der normativen Verpflichtung: einige Entwicklungsaufgaben sind als Angebote mit Empfehlungscharakter zu verstehen, andere sind durch Sanktionen gestützte Forderungen (vgl. Stangl, o. J.). Entwicklungsaufgaben gliedern also den Lebenslauf und geben dem einzelnen Jugendlichen Sozialisationsziele vor (vgl. Oerter & Montada, 1995, zit. nach Stangl, o. J.). Verschiedene Wissenschaftler/innen haben sich damit auseinandergesetzt und jeweils eigene Aufgabenkataloge zusammengestellt. Zusammenfassend lassen sich dabei vier zentrale Entwicklungsaufgaben identifizieren, die sich in allen Lebenspha­ sen identifizieren lassen (vgl. Hurrelmann / Bauer, 2015, S.108). Diese haben immer eine individuelle und eine gesellschaftliche Komponente (vgl. Hurrelmann / Quen­ zel, 2016, S. 25): 1. Qualifizieren Intellektuelle und soziale Kompetenzen müssen erworben und eingeübt werden, um Tätigkeiten ausüben zu können, die einerseits als persönlich befriedigend erlebt werden und andererseits einen Nutzen für das Gemeinwohl haben. 2. Binden Die eigene Identität muss entwickelt werden. Diese besteht aus dem Selbstbild von Körper und Psyche. Das ist eine Voraussetzung für die Fähigkeit, erfüllende freundschaftliche und intime Kontakte zu anderen Menschen eingehen zu kön­ nen. 3. Konsumieren Es müssen psychische und soziale Strategien zur Entspannung und Regeneration und für den Umgang mit Konsum-, Freizeit- und Medienangeboten entwickelt werden. 4. Partizipieren Ein eigenes Werte- und Normensystem muss entwickelt werden, das es ermög­ licht, die sozialen Lebensbedingungen mitzugestalten.


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Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

Entwicklungsaufgaben des Kindesalters Aufbau von emotionalem Grundvertrauen undvertrauen

Entwicklung der Intelligenz

Entwicklung von motorischen und d sprachlichen Fähigkeiten

Entwicklung von grundlegenden sozialen Kompetenzen Kompe

Selbstverantwortete Gestaltung der Sozialkontakte

Selbstverantwortete Leistungserbringung

Entwicklungsaufgaben des Entwicklungs es Jugendalters Qualifizieren: Aufbau intellektueller und sozialer Kompetenzen

Übergang in die Berufsrolle

Binden: Aufbau einer eigenen Geschlechtsrolle und Partnerbindung

Übergang in die Partner- und Familienrolle

Konsumieren: Fähigkeit zur g von Geld Nutzung und Warenmarkt

Übergang in die Konsumentenrolle

Partizipieren: Entwicklung von g und Werteorientierung politischer Teilhabe

Übergang in die politische Bürgerrolle

Entwicklungsaufgaben twicklungsaufgaben d dess Erwachsenenalters ökonomische Selbstversorgung

Familiengründung mit Kinderbetreuung

selbstständige Teilnahme am Kulturund Konsumleben

verantwortliche politische Partizipation

(Grafik 1; eigene Darstellung nach Hurrelmann / Quenzel, 2016, S.40)

«Get it real» orientiert sich hauptsächlich am Modell von Maja Dekovic, Marc Noom und Wim Meeus (1997). Sie haben drei hauptsächliche Aufgabenfelder identifi­ ziert, welche Jugendliche in der Adoleszenz bewältigen müssen (Übersetzung durch Stangl, o. J.): Persönliche Aufgaben (intrapersonaler Bereich) • Selbstständigkeit in Bezug auf wichtige Entscheidungen erwerben Zeitpunkt des Nachhausekommens; entscheiden, welche Kleidung man trägt; seine Rechte verteidigen

Aufgaben Adoleszenz

Mit zunehmendem Alter steigen die gesellschaftlichen Ansprüche an die jeweiligen Aufgaben. Die unterschiedlichen Anforderungen können wie folgt zusammenge­ fasst werden:


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Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

• erfolgreich mit Alltagssituationen zurechtkommen allein oder mit Freunden in die Disco oder ins Café gehen; eigenes Geld benut­ zen; den Urlaub ohne Erwachsene verbringen; alleine zum Arzt gehen; über das Wochenende alleine zu Hause bleiben • mit der pubertären Entwicklung klarkommen Veränderung des eigenen Körpers akzeptieren • Selbstbewusstsein entwickeln sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst sein; auf die Meinung eines anderen bezüglich sich selbst eingehen • Wertmassstäbe finden eine Meinung oder Neigung bezüglich politischer Parteien haben; eine eigene Lebensphilosophie oder Religion wählen; eine Meinung zu sozialen Fragen wie Abtreibung oder Todesstrafe haben Beziehungsaufgaben (interpersonaler Bereich): • eine stabile Freundschaftsbeziehung aufbauen einen festen Freundeskreis haben; eine/n beste/n Freund / Freundin haben • eine intime Beziehung aufbauen eine/n Freund/in haben; in eine Sexualbeziehung involviert sein Sozioinstitutionale Aufgaben (kulturell-sachlicher Bereich): • die Schulkarriere erfolgreich beenden Verantwortung für einen erfolgreichen Schulabschluss übernehmen • sich auf einen Beruf vorbereiten einen Beruf auswählen, einen Job haben • ökonomische Unabhängigkeit erreichen finanziell unabhängig sein, (…) selbstständig leben; eine eigene Familie haben und für sie sorgen Bei dieser Zusammenstellung handelt es sich um normative Entwicklungsaufgaben. Diese gelten für alle Personen einer bestimmten Kultur und sind Teil einer gesunden Entwicklung. Sie werden dabei selten explizit eingefordert, sondern implizit erwar­ tet. Demgegenüber gibt es non-formative Entwicklungsaufgaben. Diese werden typi­ scherweise durch Einzelpersonen oder kleine Gruppen gestellt: z. B. durch Eltern, die ihr Kind unbedingt aufs Gymnasium schicken wollen, durch einen Verein, der eine bestimmte Leistung erwartet oder durch eine Peergroup, in der eine bestimmte Fähigkeit verlangt wird. Zuletzt gibt es noch persönliche Entwicklungsaufgaben. Dies sind die Ansprüche einer Person an sich selbst (vgl. Flammer, 1991, S. 89ff.). Diese Vielzahl an Ansprüchen und Entwicklungsaufgaben ist für Jugendliche he­ rausfordernd. Dass die unterschiedlichen Anspruchsgruppen divergierende oder so­ gar diametral entgegengesetzte Ansprüche haben, macht die Sache nicht leichter.


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Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

Aufgaben Adoleszenz

Gleichzeitig gibt es neben den Entwicklungsaufgaben auch Sozialisationsinstanzen. Diese werden üblicherweise in drei Kategorien aufgeteilt: • primäre Sozialisationsinstanzen Sie bilden den Kern der Sozialisation und beinhalten die engere Familie und den Freundeskreis. • sekundäre Sozialisationsinstanzen In zweiter Instanz prägen ausserfamiliäre Betreuungsangebote die Sozialisation: Schulen und andere Ausbildungseinrichtungen. • tertiäre Sozialisationsinstanzen Zuletzt prägen ebenfalls das gesellschaftliche Umfeld (Religion, soziales Umfeld, Recht), Behörden (Polizei, Justiz, Verwaltung) und die Gleichaltrigen den Sozia­ lisationsprozess. Allerdings stellen diese unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen auch unterschied­ liche – oft unvereinbare – Anforderungen an die Jugendlichen. Um das Spannungs­ feld zu visualisieren, wurde für «Get it real» ein eigenes Modell entwickelt:

Wirtschaft

Politik

Freundeskreis / Peer-Group

Jugendliche/r Schule / Ausbildung

Recht

Familie

Spiritualität Spi Erklärung: Die Begriffe kön­ nen als Systeme verstanden werden. Schule / Ausbildung wird zum Bildungssystem, Recht zum Rechtssystem. Spiritualität wird als Suche nach Sinn und Orientierung definiert.

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Grafik 2: eigene Darstellung2

Dieses Modell verdeutlicht, dass sich Jugendliche in einem komplexen Geflecht un­ terschiedlichster Anforderungen bewegen müssen. Die einzelnen genannten Berei­ che werden als «Einflussbereich» definiert. Einflussbereiche wirken auf Jugendliche ein. Gleichzeitig wird erwartet, dass Jugendliche in diesen Bereichen auch zuneh­ mend Verantwortung übernehmen. Zusätzlich stellen Jugendliche auch eigene An­ sprüche an sich selbst. Eine externe Unterstützung, wie sie Jugendcoaching «Get it real» anbietet, soll entlastend für die Jugendlichen und ihre Bezugspersonen wirken.


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Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

Einflussbereiche und deren Rahmenbedingungen Zur Vereinfachung wurden der Freundeskreis (primäre Sozialisationsinstanz) und Peer-Group (tertiäre Sozialisationsinstanz) zu einem Einflussbereich zusammengefasst. 3

Im Modell sind die Einflussbereiche im direkten Umfeld der Jugendlichen mit Fami­ lie, Schule / Ausbildung und Freundeskreis / Peer-Group 3 benannt. Im erweiterten Umfeld wirken die Bereiche Wirtschaft, Politik, Recht und Spiritualität auf die Ju­ gendlichen und die soeben genannten drei Einflussbereiche ein. Das Umfeld stellt an die Erfüllung von normativen Entwicklungsaufgaben von Ju­ gendlichen bestimmte Erwartungen. Das heisst, verschiedene Gruppen haben spe­ zifische – teils widersprüchliche – Erwartungen darüber, mit welchem Alter und in welcher Form Jugendliche die Entwicklungsaufgaben bewältigen sollten (vgl. Grob et al., 1995, S. 59f.). Der jeweilige Lösungsstand von Entwicklungsaufgaben löst entsprechend auch Re­ aktionen im Umfeld der Jugendlichen aus. Dieses reagiert: • mit Überraschung und Bewunderung, wenn Jugendliche Entwicklungsaufgaben zu einem für ihr Alter verfrühten Zeitpunkt lösen, • mit Achtung, Freude und Befriedigung, wenn die Jugendlichen diese zum erwar­ teten Zeitpunkt lösen, • mit Mitleid, wenn Jugendliche diese nicht lösen können und mit Ablehnung, Är­ ger und Verachtung, wenn Jugendliche diese Entwicklungsaufgaben willentlich nicht lösen. (Grob et al., 1995, zitiert nach Stangl, o. J.) Dies kann Jugendliche zum Bewältigen von Entwicklungsaufgaben motivieren, un­ ter Umständen aber auch hindern. Speziell dann, wenn sie den Sinn vorgegebener Aufgaben hinterfragen, sich überfordert fühlen oder Mühe bei der Priorisierung der unterschiedlichen Ansprüche haben.

Familie «Die Heranwachsenden [stellen] selbst die am tiefsten verwurzelten Überzeugun­ gen infrage, werfen liebgewonnene Ideen über Bord und werden scharfe Kritiker sowohl ihrer selbst als auch der Gesellschaft» (Bourne / Ekstrand, 2005, S. 343). Ent­ sprechend wird diese Lebensphase von Erwachsenen meist negativ wahrgenommen (vgl. Fend, 2003, S. 26). Dieses gängige Bild stimmt allerdings nur bedingt. In den meisten Fällen verläuft die Adoleszenz problemlos und ist von einer guten Beziehung zwischen den Eltern und den Jugendlichen geprägt (vgl. Fend, 2003, S. 26). 2010 ergaben mehrere Studien, dass 90 % der Jugendlichen auch in der Adoleszenz ein entspanntes Ver­ hältnis zu ihren Eltern haben (vgl. 16. Shell-Jugendstudie, 2010, Zusammenfassung, S. 17f. und Leven / Quenzel / Hurrelmann, 2010, S. 66). Trotzdem führt der Ablösungsprozess immer wieder zu Spannungen innerhalb des Familiensystems. Durch die eigene Entwicklung werden bestehende Werte und Normen hinterfragt, dies führt naturgemäss zu Reibungen und Konflikten.


Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

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In diesem Bereich werden vorwiegend die sozioinstitutionalen Aufgaben bewältigt. Diese sind geprägt von klar vorgegebenen Erwartungen, was oft zu Konflikten mit den eigenen Ansprüchen und Werten der Jugendlichen führt. Schule und Ausbil­ dung sind oft mit als mühsam empfundenen Tätigkeiten verbunden – entsprechend fällt es Jugendlichen teils schwer, die erforderliche Motivation aufzubringen. Zudem kommt es hier auch zu Gefühlen von Überforderung. Die engen normativen Vor­ gaben lassen meist wenig Spielraum für individuelle Lösungen, sich dem zu stellen, fällt vielen Jugendlichen schwer. Prägend für diese Prozesse ist im Jugendalter zudem der Übertritt von der Schu­ le in die Ausbildung. Die Bewältigung dieses Übergangs hat nachhaltige Auswir­ kungen auf die weitere Bildungsbiographie und den weiteren Lebenslauf (zusam­ menfassend Häfeli, Neuenschwander & Schumann, 2015). Erschwert wird dieser Übergang durch die Beschaffenheit unseres Bildungssystems: Während Jugendliche mit guten Leistungen und klaren Zielvorstellungen von einer breiten Auswahl an Bildungsmöglichkeiten profitieren können, besteht für Jugendliche mit schlechten schulischen Leistungen oder Unentschlossene das Risiko, dass sie den Einstieg in die Berufsausbildung oder andere weiterführende Bildungsangebote nicht oder nur mit grosser Mühe schaffen (vgl. Walther, 2006, S.44). Ein erfolgreicher Übergang liegt also nicht gänzlich in der Hand der Jugendli­ chen und ihrer Eigeninitiative. Er ist vielmehr von institutionellen Strukturen, sozio­ ökonomischen Faktoren und kulturellen Deutungsmustern geprägt. Diese führen zu sehr unterschiedlichen Anforderungen, die es zu bewältigen gilt (Pool-Maag, 2016, S. 3). Dies führt bei betroffenen Jugendlichen oft zu Gefühlen von Ohnmacht, Wut und Resignation.

Freundeskreis / Peer-Group Neben den anderen Sozialisationsinstanzen bieten der Freundeskreis und die PeerGroup einen informellen Sozialisationskontext und damit auch Orientierung (vgl. Hurrelmann / Quenzel, 2012, S.113ff.). Gleichaltrige Freunde bieten einen «insti­ tutionalisierten Verbindungsbereich zwischen Familien- und Erwachsenenrollen» (Ecarius et al., 2011, S. 117). In diesen Gruppen können Jugendliche gesellschaftli­ che Rollen entwickeln und ausprobieren. Die Gruppe bietet einen «Resonanzraum für die Identitätsentwicklung [in dem] Jugendliche ihre Sichtweise auf Alltagserfah­ rungen […] entwickeln» (Ecarius et al., 2011, S. 126). Damit verbunden ist oft auch das Entwickeln eigener Wertekodizes, Rituale, Ver­ haltensweisen und Kleidungsstile. Gruppenkonforme riskante Verhaltensweisen stellen für die Jugendlichen häufig einen Weg dar, von der jeweiligen Bezugsgruppe akzeptiert zu werden und eine Identität innerhalb der jugendlichen Subkultur auf­ zubauen (vgl. Limbourg, 1998). Durch die hohe Relevanz der Gleichaltrigen werden ihre Ansprüche von den meisten Jugendlichen hoch gewichtet. Dies erklärt auch die Übernahme der Gruppenmeinung und das Phänomen des Gruppendrucks.

Aufgaben Adoleszenz

Schule / Ausbildung


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Entwicklungsaufgaben und Herausforderungen der Adoleszenz

Trotz dieser potenziell negativen Aspekte nimmt der gleichaltrige Freundeskreis eine enorm wichtige Rolle in der persönlichen Entwicklung und Sozialisation ein. Das Zusammensein mit Gleichaltrigen bietet unzählige Möglichkeiten, eigene Werte zu entwickeln und neue Rollen auszuprobieren, die für das spätere Leben wichtig sind.

Eigene und externe Ansprüche (Verbindung von intrapersonalen und interpersonalen Aufgaben) Zwischen diesen Sozialisationsinstanzen steht die / der Jugendliche mit ihren / sei­ Für Coachingprozesse mit Jugendlichen sind zusammennen eigenen Zielen, Hoffnungen und Wün­ fassend gesehen viele Themen (z. B. Ich-Identitätsfindung, schen. Das Austarieren all dieser externen Ablösungsprozesse von zu Hause, DurchsetzungsAnsprüche ist anspruchsvoll, zumal sich fähigkeit der eigenen Meinung im Freundeskreis oder diese selten alle erfüllen lassen. Zielkonflikte am Arbeitsplatz) sowie Veränderungsprozesse und sind also vorprogrammiert. Zusätzlich gilt mögliche Spannungsfelder im Jugendalter zu erwarten. es, Kompetenzen wie Durchsetzungsfähig­ keit, Reflexionsfähigkeit, Frustrationstole­ ranz und Konfliktfähigkeit zu erlernen, ein realitätsnahes Selbstbild zu entwickeln und Eigenverantwortung zu übernehmen.


Vision und Ziele von Jugendcoaching «Get it real»

23

In den vorangehenden Kapiteln wurden die hohen Ansprüche an Jugendliche aufgezeigt. «Get it real» soll sie in diesem Prozess unterstützen. Hinter dieser Unterstützung steht die folgende Vision: Durch «Get it real» werden Jugendliche ganzheitlich gestärkt. Sie lernen, für sie herausfordernde Situationen selbstständig wahr­ zunehmen, zu reflektieren, zu analysieren, in Worte zu fassen, zu diskutieren sowie eigene Lösungen zu entwickeln und diese umzusetzen.

Vision und Ziele

Vision und Ziele von Jugendcoaching «Get it real»


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Vision und Ziele von Jugendcoaching «Get it real»

Wirkungs- und Leistungsziele in Bezug zu Jugendlichen Um diese Vision zu erreichen wurden folgende Wirkungsziele verfolgt: • Jugendliche erarbeiten ihre Ziele und können eine Strategie entwickeln, um diese zu erreichen. • Jugendliche können Konfliktthemen aus verschiedenen Perspektiven betrachten, selbstständig Lösungen entwickeln und die Konflikte konstruktiv ansprechen. • Jugendliche können zielgerichtet mit persönlichen Stresssituationen umgehen. • Jugendliche entwickeln einen Zugang zu ihrem Selbstwert, kennen ihre Bedürf­ nisse und können diese in ihrer Alltagsgestaltung berücksichtigen. Um diese anspruchsvollen Ziele zu erreichen, setzt «Get it real» die folgenden Leistungsziele um: Familie

Bei diesen Themen hat der Coach bzw. der / die Berater/in selbstkritisch Grenzen zu setzen. Eine Triage zu einer Fachstelle ist bei komplexen Themen sinnvoll. 4

• Erziehungs- und Konfliktthemen systematisch bearbeiten • Reflexionsmöglichkeit ausserhalb der Familie bieten • Kommunikation zwischen Eltern und Jugendlichen stärken • Betrachtung des Verhaltens der Jugendlichen im gesellschaftlichen Handeln (Um­ gang mit Finanzen, Konflikte mit dem Rechtssystem etc.) stärken • problematische familiäre Prägungen frühzeitig thematisieren4 und betroffene Jugendliche unterstützen, eine reflektierte Selbstwahrnehmung der Situation zu erarbeiten Schule / Ausbildung • Lern- oder Berufswahlziele systematisch erarbeiten • Ventilfunktion für Stress und Lebensfrust bieten • Zunahme der Konzentrationsfähigkeit der Jugendlichen und bessere Schulleis­ tungen werden gefördert Freundeskreis / Peer-Group • Die Jugendlichen definieren durch Jugendcoaching «konstruktive» Ziele. • Reflektieren der Bedeutung und Wirkung des eigenen Freundeskreises und PeerGroup und deren Einfluss und Wirkung • Konsum von Alkohol und anderen Suchtmitteln bei Auffälligkeiten reflektieren und aktiv ansprechen

Jugendcoaching «Get it real» arbeitet damit auf sehr breite, aber trotzdem klar definierte Ziele hin. In welchem Bereich der Schwerpunkt gelegt wird, entscheiden die Jugendlichen selbst.


Vision und Ziele von Jugendcoaching «Get it real»

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Intrapersonaler Bereich 5

Wir verstehen das Selbstbild als Spiegel des Selbstwertes. Im intrapersonalen Bereich, vom Individuum aus gesehen von innen nach aussen wirkend, sind Selbstakzep­ tanz und Selbstvertrauen die Grundlage des Selbstwertes. Das eigene Selbstbild wird als Spiegel davon bewusst oder unbewusst gelebt.

Wirkungs- und Leistungsziele in Bezug zur Forschung Die erwähnten Themen in Bezug zu den Jugendlichen waren eingebettet in ein praxisnahes, vierjähriges Forschungsprojekt mit folgenden Rahmenbedingungen. Leistungsziele • 1100 Coachinggespräche werden durchgeführt und systematisch ausgewertet. • 90 – 110 Jugendliche werden durch «Get it real»-Jugendcoaching in den Berei­ chen Lebensplanungs-, Bildungs- & Arbeits- und Talent-Coaching unterstützt. • 20 –25 Coachs erproben die angewandten Methoden. • In mehreren regionalen Fachgruppen treffen sich die Coachs mindestens einmal pro Quartal. • Eine Begleitgruppe mit externen Fachpersonen trifft sich während der Projektum­ setzung mindestens einmal pro Halbjahr. Wirkungsziele • Bestehende Coachingmethoden werden im Rahmen der Jugendcoachinggesprä­ che auf deren Wirksamkeit und Praxistauglichkeit erprobt. • Neue Coachingmethoden und -strategien werden entwickelt und auf deren Wirksamkeit und Praxistauglichkeit geprüft. • Die Erkenntnisse werden zusammen­ gefasst und in einem Praxishandbuch mit methodischen Anleitungen und Im Mittelpunkt dieser ambitionierten Ziele stehen Praxisbeispielen veröffentlicht. nebst den Jugendlichen die Coachs als Fachpersonen für • Für den deutschsprachigen Raum den Coachingprozess. stehen nach Projektabschluss pra­ xiserprobte und auf Jugendliche Ziel- und lösungsorientiert zu arbeiten; was dies bedeutet, optimierte Coachingmethoden zur wird im nächsten Kapitel erläutert. Verfügung, die ein ziel- und lösungs­ orientiertes Begleiten von Jugendli­ chen ermöglichen.

Vision und Ziele

• Entwicklungsfelder für ein gesundes Selbstbild im Selbstwert bewusst machen 5 • Reflexionsfähigkeit und die Haltung zur eigenen Meinung stärken • eigene Bedürfnisse entdecken und lernen, diese im Alltag zu berücksichtigen • Durchsetzungs- und Konfliktfähigkeit stärken und eine gesunde Frustrationstole­ ranz entwickeln • Lernen, die Verantwortung für das eigene Handeln in der Gegenwart und in Zu­ kunft zu übernehmen



Methodischer Ansatz

Methodischer Ansatz

Dieses Kapitel beschreibt das Beratungssetting von Jugendcoaching «Get it real». Ausserdem werden die Coaching-Settings mit den bearbeiteten Themen und die Phasen eines CoachingProzesses erläutert.


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Methodischer Ansatz

Beratungssettings Das bei Jugendcoaching «Get it real» angewandte Coachingkonzept baut mass­ geblich auf den Kontakten bestehender Jugendangebote wie der Offenen und Verband-Jugendarbeit auf. Ein Hauptziel ist, Coaching stark verankert in der Le­ benswelt der Jugendlichen zu platzieren, damit frühzeitige und niederschwellige Unterstützung möglich wird. Als weiteres Setting werden Jugendliche von beruflich bereits etablierten Coachs mit eigenem Beratungsangebot und eigenen Räumlichkeiten begleitet.

Grundhaltung als Coach Partizipation wird hier als Machtteilung verstanden. Die / der Jugendliche ist für ihre / seine Ziele verantwortlich, der Coach für die Prozess­ steuerung. Die Verantwortung und Macht für die Ziel­ erreichung bleibt beim Jugendlichen. 6

Durch die aktive Beteiligung der Jugendlichen an den Entscheidungsprozessen im Coaching (Partizipation6) soll eine möglichst starke Identifikation mit den gesetzten Zielen der Jugendlichen und deren Erreichung geschaffen werden (Empowerment). Dadurch wird die intrinsische Motivation der Jugendlichen aktiviert und gefördert. Jugendliche erleben starke Veränderungsprozesse, in denen sie wachsende Ver­ antwortung für ihre Entscheidungen übernehmen müssen bzw. regelmässig auch für mehrere Jahre relevante Entscheidungen von ihnen erwartet werden. Wir sehen Coaching als Unterstützung in diesen Entscheidungs- und Verände­ rungsprozessen, da die Methode • mit einem selbstreflexiven Prozess, • zielorientiert, • gegenwarts- und zukunftsgerichtet die • Verantwortung und Ressourcen bei Jugendlichen aktiviert • und deren Selbstwirksamkeit stärkt. Jugendcoaching ist ein • unaufdringliches Angebot, • findet auf Augenhöhe mit den Jugendlichen statt und • setzt auf Beziehung und Partnerschaft und somit auf ein gleichwertiges Bera­ tungssetting. Zusammengefasst soll Jugendcoaching «Get it real» die Jugendlichen motivieren, ihr Leben aktiv zu gestalten.

Jugendcoaching fördert somit kein «Kliententum» und handelt nicht problem-, sondern zukunfts- und lösungs­ orientiert.

Durch Coaching wird das Selbstwert­ gefühl der Jugendlichen gestärkt und ihnen eine Basis für die nächsten kon­ kreten Handlungsschritte aufgezeigt.


Methodischer Ansatz

29

Coaching und Integration Wie bereits erwähnt, versteht Integration das Integrieren von Jugendlichen in ver­ schiedene gesellschaftliche Settings wie den Arbeitsmarkt oder die Gesellschaft mit ihren Rahmenbedingungen als Ganzes. Bei «Get it real» ist der Coach ein Brücken­ bauer zwischen den Zielen der Jugendlichen und den damit verbundenen, bereits bestehenden Angeboten in der Gesellschaft. In der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Freundeskreis resp. in der Peer-Group bewegen sich die Jugendli­ chen in einem komplexen sozialen Umfeld. «Get it real» soll helfen, die qualitative Integration in diesem Umfeld zu erhöhen. Dies wird auch erreicht indem den Ju­ gendlichen aufgezeigt wird, wie ein qualitativ förderliches soziales Umfeld helfen kann, die persönlichen Ziele der Jugendlichen zu erreichen.

Methodischer Ansatz

Zusammenfassend setzt «Get it real» somit auf folgendes «Sicherungssystem» für Jugendliche: • Jugendliche durch die Aktivierung von Ressourcen zu stützen (Empowerment), • eine hohe Identifikation und Verbindlichkeit für die Zielerreichung zu fördern (Partizipation) und • den Jugendlichen einen angemessenen Platz in der Gesellschaft und der Berufs­ welt zu ermöglichen (Integration).

Coaching-Settings In der Planung von Jugendcoaching «Get it real» erkannten wir drei Coaching-Set­ tings.

Lebensplanungs-Coaching 7

Das Arbeitsblatt «Beziehungsnetz» ist eine Grundlage um Im Lebensplanungs-Coaching werden ein Lebensplanungs-Coaching zu beginnen. Mehr Informatischwerpunktmässig die Coaching-The­ onen sind auf Seite 149 zu finden. men aus den bereits erwähnten drei Einflussbereichen Familie, Schule / Aus­ bildung und Freundeskreis / Peer-Group 7 In der Entwicklung der eingesetzt. Dieses Coaching-Setting baut wesentlich auf intrapersonalen (eigene, weltweiten Coaching­ persönliche) Themen und interpersonalen (soziale, zwischenmenschliche) Themen angebote ist seit wenigen auf. Jahren mit «Life-Coaching» eine breitere Ausrichtung neben dem klassischen Coaching im Berufskontext zu beobachten. Jugend­ coaching «Get it real» hat diese Entwicklung in Bezug zu Jugendlichen als Ziel­ gruppe frühzeitig aufgenom­ men und als LebensplanungsCoaching integriert.


30

Methodischer Ansatz

Bildungs- & Arbeits-Coaching Das Bildungs- & Arbeits-Coaching hat drei Schwerpunkte: • die Unterstützung der Jugendlichen während der Ausbildung in der Oberstufen­ schule • die Unterstützung von Jugendlichen während oder nach der Berufsausbildung • die Unterstützung von ehrenamtlichen jugendlichen Mitarbeitenden (Förderung der Freiwilligen- bzw. Ehrenamtlichenarbeit in der Offenen Jugendarbeit oder Verbandsjugendarbeit)

Das Arbeitsblatt «Zugehörigkeitsgefühl», passend zu diesem Coachingsetting, ist auf Seite 143 zu finden.

Diese Institutionen unterstützen Jugendliche in: Berufswahl Welche Berufe kommen für Jugendliche infrage? www.berufsberatung.ch Wo finde ich eine Lehrstelle? www.lehrstellenboerse.ch www.yousty.ch www.lenabb.ch (Region Basel) www.ag.ch/lena (Region Aargau) weitere offene Lehrstellen in der Schweiz www.berufsberatung.ch unter «Suche Lehrstelle» Verlust Lehrstelle Was ist zu tun, was sind die nächsten Schritte? www.treffpunkt-arbeit.ch Ferienjob www.ferienjob.ch www.agriviva.ch Sprachaufenthalt & Austausch www.intermundo.ch Sozialeinsatz www.icye.ch


Methodischer Ansatz

31

Talent-Coaching

Methodischer Ansatz

Im Talent-Coaching werden Jugendli­ Für mehr Informationen siehe Kapitel «Soziokultur und che mit kreativen (musikalischen, ge­ Talent-Coaching» auf Seite 119. stalterischen, sportlichen) Fähigkeiten gezielt unterstützt. Aufgrund von zahl­ Die «Potenzial-Analyse» auf Seite 138 ist eine wirkungsreichen Erfahrungen mit Jugendlichen volle Methode, um Jugendliche auf der Suche nach ihrem im Umfeld der Offenen Jugendarbeit Potenzial oder ihrem Talent zu unterstützen. erkennt Jugendcoaching «Get it real» in diesem Bereich ein hohes Potenzial. Das Ziel des Talent-Coachings ist, nicht in Konkurrenz mit Musikschulen oder ähnlichen Anbieterinnen und Anbietern zu treten. Im Talent-Coaching wird in erster Linie die Entwicklung der Persönlichkeit der Jugendlichen unterstützt. Es werden vor allem Jugendliche aus nicht bereits durch die öffentliche Hand geförderten kreati­ ven Bereichen (Musikbands, elektronische Musik, kreative Subkulturen) begleitet. Eine Voraussetzung für ein Talent-Coaching ist, dass die / der Jugendliche ihr / sein Talent kennt. Eine weitere Besonderheit ist, dass in diesem Coaching-Setting deut­ lich mehr Fachberatung durch den Coach angeboten wird.

Fazit Den methodischen Ansatz fassen wir aus fachlicher Sicht wie folgt zusam­ men: Der Coach besitzt ein Rollenbewusst­ sein und einen klaren theoretisch-me­ thodischen Hintergrund. Basierend auf diesem Rollenbewusstsein werden möglichst gezielt und bewusst metho­ dische Interventionen, passend zur Si­ tuation des Coachees, durchgeführt. Umgekehrt bedeutet dies, dass aus fachlicher Sicht keine oder möglichst wenig intuitive Interventionen stattfin­ den.

Intuitives Handeln kommt aus «dem eigenen Bauch». Deshalb ist es mit meinen Erfahrungen und persönlichen Erlebnissen verbunden. Das kann bedeuten, dass der Coach aus ihrem / seinem eigenen Interesse «Ich-bezogen» auf den Coachee reagiert oder interveniert. Dadurch ist sie / er nicht mehr neutral, sondern geprägt durch die eigenen Erfahrungen. Es ist nicht die Aufgabe des Coachs, «ihre / seine» Lösung dem Coachee aufzudrängen, sondern dem Coachee den Weg zu ihren / seinen eigenen Lösungen zu zeigen. Der Coach ist verantwortlich für den «Prozess», der Coachee für den «Inhalt».


32

Methodischer Ansatz

Einführung in die Phasen des Coachingprozesses Jugendcoaching «Get it real» setzt ein an gruppendynamische Prozesse angelehntes Phasen- und Prozessmodell ein (vgl. Frei, 2014). Ziel ist, jedes Coachinggespräch zielgerichtet und mit einzelnen Phasen strukturiert durchzuführen. Gegenüber dem Coachee werden die einzelnen Phasen in der Regel nicht kommuniziert. Die erfolgreiche Anwendung der einzelnen Phasen und die Gestaltung der Über­ gänge erfordern einige Übung. Das Phasenmodell dient uns als wichtige methodische Struktur, die auch in unserer Forschung wieder aufgenommen wurde.

Die Phasen lauten wie folgt: Orientierungsphase

Differenzierungsphase

Der Zielsatz

Arbeitsphase

Abschiedsphase Ergebnissicherung

Mit wem habe ich es zu tun?

Was wollen wir erreichen? erre

Wie lautet autet dieser?

Wird das Anliegen bearbeitet? b aktuelles erfassen elles Gesprächsthema Gesprächs

Was haben wir erreicht? erre Was bleibt haften?

Grafik 3, eigene Darstellung nach Frei, 2014

Als Grundhaltung für jedes einzelne Coachinggespräch und den ganzen Coaching­ prozess fassen wir eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gelingende Bezie­ hungsgestaltung zusammen: Mehr Informationen sind auf Seite 79 im Kapitel «Phasen des Coachingpro­ Menschen möchten sich verstanden fühlen. zesses» zu finden. Das Forschungsdesign im nächsten Kapitel ist u. a. auf die Anwendbarkeit dieses Phasen- und Prozessmodells ausgerichtet. Die Jugendcoaching-Methoden (Seite 73) sind im Rahmen dieses Modells anwendbar und bieten verschiedene durch den Coach anwendbare Interventionen. Als nächsten Schritt wenden wir uns den Forschungsgrundlagen zu.


Forschungsgrundlagen

Forschung

Jugendcoaching «Get it real» war ein Forschungsprojekt mit eigenem Forschungsdesign. Das Projekt fand wirksam verankert in der Lebenswelt der Jugendlichen und jungen Erwachsenen statt. 149 Jugendliche wurden während vier Jahren in rund 1100 Coachinggesprächen begleitet.


34

Die Geschlechtsverteilung entspricht ungefähr dem Verhältnis 2⁄3 Jungen und 1 ⁄3 Mädchen. Dieses Verhältnis lässt sich in zahlreichen Angeboten der Offenen Jugend­arbeit beobachten. 8

Forschungsgrundlagen

Informationen zur Stichprobe Durchschnittlich 5.8 Monate (Medianwert) dauerte ein einzelner Coachingprozess. Der kürzeste erfasste «Coachingprozess» dauerte einen Tag. Der Prozess wurde nach einem Gespräch durch den Coachee nicht weitergeführt. Der längste Prozess dauerte 3.8 Jahre. In der Datenerfassung sind mehrere lange Coachingprozesse mit einer Dauer von über zwei Jahren zu finden. Die Coachees waren bei Beginn der Coachingprozesse im Mittelwert 18.5 Jahre alt. Die Standardabweichung beträgt 3.1. Der jüngste Coachee war 13.8, der älteste 27.5 Jahre alt. Die Geschlechtsver­ teilung liegt bei 101 Jungen (67.8 %) und 48 Mädchen (32.2 %)8. Ein Coachingge­ spräch dauerte im Mittelwert 55.9 Minuten. Das kürzeste Gespräch dauerte 20, das längste 120 Minuten. Die Jugendlichen prägten die Datenerfassung durch ihre persönlichen Rückmel­ dungen. Während der vierjährigen Projektdauer wurde der Projektverlauf durch drei Zwi­ schenevaluationen analysiert. Aufgrund der Beobachtungen der Projektleitung und Rückmeldungen aus dem Projektumfeld (Coachs, Coachees und Begleitgruppe) wurden Anpassungen zur Optimierung der Wirkungs- und Leistungsziele vorge­ nommen (siehe Seite 24). Durch diese Massnahmen wurde ein zirkuläres Projektund Forschungsverständnis umgesetzt. Projektdauer über 4 Jahre

DO Durchführen

CHECK Prüfen

PLAN Planen

ACT ständige Verbesserung

PLAN DO Planen Durchführen

ACT CHECK ständige Prüfen Verbesserung

Grafik 4: eigene Darstellung, angelehnt an den klassischen vierstufigen Projektzyklus

Für das Projekt wurde ein passendes Ausbildungskonzept entwickelt. Erkennt­nisse der vierjährigen Projektphase flossen zurück in die Ausbildung und Methoden­ entwicklung für die Coachs.

9

Mehr Informationen: www.4progress.ch

10

Mehr Informationen: www.easc-online.eu

Fachgruppen und Ausbildung In drei regional organisierten Fachgruppen trafen sich die im Projekt beteiligten 22 Coachs ungefähr alle zwei Monate zum Erfahrungsaustausch und für die Qualitätssi­ cherung. Die Projektleitung und andere Fachpersonen führten mehrere Weiterbildun­ gen durch. 15 am Projekt beteiligte Coachs absolvierten während oder bereits vor dem Projekt eine Weiterbildung bei 4progress9 in Liestal / Baselland. Dadurch wurde eine unabhängige achttägige Ausbildung, basierend auf EASC-Standards10, gewährleistet.


35

Forschungsgrundlagen

Datengrundlage Das Projekt war in Baselland, Basel-Stadt und Aargau durch vier Organisationen vertreten bei denen die Jugendcoachs arbeiteten. Drei Organisationen der Offe­ nen Jugendarbeit (Kind Jugend Familie KJF der Stiftung Jugendsozialwerk Blaues Kreuz BL, e9 Basel-Stadt und Verein für Jugend und Freizeit VJF Aargau) und eine Organisation der Verbandsjugendarbeit (CVJM Regionalverband Basel) bildeten die Projektpartner. Zusätzlich wurden selbstständig arbeitende Coachs ausserhalb der erwähnten Ju­ gendangebote eingesetzt. Alle 22 im Projekt beteiligten Coachs waren für die Durchführung der Gespräche und die Datenerfassung verantwortlich. Datenauswertung

dauernder Austausch

Methodikentwicklung

Stichproben während Projektdurchführung /detaillierte qualitative und quantitative Auswertung bei Projektende 106 Zwischen- und Abschlussauswertungen (Erfassung durch Coachee)

Entwicklung Methodikkonzepte während Projektdurchführung und Überarbeitung bei Projektende

Grafik 5; eigene Darstellung

Forschungsdesign mit Fragestellungen Datenquelle 1: Coachs Basierend auf dem Phasenmodell (siehe Seite 79) und dem Gesprächsraster (siehe Seite 137) entwickelte Jugendcoaching «Get it real» eine eigene Datenerfassung. Jedes Coachinggespräch wurde mit 38 Fragen zu Dauer, Treffpunkt, Thema, Ablauf und Prozess, nicht geplanten Themen (temporäre Themen) und persönlichen Ein­ schätzungen durch den Coach erfasst. Die Antworten zu 30 Fragen waren vorgege­ ben (z. B. Ja / Nein, Dauer in Minuten) und ermöglichten eine quantitative Auswer­ tung. Acht Fragen wurden durch die Coachs mit einer persönlichen Beschreibung und Einschätzung beantwortet. Diese Fragen wurden bei Projektende qualitativ ausgewertet.

Forschung

max. 1074 bewertbare Coachinggespräche (Erfassung durch Coach)


36

Positive Bewertungen müssen bei Kontrollfragen mit einer tiefen Punktzahl beantwortet werden.

11

Forschungsgrundlagen

Datenquelle 2: Coachees Die Zwischen- und Abschlussauswertungen der Coachees basieren auf 27 Skalabe­ wertungen von 1 – 6 mit zwei Kontrollfragen11. Die einzelnen Fragen wurden wie folgt beantwortet bzw. kalkuliert: Antwort trifft sehr zu trifft zu trifft eher zu trifft eher nicht zu trifft nicht zu trifft gar nicht zu

Wert 6 5 4 3 2 1

Die Kontrollfragen überprüften, wie ernsthaft resp. glaubwürdig die befragte Per­ son die Fragen beantwortete und wie statistisch relevant die Daten zu bewerten sind. Die Bewertungen, die sich inhaltlich widersprachen bzw. Kontrollfragen, die nicht zur restlichen Bewertung passten, wurden nicht für die Auswertung berück­ sichtigt. Dies betraf neun Auswertungen, die gelöscht wurden. Vier Fragen konnten die Jugendlichen frei mit eigenem Text beantworten. Diese Fragen wurden qualita­ tiv ausgewertet. Die Fragestellungen wurden zu Projektbeginn erarbeitet und anschliessend die Datenmatrix / Datenerfassung abgeleitet und während dem Projekt aufgrund der drei Zwischenevaluationen optimiert. Hauptfragestellung Welchen Nutzen für ihre Lebensgestaltung / Persönlichkeitsentwicklung können Ju­ gendliche aus den im Jugendcoaching «Get it real» angewandten Methoden be­ ziehen? Nebenfragestellung 1 Welche Methoden bewährten sich in Verbindung zwischen Jugendcoaching und Fachberatung? Nebenfragestellung 2 Wie abschliessend können temporäre Themen in Coachingprozessen in einem ein­ zelnen Gespräch geklärt werden?

Das Forschungsdesign soll zusammenfassend klären, ob Coaching für Jugendliche ein wirkungsvolles Angebot ist.

Übergeordnetes Thema Wie ist die Beziehungsqualität bzw. das Ungleichgewicht in der Beziehung zwi­ schen Coach und Coachee?


Forschungsgrundlagen

37

Ergänzungen: Temporäre Themen Die Nebenfragestellung 2 geht der Thematik von temporären Themen nach. Tem­ poräre Themen sind dringende, meist belastende Lebensumstände, die nicht der geplanten Coaching-Zielsetzung entsprechen. Diese Themen verunmöglichen unter gewissen Bedingungen die Weiterarbeit an der Zielsetzung des Coachingprozesses. Das geplante Ziel von Jugendcoaching «Get it real» ist, diese Themen in einem Ge­ spräch möglichst vollständig zu bearbeiten oder zu entschärfen, damit im nächsten Coachinggespräch an der geplanten Zielsetzung weiter gearbeitet werden kann. Die Projektleitung ging bei der Projektplanung davon aus, dass temporäre The­ men vor allem im Jugendalter eine Herausforderung für einen erfolgreichen Coa­ chingprozess sind.

Forschung

Beziehungsqualität und Ungleichgewicht in der Beziehung Die Basis für einen gelingenden Coachingprozess ist eine stabile Beziehungsqualität zwischen Coach und Coachee. Die Rückmeldungen der Coachees in den Zwischenund Abschlussauswertungen sowie die Beschreibungen der Coachs ermöglichen, ein Ungleichgewicht in der Beziehung zu erkennen. Die Projektleitung erklärte diese Thematik zu einem übergeordneten Thema für das Forschungsprojekt. Wir nehmen an, dass eine gute Beziehungsqualität sich ­positiv auf den Coachingprozess auswirkt, ein Ungleichgewicht die Qualität der Coachings aus Sicht der Jugendlichen negativ beeinflusst.



39

Forschungsergebnisse

Forschungsergebnisse Die im letzten Kapitel beschriebenen Datenquellen ermöglichen eine quantitative und qualitative Interpretation der Ergebnisse.

Forschung

Quantitative Daten beinhalten statistische, objektive, mit Zahlen belegbare Aussagen. Die qualitativen Daten sind interpretativ und subjektiv. Sie klären die Fragen nach dem «Wie» und «Warum»?


40

Forschungsergebnisse

Jugendcoaching-Gespräche (Erfassung durch Coach) Quantitative Evaluation durch die Coachs In diesem Kapitel werden die quantitativen bzw. statistischen Daten dargestellt und interpretiert. Auch qualitative Daten werden bei der Interpretation berücksichtigt, um einen nachvollziehbaren Zusammenhang zu den Zielen und Fragestellungen des Forschungsprojekts herzustellen.

12 Mehr Informationen zur Stichprobe sind auf Seite 34 zu finden.

Coaching – Setting: Ort und Infrastruktur Die Ergebnisse der 1071 Gespräche präsentieren sich wie folgt: • 840 Coachings fanden im Setting der Offenen und Verband-Jugendarbeit statt (78.4 %), • 173 Coachings im klassischen Coachingsetting in Beratungsräumen bei selbst­ ständig arbeitenden Coachs (16.2 %), • 58 Coachings in einem anderen Setting (Jugendlager, öffentlicher Raum, Restau­ rant / Café, andere Büroräume) (5.4 %) N = 107112 Die Verbindlichkeit der Zielgruppe bzw. der Jugendlichen war ein zentrales The­ ma bei der Projektplanung. Mit einigen Massnahmen wie der Durchführung ei­ nes klärenden Erstgesprächs (siehe Seite 82), anschliessender Entscheidung für den Coachingprozess als längerer, zielorientierter Prozess und einer transparenten Ver­ tragsarbeit (siehe Seite 83) wurde die Verbindlichkeit gefördert. Die Frage «Tref­ fen pünktlich angefangen? (Verbindlichkeit der Terminabsprache)» wurde von den Coachs wie folgt beantwortet:

Verbindlichkeit der Terminabsprache Auswertung von 1071 Gesprächen Antwort

Grafik 6; eigene Darstellung.

absolute Werte

Prozent

Ja

rechtzeitig

824

76.9

Ja

verspätet

140

13.1

Nein

rechtzeitige Abmeldung

24

2.2

Nein

verspätete Abmeldung

28

2.6

Nein

ohne Abmeldung

55

5.1


41

Forschungsergebnisse

Die Bewertung «Nein, nicht stattgefunden mit rechtzeitiger Abmeldung (bzw. Ter­ min wurde verschoben)» wurde so definiert, dass bis 24 Stunden vor dem geplan­ ten Termin eine rechtzeitige Abmeldung möglich ist. Zusätzlich wurden die Kategorien «verspätete Abmeldung» und «ohne Abmel­ dung» erfasst. Gesamthaft fallen 107 Gespräche in diese Kategorien, das entspricht 9.9 %, davon 24 / 2.2 % «rechtzeitige Abmeldung», 28 / 2.6 % «verspätete Abmel­ dung» und 55 / 5.1 % «ohne Abmeldung». Die Projektleitung geht davon aus, dass es möglich ist, dass der korrekte Wert für nicht stattgefundene Gespräche etwas höher liegt, da die Coachs die nicht stattge­ fundenen Gespräche vermutlich teilweise nicht erfasst haben. Interpretation: Mit 90.1 % durchgeführten Gesprächen ist erkennbar, dass die Jugendlichen eine hohe Verbindlichkeit für ihren Coachingprozess zeigten. Für die in diesem Projekt angesprochene Altersgruppe wird dieser Wert als sehr positiv bewertet. Das hohe Interesse der Jugendlichen für Jugendcoaching ist erkennbar. Coaching-Setting: Thema Die drei auf Seite 29 beschriebenen Themenbereiche teilten die Coachs aufgrund der Zielsetzungen der Jugendlichen entsprechend zu. «Bildung & Arbeit» wurde zusätzlich auf Themen vor und während bzw. nach einer abgeschlossenen Ausbil­ dung unterteilt. Die Themenbereiche von 149 unterschiedlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen präsentieren sich wie folgt:

Coaching-Setting: Thema Forschung

Auswertung von 1074 Gesprächen Antwort

Prozent

Lebensplanungs-Coaching

488

45.4

Bildungs- & Arbeits-Coaching vor und während Ausb.

249

23.2

Bildungs- & Arbeits-Coaching nach abgeschlossener Ausb.

43

4.0

294

27.4

Talent-Coaching Grafik 7; eigene Darstellung

absolute Werte


42

Forschungsergebnisse

Interpretation: Mit 45.4 % stellt «Lebensplanungs-Coaching» das mit Abstand häufigste Coa­ chingsetting dar. Dies erklären wir mit der Beobachtung, dass Jugendliche in der Lebensphase der Adoleszenz häufig in verschiedenen altersspezifischen Entwick­ lungsaufgaben (siehe Seite 16) gefordert sind. Ein Coaching unterstützt dabei, Pri­ oritäten in diesen Aufgaben zu setzen und Lösungen zielorientiert zu erarbeiten. In der Datenauswertung ist feststellbar, dass die Themenschwerpunkte im Setting «Lebensplanungs-Coaching» im Verlauf des Coachingprozesses sich veränderten. Die Themen und konkreten Ziele in den einzelnen Gesprächen konkretisierten sich sichtbar im Verlauf des Prozesses. In der Datenerfassung wurden die nicht durchgeführten Auch ein Wechsel in das Setting «Bil­ Gespräche ab diesem Punkt nicht mehr weiter erfasst, dung  &  Arbeit» ist ein beobachtbarer da keine Daten ermittelt werden konnten. Deshalb Verlauf im Prozess. ist die Anzahl Datensätze in den nächsten Themen­be­ 27.2  % der Coachings fanden im reichen um ca. 10 Prozent tiefer (siehe Tabelle 1). Setting «Bildung & Arbeit» statt. Dieses Coachingsetting entspricht am ehesten dem klassischen und bereits bekannten «Business Coaching». Mit einer Beteiligung von etwas mehr als einem Viertel an allen Coachinggesprächen zeigte sich, dass die Jugendlichen einen hohen Anteil anderer Themen ausserhalb des klassischen Coa­ chings als ihre Zielsetzung definierten. Talent-Coaching macht mit 27.4 % einen beachtlichen Anteil der Coachings aus. Auch unter Berücksichtigung, dass im Forschungsprojekt nur zwei etablierte Coachs mit diesem Arbeitsschwerpunkt engagiert waren, kann davon ausgegangen wer­ den, dass Talent-Coaching ein hohes Bedürfnis unter Jugendlichen darstellt.

Temporäre Themen im Coachingprozess In 11.5 Prozent der Gespräche wurde ein Coachingthema, das nicht zur geplanten Zielsetzung gehört, bearbeitet (Frage: «Neues temporäres Thema (ohne direkten Bezug zu den Zielen des Coachingprozesses»).

Neues temporäres Thema Auswertung von 890 Gesprächen

Grafik 8; eigene Darstellung

Antwort

absolute Werte

Prozent

Ja

102

11.5

Nein

788

88.5


43

Forschungsergebnisse

Ziel der Projektleitung war, trotz temporären Themen eine klare Fokussierung auf die Ziele des Coachingprozesses zu erreichen. Um dies zu gewährleisten, ist ein zentraler Schritt, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihre temporären Themen abschliessen können, um sich anschliessend wieder auf ihre geplante Ziel­ setzung zu konzentrieren (mehr Informationen siehe Seite 116). Nach der Bearbeitung des temporären Themas wurde folgende Frage an den Coachee gestellt: Wurde das temporäre Thema geklärt? Wie ist deine Bewertung auf einer Skala von 1 – 6? (1 = gar nicht / 6 = vollständig) Der Durchschnittswert von allen Coachinggesprächen lautet wie folgt: 4.9 von 6

Zielsatz Eine wichtige Methodik des Coachings bildet ziel- und lösungsorientiertes Arbeiten. Auf die Frage «Wurde ein Zielsatz definiert?» antworteten die Coachs wie folgt:

Wurde ein Zielsatz definiert? Auswertung von 964 Gesprächen

Grafik 9; eigene Darstellung

Antwort

absolute Werte

Prozent

Ja

856

88.8

Nein

108

11.2

Forschung

Interpretation: Wir interpretieren dieses Ergebnis als Bestätigung, dass es den Jugendlichen mit Unterstützung der Coachs und der angewandten Coaching-Methoden gelang, ihr temporäres Thema erfolgreich zu bearbeiten. Bei der Fragestellung zur Klärung des temporären Themas war der Coach an­ wesend. Deshalb könnte die Möglichkeit bestehen, dass der Coachee im Rahmen ihrer / seiner sozialen Erwünschtheit die Frage entsprechend der Erwartung des Coachs beantwortet hat. Falls dies der Fall gewesen wäre und die Bearbeitung des temporären Themas nicht abschliessend erfolgte, besteht die Gefahr, dass die Zie­ lerreichung des Coachingprozesses gefährdet wird. Aufgrund der Rückmeldungen der Coachees im nächsten Kapitel kann diese Hypothese verneint werden.


44

Forschungsergebnisse

Falls die Frage mit «Nein» beantwortet wurde, begründeten die Coachs diese Aus­ sage. Die meisten Begründungen lagen in den Bereichen «Erstgespräch» (23 Nen­ nungen, 2.4 % / noch kein Zielsatz notwendig oder möglich), «Abschlussgespräch» (26 Nennungen, 2.7 % / kein Zielsatz mehr nötig) oder «temporäres Thema» (9 Nennungen, 0.9 %). Diese Themen entsprechen 6 % der Gespräche. 5.2 % der ohne Zielsatz durchgeführten Gespräche sind somit nicht aufgrund der erwähnten Themen begründbar. Interpretation: Ein Zielsatz wurde in 88.8 % der Gespräche erarbeitet. 6 % der Gespräche ohne Zielsatz lassen sich methodisch mit Erstgesprächen, Abschlussgesprächen und tem­ porären Themen begründen. Somit wurde mit gesamthaft 94.8 % der Gespräche in der Regel mit einer klaren Zielsetzung oder einer bewussten Intervention ohne Zielsetzung gearbeitet. Gesprächsphasen Das Phasenmodell (siehe Seite 79) bildet ein wichtiges Arbeitsinstrument für dieses Forschungsprojekt. Deshalb interessiert uns, wie erfolgreich das Modell eingesetzt wurde. Auf die Frage «Gesprächsphasen eingehalten?» antworteten die Coachs wie folgt:

Gesprächsphasen eingehalten? Auswertung von 964 Gesprächen

Grafik 10; eigene Darstellung

Antwort

absolute Werte

Prozent

Ja

773

80.2

teilweise

139

14.4

Nein

52

5.4


45

Forschungsergebnisse

Die detailliertere Folgefrage nach dem Einhalten der einzelnen Phasen bzw. Schritte wurde wie folgt beantwortet:

Gesprächsphasen eingehalten? Auswertung von max. 891 Gesprächen Orientierungsphase

Differenzierungsphase

Antwort

Ja

Absolute Werte Prozent

884

99.2

7

0.8

Nein Arbeitsphase

Antwort

Ja Nein

Absolute Werte Prozent

839

94.3

51

5.7

Abschiedsphase Antwort

Ja Nein

Absolute Werte Prozent

800

89.9

90

10.1

Antwort

Ja Nein

Absolute Werte Prozent

859

96.4

32

3.6

Ergebnissicherung / Imagebildung

Ja Nein

Absolute Werte Prozent

819

92.0

71

8.0

Grafik 11; eigene Darstellung

Interpretation: Übersicht ohne einzelne Phasen (Grafik 10): Die Gesprächsphasen wurden in 773 (80.2 %) Fällen vollständig eingehalten. 52 (5.4 %) der Gespräche erfolgten ganz und 139 (14.4 %) teilweise ausserhalb des Phasenmodells. Es stellt sich die Frage, ob ein Gesprächsablauf ganz ohne Pha­ senmodell methodisch bewusst durchgeführt wurde oder ob dem Coach die Steu­ erung des Prozesses «entglitt». Die Begründungen der Coachs für Prozesse ganz ohne Phasenmodell bewegen sich häufig in den Bereichen «Abschlussgespräch» und «temporäre Themen». Das bedeutet, dass das vollständige Nichteinhalten der Gesprächsphasen meist bewusst durchgeführt wurde. Die teilweise mit dem Phasenmodell durchgeführten Gespräche sind in der Dar­ stellung der einzelnen Gesprächsphasen in Grafik 11 genauer interpretierbar.

Forschung

Antwort


46

Forschungsergebnisse

Einzelne Gesprächsphasen: Die Werte liegen zwischen 89.9 % (Arbeitsphase) und 99.2 % (Orientierungs­ phase). Die Orientierungsphase findet zu Gesprächsbeginn statt. Deshalb ist ihre Einhaltung notwendig, um mit dem Coachee in das Gespräch einzusteigen. Ziel des Phasenmodells ist, nach der Differenzierungsphase (94.3 %) zur Arbeitsphase (89.9 %) zu wechseln. Aufgrund der qualitativen Daten (siehe nächstes Kapitel) ist feststellbar, dass durch einen hohen Redefluss, Müdigkeit beim Jugendlichen oder temporä­ re Themen nach der Orientierungsphase oder Differenzierungsphase der Wech­ sel in die Arbeitsphase nicht mehr möglich oder sinnvoll war. Falls während der Orientierungs- oder Differenzierungsphase ein temporäres Thema stark im ­Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Jugendlichen liegt, dann ist ein Gesprächs­ verlauf ausserhalb des Phasenmodells teilweise sinnvoll. Die Durchführung der Abschiedsphase (96.4 %) war über alle Gespräche gemes­ sen mit dem zweithöchsten Wert erfolgreich möglich. Da auch nach der Bearbei­ tung eines temporären Themas eine Abschiedsphase zum Gesprächsverlauf passt, sind diese Werte nachvollziehbar. Die Ergebnissicherung wurde mit 92.0 % wieder etwas tiefer bewertet. Hier wird häufig sichtbar, wie konsequent die Arbeitsphase durchgeführt wurde. Hat die / der Jugendliche in der Arbeitsphase ihr / sein Ziel be­ arbeitet, dann nimmt sie / er auch mehr konkrete und abrufbare Erfahrungen in die Ergebnissicherung mit. Die Erfassung der Fach­ beratung wurde nach der zweiten Projektevaluation in der Datenerfassung eingeführt. Deshalb liegt die Anzahl Datensätze (N = 801) etwas tiefer. 13

Fachberatung durchgeführt13 Ein zentrales Anliegen des Forschungsprojekts ist eine erfolgreiche Verbindung zwi­ schen Coaching und Fachberatung. Auf die Frage «Wurde Fachberatung durchge­ führt?» antworteten die Coachs wie folgt.

Wurde Fachberatung durchgeführt? Auswertung von 801 Gesprächen

Antwort

Absolute Werte

Prozent

Ja

177

22.1

Nein

624

77.9

Grafik 12; eigene Darstellung

Interpretation: In der Ausbildung der Jugendcoachs wurde betont, dass aus Sicht der Verantwor­ tung des Coachees für «ihre / seine Lösung» aus fachlicher Sicht die Lösungser­ arbeitung möglichst lange beim Coachee bleiben soll. Trotzdem ist es sinnvoll, in


47

Forschungsergebnisse

gewissen Situationen als Coach bewusst in die Rolle der Fachberatung zu wechseln. In 22.1 % der Gespräche wurde dieser Schritt durchgeführt. Besonders im Talent­ Coaching war dieser Rollenwechsel ein Thema. Im Talent-Coaching begleitet der Coach einen Jugendlichen oder jungen Erwach­ senen in der Entwicklung von spezifischen Talenten. Häufig verfügen Talentcoachs über eigene Erfahrungen zur Entwicklung von Talenten und besitzen entsprechen­ des Fachwissen. Deshalb ist es in diesem Coaching-Setting üblich, dass dem Coa­ chee als bewusste Intervention auch Fachwissen zur Verfügung gestellt wird (mehr Informationen siehe Seite 120). Abschluss Coachingprozess

Wurde der Coachingprozess abgeschlossen? Auswertung von 892 Gesprächen

Antwort

Absolute Werte

Prozent

Ja

73

8.2

Nein

819

91.8

Interpretation: Ein Coachingprozess wird bei Erreichung der Zielsetzung oder in einzelnen Fällen bei neuen Prioritäten des Coachees, einer Triage zu einer anderen Fachstelle bzw. einem anderen Coach abgeschlossen. Auch die Verabschiedung aus Jugendange­ boten wegen Überschreitung des passenden Alters oder Wegzug mit der Familie können zum Abschluss führen. Von 892 Gesprächen fanden 819 (77.8 %) als «Pro­ zessgespräche» statt. In 73 Gesprächen (12.2 %) wurde der Prozess abgeschlossen. Von den 149 im Forschungsprojekt involvierten Coachees schlossen 7314 (49 % aller Coachees) den Prozess offiziell ab. Beim Abschluss wurde in der Regel eine Abschlussauswertung erstellt (siehe Seite 123).

Forschung

Grafik 13; eigene Darstellung

Die Anzahl Gespräche mit Abschluss entspricht der Anzahl abgeschlossener Coachingprozesse.

14


48

Forschungsergebnisse

Abbruch Coachingprozess

Wurde der Coachingprozess abgebrochen? Auswertung von 891 Gesprächen

Antwort

Absolute Werte

Prozent

Ja

4

0.4

Nein

887

99.6

Grafik 14; eigene Darstellung

Interpretation: Von allen erfassten Gesprächen wurden 2.7 % in Bezug zu allen 149 Coachees ab­ gebrochen. Ein Abbruch bedeutet, dass in Absprache mit dem Coachee keine wei­ teren Gespräche mehr stattfinden und die Zielsetzung noch nicht erreicht wurde. Die Coachs fordern in der Regel ein Abschlussgespräch ein, auch wenn die geplante Anzahl Gespräche nicht durchgeführt wird. Aufgrund der ermittelten Daten gehen wir davon aus, dass ein offizieller Abbruch selten stattfindet.

Bei zwei Gesprächen kann nicht im Sinne der Ziele von Jugendcoaching «Get it real» von einem Prozess ausgegangen werden. Auf dieses Thema wird später eingegangen.

15

Dauer und Anzahl Coachinggespräche pro Coachingprozess Durchschnittlich besuchte ein Coachee 6.5 Gespräche. Ein Coachingprozess dauerte durchschnittlich 5.8 Monate (Medianwert). Der kürzeste «Prozess» dauerte zwei Gespräche15, der längste 30. Bei Projektende gehen wir von 20 (13.4 % von 149) noch laufenden Coachingpro­ zessen aus. 97 (65.1 %) der Coachingprozesse dauerten vier oder mehr Gespräche, davon ­dauerten 29 Coachingprozesse 10 oder mehr Gespräche. 52 Coachingprozesse (34.9 %) führten die Coachs mit drei oder weniger Terminen durch. N = 149 (Anzahl Coachees und Anzahl Coachingprozesse) Interpretation: Mit 65.1 % Coachingprozessen mit vier oder mehr Gesprächen kann mehrheitlich von einem verbindlichen und prozessorientierten Coachingsetting ausgegangen werden. In Bezug zu den Coachingprozessen mit drei oder weniger Terminen stellen wir fest, dass diese 34.9 % aller Coachees betreffen.


49

Zusammenfassend bedeuten diese Zahlen, dass offiziell abgeschlossene (49 % /  Interpretation der Grafik 13), abgebrochene (2.7 % / Interpretation der Grafik 14) und laufende (13.4 %) zusammen rund 65 % der Coachingprozesse ausmachen. 35 % der erfassten Coachingprozesse wurden als Umkehrschluss nicht in einem 16 Der klaren, erfassten Rahmen abgeschlossen16. Die qualitativen Rückmeldungen der Abschluss eines Coachingprozesses, der im Coachees bestätigen, dass ein Teil der Jugendlichen vor allem zu Prozessbeginn Idealfall mit dem Erreichen Mühe hatten, sich verbindlich einzubringen. Diese Ausgangslage löste einige nicht der vereinbarten Zielsetzung erfolgt, ist zu unterscheiden koordinierte Abbrüche des Coachings aus. Zusätzlich sahen einige Coachees den vom Abschluss eines einzel­ Coachingprozess für sich als abgeschlossen, sobald sie ihr Ziel erreicht oder ihre nen Gesprächs. Problemsituation sich entschärft hatte. Ein nicht koordiniertes «Verschwinden» der Jugendlichen aus den Coachingprozessen war aus diesen beiden Gründen eine re­ gelmässige Beobachtung. 34.9 % der geplanten Coachingprozesse dauerten mit drei oder weniger Ge­ sprächen nicht genug lange, um von einem Prozess im Sinne der angewandten Coachingmethodik auszugehen. Hier fand aus Sicht der Projektleitung ein kur­ zer Beratungsprozess statt. Teilweise konnte die geplante Zielsetzung zumindest punktuell, schneller als geplant, erreicht werden. Interessant ist, dass diese kurzen Prozesse häufig nicht in einem koordinierten Rahmen abgeschlossen werden konn­ ten. Diese Prozesse sind hauptsächlich für die oben erwähnten 35 % beendeten, aber nicht erfassten Coachingprozesse verantwortlich. Eine verbindliche Zusam­ menarbeit wurde gemäss den erfassten Daten in diesen Coachings meist nicht er­ reicht. Wir stellen fest, dass Verbindlichkeit am Anfang des Prozesses ein häufiges Spa­ nungsfeld darstellte. Es stellt sich die Frage, ob die betroffenen Jugendlichen auf­ grund ihrer persönlichen Entwicklung noch nicht genügend Verbindlichkeit schaffen konnten. Eine andere Interpretation ist, dass den Jugendlichen mit Coaching nicht das passende Beratungssetting geboten wurde und sie deshalb nicht die gewünsch­ te Verbindlichkeit erreichten. Die Projektleitung geht zudem davon aus, dass erfah­ rene Coachs mit der Schaffung von Verbindlichkeit in Coachingprozessen adäquat umgehen können. Sobald Verbindlichkeit durch den Coa­ chee erreicht wurde, ist in der Daten­ Verbindlichkeit und Wirkung von Coaching haben für auswertung sowohl quantitativ wie Jugendliche einen messbaren Zusammenhang. qualitativ erkennbar, dass mehrheitlich ziel- und lösungsorientiert gearbeitet werden konnte.

Qualitative Evaluation durch die Coachs Zusätzlich zu den 30 quantitativen Fragen wurden vier qualitative Fragen erfasst und ausgewertet. Die Coachs wurden zu folgenden Themenbereichen befragt: Frage 1: besondere Beobachtungen & Bemerkungen zum Coachee oder allgemei­ ne Beobachtungen & Bemerkungen (Schwierigkeiten & Auffälligkeiten)? Frage 2: besondere Beobachtungen & Bemerkungen als Selbstwahrnehmung des Coachs? Wie geht es dem Coach? Frage 3: Im Falle eines Abbruchs des Coachingprozesses: Weshalb wurde der Coa­ chingprozess abgebrochen?

Forschung

Forschungsergebnisse


50

Forschungsergebnisse

Frage 4: Beschreibung Nutzen für Persönlichkeitsentwicklung des Coachees In den Texten wurde eine Struktur aufgrund sich wiederholender Themen gesucht, die sich auf die Fragen 1, 2 und 4 bezieht. Gefunden wurden folgende soziologische Themenbereiche:

Beantwortung Hauptfragestellung: Die Hauptfragestellung lautet wie folgt: «Welchen Nutzen für ihre Lebensgestaltung / Persönlichkeitsentwicklung können Jugendliche aus den im Jugend­coaching «Get it real» angewandten Methoden beziehen?» Im folgenden Abschnitt sind die entsprechenden Antworten zusammengefasst.

• durch Coach genannte Veränderungen und Erfolge • verschiedene wahrgenommene Spannungsfelder • angewandte oder beobachtbare Methoden • temporäre Themen Die Frage 3 wurde separat ausgewertet.

Durch Coachs genannte Veränderungen und Erfolge Die Veränderungen und Erfolge finden in der Beziehungsdynamik zwischen dem Coach und Coachee statt. Um diese beiden Punkte zu erreichen, wurden gezielt verschiedene Coaching-Methoden angewendet. Deshalb finden Veränderungen und Erfolge meist in der Wechselwirkung zwischen den beteiligten Personen und angewandten Methoden statt. Interpretation: Methodik Die verschiedenen Coachingmethoden wendeten die Coachs erfolgreich an; mit aktivem Zuhören wurde im Rahmen der verfügbaren Zeit spürbarer Widerstand der Coachees abgebaut. Die durch den Coachee bereits erreichte Entwicklung wurde durch Spiegeln und Paraphrasie­ Eine Rückmeldung eines Coachs: ren bewusst erleb- und erfahrbar ge­ «Der Coachee konnte auf die geleistete Arbeit und macht. Durch den Coachee selbst erleb­ den Erfolg aufmerksam gemacht werden. te Erfahrungen, die benannt werden, Dies gab ihr aus Sicht des Coachs viel Mut.» wirken kraftvoll und nachhaltig. Erfolg motiviert, diesen genügend zu würdi­ gen ist für Jugendliche relevant. Die Erfolge und konkret erfahrbaren Veränderungs­ schritte der Jugendlichen fliessen dadurch wieder als verstärkender Effekt zurück. Rollenklärung Falls der Coachee aus einem anderem Setting dem Coach bekannt ist (z. B. Jugend­ arbeit oder private Kontakte), dann hat sich diese Ausgangslage anzusprechen be­ währt. Dieses Vorgehen stärkt die Beziehung, baut mögliche negative Fantasien beim Coachee ab und schafft eine transparente Beziehungs- und Arbeitsgrundlage.


Forschungsergebnisse

51

Selbstbewusstsein und Selbstreflexion Das Selbstbewusstsein wurde u. a. durch Selbstreflexion gesteigert (bedeutet u. a. eigene Anliegen als Coachee zu erkennen und zu formulieren sowie eigene Anteile an der aktuellen Situation bzw. dem vorherrschenden Spannungsfeld zu benen­ nen). Dies war eine wichtige Grundlage für die Erhöhung der Entschluss- und Hand­ lungsfähigkeit des Coachees. Sich selbst als Jugendliche/r zu verstehen, erhöht die Motivation, sich oder die Situation zu verändern. Es zeigt sich, dass zukunftsgerich­ tet zu arbeiten von Bedeutung ist, um konkrete Lösungen auszuarbeiten. Die Selbstreflexion zu steigern, bedeutet Ein Einblick in die Gesprächsnotizen eines Coachs: auch, seine Grenzen besser kennenzu­ «Der Coachee kann seine Themen im Coaching gut lernen und gegebenenfalls zu erweitern ordnen, die Übersicht gewinnen und Prioritäten setzen. und neue Erfahrungen zu sammeln. Die Umsetzung erfolgt anschliessend konsequent.»

Aktive Mitarbeit Aktive Mitarbeit der Coachees stärkt das eigenverantwortliche Handeln und redu­ ziert Widerstand für Veränderungen. Stärken, Prioritäten, Strategien und kleine Schritte Die Coachees fokussieren auf ihre Stärken und Ressourcen. Sie lernen, sich eine Übersicht über ihre Situation zu verschaffen und gleichzeitig Prioritäten zu setzen. Die Jugendlichen bewerten ihre Über­ legungen und Strategien zur Zielerrei­ chung und arbeiten schrittweise auf ein «Er hat zum ersten Mal, seit ich ihn im Coaching erlebe, konkretes Ziel hin. Die zwischen den einen konkreten Plan, den er bereits in der Agenda Coachings erreichten Erfolge zu thema­ eingetragen hat und zeitlich strukturiert angehen will. tisieren, stärkt den Coachee in seinem Er ist noch etwas unsicher, ob er im Stande ist, den Plan Coachingprozess. Hier stellen wir auch umzusetzen.» fest, dass gemeinsame, zwischen Coach und Coachee vereinbarte Aufgaben «Dass er sich ernst genommen und geschätzt fühlt, er zwischen den Treffen erfolgreich erle­ sich mit seinen Stärken auseinandersetzt, tut ihm gut, digt wurden. Die Jugendlichen stellen wie er bemerkt. Ich habe den Eindruck, es findet eine fest, dass auch kleine Schritte und kleine grosse Entwicklung statt.» Veränderungen etwas bewirken.

Forschung

Struktur und Prozess Sobald die Struktur (siehe Phasenmodell auf Seite 79) der einzelnen Coachings be­ kannt und in einem stabilen Prozess durch den Coachee erfahrbar ist, dann kön­ nen die Jugendlichen von dieser Struk­ tur profitieren. Sie kommen tendenziell besser vorbereitet an die Coachingter­ «Der Coachee hat die Rahmenbedingungen des Coamine und lernen ihre Themen selbst­ chings heute kennengelernt. Die Struktur ist ihm klar ständig sowie strukturiert zu themati­ und gibt ihm Sicherheit. Er ist motiviert auf seine Ziele sieren. hinzuarbeiten.»


52

Forschungsergebnisse

Rückschläge und alternative Perspektiven Mögliche (als Zukunftsplanung) oder bereits erfahrene Rückschläge werden durch die Jugendlichen reflektiert, negative Gefühle benannt sowie alternative Perspekti­ ven und Lösungen erarbeitet. Der Coach und ihr / sein eigener Lernprozess Auch für die Coachs sind eigene Erfolge in der Beziehungsdynamik mit den Coachees beschreibbar. Der Coach arbeitet im Idealfall mit einem kontinuierlichen, ei­ genen Lernprozess und bleibt mit sich selbst als Coach und ihren  /  seinen Wahrnehmungen in Kontakt. Von die­ Eine Rückmeldung eines Coachs in der Datenerfassung, ser Selbstreflektion profitiert auch der die mit sich vorbildlich in «Kontakt» stand: Coachee. Der Coach hat die Aufgabe ihre /  «Der abrupte Wechsel lässt mich natürlich reflektieren. seine Themen nach den Gesprächen zu Der Coachee hatte in der Vergangenheit ausdrücklich reflektieren und dadurch vorbereitet in klare Ansagen und bestimmte Führung gewünscht das nächste Coaching zu starten. Da­ anstelle von Vorschlägen, doch mit den gestrafften durch ist gewährleistet, dass der Coach Coachings scheint er dennoch nicht warm zu werden den Coachee in ihrem / seinem Prozess und es ermüdet ihn. Ich frage mich, ob ich ihn weniger unterstützen kann. hatte sprechen lassen, als davor und zu stark die Führung übernommen hatte? Allerdings war heute bereits das achte Gespräch und er war bereits einen guten Schritt weitergekommen im Prozess. Erstaunt bin ich einfach, dass er erst vor einer Woche nicht auf meinen Vorschlag einging, die Gespräche weniger häufig, d.h. nur noch alle 2 – 3 Wochen, zu führen, heute aber plötzlich einen Unterbruch möchte.»

Dauer Coachingprozess Die geplanten, zur Zielsetzung passenden Themen können vielfach in vier bis sechs Sitzungen erarbeitet werden. Diese Geschwindigkeit wirkt effizient, bildet aber auch ein Spannungsfeld, um genügend tief in die Thematik einzusteigen. Die Erfahrung zeigt, dass erfahrene Coachs längere Prozesse führen und mehr Details zusammen mit dem Coachee erarbeiten.

Durch Coachs wahrgenommene Spannungsfelder Spannungsfelder sind in der Beziehungsdynamik zwischen Coach und Coachee in einem Coachingprozess ein zu erwartendes Phänomen. Die Spannungsfelder ent­ stehen aufgrund der unterschiedlichen Rollen der beteiligten Personen. Die zentrale Frage ist: Nimmt der Coach ihre / seine eigenen Spannungen wahr oder projiziert sie / er diese auf den Coachee? Zu diesem soziologischen Thema werden nach der Interpretation durch die Coachs angewandte Methoden beschrieben, die das Ziel hatten das Spannungsfeld aufzulösen oder abzubauen.


Forschungsergebnisse

53

Interpretation: Viel Inhalt, die passende Methode und Intervention Den teils ausführlich erklärten Inhalt (Content / auch als «Redeschwall» beschrie­ ben) der Jugendlichen als Coach «im Auge zu behalten» und passende Metho­ den / Interventionen im richtigen Moment abzurufen, kann herausfordernd sein. Jugendliche und junge Erwachsene neigen z. B. bei ADHS Fragen mit einer hohen Informationsdichte zu beantworten. Dazu gehören auch teils mehrere parallele The­ men, die von den Coachees gleichzeitig beschrieben werden.

Ergänzung: Ein höheres Alter des Coachees kann Sicherheit für den Coach schaffen und ist eine Ressource aufgrund der höheren Lebenserfahrung. Das bedeutet als gegenteilige Interpretation: Die Coachs sind herausgefordert zu lernen mit jün­ geren Jugendlichen im Rahmen ihrer Ein Einblick in die Datenerfassung eines Coachs: altersbedingten Möglichkeiten zu Ar­ beiten (weniger Lebenserfahrung). Jün­ «Es gelingt mir noch nicht, den Redefluss des Coachees gere Jugendliche können altersbedingt und seine Sprunghaftigkeit angemessen in zielorientierte sich selbst weniger reflektieren. Das be­ Bahnen zu lenken. Ich beschliesse, ihm heute hauptsächdeutet, der Coach hat die Aufgabe et­ lich einfach zuzuhören und nur vereinzelte Fragen zu was mehr Verantwortung für den Inhalt stellen, um ihn besser kennenzulernen.» der Coachings zu übernehmen. Euphorie und Überforderung Euphorie aufgrund erlebter Erfolge durch das Jugendcoaching oder der für die Coa­ chees erfreulichen Beziehung zum Coach, können zu einer hohen Anzahl ange­ strebter Ziele führen und eine damit verbundene Überforderung des Coachees. Mögliche Massnahmen: Priorisieren der Ziele, zu viele Themen oder gewünschte Ziele «parken» und später im Coachingprozess bei Bedarf nochmals aufnehmen, Zielsetzung bei bereits erfolg­ ten Rückschlägen überprüfen und bei Bedarf überarbeiten

Forschung

Mögliche Massnahmen: Spiegeln / Paraphrasieren, Prioritäten durch Coachee setzen lassen, Visualisierungen und Skalierungen einsetzen, grundsätzlich Struktur durch Eingrenzung der Themen im Coaching schaffen, zur Zielsetzung führen – und dennoch den Überblick über die Bedürfnisse und Themen der Jugendlichen behalten, eine altersangepasste Sprache verwenden (Wer sich verstanden fühlt, redet weniger.)


54

Forschungsergebnisse

Persönlichkeitstest und Selbstreflexion Ein mit dem Coachee durchgeführter Persönlichkeitstest schafft eine breite Ge­ sprächsbasis. Passende Tests für Jugendliche sollen Brückenbauer zu deren Selbstre­ flexion sein. Es besteht die Gefahr lange über das Leben zu philosophieren, ohne klare Ziele zu erarbeiten.

«Ich habe bei diesem Coachee schon das dritte Mal die Zeit überzogen. Ich muss darauf achten, nicht aus meiner Rolle als Coach zu treten um gemeinsam über das Leben zu philosophieren.»

Mögliche Massnahmen: Erfahrungen mit dem Persönlichkeits­ test als Coach mit Erwachsenen sam­ meln, bevor Jugendliche damit arbeiten. Themen, die mit dem Test bearbeitet werden, frühzeitig eingrenzen.

Müdigkeit als Gegenübertragung Spürbare Müdigkeit beim Coachee. Diese kann wie die Coachs berichten auch an­ steckend und lähmend auf den Coach wirken. Dies entspricht einer Gegenübertra­ gung (siehe Seite 111).

«Ich versuche die Müdigkeit des Coachees aus­zuhalten. Dass er sich dann doch wieder zunehmend für sein eigenes Anliegen erwärmen kann, macht den Prozess einfacher.»

Mögliche Massnahmen: Müdigkeit empathisch zusammen mit Coachee ansprechen, gemeinsame Massnahmen erarbeiten (z. B. andere Uhrzeit oder anderer Wochentag für Coaching), als Coach wachsam und sich der Wirkung auf sich selbst be­ wusst sein

Starke Gefühlsäusserungen Gefühlsausbruch des Coachees mit Weinen, spürbaren Agressionen, Nervosität

«Coachee ist zuerst sehr aufgebracht, weinte stark.» «Coachee leidet unter ADS. Daher wechselte er etwa alle zehn Sekunden seine Sitzposition. Er schweifte fortlaufend mit seinen Gedanken ab und wirkte sehr nervös.»

Mögliche Massnahmen: Gefühle zulassen, Gefühle ansprechen und benennen (siehe Methode «Vier Grundgefühle» auf Seite 90), als Coach ruhig sprechen, Coachee Zeit lassen aus ihren / seinen Gefühlen die Bedürfnisse abzuleiten


Forschungsergebnisse

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Anerkennung und Opferrolle Coachee sucht Anerkennung durch Coach oder gibt sich in Opferrolle und fordert Schutz / Hilfestellung / Beratung durch Coach Mögliche Massnahmen: Anerkennung: Zusammen mit Coachee das aktuell vorherrschende Gefühl erar­ beiten und reflektieren (an der Selbstre­ flexion des Coachees arbeiten); Metho­ de «Vier Grundgefühle» verwenden (siehe Seite 90), Bedürfnisse und Ziele durch Coachee anschliessend erarbei­ ten lassen

«Ich fragte sie nach dem Thema; sie wusste keines. Ich fragte mögliche Themenfelder ab; sie meinte, dass sie dort nichts ändern könnte. Sie wirkte auf mich, als ob sie in der Opferrolle sei.»

Im Spannungsfeld der Rollen Der Coach nimmt den Rollenwechsel Jugendarbeiter – Coach – Fachberatung als Spannungsfeld wahr. Falls der Coach den Coachee bereits vor dem Coachingpro­ zess kennt, dann steigt die Gefahr, vor­ eilig in die Fachberatung zu wechseln. Antwort zu Nebenfragestellung 1: Mögliche Massnahmen: • Rollenwechsel bewusst ansprechen; Die Nebenfragestellung 1 lautet: vom Jugendarbeiter  /  von der Ju­ «Welche Methoden bewährten sich in Verbindung zwigendarbeiterin zum Coach, im Coa­ schen Jugendcoaching und Fachberatung?» ching vom Coach zum Fachbera­ ter / zur Fachberaterin und zurück in Die hier beschriebenen Massnahmen sind die damit die Rolle als Coach verbundene Antwort. • Themen abgrenzen; im Coaching wird nicht aus der Rolle als Jugend­ arbeiter/in argumentiert, der Jugend­ arbeiter / die Jugendarbeiterin nimmt Ein Beispiel aus der Datenerfassung eines Coachs: im Arbeitsalltag keine Coaching­ themen zur Diskussion an «Ich lerne den bewussten Rollenwechsel vom Coach zum Fachberater anzuwenden. Diese Flexibilität empfinZusammenfassend ist die Entwicklung de ich als sehr hilfreich, um erfolgreicher zu coachen.» eines klaren Rollenbewusstseins durch den Coach erforderlich. Auch Orientierungslosigkeit beim Coachee kann eine Falle für den Coach sein, um zu früh resp. unbewusst in die Fachberatung zu wechseln.

Forschung

Opferrolle: • Rollen klären; Coachee ist für Inhalt & Zielsetzung verantwortlich, Coach für Prozess • Methode «Drama-Dreieck» (siehe Seite 92) oder «OK-Geviert» (siehe Seite 97) verwenden, um Gleichwertigkeit herzustellen • Lösungen gemeinsam erarbeiten • Verantwortung für Lösung an Coachee delegieren


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Antwort zum übergeordneten Thema der Forschung Teil 1: Eine stabile Beziehung zwischen Coach und Coachee ist ein Schlüssel zu einem erfolgreichen Coachingprozess. Die damit verbundene übergeordnete Fragestellung lautet wie folgt: «Wie ist die Beziehungsqualität bzw. das Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen Coach und Coachee?» Bewertung: Spannungsfelder im Zusammenhang mit der Beziehungsgestaltung zwischen Coach und Coachee sind zu erwarten. Die Frage bei Jugendcoaching ist, wie der Coach mit den auftretenden Spannungen umgeht, die ein Ungleichgewicht in der Beziehung auslösen könnten. Wir wiederholen die hier erwähnten Massnahmen: • eigene Gefühle oder eigener Widerstand als Coach wahrnehmen (bewusste Selbstreflexion) • «Kopfkino» ernst nehmen, nicht auf Coachee projizieren • dem Coachee die Verantwortung für ihre / seine Ziele, ihre / seine Lösungssuche lassen

Ein Beispiel eines Coachs, die mit ihren Gefühlen selbstreflektiert in Kontakt stand: «Dass der Coachee fast kein gutes Haar an sich selber lassen kann, löst einiges bei mir aus. Ich arbeite zur Zeit bewusst mit ihm seine Stärken heraus. Ich bemerke, dass sich einerseits mein Beschützerinstinkt regt, ich jedoch andererseits ein Aufkommen von Ungeduld oder fast schon leichte Aggressionen verspüre, wenn er jeden (jeden!) positiven Satz oder jede Frage umgehend negativ formuliert oder beantwortet. Ich nehme das sorgfältig wahr und spiegle ihm sein Verhalten neutral. Ich habe Mühe mit Opferverhalten, das ist mir bewusst. Daher setze ich mich mit diesem Coachingprozess und der Interaktion besonders sorgfältig auseinander.»

Forschungsergebnisse

Der Coach ist auch nur ein Mensch Der Coach erkennt folgende Span­ nungsfelder: • Opferhaltung • fehlende Verbindlichkeit • sich wiederholende Argumente des Coachees; verbunden mit falschen Prioritäten und / oder Unwissen­ heit / Unerfahrenheit • persönliche Erfahrungen in ähnli­ chen Themen als Coach • sich widersprechende Wertvorstel­ lungen • «negativ empfundene Gefühle» (auch Ungeduld) gegenüber dem Coachee Mögliche Massnahmen: • Eigene Gefühle oder eigenen Widerstand als Coach wahrnehmen (bewusste Selbstreflexion) • «Kopfkino» ernst nehmen • als Coach sich der eigenen Grundgefühle (siehe Seite 90) bewusst sein. Wichtige Grundhaltung: Es gibt keine negativen Grundgefühle. Das vorherr­ schende Grundgefühl entspricht dem Bedürfnis des Coachs. Die zentrale Fra­ ge ist: Projiziert der Coach ihre / seine Grundgefühle auf den Coachee? Dem Coachee die Verantwortung für ihre / seine Ziele, ihre / seine Lösungs­ suche lassen!


57

Forschungsergebnisse

Der Coachee bleibt dem Termin fern (Nicht) abgemeldetes Fernbleiben irri­ tiert und unterbricht den Coachingpro­ zess und die Dynamik der Zusammen­ arbeit, planlose Unterbrüche brauchen zusätzliche Energie, in erster Linie für den Coachee, aber auch für den Coach um weiterhin zielorientiert zu arbeiten Mögliche Massnahmen: • Gespräch mit Coachee suchen • offen kommunizieren, indem die Wahrnehmung und die Gedanken des Coachs zur Verfügung gestellt werden • auf die vertraglich verbindlich gere­ gelte Zusammenarbeit hinweisen • Auswirkungen der längeren Pausen auf die Zielsetzung des Coachees als Hypothese zur Verfügung stellen

Ein Coach berichtet von seiner Intervention: «Ich habe den Coachee darüber informiert, dass ich in diesem Gespräch etwas ansprechen möchte, wozu er eingewilligt hat. Ich habe es als wichtig erachtet das Thema «Zuverlässigkeit und Verantwortung» offen anzusprechen und ihm meine Gedanken dazu zur Verfügung zu stellen. Ich war darauf bedacht meine Gedanken nicht aufzudrücken und ihn nicht zu manipulieren. Der Coachee hat sich darauf eingelassen und war schlussendlich dankbar.»

Vieles ist Erfahrungssache des Coachs. Erfahrene Coachs können konstruktiv und lösungsorientiert mit den hier beschriebenen, anfallenden Spannungsfeldern umgehen. Deshalb gilt auch hier: Erfahrung macht den Unterschied und schafft als Handlungskompetenz auch Sicherheit für den Coach.

Die in der Datenerfassung notierten Methoden werden hier kurz aufgelistet. Die Beratungsformate wurden erklärt (Coaching) bzw. abgegrenzt (Therapie, Fach­ beratung, Schulsozialarbeit etc.) um eine transparente, zielorientierte Grundlage für die Zusammenarbeit zu schaffen. Die Rollenklärung zwischen Coach und Coachee fand erfolgreich statt. Fachberatung wurde durchgeführt oder durch Fragen als bewusste Intervention umgangen, um weiter mit den Ressourcen des Coachees zu arbeiten. Teils war der Coach als Impulsgeber (Gedanken zur Verfügung stellen, Vorschläge aktiv anbie­ ten) tätig, um den Prozess zu steuern. Mit «W-Fragen» (Wer? / Was? / Wann? / Wo? / Warum? / Wie? / Wozu?) und «Türöffner-Fragen» wurde eine lö­ sungs- und beziehungsorientierte Basis für die Zusammenarbeit geschaffen.

«Der Coachee kann durch das Nachfragen des Coachs, immer wieder den Fokus in die Zukunft setzen und bleibt nicht in der Vergangenheit stehen.»

Durch offene Fragen wurde der Coa­ chee aktiviert. Zirkuläre Fragen ermög­ lichten die Coachees sich selbst oder andere Personen besser einzuschätzen.

«Der Coachee konnte durch zirkuläre Fragen gut ihr Empfinden in Beispielsituationen wahrnehmen und hatte dadurch grosse «Aha-Momente». Die Erkenntnisse motivieren den Coachee, weiterhin bei sich hinzusehen.»

Forschung

Angewandte oder beobachtbare Methoden


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Forschungsergebnisse

Der Coachee setzte Prioritäten, teils durch Skalierungen. Skalierungen ermöglichten eine hohe Klarheit und nachvollziehbare Zielperspektive. Spiegeln und Paraphrasieren wurden wirkungsvoll durch die Coachs einge­ «Es gelang mir, durch Spiegeln dem Coachee das Gefühl setzt. zu geben, verstanden zu werden.»

Ermutigungen sind für jugendliche Coachees wichtig. Widerstand wurde erfolgreich abgebaut. «Denken, Fühlen, Handeln» als Methode bzw. unterschiedliche Verhaltensdimensi­ onen wurde eingesetzt.

«Wir fuhren weiter in der Potenzialanalyse und sie meinte, sie freue sich darüber, dass ihre Talente so klar sichtbar sind.»

Die Potentialanalyse (siehe Seite 138) wurde wirkungsvoll eingesetzt.

«Das Kennenlernen der eigenen Persönlichkeit aus dem ersten Coachingprozess hat sehr weitergeholfen. Wir konnten direkt anknüpfen.»

Persönlichkeitstests (nicht Teil dieses Handbuchs) wurden erfolgreich durch­ geführt. Diese Tests dienten als Brü­ ckenbauer zur Selbstreflexion der Coa­ chees. Die Coachs, die diese einsetzten, bildeten sich selbstständig weiter.

«Ich entdecke immer wie mehr, wie hilfreich es ist, mit den Coachees einen Persönlichkeitstest zu machen.»

Standortbestimmungen sind für Coachees und Coachs wichtig, um den Fortschritt bewusst zu erfahren.

Ich-Zustände und OK-Geviert helfen dem Coach sich im Coachingprozess in der Beziehungsgestaltung zu orientieren.

Wir stellen fest, dass die durch Jugendcoaching «Get it real» vermittelten Methoden erfolgreich durch die Coachs angewandt wurden.

Das Schweigen der Coachees als Coach auszuhalten, ist wichtig. Der Coachee ist in diesen Momenten stärker und produktiver mit sich selbst beschäftigt, als dies im ersten Moment meist wahr­ nehmbar ist.


Forschungsergebnisse

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Temporäre Themen Die temporären, ungeplanten Themen bzw. deren für den Coachee zufrieden­ stellender Bearbeitung sind ein zent­ rales Anliegen der in diesem Buch be­ schriebenen Forschung (siehe Seite 37). Dieser Abschnitt geht auf die in der Da­ tenerfassung erfolgten Rückmeldungen der Coachs ein.

Ein Ausschnitt aus den Gesprächsnotizen eines Coachs zu einem temporären Thema:

Interpretation: Die temporären Themen lassen sich in «Hiobs-Botschaften» (z. B. Todesfall im nahen Umfeld) und Störfaktoren, wie starke Gefühlsreaktionen auf persön­ liche Erlebnisse wie z. B. in der Schule oder Familie unterteilen. Die erwähnten temporären Themen beschreiben teils das mit dem Coachee erarbeitete Ziel. «Budget erstellen» ist somit das Ziel für wachsende Schulden oder zu hohe persönliche Ausgaben bzw. «eigene Zuverlässigkeit erhöhen» ist das passende Ziel zu kritischen Rück­ meldungen des Klassenlehrers. Folgen­ de Themen wurden durch die Coachs erfasst, Mehrfachnennungen stehen zuerst.

Antwort zu Nebenfragestellung 2: «Wie abschliessend können temporäre Themen in Coachingprozessen in einem einzelnen Gespräch geklärt werden?»

«Der Coachee ist sehr niedergeschlagen. Er erzählt von seinen Schwierigkeiten in der Klasse, von den Lehrern, von denen er sich unverstanden fühlt, von den schlechten Noten. Er muss richtig abladen und ist kaum zu bremsen.»

Als Ergänzung zu den auf der nächsten Seite beschriebenen Massnahmen ergänzen wir die bereits auf Seite 43 detailliert beschriebenen Werte. Folgende Frage wurde an die Coachees gestellt: «Wurde das temporäre Thema geklärt?» Wie ist deine Bewertung auf einer Skala von 1 – 6? (1 = gar nicht / 6 = vollständig)

Bewertung: Jugendliche und junge Erwachsene können temporäre Themen in einem einzelnen Gespräch aus ihrer Sicht gut klären.

• Bewerbung vorbereiten • Bewerbungsunterlagen erstellen • Berufswahl • Beziehungsgestaltung am Arbeitsplatz inkl. Gesprächsvorbereitung mit Vorge­ setztem und Planung Weiterbildung • Mitarbeit in der Jugendarbeit • Krisen im Elternhaus inkl. Wunsch von zu Hause auszuziehen • Beziehungsgestaltung zu Freunden inkl. Konfliktbewältigung und der Frage «Was sind richtige Freunde?» • Nervosität / Konzentrationsschwierigkeiten • Beziehungsende zu Freundin / Freund inkl. Trauer und Abschied • Sinnfragen zu Krankheit, Leben und Tod • Hausaufgaben besprechen • Lerntechnik in der Schule • Budget erstellen • persönliche Stärken erarbeiten und Selbstwert stärken • Umgang mit Prüfungsdruck

Forschung

Die Coachees antworteten mit folgendem Durchschnittswert: 4.9 von 6


60

Forschungsergebnisse

• Sinnkrise in Ausbildung • Klassenwechsel in der Schule • Stressmanagement • eigene Zuverlässigkeit erhöhen • Lehrstelle verloren; Frage «Wie weiter?» • Todesfall inkl. Abschied und Trauer • ADHS und Umgang mit Medikamenten • Ernährung • Kleidungsstil • Suchtmittelkonsum (Rauchen) • Konflikt mit Ex-Frau und Sorgerecht für Kinder Wir stellen fest, dass Emotionen als eine übergeordnete Thematik in Bezug zu den temporären Themen zu verstehen sind, weil sie den Coachee in ihrem / seinem ge­ planten Coachingprozess einschränken. Mögliche Massnahmen: • Bedürfnis des Coachees abfragen; soll am temporären Thema gearbeitet werden oder weiter am Coachingprozess? (in der Regel kann der Coachee nicht am ge­ planten Thema weiterarbeiten; der Coach macht dies mit dem Angebot für die Bearbeitung des temporären Themas sichtbar) • Falls temporäres Thema favorisiert wird, dann wird die Zielsetzung des Coaching­ prozess bewusst für ein Gespräch geparkt. • Die Grundsatzfrage lautet: «Was braucht der Coachee um das temporäre Thema heute zufriedenstellend zu bearbeiten?» Die Methode «vier Grundgefühle» (sie­ he Seite 90) kann eine Grundlage für eine zufriedenstellende Bearbeitung bieten. Sobald die Ziele und Erwartungen an den aktuellen Coachingtermin geklärt sind, wird am temporären Thema gearbeitet. Am Schluss des Termins wird nachgefragt, wie zufriedenstellend das temporäre Thema bearbeitet wurde. Diese Bewertung wird mit einer Skalierungsfrage (siehe Seite 117) erfolgen. So kann der Coachee im Idealfall mit dem temporären Thema abschliessen und ihre / seine Energie im nächsten Coachingtermin wieder auf die Ziele des Coachingprozesses fokussieren.


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Forschungsergebnisse

Abbruch Jugendcoaching Da nur vier Prozesse offiziell abgebro­ chen wurden, ist die Datenbasis be­ grenzt. Folgende Rückmeldungen sind vorhanden: • Konflikt mit anderen Jugendlichen im Jugendtreff • Trennung von Freund im Umfeld des Jugendtreffs • Keine Zeit mehr • Problem gelöst

Die Nebenfragestellung 3 lautet wie folgt: «Im Falle eines Abbruchs des Coachingprozesses: Weshalb wurde der Coachingprozess abgebrochen?» Bewertung: Wir fassen zusammen, dass drei Themenbereiche erkennbar sind: • Konflikte im Umfeld der Jugendcoachings (nicht mit Coach, sondern mit anderen Jugendlichen) • andere Prioritäten (keine Zeit mehr) • Ziel aus Sicht des Coachees erreicht (Problem gelöst), kein Abschlussgespräch durchgeführt

Die Jugendlichen wurden im Rahmen von Abschluss- und Zwischenauswertungen während bzw. am Schluss des Coachingprozesses mit 27 quantitativ bewerteten und vier offenen, qualitativen Fragen befragt. Die soziale Erwünschtheit wurde soweit wie möglich reduziert. Das bedeutet, es wurden Rahmenbedingungen geschaffen, dass die Jugendlichen ihre Meinung offen äussern konnten. Die Jugendlichen füllten die Auswertungen alleine aus. Die Ergebnisse der einzelnen Coachees wurden den Coachs nicht zur Verfügung gestellt. Die Coachs informierten die Jugendlichen über diesen Ablauf und schafften so die notwendige Transparenz. In der Befragung wurden zwei Kontrollfragen (Fragen 4 und 24) integriert, die für eine positive Antwort mit tiefen Punktzahlen bewertet werden mussten, falls die anderen Fragen mit hohen Punktzahlen bewertet wurden. Die Datensätze, die bei beiden Fragen eine nicht begründbare hohe Punktzahl beinhalteten bzw. sich inhaltlich in Bezug zu anderen Fragen widersprachen, wurden für die Evaluation nicht berücksichtigt. Dies betraf neun Datensätze. Die einzelnen quantitativen Fragen wurden von «1 = trifft gar nicht zu» bis «6 = trifft sehr zu» beantwortet bzw. kalkuliert. Die Coachees waren durchschnittlich 19.0 Jahre (Mittelwert) alt bei der Bewertung. Die jüngste Person war 14.0 und die älteste Person 27.3 Jahre alt.

Forschung

Zwischen- und Abschlussevaluation durch die Coachees


62

Forschungsergebnisse

Quantitative Evaluation durch die Coachees Zusammenfassung Der Mittelwert über alle Fragen von allen Coachees beträgt 5.4. Die Standardabwei­ chung liegt bei 1.04. Wenn nur Coachees über 20 Jahre bewertet werden, dann steigt der Mittelwert auf 5.5. Das bedeutet, die Gruppe mit der höheren Lebenserfahrung bewertet die Qualität der Coachings besser als der Durchschnitt aller Jugendlichen. 25 der 26 Fragen wurden nicht tiefer als 5 im Mittelwert (bzw. 2 bei den Kont­ rollfragen) bewertet. Das bedeutet «trifft zu» in der Bewertungsskala und entspricht einer sehr positiven Bewertung durch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Die Bewertungen der Abschluss- und Zwischenauswertungen sind durchwegs positiv. Coaching ist aus Sicht der Jugendlichen als Methode nachvollziehbar, die Beziehung zu den Coachs wird sehr positiv bewertet und die Zielerreichung als hoch wahrgenommen. Wir stellen fest, dass Struktur und Methodik von «Get it real» erfolgreich angenommen wurden.

Über alle Fragen betrachtet, sprechen die Antworten der Coachees für eine hohe Akzeptanz und Zufriedenheit des Coachings bei den Teilnehmenden. Die persönliche Zielerreichung der Ju­ gendlichen wurde auf einer Skala von 10 – 0 bewertet. Der Mittelwert beträgt 8.0 von 10. Wir stellen fest, dass die Coachees ihre persönliche Zielerrei­ chung als hoch bewerten.


63

Forschungsergebnisse

Mittelwerte quantitative Daten Antworten waren möglich von 1 = «trifft gar nicht zu» bis 6 «trifft sehr zu» 5.5

5.7

5.5

5.5

5.4

5.5

5.6

5.6

5.7

5.7

5.7

5.6

5.5

5.5

5.6

5.7

5.7

5.7

5.8

5.7

5.7

5.8

6

5.4 5.1

5

4

3 2.6 2

1.9

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

1

Die Räumlichkeiten boten einen guten Rahmen für das Coaching (Ruhe, Vermeidung von Störungen etc.).

14

Bei Fragen zum Vorgehen erhielt ich genaue und klare Antworten.

2

Termine wurden von dem Coach immer eingehalten.

15

Zum Abschluss besprachen wir gemeinsam den Prozess und die erreichten Veränderungen.

3

Der Coach konnte mir klar machen, was er von mir erwartet.

16

Ich wurde während des Coachings in meinen persönlichen Zielen unterstützt.

4

Terminabsprachen waren schwierig.

17

Durch den Coaching-Prozess konnte ich einen für mich klaren Nutzen erreichen.

5

Die Regeln am Anfang des Coachingprozesses waren für mich klar und verständlich (schriftlicher oder mündlicher Vertrag).

18

Die Beziehung zwischen mir und dem Coach ist geprägt durch Vertrauen.

6

Der Coach machte mir deutlich, was er kann und was er nicht kann.

19

Die Beziehung zwischen mir und dem Coach ist geprägt durch Sympathie.

7

Der Coach stellte seine Arbeitsweise verständlich vor.

20

Die Beziehung zwischen mir und dem Coach ist geprägt durch Offenheit.

8

Im ersten Gespräch wurden die Dinge, die für mich wichtig sind, angesprochen.

21

Die Beziehung zwischen mir und dem Coach ist geprägt durch Ehrlichkeit.

9

Der Coach klärte mit mir zu Beginn gut verständlich die Ziele des Coachings.

22

Ich fühlte mich während des Coachings verstanden.

10

Ich hatte den Eindruck, dass der Coach immer gut vorbereitet in die Sitzungen kam.

23

Meine Fähigkeit, Probleme selbständig zu lösen, ist durch das Coaching gestiegen.

11

Den Coaching-Prozess konnte ich mitbestimmen.

24

Mir sind keine neuen Dinge über mich bewusst geworden.

12

Der Coach präsentierte keine schnellen Lösungen, sondern arbeitete mit Fragen.

25

Ich kann das Coaching weiterempfehlen.

13

Die vom Coach eingesetzten Methoden empfand ich als hilfreich.

26

Ich kann meinen Coach weiterempfehlen.

Wie hoch schätzt Du Deine persönliche Zielerreichung auf einer Skala von 10–0 ein? Mittelwert: 8.0 Standardabweichung: 1.54

Grafik 15; eigene Darstellung / N = 106

23

24

25

26

0

Forschung

1


64

Forschungsergebnisse

Diskussion der quantitativen Daten Zusammenfassung Mit 8.0 von 10 als Mittelwert oder 80 % liegt der Wert der Zielerreichung hoch. Die Zielerreichung ist immer auch von der Umsetzungsfähigkeit des Coachees und der Bereitschaft, selber aktiv zu werden, abhängig. In diesem Zusammenhang kann von einer subjektiv durch die Coachees gesehenen, erfolgreichen Umsetzung der eigenen Ziele ausgegangen werden. Infrastruktur / Frage 1: Die Räumlichkeiten boten einen guten Rahmen für das Coaching. Eine passende Rauminfrastruktur ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgrei­ che Beratung. Im Fall von Jugendcoachings wurde nebst passenden Beratungsräu­ men auch eine hohe Niederschwelligkeit und gute Erreichbarkeit zum Ziel gesetzt. Deshalb wurden mehrere Räume in Jugendzentren eingesetzt. Während den Öff­ nungszeiten bietet dieses Umfeld auch einige Ablenkungen wie die Anwesenheit der Freunde der Coachees und laute Musik. Interpretation: Mit einem Durchschnittswert von 5.5 liegt die Bewertung genau zwischen «trifft zu» und «trifft sehr zu». Wir gehen davon aus, dass Jugendliche sich auch in ei­ nem teilweise nicht ganz idealen Umfeld gut in Beratungsgesprächen organisieren können. Vermutlich ist den Jugendlichen eine vertraute Umgebung vergleichbar wichtig wie technisch gesehen eine ideale Rauminfrastruktur, die auch steril und unpersönlich wirken kann. Terminplanung / Fragen 2 und 4 Eine bedürfnis- und zielorientierte Beratung benötigt ein passendes Zeit­management. Die Frage 2 klärt die Verbindlichkeit des Coachs in Terminfragen. Frage 4 bewertet die gemeinsame Terminsuche. Interpretation: Mit 5.7 wird die Verbindlichkeit des Coachs durch die Jugendlichen sehr hoch be­ wertet. Die negativ formulierte Kontrollfrage zur Terminsuche liegt mit dem Wert 1.9 knapp bei «trifft nicht zu», was 5.1 bei einer positiv formulierten Frage be­ deuten würde. Coachs und Jugendliche Jugendcoaching findet häufig in der Freizeit der Jugendliberichteten in der qualitativen Auswer­ chen statt. Schule und Arbeitsplatz verpflichten die tung von der Schwierigkeit, die häu­ Jugendlichen während ungefähr 40 Stunden pro Woche. fig abends stattfindenden Coaching­ Für den Coach bedeutet dies, dass sie / er ab 17 Uhr termine zu planen und mit anderen verfügbar sein sollte, um den Jugendlichen in ihrer LebensVerpflichtungen der Jugendlichen wie welt in der Freizeit zu begegnen. Sporttraining und Hobbys sowie den zeitlichen Möglichkeiten des Coachs in In einzelnen Fällen nehmen Coachees in Unterrichtspausen Einklang zu bringen. Deshalb ist diese oder während der Stellensuche aufgrund eigener ArbeitsloBewertung nachvollziehbar. sigkeit Coachingprozesse in Anspruch. In diesen Situationen stehen dem Coach mehr zeitliche Ressourcen zur Verfügung.


Forschungsergebnisse

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Gegenseitige Erwartungen, Regeln, Grenzen von Coaching, Arbeitsweise / Fragen 3, 5 – 7 Eine klare Auftragsklärung mit gemeinsamen Regeln und auch Begrenzungen des Coachings sind ein zentrales Anliegen von professionellen Coachingangeboten. Coaching ist ein wirkungsvolles Werk­ zeug, braucht aber auch eine passen­ de Struktur und hat Grenzen in seiner Die strukturierte Vorgehensweise in den Coachings wird von möglichen Wirkung. Diese sind auf der den Jugendlichen positiv bewertet. Beziehungsebene zwischen Coach und Coachee zu klären.

Erstgespräch, Zielklärung, Sitzungsvorbereitung / Fragen 8 – 10 Das Erstgespräch (Frage 8) soll für den weiteren Coachingprozess die Struktur und Verbindlichkeiten klären. Es wird eine klare Zukunftsperspektive für den ganzen Prozess geschaffen. Die Beziehung wird u.a. durch Spiegeln und aktives Zuhören von Anfang an bewusst gestaltet (siehe Seite 103). So wird erreicht, dass der Coa­ chee mit seinen Anliegen sich verstanden fühlt. Die Ziele für den Coachingprozess werden gemeinsam erarbeitet (Frage 9). Eine gute Sitzungsvorbereitung durch den Coach gibt auch dem Coachee die nötige Sicherheit, um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen (Frage 10). Interpretation: Mit Werten von 5.6 (Erstgespräch), 5.6 (Zielklärung Prozess) und 5.7 (Sitzungs­ vorbereitung) ist die Bewertung durch die Jugendlichen hoch. Auch hier sehen wir bestätigt, dass die Struktur von Jugendcoaching «Get it real» von den Jugendlichen positiv wahrgenommen wird.

Forschung

Interpretation: Die Frage 3 bewertet die gegenseitigen Erwartungen, Frage 5 die Regeln und Frage 6 die Grenzen der Coachs. Mit einem Wert von je 5.5 (Frage 3 und 5) und 5.4 (Fra­ ge 6) liegt die Bewertung der Coachees hoch. Wir gehen davon aus, dass die in der Ausbildung der Coachs thematisierte Vertragsarbeit für die Jugendlichen relevante Themen klärte, um Transparenz zu schaffen. Frage 7 beschreibt die nachvollziehbare Erklärung der Arbeitsweise der Coachs. Einblick in die Ziele und die Struktur der Coachings sowie eine nachvollziehbare Anwendung von Methoden, Interventionen und Rollenwahl schaffen eine sichere Umgebung für den Coachee. Mit 5.5 ist auch diese Frage hoch bewertet. Die strukturierte Vorgehensweise in den Coachings, die auch von den Coachs wiederholt in der qualitativen Auswertung als wirkungsvolles Instrument beschrieben wurde, wird auch von den Jugendlichen positiv interpretiert.


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Forschungsergebnisse

Mitbestimmung & Partizipation, Fragetechnik, eingesetzte Methoden, prozessorientiertes Arbeiten, Verständlichkeit, Gesprächs- oder Prozessabschluss / Frage 11 – 15 Es ist wichtig, den Coachee mit seinen Ressourcen in den Coachingprozess einzu­ binden. Für die Zielerreichung ist die / der Jugendliche selbst verantwortlich. Der Coach steuert den Prozess. (Frage 11) Mit Fragen wird der Coachee in seiner Lösungssuche aktiviert und begleitet (Frage 12). Die Methoden sollen aus Sicht der Jugendlichen hilfreich sein, weil sie zur Ziel­ setzung des Coachingprozesses passen (Frage 13). Es ist wichtig, durch die Jugendlichen gestellte Fragen nachvollziehbar zu beantwor­ ten (Frage 14). Der Prozess und die erreichten Veränderungen werden gemeinsam reflektiert (Fra­ ge 15).

Ein Coachee: «Ich habe gelernt, dass man durch den aktiven Austausch eine Idee oder Vorstellung so durchplanen oder besprechen kann, dass diese sehr realistisch erscheint. Wodurch man eine gewisse Sicherheit erlangt, sodass einem der Umsetzungsprozess erleichtert werden kann und auch leichter fällt!»

Interpretation: Die Bewertungen der Coachees zeigen ein einheitliches Bild. Die Fragen wur­ den als Mittelwert von 5.5 bis 5.7 be­ wertet. Wir sehen eine hohe Zufrieden­ heit mit der Coachingstruktur und der hohen Beteiligung der Jugendlichen an ihrer persönlichen Lösungssuche.

Unterstützung in Zielerreichung, Nutzen für Coachee / Frage 16 – 17 Jeder Coachingprozess mit dem von «Get it real» angewandten Konzept wird ziel­orientiert geplant. Deshalb sollte der Coachee bereits in einer Zwischenaus­ wertung nach 5 – 8 Gesprächen und bei Prozessabschluss bei der Abschlussauswer­ tung ihre / seine Zielerreichung und den Nutzen bewerten können. Interpretation: Die Frage nach der Zielerreichung wurde mit 5.6 und die Bewertung des Nutzens mit 5.4 beantwortet. Die Jugendlichen sehen somit eine hohe Zielerreichung und für sie erkennbaren Nutzen. Bei der Ein Coachee: Bewertung der qualitativen Daten im «Mir ist bewusst geworden, dass ich viele Fähigkeiten nächsten Kapitel wird detailliert darauf besitze und viele Talente habe.» eingegangen.


Beziehung zu Coach: Vertrauen, Sympathie, Offenheit, Ehrlichkeit / Frage 18 – 22 Die empathische Beziehungsgestal­ tung war ein hohes Anliegen der Pro­ jektleitung. Durch eine stabile Bezie­ hung wird der Coachingprozess durch den Coach mitgetragen. Aufgrund der Auswertung der qualitativen Daten im nächsten Kapitel wurde erkennbar, dass besonders junge Jugendliche eine für sie sehr positiv erlebbare Beziehung zum Coach suchen. Dies gibt ihnen die Selbstbestätigung, dass sie am richtigen Ort sind. Interpretation: Mit Werten von 5.7 bis 5.8 wird die Be­ ziehungsgestaltung durch die Jugendli­ chen sehr hoch bewertet. Die Ehrlich­ keit wird mit 5.8 am höchsten bewertet.

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Eine Rückmeldung eines Jugendlichen: «Man braucht viel Vertrauen und das habe ich zu meinem Coach eindeutig.»

Es wird bestätigt, dass die Coachs die Beziehung zu den ­Jugendlichen mit den angewandten Methoden positiv gestalteten.

Antwort zu übergeordnetem Thema der Forschung Teil 2: Eine stabile Beziehung zwischen Coach und Coachee ist ein Schlüssel zu einem erfolgreichen Coachingprozess. Die damit verbundene übergeordnete Frage lautet wie folgt: «Wie ist die Beziehungsqualität bzw. das Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen Coach und Coachee?» Bewertung: Mit Werten von 5.7 bis 5.8 kann die Beziehungsqualität als sehr hoch und das Ungleichgewicht als sehr tief interpretiert werden.

Fähigkeit, Probleme selbstständig zu lösen / Frage 23 Diese Frage klärt die Problemlösefähigkeit durch Jugendliche. Die Steigerung der Problemlösefähigkeit ist ein Ziel von lösungsorientierten Coachings. Interpretation: Mit 5.1 liegt dieser Wert bei «trifft zu». Wir werten dies als wichtigen Indikator für die Erfolgsmessung des Coachings durch die Jugendlichen selbst. Sie sind der Meinung, dass Coaching wirkt und ihre Problemlösefähigkeit stärkt.

Ein Coachee: «Ich durfte lernen, mich besser zu verstehen und wohler und zufriedener zu sein mit mir selbst und meinem Umfeld.»

Forschung

Forschungsergebnisse


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Forschungsergebnisse

Dem Coachee sind keine neuen Dinge über sich selbst bewusst geworden / Frage 24 Diese Kontrollfrage bedeutet mit einem tiefen Ergebnis eine positive Bewertung.

Auf die Frage «Was hat dir das Coaching für Veränderungen in deinem Leben gebracht? Hast du Neues über dich erfahren?» haben zwei Coachees wie folgt geantwortet: «Neues über mich selbst habe ich nicht unbedingt erfahren. Durch meine berufliche Situation bin ich oft gezwungen, mich selbst zu reflektieren, wodurch ich das Gefühl habe, mich selber schon sehr gut zu kennen. Allerdings habe ich durch das Coaching einige meiner Ziele erreichen und auch das eine oder andere Projekt entstehen lassen können. Das empfand ich als positive Erfahrung.»

Interpretation: 2.6 bedeutet eine Bewertung im Mit­ telfeld. Da im Coaching wesentlich mit den eigenen Ressourcen gearbeitet wird, ist es nicht zwingend notwendig, dass ein positiv verlaufender Coaching­ prozess immer die Erkenntnis von neu­ en Dingen bedeutet. Ein Ziel ist häufig, bereits bekannte, aber nicht aktivierte Fähigkeiten als Ressourcen nutzbar zu machen. Die qualitativen Rückmel­ dungen der Coachees bestätigen diese Überlegung.

«Ja, ich habe viel Neues erfahren und ich kann jetzt viel zielstrebiger und genauer vorgehen.»

Coachee empfiehlt Coaching weiter / Frage 25 Diese Frage klärt die Weiterempfehlung des Coachings als Methode und Beratungs­ angebot.

«Es ist für jeden Jugendlichen in meinem Alter nur zu empfehlen.» «Ich finde, dass das Coaching mir sehr geholfen hat, obwohl ich am Anfang sehr skeptisch war. Ich kann es nur weiterempfehlen und vor allem meinen Coach.»

Interpretation: Mit 5.7 wird Coaching sehr positiv von den Jugendlichen bewertet. Wir gehen davon aus, dass nicht alle Jugendlichen die Methode vom Coach als Person trennen können (siehe nächste Frage).

Coachee empfiehlt Coach weiter / Frage 26 Diese Frage klärt die Weiterempfehlung des Coachs als Person. Beziehungsaspekte sind für diese Bewertung zentral. Interpretation: Mit 5.8 wird hier zum zweiten Mal, nebst der Frage nach der Ehrlichkeit, der höchs­ te Wert in der Auswertung sichtbar. Dies belegt die hohe Beziehungsqualität zwi­ schen Coachs und Coachees.


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Forschungsergebnisse

Persönliche Zielerreichung / Frage 27 Für den Coachingprozess wurde zusammen mit den Jugendlichen ein Ziel definiert. Diese Frage klärt die Bewertung der Zielerreichung durch den Coachee. Interpretation: Mit 8.0 von 10 oder 80 % liegt der Wert hoch. Die Zielerreichung ist auch von der Umsetzungsfähigkeit des Coa­ chees und der Bereitschaft, selber aktiv zu werden, abhängig. In diesem Zu­ sammenhang kann von einer subjektiv durch die Coachees gesehenen, erfolg­ reichen Umsetzung der eigenen Ziele ausgegangen werden.

Eine Rückmeldung eines Coachees: «Ich bin meinem Coach sehr dankbar, ohne ihn wäre ich nicht an diesem Punkt, wo ich jetzt bin.»

Qualitative Evaluation durch die Coachees

Frage 1: Was hat dir das Coaching für Veränderungen in deinem Leben gebracht? Hast du Neues über dich erfahren? Frage 2: Was hat dir besonders gut im Coaching gefallen? Frage 3: Was hat dir weniger gut gefallen? Was hättest du dir gewünscht? Frage 4: Anmerkungen und Ergänzungen Die Antworten wurden mit einer passenden Methode ausgewertet. In den Texten wurde eine Struktur aufgrund sich wiederholender Themen gesucht, die sich auf die Frage 1 bis 4 bezieht. Gefunden wurden folgende soziologischen Themenbereiche: • durch Coachee genannte Veränderungen und Erfolge • Beziehungsdimensionen mit Vertrauen, Sympathie, Ehrlichkeit, Offenheit etc. • Rolle als Coach, Freund, Fachperson etc. • im Coaching angewandte Methoden Veränderungen und Erfolge in Verbindung mit angewandten Methoden und der Beziehungsdimension Ungefähr 65 Prozent der Texte zu den Fragen 1 und 2 beschreiben positive Verän­ derungen und messbare Erfolge durch die Jugendlichen. Die Beschreibungen sind in der Regel detailliert und verständlich formuliert. Die zweithäufigsten genannten Themen (ca. 20 Prozent der Texte) beschreiben im Coaching angewandte und durch die Jugendlichen erfahrene Methoden. Die Me­ thoden werden regelmässig in Verbindung mit den Veränderungen und Erfolge ge­ nannt. Zudem erfolgte eine Beschreibung der Wirksamkeit durch die Jugendlichen.

Forschung

Zusätzlich zu den Bewertungen von 1 – 6 wurde jeder Coachee mit vier Fragen be­ fragt, die sie / er offen beantworten konnte:


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Forschungsergebnisse

Auch annähernd 20 Prozent der Texte beschreiben die Beziehungsebene in der Re­ gel positiv. Die Frage 3 «Was hat dir weniger gut gefallen? Was hättest du dir gewünscht?» wurde gesamthaft 61 Mal beantwortet. 38 (62 %) der Rückmeldungen waren po­ sitiv bzw. nicht kritisch. Die eindeutig kritischen Rückmeldungen (15 versch. Aussagen) können nicht in Aussagegruppen von einer statistisch relevanten Grösse zusammengefasst werden. Hier einige Beispiele der Rückmeldungen: • Wenn es zu viele Fragen gab, die ich kaum beantworten konnte. • Zielorientierter zu arbeiten • Schwierigkeitsstufen der behandelten Themen. (Wortwahl) • Manchmal hätte ich gerne mehr Zeit gehabt, als nur eine Stunde. Jedoch denke ich, wenn ich dies beantragen würde, könnte etwas abgemacht werden. • Die Musik im Jugendtreff war teilweise zu laut. • Anderes Verhalten und ein wenig mehr freundlicher. • Pausen zwischen Gesprächen waren zu lang. • Dass ich ein- bis zweimal gesagt «Meine Selbstständigkeit und Zielsetzung haben sich habe, dass mir der Raum in dem das verbessert.» Coaching stattfand nicht behagt und wir aber trotzdem das Coaching dort «Mich hat fasziniert, dass ich mit kleinen Übungen viel weitermachten. erreichen kann.» • Ab und zu was zu trinken. Vom vie­ len Sprechen bekomme ich immer «Das Coaching ist extrem hilfreich als ‹Milestones›, die einen trockenen Mund. mir immer wieder aufzeigen, wie weit ich gekommen bin • Ab und zu bin ich persönlich planlos und was ich erreicht habe / erreichen möchte. Das hilft ins Coaching gekommen und mir mir sowohl als DJ/Produzent als auch als Person.» fehlte eine klare Vorgehensweise, doch konkrete Vorschläge gab es. «Es hat mir geholfen, mit dem Coach über meinen wei• Ein einzelnes Thema wurde zum Teil teren Lebensweg zu reden. Ich habe erfahren, wie es ist, zu lange bearbeitet. wenn man Schritt für Schritt seinem Ziel näherkommt. Wir haben zusammen mehrere Varianten meiner Zukunft Interpretation: durchgespielt und so bin ich zu meinem Ziel (die BerufsDie qualitativen Rückmeldungen zei­ findung) gekommen.» gen ein meist positives Bild. Interessant ist, wie die Begründungen für positive «Durch das Coaching fällt es mir einfacher, meinen Veränderungen / Erfolge und die ange­ Zielen eine Struktur und klare Vorgehensweise zu geben. wandten Methoden fliessend wechseln. Durch das Besprechen von früheren Zielen ist es mir Die Jugendlichen sehen aus ihrer Pers­ eher möglich, zu erkennen, wie gut es mir gelungen ist, pektive nachvollziehbare Zusammen­ ein Ziel zu erreichen. Dadurch kann ich auch Methoden hänge. anwenden, die es in Zukunft einfacher machen für mich, meine Ziele zu erreichen.»


Beziehungsdimensionen Zu den Beziehungsdimensionen wur­ den die Wörter «offen» und «Offen­ heit» in Bezug zum Coach wiederholt von verschiedenen Coachees genannt. Begriffe wie «Lockerheit, unkomplizier­ te und angenehme Art» beschreiben weiter eine entspannte und vertrauens­ bildende Beziehungsgestaltung. Interpretation: In Bezug auf die hohen Bewertungen der vier Beziehungsdimensionen in den quantitativen Daten und die Frage nach dem Gefühl des Verstandenseins (Fragen 18–22) ist erkennbar, dass eine offene und unkomplizierte Beziehung für Jugendliche eine wichtige Grund­ lage für eine positive Beziehungserfah­ rung ist. Von vielen Jugendlichen wird nicht ein Coach in einer distanzierten Fachrolle favorisiert, sondern eine für sie authentische und spürbare Person.

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Auf die Frage «Was hat dir besonders gut im Coaching gefallen?» antwortete ein Coachee: «Die Offenheit und Ehrlichkeit des Coachs!»

Antwort zu übergeordnetem Thema der Forschung Teil 3: Die übergeordnete Fragestellung lautet wie folgt: «Wie ist die Beziehungsqualität bzw. das Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen Coach und Coachee?» Bewertung: Die Jugendlichen nehmen die Beziehung zu den Coachs meist als offen, unkompliziert und angenehm wahr. Die Beziehungsqualität kann mit diesen Kennwörtern als hoch und das Ungleichgewicht als tief bewertet werden.

Rolle Coach Die Texte beschreiben eine hohe Rollenvielfalt, die von den Jugendlichen wahrge­ nommen wurde. Nebst der häufigen Beschreibung als Coach wurden auch Begriffe wie ein neutraler Begleiter, zweite Meinung, gemeinsames Suchen von Lösungen, Insiderinformationen, Spontanität, Wissen (beide letzten Begriffe in Verbindung zur Rolle als Coach) und vergleichbare Begriffe verwendet. Aufgrund der Verbindung zur Beziehungsdimension in den durch die Jugendlichen beschriebenen Beobachtungen gehen wir davon aus, dass eine weitere Rolle, die von einigen Jugendlichen wahrgenommen wird, als «guter Freund, der mich ernst nimmt und unterstützt» beschrieben werden kann. Interpretation: Die Jugendlichen sehen den Coach in erster Linie als Coach. Diesen Begriff füllen sie zusätzlich mit weiteren Begrif­ fen. Je nachdem, ob der Coach aus ihrer Sicht vor allem eine Struktur für ihre Lö­ sungssuche oder Wissen vermittelt bzw. eine emotionale Stütze ist, wird der Be­ griff unterschiedlich wahrgenommen.

«Die Tatsache, dass man sich nicht mehr so alleine und unverstanden fühlt, da man einen neutralen Begleiter ‹bei sich› hat, der motiviert und an einen glaubt. Ich war immer voller Energie und Ideen am Ende der Sitzungen. Der Coachingtermin ist für mich wöchentlich eine Freude.»

Forschung

Forschungsergebnisse


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Forschungsergebnisse

Angewandte Methoden Verbunden mit den Veränderungen und Erfolgen, den Beziehungsdimensionen und der Rolle als Coach nannten die Coachees zahlreiche Methoden, die sie durch das Coaching kennenlernten. Nennungen wie Ziele priorisieren, auf Gefühle ver­ trauen, Schritt für Schritt dem Ziel nä­ «Ich konnte mit meinem Coach verschiedene Fragestelher kommen, Varianten meiner Zukunft lungen aus verschiedenen Perspektiven betrachten, was durchspielen, gute Reflexion, eigene mir persönlich viel gebracht hat und dazu geführt hat, Themen bringen, versteckte Stärken, verschiedene Probleme effizienter zu bearbeiten!» verschiedene Fragestellungen aus ver­ schiedenen Perspektiven betrachten, hatte selbst eine gute Übersicht meiner Ziele, neue Herangehensweisen, nächste Schritte, um vorwärtszukommen beschreiben eine grosse Methodenvielfalt resp. vielseitige persönliche Erfahrungen in Verbindung mit angewandten Methoden.

Wir schliessen nun das Kapitel Forschung ab und wenden uns der von Jugendcoaching «Get it real» angewandten Methodik zu.

Interpretation: Es ist erkennbar, dass die Jugendlichen durch das Erklären der Methoden durch den Coach auch einen für sie nachvoll­ ziehbaren und erfahrbaren Zugang er­ langen, den sie für ihren Prozess und ihre Zielsetzung in der Regel auch er­ folgreich anwenden können.


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik Die in diesem Buch erwähnten Methoden wurden im Rahmen des Projekts eingesetzt und teilweise weiterentwickelt. Die an­ gewandten Methoden sind in der Regel für alle Coachingsettings relevant. Falls einzelne Methoden nur für spezifische Settings einsetzbar sind, dann sind sie entsprechend beschrieben. Der Projektleitung ist es ein grosses Anliegen, zu betonen, dass eine Kombination von verschiedenen Methoden wesentlich ist. Professi­ onelles Coaching greift auf einen reich ausgestatteten «Werkzeug­ koffer» zu. Passend zur aktuellen Situation des Coachees werden passende Methoden als bewusste Interventionen durch den Coach eingesetzt. Dadurch wird der Coachee in seinem persönlichen Prozess gezielt unterstützt, aber auch gefordert. Durch Selbstreflexi­ on werden ein Lerneffekt und neue Sichtweisen auf die eigene Situation geschaffen.

Eine professionelle Coaching-Grundhaltung ist gegeben, falls der Coach einen guten Zugang zu ihrer / seiner aktuellen Gefühlslage hat. Somit ist ein guter Kontakt zu sich selbst als Coach eine wichtige Voraussetzung. Dieses Buch ersetzt keine fundierte Coachingausbildung. Die be­ schriebenen Methoden sollen eine Übersicht über einige für Ju­ gendcoachs besonders relevante Themen geben.

Grundlagen Methodik

Coaching ist ein Arbeitsprozess für den Coachee. Er oder sie sind für ihre / seine Themen zuständig und für die Erarbeitung der individu­ ellen Lösungen.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Rahmenbedingungen für Jugendcoaching Voraussetzungen Im Beratungsalltag besteht die Gefahr einer starken Vereinfachung in Bezug zur angewandten Methodik. Jeder Coach hat ihre / seine Lieblingsmethoden, die zu ihr / ihm besonders gut passen. Doch «meine Methoden» werden den Bedürfnissen der Coachees in der Regel aus professioneller Sicht nicht vollständig gerecht!

Eine erste Entscheidung basiert auf der Frage, welches Beratungskonzept zum Jugendlichen bzw. zum Coachee und zu ihrer / seiner Fragestellung bzw. Situati­ on passt? Coaching kann unter folgen­ den Voraussetzungen als Beratungs­ konzept eingesetzt werden:

Hier ist Wachsamkeit und ein selbstkritisches Vorgehen gefragt. Eine zentrale Frage: «Welche Methode passt zur Bearbeitung der Themen des Coachees?»

Es gibt die Möglichkeit von angeordneten Coachings. Im Fall von Jugendcoaching sind die damit verbundenen hohen Ansprüche an die Beziehungsgestaltung zwischen Coach und Coachee genü­ gend zu berücksichtigen. 17

18 Häufig wird dieses Coachingsetting auch «Life-Coaching» genannt.

• (in der Regel) freiwillige Teilnahme 17 • Coaching ist für Jugendliche geeignet, die 1. Lebensziele planen und erreichen wollen (Lebensplanungs-Coaching18), 2. sich Ziele in Bildung und Arbeit setzen und diese erreichen wollen (Bildungs- & Arbeits-Coaching) oder 3. künstlerische, sportliche, intellektuelle u. ä. Talente in der Regel in einem sozio­kulturellen Umfeld entwickeln wollen (Talent-Coaching). • Die Bedürfnisse des Coachees sind benennbar. (In diesem Setting ist lösungs­ orientiertes Arbeiten möglich) (vgl. Frei, 2014). • Der Coachee ist physisch und psychisch belastbar und gesund. Das bedeutet, dass der Coachee mit ihren / seinen eigenen Ressourcen mit Unterstützung des Coachs für sich umsetzbare Lösungen erarbeiten kann (ebd.). • Die Bereitschaft einen Vertrag einzugehen und diesen zu erfüllen, ist vorhanden (Zeit, Energie, Verbindlichkeit) (ebd.).

Definition Jugendcoaching «Get it real» Jugendcoaching «Get it real» unterstützt junge Menschen von 14 – 25 Jahren, eige­ ne Lösungen zu finden und ihre Fähigkeiten auszuschöpfen. «Get it real» bietet ein ziel- und lösungsorientiertes Coachingangebot für Jugendliche. Ein weiteres Ziel von Jugendcoaching «Get it real» ist, den Coachee ihre / seine Res­ sourcen entdecken zu lassen und diese anwendbar zu machen.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Bausteine des Coachingkonzeptes Bausteine des Coachingkonzeptes Beratungskompetenz

Beziehungskompetenz

Handlungskompetenz

Coaching Grafik 16; Darstellung nach Frei, 2014

Beratungskompetenz Coaching ist ein Beratungskonzept, das sich sozialwissenschaftlicher Theorien und Methoden bedient und als eigenständiges Konzept neben anderen Beratungskon­ zepten wie Supervision oder Therapie beschrieben und erlernt werden kann (vgl. Frei, 2014).

Handlungskompetenz Coaching erschliesst professionelle Methodenkompetenzen, die im Le­ bensalltag im Umgang mit Menschen eingesetzt werden (ebd.).

Die Aneignung von Beratungskompetenz sowie die Befähigung zu einer reflektierten und wertschätzenden Beziehungsgestaltung sind demnach wesentlich für die Durchführung von Jugendcoachings.

Coaching- und Theoriekonzepte Jugendcoaching bedient sich sozialwissenschaftlicher Theorien und deren Metho­ den, u. a. aus • Gesprächsführung • Transaktionsanalyse • Systemtheorie • Entwicklungspsychologie • Verhaltenspsychologie

Grundlagen Methodik

Beziehungskompetenz Die Grundlage eines Coachings ist eine vertrauensvolle Beziehung im Rahmen einer vertraglich vereinbarten Arbeitsbeziehung. Das Anliegen des Coachees wird lösungsorientiert und auf Augenhöhe in der Beziehung zwischen Coach und Coachee bearbeitet. Ein Coach muss sich selbst kennen und wissen, wie sie / er auf andere Menschen wirkt (ebd.).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Coaching und Methoden Coaching definiert sich durch die Be­ dürfnisse und Themen des Coachees und nicht durch die Methoden, die ein­ gesetzt werden (ebd.).

Es gibt keine coachingspezifischen Methoden.

Coaching – Settings Einzel-Coaching Jugendcoaching findet vor allem in diesem Setting statt. Projekt – Coaching Hier stehen nicht Menschen, sondern Projekte mit den damit verbundenen Projekt­ zielen im Mittelpunkt. Projektcoachings sind besonders im Zusammenhang mit Talent-Coaching und The­ men der Organisation (siehe Seite 119) ein relevantes Thema für Jugendliche (vgl. Nowottka, 2009).

Ein kurzer Ausflug zum Projekt-Coaching. Folgende Fragen sind hilfreich und geben eine übersichtliche Struktur: 1. Situation: Was ist der aktuelle Zustand? 2. Ziel: Was soll konkret erreicht werden? 3. Lösungen: Was ist möglich? 4. Auswahl: Was begeistert? 5. Umsetzung: Wer? Wann? 6. Kontrolle: Soll – Ist?

Mögliche weitere Settings sind Grup­ pen-Coaching und Team-Coaching. Diese werden in diesem Praxishand­ buch nicht thematisiert und sind auch für Jugendcoaching wenig relevant.

Arbeitsebenen im Coaching In den Arbeitsebenen persönlich bzw. Persönlichkeit, Beziehung, Aufgaben und Or­ ganisation können im Coaching unterschiedliche Themen bearbeitet werden. Beispiele: Bandwettbewerb organisiert durch Jugendliche, Bau eines Bike-Pumptracks etc. 19

persönlich

Beziehung

Aufgaben

Organisation19

• Biographie • Typologie • Werte • Einstellungen • Lebensplanung • Auftritt • Selbstdarstellung

• Konfliktfähigkeit • Empathie • Nähe / Distanz • Gruppenverhalten • soziale Fähikeiten

• Kontrolle • Delegation • Selbst- und Zeitmanagement

• Ziele • Strukturen • Veränderungen

(vgl. Frei, 2014)


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Anforderungen an einen Coach Um einen Coachingprozess ziel- und lösungsorientiert zu steuern, stellen sich fol­ gende Anforderungen an einen Coach: 1. Anliegen erfassen und verstehen 2. ein realistisches Ziel finden und formulieren 3. Beziehungsraum gestalten / Vertragsarbeit 20 4. Auswahl angemessener Konzepte, Methoden und Interventionen 5. mit Hindernissen und Widerständen produktiv umgehen 6. den Prozess aktiv auf das Ziel hin steuern 7. das Ergebnis sichern und würdigen 8. den Abschied wertschätzend gestalten (vgl. Frei, 2014)

20

Für mehr Informationen siehe Kapitel «Vertrag Ein­ zelcoaching» auf Seite 83

Verantwortlichkeiten: Der Coach ist für den Prozess verantwortlich. Der Coachee «behält» die Verantwortung für ihre / seine Themen.

Haltung und Einstellung des Coachs Bedürfnisorientiert Jeder Coachee bestimmt das Anliegen ihrer / seiner Bera­ tung selbst. Ressourcenorientiert Coachs unterstützen Jugendliche darin, ihre eigenen Kräfte zu nutzen, um Lösungen zu finden.

Beziehungsrelevant Beratung findet im Rahmen einer vertrauensvollen Bezie­ hung statt und nutzt diese für den Entwicklungsprozess. Lösungsbezogen Im Vordergrund steht die Arbeit an der Lösung. Die Erfor­ schung des Problems und seiner möglichen Ursachen ist nur soweit relevant, wie es einer Lösung dient. Hierarchiefrei Im Rahmen eines Vertrages übernehmen Coach und Coa­ chee für ihren eigenen Teil Verantwortung. Sie arbeiten partnerschaftlich, auf Augenhöhe, ohne hierarchische Überoder Unterordnung. Partnerschaftlich Coach und Coachee klären ihre Verantwortlichkeiten. Der Coachee «behält» die Verantwortung für ihre / seine The­ men, der Coach die Verantwortung für den Prozess (ebd.).

Grundlagen Methodik

Prozessorientiert Lösungen brauchen Zeit und entwickeln sich im Prozess.


78

Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Bitte beachten: Menschen sind soziale und emotionale Wesen. Unsere zentralen Bedürfnisse in einer Beziehung sind zuerst: 1. anerkannt zu werden ( Sicherheit) 2. verstanden zu werden 3. eigene Interessen wahrnehmen zu können Erst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, lassen wir uns auf Inhalte ein. Wer in der Lage ist, für die Erfüllung dieser Bedürfnisse zu sorgen, erhöht die Wahrscheinlich­ keit, dass wirklich effektiv an den Inhalten gearbeitet werden kann (ebd.). Wichtig • Erfolg für den Coach ist, den Weg mit dem Coachee zu gehen um das Ziel zu erreichen. • Der Coach gibt keine Lösungen vor. • Er / sie ist nicht für das Glück des Coachees verantwortlich. • Wenn das Ziel (noch) nicht in Reichweite ist, dann wird das Ziel nicht herbeige­ führt durch den Coach. • Ungeduld des Coachs hat im Coachingprozess keinen Platz (Selbstreflexion und Selbstdisziplin sind wichtig) (ebd.). Rolle des Coachs (mit Wiederholung wichtiger Inhalte) Der Coach begleitet den Coachee und gestaltet den Entwicklungsprozess hin zu einem vom Coachee definierten Ziel. Der Kontakt zwischen Coach und Coachee findet auf Augenhöhe (Gleichwertig­ keit) statt. Das Ziel sind nicht «richtige» Lösungen, sondern ein Weg, welcher den Coachee als Prozess bereit ist zu gehen. Der Coach übernimmt keine inhaltliche Verantwortung für die Lösungen, die der Coachee für sich erarbeitet. Der Coachee bleibt in jedem Fall und zu jedem Zeitpunkt selbst für die Ergebnisse verantwortlich. Eine Ausnahme bildet das Talent-Coaching. Mehr Informationen sind auf Seite 119 zu finden. Wenn es die Bearbeitung der aktuellen Situation erfordert, dann können temporär auch die persönlichen Umstände des Coachees zum Thema gemacht werden. Dies kann Beziehungsprobleme betreffen, die nicht zur Zielsetzung im Coaching­setting Bildung & Arbeit passen oder die / der Jugendliche besucht ein Lebens­planungsCoaching und wird von Problemen am Arbeitsplatz überrascht.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Abgrenzung zu Fachberatung und Therapie Fachberatung ist: Eine Fachperson vermittelt der / dem Beratenen Wissen zu einem spezifischen The­ ma. Die / der Beratende gibt Ratschläge, fachliches Wissen und Handlungsanweisungen weiter. Sie / er kennt die optimale Lösung und ist auch verantwortlich für die Rich­ tigkeit ihrer / seiner Angaben. Therapie ist: Die Therapeutin / der Therapeut fokussiert Störungen der Patientin / des Patienten und bearbeitet diese mit ihr / ihm. Dabei stehen persönliche historische Traumata im Mittelpunkt. Zwischen der Therapeutin / dem Therapeuten und der Patientin / dem Patienten besteht eine Hierarchie, dadurch dass die Therapeutin / der Therapeut die Patien­ tin / den Patienten diagnostiziert und «erklärt». Im Idealfall wird die Selbstverantwortung der Patientin / dem Patienten im Laufe der Behandlung Stück für Stück zurückgegeben.

Phasen des Coachingprozesses Irrtümer! • In einem Gespräch geht es zuerst und vor allem um den Inhalt! • Person und Sache sind im Idealfall voneinander zu trennen und haben nichts miteinander zu tun.

(vgl. Frei, 2014)

Menschen sind soziale und emotionale Wesen. Unsere zentralen Bedürfnisse in jeder Beziehung sind zuerst: 1. anerkannt zu werden (Sicherheit) 2. verstanden zu werden 3. eigene Interesse wahrnehmen zu können Erst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, lassen wir uns auf Inhalte ein.

Grundlagen Methodik

Der Coachingprozess • Die folgenden fünf Phasen eines Coachingprozesses lehnen sich an gruppendynamische Phasenmodelle an. • Jede Phase hat ihre eigene Bedeu­ tung, in der aus Sicht der Beteiligten Bedürfnisse entstehen und erfüllt werden. • Die Kenntnis dieser Phasen hilft dem Coach, den Gesamtprozess zu über­ blicken und zu steuern. • Die erfolgreiche Bewältigung einer Phase ist die Voraussetzung dafür, in die nächste Phase wechseln zu kön­ nen (vgl. Frei, 2014).


80

Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Die 5 Phasen eines Coachinggesprächs 1. Orientierungsphase 2. Differenzierungsphase 3. Zielsatzphase 4. Arbeitsphase 5. Abschiedsphase / Ergebnissicherung / Imagebildung (ebd.) Orientierungsphase (Mit wem habe ich es zu tun?)

Auch der Weg zum Coach bzw. die Anfahrt kann thematisiert werden, um die Beziehung zu gestalten. 21

Bedürfnis Wo kommt der Coachee her, mit was hat sie / er sich vorher beschäftigt? 21 – Kon­ takt herstellen – Unsicherheiten überwinden – Angst abbauen – anerkannt werden Aufgaben Begrüssen – Sicherheit schaffen – Übergangsthemen finden (Small Talk) - angemes­ senes Nähe & Distanz-Verhältnis (auch körperlich) herstellen (ebd.) Differenzierungsphase (Was wollen wir wie erreichen?) Bedürfnis Den Anlass klären – eigene Interessen deutlich machen – das Ziel bestimmen – ver­ standen werden Aufgaben Kontraktmanagement: Was / Wie / Wo / Wer / Wann? (ebd.) Zielsatzphase (Wie lautet der konkrete Zielsatz?) Bedürfnis Mithilfe der vier Grundgefühle kann das Bedürfnis der / des Jugendlichen für das Coachinggespräch erarbeitet werden. Aufgabe Die / der Jugendliche soll mithilfe des Coachs einen konkreten Zielsatz erarbeiten (ebd.). Arbeitsphase (Wird das Anliegen bearbeitet?) Bedürfnis am Inhalt arbeiten – Klärung herbeiführen – sachbezogen und effektiv sein


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Aufgaben Den Kontrakt im Blick behalten und dafür sorgen, dass der Kurs gehalten wird; keine neuen Themen zulassen (ohne neuen Kontrakt) – die Zeit im Blick behalten – Zwischenergebnisse sichern (ebd.)

Abschiedsphase / Ergebnissicherung / Imagebildung (Was haben wir erreicht? Was bleibt haften?) Bedürfnis mit einem guten Gefühl gehen – die Sicherheit haben, dass die eigenen Erwartun­ gen erfüllt und die Interessen berücksichtigt wurden Das Erlebte wird mit dem Ursprungsbild22 abgeglichen und dabei bestätigt oder modifiziert (ebd.).

22

rsprungsbild: Dies kann U eine Erwartung oder eine Vorstellung sein, wie das Ergebnis sein könnte. Es handelt sich um Phantasien des Coachees, die der Coach nicht beeinflussen kann. Es ist wichtig diese Phantasi­ en abzuholen und auf die verbale Ebene zu bringen.

23

I magebildung: das innere Gesamt- und Stimmungs­ bild der Coachingsitzung.

Dieser Prozess ereignet sich bewusst oder unbewusst beim Coachee und Coach. Beim Coach können eigene Ansprüche an sich selbst sein: Habe ich die Leistung erbracht? Habe ich die Erwartung erfüllt? Besonders bei unerfahrenen Coachs können diese Fragen häufig vorkommen.

Der Coach kann diesen Prozess beim Coachee nicht beeinflussen. Nach einem Coa­ ching sollte durch ein kurzes Protokoll, die eigene Imagebildung 23, über den Coa­ chee bewusst erlebt und festgehalten werden (ebd.). Beziehungsbedürfnisse Die drei Phasen (Orientierung, Differenzierung, Abschied / Imagebildung) sind kon­ kret auf die Personen und ihre Beziehungsbedürfnisse gerichtet. Wenn diese gelin­ gen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zu einer effektiven Arbeitsphase mit guten Ergebnissen Person vor Sache – Beziehung vor Inhalt kommt (ebd.).

Grundlagen Methodik

Aufgaben Ergebnisse sichern – Dankbarkeit ausdrücken – die nächsten Schritte vereinbaren – auf die Person achten – auf die letzten Worte achten


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Ablauf Erstgespräch Im Erstgespräch klären Coach und Coachee die Rahmenbedingungen für den da­ rauffolgenden Coachingprozess. Folgende Themen sind anzusprechen, um eine transparente und stabile Zusammenarbeit zu erreichen. • Rollenklärung (Was ist die Rolle von Coach und Coachee? Was sind nicht die Aufgaben des Coachs?) • Ziele des Coachingprozesses (siehe Methode Erwartungen und Zielklärung wei­ ter unten) • Hauptthema: Lebensplanung, Arbeit & Bildung oder Talent • Vertrag: schriftliche oder mündliche Abmachungen (siehe Seite 83; Vertrag Ein­ zelcoaching) • Umfang des Coachings, Anzahl Sitzungen, Sitzungsdauer, Pause zwischen ein­ zelnen Coachings • Schweigepflicht (grundsätzlich gilt Schweigepflicht, Sonderfälle werden transpa­ rent besprochen, z. B. Informationspflicht bei akuter Selbstgefährdung) • Standortgespräch nach ca. 6 Coachings • Zwischenauswertung mit Fragebogen (ausgedruckt oder mittels Online-Befra­ gung) nach ca. 6 Coachings (häufig in Kombination mit Standortgespräch) • Abschlussgespräch mit Abschlussaus­ wertung mit Fragebogen bei Coa­ chingabschluss www.getitreal.ch/auswertung • Bei Terminverschiebung: Wie viele Tage vor geplantem Termin Unter diesem Link ist eine Zwischen- und Abschluss­ wird spätestens informiert? auswertung in Form einer Onlinebefragung zu finden. • Ort/e des Coachings Mehr Informationen sind auf der Homepage abrufbar. • Honorar (vgl. Frei, 2014) Nach Klärung der Rahmenbedingungen wird bei der Jugendlichen / beim Jugendli­ chen nachgefragt, ob sie / er sich definitiv für das Coaching entscheiden kann und will. Bei einer Zusage ist es wichtig, mindestens den ersten Termin zu fixieren und dem Coaching einen konkreten Rahmen zu geben. Methode Erwartungen und Zielklärung Mit diesen Fragen können gemäss Fanita English (zitiert nach Nowottka, 2009) die Ziele für den Coachingprozess in Zusammenarbeit mit dem Coachee erarbeitet werden: Drei Fragen zur Klärung Frage

Funktion

Was erwartest du ganz spontan?

Verborgenes Bedürfnis aktivieren, bewusst werden lassen

Was ist jetzt für diese Sitzung erreichbar?

ealistische Überprüfung für die jetzige R Sitzung / Situation

Was würdest du (mir als Coach) übelnehmen?

Den (oft für den Coach verborgenen) möglichen Frust vorwegnehmen


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Vertrag Einzelcoaching Die Vertragsarbeit und die damit verbundene Klärung wichtiger Fragen findet im Erstgespräch statt. Verträge können schriftlich und mündlich verfasst bzw. erstellt werden. Die wichtigsten Themen für einen Vertrag sind: • Thema, übergeordnetes Ziel • Dauer • Regelmässigkeit • Kosten • Abmeldefrist • Abschluss • Schweigepflicht • Bemerkungen • Sonstiges oder Spezielles (vgl. Frei, 2014) Um Missverständnissen vorzubeugen und die Verbindlichkeit der Jugendlichen für den in der Regel mehrere Monate dauernden Coachingprozess zu erhöhen, favori­ sieren viele Coachs den Abschluss eines schriftlichen Vertrags. Grundsätzlich gilt auch, dass, je stabiler die Beziehung zwischen Coach und Coa­ chee bereits vor dem Coaching ist, unter gewissen Umständen auf einen schriftli­ chen Vertrag verzichtet werden kann.

Ein Mustervertrag kann als Word-Dokument heruntergeladen werden.

Grundlagen Methodik

www.getitreal.ch/dokumente


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

coaching

Mustervertrag Einzel Infobox

Bereiche werde Gelbe BereicheGelbe

n durch den Coach en

werden durch den Coach entsprechend angepasst.

.

tsprechend angepasst

zwischen Name & Vorname Coach

ee

und Name & Vorname Coach en: 1. Rahmenbedingung Beratungsort:

Beratungsform:

rk Blaues Kreuz BL Stiftung Jugendsozialwe Familie KJF Bereich Kind, Jugend, l sta Poststr. 2, 4410 Lie lwerk.ch , Mail kjf@jugendsozia Telefon 061 551 17 77 ng oder gemäss Vereinbaru Einzelcoaching

gen à 1 Stunde max. Anzahl der Sitzun an die aktuelle d jeweils im Anschluss wir in rm Te Der nächste Sitzung bestimmt. Beginn: Datum er er andere Instanzen üb ne Drittpersonen od kei n rde we Es 24 Schweigepflicht: rmiert. Themen oder Inhalte info verbindliche deine Unterschrift eine 25: Dieser Vertrag soll durch ht OR Art. nic g och un jed t flös Vorzeitige Au lichen, unterlieg Zusammenarbeit ermög 404. eit aufgelöst beiden Parteien jederz Der Vertrag kann von e am ins me ge e findet ein werden. In jedem Fall Abschlusssitzung statt. ns 48 Stunden vor dem rhinderung ist mindeste Ve e Ein er t: kei Verbindlich melden. Bei mehrmalig vereinbarten Termin zu t ein olg erf n ine rm Te n rte ba Abwesenheit an verein Standortgespräch.

Mandatsumfang:

eine Meldung zu der Coach die Pflicht, Selbstgefährdung hat . eilt get mit Ausnahme: Bei akuter ich ndl delt es sich wird dem Coachee mü Beratungsvertrag han tätigen. Diese Ergänzung Mündigkeit: «Bei diesem 25 Gilt bei Volljährigkeit und bei is nach OR Art. 404.» um ein Auftragsverhältn

24


85

Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

2. Ziele und Inhalt:

Inhalte / Ziele (Details):

Evaluation:

Besonderes:

kurze Beschreibung Ziel 1 Ziel 2 Ziel 3

bundene ung und die damit ver Die Abschlussauswert einem mit t olg erf s sse oze tpr Evaluation des Gesam Auswertungsbogen. mung d eine Standortbestim Nach 5–7 Sitzungen wir ochen. spr be n he rge Vo e weiter durchgefßhrt und das Ort und Datum:

Ort und Datum:

............ ....................................

..........

........

Unterschrift Auftragneh

er/in: Unterschrift Auftraggeb

.................... ....................................

....................................

..

mer/in

....................................

........

Grundlagen Methodik

Ziele:


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Einführung in die Transaktionsanalyse Was ist Transaktionsanalyse Die Transaktionsanalyse (TA) ist eine psychologische Methode. Begründet wurde die TA vom amerikanischen Psychiater Dr. Eric Berne (1910 – 1970). Mit TA lernen Menschen, die Persönlichkeit zu entwickeln, ihre Potenziale auszuschöpfen und ef­ fektiver zu kommunizieren. Dies erhöht die eigene Kompetenz im privaten und im beruflichen Handeln. Die Transaktionsanalyse wird auch zur Analyse, Steuerung und Entwicklung von Gruppen und sozialen Systemen (z. B. Organisationen) eingesetzt. Eric Berne entwickelte die Transaktionsanalyse aus der Beobachtung zwischen­ menschlicher Kommunikation heraus. Diese von ihm als Transaktionen benannten Vorgänge setzte er dann mit inneren Prozessen in Beziehung. Eine Transaktion be­ schreibt stattfindende Kommunikation wie folgt: Das bewusste und unbewusste Austauschgeschehen zwischen Menschen und ihrer Umwelt, sowohl verbal als auch nonverbal. Kommunikationsabläufe werden in Transaktionen differenziert und dadurch für die / den Betrachter/in verstehbar und beeinfluss- bzw. veränderbar (vgl. DGTA, 2017). Persönlichkeit Die Theorie der Transaktionsanalyse geht davon aus, dass das Denken, Fühlen und Verhalten / Handeln von verschiedenen Wesensmerkmalen unserer Person bestimmt wird, die wir als Ich-Zustände bezeichnen (siehe Seite 88). Diese Ich-Zustände be­ einflussen den Menschen bei inneren Auseinandersetzungen, bei Entscheidungen und in seinem Verhalten im Kontakt mit anderen Menschen. Die TA betont die Bedeutung des meist unbewussten Lebensplans (Skript), dem in der Kindheit entwickelten Selbst- und Weltbild, nach welchem jede Person ihre Erfahrungen auslegt und ihr Leben gestaltet. In der TA geht es um eine integrierte Persönlichkeit und um die Fähigkeit, sich in einem sozialen Gefüge selbstbewusst, respektvoll, achtsam, rücksichtsvoll und beitragend zu bewegen (ebd.). Beziehungen Die Entwicklung der Persönlichkeit geschieht in Reaktion auf das jeweilige Umfeld. Als Umfeld gelten hier die Familie, Partner, geschäftliche und private Beziehungen zu Einzelpersonen und sozialen Gruppen. Die Transaktionsanalyse eignet sich zur Aufdeckung und Behebung destruktiver Kommunikationsmuster. Mit der TA werden Wege zur befriedigenden Beziehungs­ gestaltung aufgezeigt (ebd.).


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Gruppen Die TA ermöglicht durch ihre Konzepte die Analyse des Verhaltens von Individuen und die Bewusstheit über gruppenförderliche Faktoren und Strukturen in sozialen Zusammenhängen oder Organisationen. Viel Beachtung wird der Entwicklung der Beziehungsmuster der Gruppenmitglieder untereinander und ihren Erwartungen an die Gruppe geschenkt (ebd.).

Steuerung sozialer Systeme Jeder Mensch ist Teil eines sozialen Systems und steht in Beziehung zu anderen Personen. Mit den Konzepten der Transaktionsanalyse können die Beziehungs- und Kommunikationsgestaltung innerhalb dieser sozialen Systeme analysiert, Potenziale aufgezeigt und Entwicklungsmöglichkeiten erkannt werden. Wenn Menschen mithilfe der Grundannahmen der TA auf soziale Interaktio­ nen oder einzelne Persönlichkeiten schauen, dann gehen sie davon aus, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, zu denken und Probleme zu lösen sowie • jeder Mensch in all seinen Schattierungen und in seiner Ganzheit in Ordnung ist, • jeder Mensch in der Lage ist, die Verantwortung für sein Leben und dessen Gestaltung zu übernehmen. Er verfügt dazu über die Fähigkeit der bewussten Wahrnehmung und Steuerung seiner mentalen, emotionalen und sensorischen Vorgänge und der sich daraus ergebenden Handlungen bzw. sozialen Interaktio­ nen. • jeder Mensch als fähig angesehen wird, sein Lebenskonzept (oder Lebensgestal­ tungsmuster) schöpferisch, zuträglich und konstruktiv zu gestalten.

Kritische Betrachtungen (Metaperspektive) Das erfolgreiche Bemühen Eric Bernes, psychische Prozesse und Phänomene mit relativ leicht verständlicher, einfacher Sprache zu beschreiben, hat manchmal dazu geführt, dass Menschen die Terminologie der TA sehr schnell benutzten, oft ohne die dahinterliegende Tiefe zu kennen oder zu beachten. Zum anderen hat die Euphorie der ersten Jahre, wie bei anderen psychologischen Richtungen auch, teilweise zu einer Überschätzung der Möglichkeiten der TA ge­ führt. Der Mensch mit seinen Begrenzungen trat teilweise in den Hintergrund, die Methode sollte alles möglich machen. Auch wenn grosse Erfolge mit TA erzielt wur­ den, ist diese Sichtweise aber seit vielen Jahren der weitaus fundierteren Einschät­ zung gewichen, dass die Erfolge nicht nur von der Methode, sondern auch sehr stark von den Menschen, die sie anwenden, und von den Rahmenbedingungen abhängen (ebd.). In Bezug zu Jugendcoaching bedeutet dies, dass der Coach als Person mit ih­ rer / seiner Persönlichkeit und ihren / seinen Kompetenzen den Erfolg stark mitprägt.

Grundlagen Methodik

Der Mensch erlebt sich immer in Bezug zu seiner Umwelt, selbst im Rückzug (von ihr). Die Umwelt erlebt sich immer auf den Menschen bezogen. Die Beschreibung der Dynamik dieser gegenseitigen Bezogenheit stellt den Kern der TA dar. TA wird auf einem wissenschaftlichen Hintergrund und mit wissenschaftlicher Begleitung ständig weiterentwickelt (ebd.).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Ich-Zustände Einführung Mit den Modellen der Ich-Zustände stellt die TA verschiedene Aspekte menschli­ chen «Gewordenseins» und menschlichen Ausdrucks dar. Dabei wird Persönlichkeit in zweierlei Hinsicht betrachtet: zum einen unter dem Aspekt ihrer Entstehungsge­ schichte und Zusammensetzung (Strukturanalyse), zum anderen unter dem Aspekt ihrer Ausdrucksqualitäten nach aussen hin (Funktionsanalyse). Obwohl beide Dimensionen grafisch in Kreisen dargestellt werden, ist trotzdem die verschiedenartige Logik beider Konzeptualisierungen zu bedenken und relevant. (vgl. Berne, 1979, S. 191 – 204)

Strukturmodell bzw. -analyse

El

Eltern-Ich-Zustand ist das Verhalten, Denken und Fühlen, das von Eltern und anderen Respektspersonen übernommen worden ist.

Er

Erwachsenen-Ich-Zustand Ist das Verhalten, Denken und Fühlen, das direkt auf das Hier und Jetzt reagiert.

K

Kind-Ich-Zustand Ist das Verhalten und Fühlen, das aus der Kindheit herführt und jetzt, hier und heute, wieder abläuft El = Eltern-Ich-Zustand | Er = Erwachsenen-Ich-Zustand | K = Kind-Ich-Zustand

Grafik 17; vgl. Berne, 1974, S. 70

Die Funktionsanalyse kritisches Eltern-Ich

Erwachsenen-Ich

k El f El

fürsorgliches Eltern-Ich

Er

rebellisches Kind

rK

brav-angepasstes Kind

aK

fK

freies Kind-Ich

kEl = kritisches Eltern-Ich | fEl = fürsorgliches Eltern-Ich | Er = Erwachsenen-Ich rK = rebellisches Kind | |aK = brav-angepasstes Kind | fK = freies Kind

Grafik 18; vgl. Kahler & Capers, 1974

Berne unterschied im Kind-Ich drei Arten. Neben dem freien Kind unterteilte er das von aussen geleitete Kind in aK: angepasst, fügsam und rK: rebellisch, trotzig (vgl. Schlegel, o. J., S. 27)


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Ich-Zustand

Vorteile

Nachteile

kritisches Eltern-Ich (kEl)

• hohe Ansprüche • übernimmt Verantwortung • rasche Entscheidung (im Not­ fall) • Sozialisation

• bevormundet • unterdrückt • sucht Fehler • selten zufrieden • schränkt andere ein (z. B. Eigenverantwor­ tung)

fürsorgliches Eltern-Ich (fEl)

• • • •

• schafft Abhängigkeit • lässt sich ausnutzen • fordert indirekt Dank • schränkt das Gegen­ über ein

Erwachsenen-Ich (Er)

• sammelt Informationen • löst Konflikte sachlich • geht Ursache auf den Grund • kompromissfähig • sorgt für sich selber • entscheidungsfähig

• wenig Emotionen • Ich-Person bleibt aus­ sen vor (Persönliches hat keinen Raum, da die Situation sachlich wie emotionsfrei blei­ ben soll)

angepasstes, braves Kind-Ich (aK)

• passt sich an • ist bescheiden, kompromiss­ fähig • nimmt Rücksicht

• Angst, etwas falsch zu machen • überangepasst • vermeidet Entschei­ dung • schnelles Zurückziehen

rebellisches Kind-Ich (rK)

• tritt nachdrücklich für eigene Interessen ein • «Trotz» kann zu Erfolg füh­ ren

• hört nicht mehr zu • nicht kompromissfähig • hat Situation nicht im Griff

natürliches oder freies Kind-Ich (fK)

• spontan, begeisterungsfähig • kreativ, ehrlich, direkt, witzig • vertrauensvoll, mitreissend

• unreflektiert, zu im­ pulsiv • denkt nicht an Folgen • keine Verantwortung

Schutz, Geborgenheit meint es gut sorgt sich um andere arbeitet für andere

(eigene Darstellung, nach Berne, 1974; Kahler & Capers, 1974)

Grundlagen Methodik

Stärken und Einschränkungen, in der Rolle zu handeln


90

Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Bedeutung für Jugendcoaching Für das Jugendcoaching bedeuten die Ich-Zustände eine wichtige Methode für die Beziehungsgestaltung, um das Bewusstsein zu schaffen, dass der Coach dem Coa­ chee vor allem im Erwachsenen-Ich begegnet. Zudem muss der Coach achtsam sein, wenn der Coachee sich im Kind-Ich bewegt und irritierende Impulse aussen­ det. Das «Gleiche-Augenhöhe-Prinzip» kann von Jugendlichen weniger als von Erwach­ senen erwartet werden. Gleichwertigkeit herzustellen und den Coachee möglichst in das Erwachsenen-Ich zu führen, ist die Aufgabe des Coachs. Für den Coach ist es auch wichtig zu wissen, in welchem Ich-Zustand der Coachee sich gerade befindet und welche Ausdrucksweise (Funktionsanalyse) sie / er sich in der aktuellen Situation bedient.

Vier Grundgefühle Die hier beschriebenen Methoden unterstützen den Coachee, sich selbst zu verste­ hen. Sie helfen dem Coach zudem in einer bewussten und förderlichen Beziehungs­ gestaltung. In der Transaktionsanalyse wird in der Regel von den vier Grundgefühlen Wut, Trauer, Angst und Freude ausgegangen. Menschen möchten sich verstanden fühlen. Jedes dieser Gefühle hat einen Auslöser und eine Funktion. Bricht beispielsweise in unmittelbarer Nähe ein Feuer aus, dann ist Angst ein angemessenes Gefühl. Es gibt den Impuls, zu fliehen und Hilfe zu holen. Grundgefühle lösen sich auf, sobald sie ihren Zweck erfüllt haben. Auslöser oder innerer Zustand

Situation

Wut

• Ungerechtigkeit

• Veränderung • Frustration

Trauer

• Verlust • Schmerz • Abschied

• Abschied nehmen • Loslassen

Angst (zeitlos)

• Bedrohung

• Schutz • Sicherheit

Freude

• Glück • Zufriedenheit

• Gemeinschaft • Lebensqualität

(eigene Darstellung)

Was ist mein Bedürfnis, was ist der nächste Schritt?

Gefühl


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Wann wende ich die Grundgefühle im Coachingprozess an? Die Methode eignet sich gut in der Dif­ ferenzierungsphase, bevor der Zielsatz definiert wird.

Beispiele Einleitung Intervention: «Das klingt so, als wenn du dich immer noch ärgerst? Stimmt dieser Eindruck?» «Wie geht es dir dabei?»

Bei der Verbalisierung der Gefühlsebene sollte der Coach die Herkunft, Situation und die derzeitige Verfassung des Coachees berücksichtigen.

«Was empfindest du, wenn du an diesen Konflikt denkst?»

Für viele Jugendliche ist das Verbalisieren eigener Gefühle immer noch ein Tabuthema. Es ist auch möglich, dass die / der Jugendliche einen verschütteten Zugang zu ihren / seinen Gefühlen hat. Ein situationsangepasstes und achtsames Vorgehen des Coachs ist notwendig.

Grundlagen Methodik

Wie gehe ich vor? • Gefühlsebene durch Coachee verba­ lisieren lassen • Fokussierung durch behutsames Benennen von wahrgenommenen verbalen und nonverbalen Gefühls­ regungen


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Drama-Dreieck Die Transaktionsanalyse (TA) kennt ein einfaches Erklärungs- und Analyse-Modell, um Konflikte zu verstehen, zu lösen oder erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Drama Dreieck

Verfolger

Retter

Opfer

Grafik 19, eigene Darstellung nach Schlegl, 2002, S. 44f.

Die drei «hoffnungslosen» Rollen Opfer (-aK) «Ruft» nach Täter/in, Retter/in – sieht sich ausgeliefert und hilflos. Wertet sich und seine Fähigkeiten ab. Retter/in, Helfer/in (-fEl) Springt ein, ohne darum gebeten worden zu sein; tröstet, gibt gute Ratschläge. Wertet die Fähigkeiten der anderen Menschen, selbst zu denken und aus eigener Initiative tätig zu werden, ab.

Dieses Dreieck wird Drama-Dreieck genannt, weil Menschen in Bruchteilen von Sekunden ihre Rolle wechseln können und in diesem Drama-Dreieck keine Lösung zu finden ist.

Verfolger/in, Täter/in (-kEl) Weist zurecht, macht Vorwürfe, kriti­ siert, klagt an, setzt herab, lacht aus. Wertet den Wert und die Würde der anderen Personen ab. (vgl. Frei, 2014)


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Rollenverständnis Verfolger/in, Täter/in Diese Rolle kennt folgende typische Redewendungen: • • • • • •

Du darfst nicht ... Du sollst … Du musst ... Du hast Schuld ... Immer tust du ... Gib mir endlich ...

Die Verfolgerin / der Verfolger benutzt Befehle und Anweisungen. Ihre / seine Spra­ che bringt immer wieder Vorwürfe und Drohungen hervor. Sie / er geht davon aus, dass das Opfer immer Schuld hat und Erziehung benötigt. Vorteile: Oft bekommt der Machtmensch schnell, was er möchte. Nachteile: De facto wird sie / er von anderen nicht respektiert, sondern eher ge­ fürchtet. Die Beziehungen zu anderen Menschen sind ohne Wärme und Intimität. Bedürfnisse: Der Machtmensch möchte sich wichtig und stark fühlen. Sie / er hat Angst davor, übersehen bzw. überwältigt zu werden (ebd.).

Opfer Typische Redewendungen: Ich kann nicht … Ich schaffe es nicht … Ich weiss nicht wie … Es ist alles meine Schuld …

Das Opfer benutzt Negationen, Verleugnungen und Dementis. Selbstmitleid und Themenwechsel charakterisieren ihre / seine Redeweise. Das Opfer glaubt daran, dass es zu Misserfolg verdammt ist und sich nicht ändern kann. Vorteile: Die anderen müssen die Last der Verantwortung tragen. Das Opfer setzt sich keine anspruchsvollen und anstrengenden Ziele. Nachteile: Wenig Selbstachtung, Machtlosigkeit, Verschwendung der eigenen Ta­ lente, übernimmt keine Eigenverantwortung. Bedürfnisse: Das Opfer wünscht sich, von anderen beschützt und umsorgt zu wer­ den. Es hat Angst vor Einsamkeit und der eigenen Aggressivität (ebd.).

Grundlagen Methodik

• • • •


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Retter/in, Helfer/in Typische Redewendungen: • Ach, du Armer … • Nimm es nicht so schwer … • Es wird schon wieder … • Du darfst doch nicht … • Wie konntest du nur … • Ich helfe dir … Gegenüber dem Opfer benutzt die Retterin / der Retter häufig Herabsetzungen, ge­ genüber dem Machtmenschen (Verfolger/in) Ermahnungen und Warnungen. Die Retterin / der Retter geht davon aus, dass das Opfer inkompetent und unfä­ hig zur Selbsthilfe ist. Den Machtmenschen hält die Retterin / der Retter für moralisch zweifelhaft und egoistisch. Vorteile: Die Retterin / der Retter umgibt sich gern mit der Glorie des Guten. Daher kann sie / er bis zu einem gewissen Grad den Machtmenschen (Verfolger/in) und das Opfer manipulieren und kontrollieren. Nachteile: Die Retterin / der Retter ist immer in Gefahr, zwischen beiden Parteien aufgerieben zu werden. Sie / er hat Angst, ihre / seine Freunde zu verlieren. Ihre / sei­ ne eigenen Ziele sind der betroffenen Person oft unklar. Bedürfnisse: Die Retterin / der Retter möchte von jedem geliebt werden. Sie / er bezieht ihre / seine Sicherheit daraus, dass andere sie / ihn brauchen. Sie / er hat Angst, die anderen könnten merken, dass sie / er weniger gut und kompetent ist als ihre / seine Rolle vermuten lässt (ebd.). Die Lösung des Drama-Dreiecks Die Lösung des Drama-Dreiecks liegt immer ausserhalb (d. h. im ErwachsenenIch / Er)!

Lösung des Drama-Dreiecks Verfolger/in

Grafik 20, eigene Darstellung nach Schlegl, 2002, S. 44f.

Retter/in, Helfer/in

Opfer


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Die von Pat Crossman (1966) geprägten Begriffe «3 P»: • Permission (Erlaubnis) • Protection (Schutz) • Potency (Überzeugungskraft / Potenz) Die 3 P sind aufgrund verschiedener Erfahrungen wichtige Bestandteile, um aus dem Drama-Dreieck aussteigen zu können. Überall dort, wo mit Menschen gear­ beitet wird, lohnt es sich, darüber nachzudenken, mit welcher Haltung ich einem Menschen begegne und wie ich mich ihm gegenüber verhalte.

Drama Dreieck

Potency / Potenz (Er)

Permission / Erlaubnis (+kEl)

Protection / Schutz (+fEl)

Retter/in, Helfer/in

Opfer

Grafik 21, eigene Darstellung nach Schlegl, 2002, S. 44f.

Um zu veranschaulichen, in welcher Form die 3 P ausserhalb des psychotherapeu­ tischen Kontextes von Bedeutung sind, wird hier beschrieben, welche Rolle sie ha­ ben, wenn ein Coach dem Coachee begegnet. Erlaubnis (Permission) Es ist wichtig, dass der Coachee die Erlaubnis hat, sich zu entwickeln. Dazu gehört, dass sie / er etwas ausprobieren und Fehler machen darf.

Grundlagen Methodik

Täter/in, Verfolger/in


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Oft wird Erlaubnis durch Haltungen und Handlungen vermittelt, die für die betrof­ fene Person selbstverständlich sind. Als Beispiel erwähnen wir hier einen jungen Mann, der grosse Mühe hat, sich im Coaching mit Worten verständlich auszudrü­ cken. Die passenden Worte fielen ihm nicht ein und er begann zu schweigen. Am Ende des Coachings hatte er immer noch Mühe, Worte zu finden, doch es ging ihm emotional schon deutlich besser. Der Coachee lernt, sich selber Schutz zu geben, indem er zu seinen Begrenzungen steht und mit ihnen zu leben lernt (vgl. Frei, 2014). Ermutigender Rückhalt (Protection) Oft geht der Coachee am Anfang davon aus, dass der Coach die Aufgabe hat, ihr / ihm zu «helfen» oder sie / ihn in «das weite Land hinauszuführen». Es ist wich­ tig, dass der Coachee merkt, dass der Coach im Prozess ihre / seine persönliche Entwicklung fördern will. Für den Coach ist es zentral, von Anfang an bestrebt zu sein, eine Atmosphäre des Vertrauens aufzubauen, die es ermöglicht, mit dem Coachee zu experimentieren. Verschiedene Methoden wie auch Interventionen sollen dazu dienen, die Sichtweise des Coachees zu erweitern, ohne die Sicherheit oder die Orientierung zu verlieren (ebd.). Überzeugungskraft durch Potenz (Potency) In den Bereich der Potenz gehören soziale wie auch persönliche Kompetenz, Ver­ antwortungsbewusstsein und innere Sicherheit. Der Coachee soll spüren, dass der Coach selbst von dem überzeugt ist, was sie / er im Coaching einbringt. Der Coach ist verantwortlich, den Coachee in die Reflexion zu führen, um eigene Erkenntnisse über sich zu hören. Das stärkt und motiviert den Coachee, ihren / seinen Verände­ rungsprozess bis zum vereinbarten Ziel zu gehen. Der Coach kann dem Coachee eine Hypothese zur Verfügung stellen. Dadurch liegt die Verantwortung beim Coachee, ob sie / er die Hypothese annehmen möchte oder nicht. Wenn der Coachee verneint, dann ist das keine Rückweisung des Coachs als Person, sondern lediglich eine Antwort auf das Hypothesen-Angebot. Auf diese Art wird vermieden, dass der Coach über den Coachee verfügt und sie / ihn manipuliert (vgl. Frei, 2014 ).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

OK-Geviert Überzeugungen als Grundeinstellungen Gemäss Eric Berne gewinnen kleine Kinder schon früh Überzeugungen über sich selbst und ihre Mitmenschen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Leben lang erhalten bleiben. Die Erfahrungen, die der / die Heranwachsende in der Kindheit macht, sind massgeblich daran beteiligt, für welche Einstellungen sie / er sich ent­ scheidet und wie ihr / sein Denken, Fühlen und Handeln später aussehen wird. (1983, S. 106) Die Überzeugungen, Grundeinstellungen genannt, lassen sich folgendermassen zu­ sammenfassen: Ich bin O.K. > Mit mir ist alles in Ordnung. Ich bin nicht O.K. > Mit mir stimmt etwas nicht. Du bist O.K. > Mit dir ist alles in Ordnung. Du bist nicht O.K. > Mit dir stimmt etwas nicht. (ebd.) Im Überzeugungsmodell

Überzeugungsmodell

Einsteigen, Vorankommen

«Für mich bin ich nicht O.K.» «Für mich bist du O.K.»

«Für mich bin ich O.K.» «Für mich bist du O.K.»

sich zurückziehen, von anderen sich aktiv zuwenden, konstrukLösungen erhoffen tiver Umgang mit Problemen –+ ++

Nirgends hinkommen, aufgeben –– «Für mich bin ich nicht O.K.» «Für mich bist du nicht O.K.» stecken bleiben, destruktiv agieren

Loswerden, Abschieben +– «Für mich bin ich O.K.» «Für mich bist du nicht O.K.» den/die andere/n oder das Problem loswerden wollen

Für mich bist du nicht O.K. Grafik 22, vgl. Berne, 1983, S. 106; Stewart & Joines, 1992, S. 177

Aus diesem Modell ist ersichtlich, dass Menschen unterschiedliche Positionen ein­ nehmen können, wie sie sich selbst und andere Personen in ihrem Umfeld wahrneh­ men. Aufgrund dieser Einstellungen ergeben sich bestimmte Verhaltensweisen, die nachfolgend erklärt werden.

Grundlagen Methodik

Abrücken, Weggehen

Für mich bin ich O.K.

Für mich bin ich nicht O.K.

Für mich bist du O.K.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Für mich bin ich O.K. – für mich bist du O.K. (symbolisch ++) Diese Position entspricht einer «gesunden» Position und ist die beste Grundeinstel­ lung für eine glückliche Lebensführung. Während Berne der Meinung ist, dass der Mensch bereits in der frühesten Kindheit in diese Position hineinwächst oder diese Einstellung später hart erlernen muss, spricht Thomas A. Harris davon, dass vorerst andere Grundeinstellungen unbewusst früh im Leben entschieden werden und «Für mich bin ich O.K.» – «Für mich bist du O.K.» eine bewusste, reflektierte Entschei­ dung ist, die im Verlauf des Lebens erarbeitet wird. (vgl. Berne, 1983, S. 108) Diese positive Grundeinstellung ist eine Position des Vorankommens. Es finden akti­ ve Zuwendung und ein konstruktiver Umgang mit Problemen statt. (vgl. Hennig & Pelz, 1997, S. 95 und Stewart & Joines, 1992, S. 182) Für mich bin ich O.K. – für mich bist du nicht O.K. (symbolisch + – ) Personen, die diese Lebenseinstellung besitzen, haben in ihrer frühen Kindheit in der Regel sehr negative Zuwendung von ihren Bezugspersonen erhalten und die ursprüngliche «Für mich bist du O.K.»-Position ins Gegenteil verkehrt, wie Harris anmerkt. Für ein solches Kind ist diese Umkehrung eine lebensrettende Entschei­ dung, es hat gelernt, dass es in erster Linie auf sich selbst achten muss und den anderen Menschen nicht vertrauen kann. Von den Bezugspersonen hat es Härte gelernt, diese Härte setzt es nun selbst gegen andere ein. (vgl. Harris, 2006, S. 66 f.) In dieser Grundüberzeugung, in der andere Menschen als nicht gleichwertig an­ gesehen werden, ist es üblich, andere Individuen zu kritisieren. Menschen mit dieser Prägung wirken häufig arrogant und drängen sich anderen mit Hilfeleistungen auf, obwohl weder Hilfe benötigt noch gewollt wird. (vgl. Berne, 1983, S. 108) Die Grundeinstellung «Für mich bin ich O.K.» – «Für mich bist du nicht O.K.» zielt auf Loswerden und Abschieben von Mitmenschen und Problemen ab. (vgl. Hennig & Pelz, 1997, S. 95 und Stewart & Joines, 1992, S. 183) Für mich bin ich nicht O.K. – für mich bist du O.K. (symbolisch – +) Ein Beispiel dazu: Ein Kleinkind ist abhängig von der Zuneigung von Bezugsperso­ nen. Wenn es die Zuwendung erhält, dann empfindet es: «Für mich bist du O.K., weil du dich um mich kümmerst.» Das Kind selbst fühlt sich hilflos und daher nicht O.K., weil das Kind von sich aus nichts (bewusst) zur Situation beitragen kann. Als Konsequenz für das Erwachsenenalter kann durch diese Prägung eine hohe Abhängigkeit von Zuneigung gegenüber einzelnen Personen oder dem ganzen Umfeld entstehen. Personen mit dieser Grundeinstellung erniedrigen sich selbst und bringen andere dazu, ihnen zu helfen. Jammern ist eine typische Verhaltensweise für diese Grund­ position. (vgl. Berne, 1983, S. 108f.) Abrücken und Weggehen kennzeichnen die Überzeugung «Für mich bin ich nicht O.K.» – «Für mich bist du O.K.». Das wird gerechtfertigt mit dem Glauben «Ich werde mit etwas nicht fertig, ich kann das nicht.» Gleichzeitig wird von anderen Mitmenschen eine Lösung erhofft. (vgl. Hennig & Pelz, 1997, S. 95 und Stewart & Joines, 1992, S. 182)


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Das OK-Geviert hat eine zentrale Bedeutung für Coaching Für den Coach ist es wichtig zu wissen, in welchem OK-Zustand der Coachee sich befindet, bevor der Coachingprozess weitergeführt wird. Der Coachee hat als Ju­ gendlicher oder junger Erwachsener häufig mit Autoritäten zu tun (Eltern oder Erziehungsberechtigte, Lehrer/in­ Nun wird es etwas persönlich. Erkennen Sie in Ihrem nen, Trainer/innen im Verein u. ä.). Es Leben Situationen, in denen die verschiedenen Grundist gut möglich, dass der Coach auch einstellungen erkennbar waren? als eine Autoritätsperson gesehen wird. Als Folge davon besteht die Möglich­ Auch wenn Sie aus Ihrer Sicht eine gute Kindheit hatten, keit, dass der Coachee sich abwertet ist es nur menschlich, in verschiedenen Situationen (Coachee –OK / Coach +OK). Es ist die in unterschiedlichen Grundeinstellungen zu handeln. Aufgabe des Coachs, entsprechende Beobachtungen zu erkennen und zu regulieren. Das konkrete Ansprechen kann eine passende Intervention sein. Vor einigen Seiten thematisierten wir die Ich-Zustände. Wie heissen diese? Im Coachingprozess ist es wichtig, den Coachee wahrzunehmen und zu erken­ nen, in welchem OK-Zustand sie oder er sich gerade befindet. Wenn es dem Die methodische Vorgehensweise in der Anwendung der Coach gelingt, während dem Gespräch OK-Einstellungen gehörte im Projekt Jugendcoaching «Get it die unterschiedlichen OK-Zustände real» zur Ausbildung der Coachs. richtig zu interpretieren, dann kann die Gleichwertigkeit aufrechterhalten wer­ In Verbindung mit den Ich-Zuständen und individuellen den. Dies führt zu Vertrauensbildung Antreibern ergeben sich spannende methodische Ansätze. innerhalb der Coachingbeziehung (vgl. Eine detaillierte Beschreibung ist im Rahmen dieses Frei, 2014). Buchs nicht möglich.

Grundlagen Methodik

Für mich bin ich nicht O.K. – für mich bist du nicht O.K. (symbolisch – –) Ein Beispiel dazu: Gegen Ende des ersten Lebensjahres kann das Kind laufen, es muss nicht mehr getragen werden und hat somit weniger körperlichen Kontakt zur Bezugsperson. Bei nachlässigen und wenig fürsorglichen Bezugspersonen bekommt es nun noch weniger Aufmerksamkeit und folgert in dieser Verlassenheit, dass alle Beteiligten «nicht O.K.» sind. Ist diese Wahrnehmung des eigenen Lebens gefestigt, wird alles in diesem Sinne interpretiert. Als Konsequenz für das Erwachsenenalter kann durch diese Prägung in Situatio­ nen, die Unsicherheit auslösen, ein starkes Gefühl von Angst entstehen. Die Person fühlt sich bedroht und reagiert mit starkem Rückzug. Daraus kann als Folge länger­ fristige gesellschaftliche Isolation entstehen. (vgl. Harris, 2006, S. 64f.) Bei dieser Position handelt es sich um «Sinnlosigkeit», es geht um Aufgeben und nirgends hinkommen und es wird eher destruktiv agiert. Verzweiflung und Hass sind vorrangige Stimmungen. (vgl. Hennig & Pelz, 1997, S. 95; Berne, 1983, S. 109 und Stewart & Joines, 1992, S. 184)


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Das systemische Beratungskonzept (ein psychologischer Theorieansatz) Die Grundlagen des systemischen Coachings bilden die Systemtheorie (Luh­ mann, 1981), und die Ansätze der systemischen Therapie (de Shazer, 1989 und von Schlippe & Schwitzer, 1996). Die systemische Beratung sieht den Menschen als Teil von grösseren, ineinander­ greifenden Systemen, zum Beispiel von Familien, Teams, Abteilungen, Organisatio­ nen. Probleme entstehen nicht im Menschen, sondern zwischen Menschen, haben damit zu tun, wie miteinander geredet, umgegangen oder gearbeitet wird. Das Modell «Einflussbereiche Jugendliche» auf Seite 19 visualisiert die systemischen Rahmenbedingungen im Jugendalter. Einige Grundannahmen Menschliche Erlebnis- und Verhaltensweisen ereignen sich immer in Wechselbezie­ hung zu anderen Menschen. Alle Teilnehmenden an einer Interaktion üben einen wechselseitigen, zeitlich syn­ chronen Einfluss aufeinander aus. Ursachen und Wirkungen sind rückbezüglich, umkehrbar, nicht kausal. Man be­ zeichnet das auch als zirkulären Prozess (ebd.). Die Wechselwirkungen leisten den Zusammenhalt zwischen den Elementen. Das können Personen wie auch Gegenstände in einem System (z. B. Zahnräder in einem Getriebe) sein. Diese sind nicht zufällig, sondern folgen gewissen systemischen Abfolgen, welche das System nährt oder identifiziert. Die Wechselwirkung verhindert, dass einseitige Einflussnahme von einzelnen Ele­ menten ausgeht. Es kann sich auch kein Element unabhängig von den anderen verändern. D. h., Kinder und Jugendliche verändern sich im Familiensystem nur soweit wie es ein Familiensystem zulässt oder das Potenzial hat. Massgebend sind die Eltern, wie fest sie die Kinder und Jugendlichen steuern und wie viel Raum sie den «Wirklichkeiten der Gedanken» ihrer Kinder und Jugendlichen geben. Wie jemand die Welt erlebt und welches Bewusstsein sie / er dabei hat, hängt von ihrer / seiner Position und Funktion im Netzwerk des Systems ab. Komplex wird die Sache dadurch, dass Menschen in verschiedenen Kontexten bzw. Systemen leben. Eine Frau oder ein Mann nimmt dort eine andere Rolle ein, die sie / er auswählt, für sich in Anspruch nimmt oder ihr / ihm gegeben wird (ebd.).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Die wichtigsten systemischen Fragetechniken

Ein Jugendlicher lebt im Familiensystem, Peergroup­ system, Schulsystem, Musikvereinsystem usw.

Zirkuläre Frage:

Mit einer systemischen Perspektive können wirkungsvolle Fragen im Coa­ chingprozess eingesetzt werden.

«Was denkst du, wie hat dein Lehrer den Unterricht erlebt?»

Lösungsorientierte Fragen Ziel: Potenziale für Lösungsmöglichkei­ ten aufdecken

• Wann läuft es gut? • Was ist dann anders, wenn es schlecht läuft? • Wer kann wie dazu beitragen, dass es besser läuft? • Was muss passieren, damit Ausnahmen häufiger auftreten?

Verhaltens- und Situationsfragen Ziel: Verhaltensänderung herbeiführen

• Beschreibe die Situation aus deiner Sicht. Was tust du konkret, um diese Situation herbeizuführen? • Kennst du dieses Verhalten bei dir? • Kennst du das Verhalten auch in anderen Situationen?

Zirkuläre Fragen Ziel: Relationen und wechselseitige Zu­ schreibungen deutlich machen

• Wie ist die Beziehung zwischen dir und deinem Freund? • Was würde deine Lehrerin oder dein Lehrmeister über diese Situation denken? • Hast du eine Vermutung, wie dein Team oder dein Freund darüber denkt?

Skalierungsfrage Ziel: Reduktion von Komplexität

• Wie würdest du deine Chance einschätzen auf einer Skala von 0–10? • Was fehlt oder brauchst du, um einen Punkt höher zu kommen? • Was müsste geschehen, dass sich die Bewertung verbessert?

Grundlagen Methodik

In jedem System, das ein Mensch «be­ tritt», herrschen andere Regeln.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

• Wenn du deiner Situation ein Tier zuschreiben würdest, welches Tier würde deine Situation am ehesten wiedergeben? • Welcher Gegenstand beschreibt deinen Zustand am besten? • Welche Farbe beschreibt dein Gefühl am besten?

In Metaphern fragen Ziel: Zugang zu deren Bedeutung für die Situation erlangen

• Was würdest du persönlich anders machen? • Wer kann am meisten von der gewünschten Veränderung profitieren und wer nicht?

Hypothetische Fragen Ziel: Gedankenexperiment und Wir­ kung überprüfen

• Was klappt besser, was ist gleichgeblieben? • Könnten Abläufe verbessert werden durch diese Anpassung?

In Veränderungsprozessen Ziel: Veränderung sichtbar machen

• In welchen verschiedenen Situationen findest du dein Verhalten wieder? • Begegnen dir deine Reaktionen auch bei anderen Menschen? • Welchen Nutzen hast du, so zu reagieren?

Musterfragen Ziel: wiederholte Verhaltensweise auf­ decken

• Wenn eine Fee dir einen Wunsch erfüllen würde, wie würde dieser lauten? • Hättest du nochmals die Möglichkeit, wie würdest du entscheiden? • Du bekommst eine Million, was würdest du dir als Erstes kaufen?

Wunderfrage Ziel: Erweiterung der Perspektive

• • • •

Paradoxe Frage Ziel: Irritationen erzeugen

Was würde die Situation noch verschlimmern? Es ist gut, dass dir das so widerfahren ist, oder? Was kannst du persönlich dazu beitragen? Warum passiert dir diese Situation immer wieder?


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Die systemischen Fragetechniken sind gezielt einzusetzen. Sie dienen zur bewuss­ ten Intervention, um eine gezielte Reaktion beim Coachee herbeizuführen. Diese unterstützen sie / ihn in ihrem / seinem Prozess, um dem definierten Ziel näher zu kommen.

Spiegeln und aktives Zuhören Eisbergmodell

Anliegen

Emotionen Bedürfnisse

Ausgangslage Unter den offensichtlichen, objektiven Anliegen liegen Emotionen und Bedürfnis­ se, die, um einen Coachee ganzheitlich sowie lösungsorientiert begleiten zu kön­ nen, auch benannt werden müssen. Bedürfnisse und Emotionen sind die Grundlage unter der Oberfläche bzw. unter dem objektiven Inhalt und dem Anliegen. Kann der Coachee seine Bedürfnisse und Emotionen benennen, dann kann sie / er auch ihr / sein Anliegen besser beschreiben. Beim aktiven Zuhören agieren wir wie ein verbaler Spiegel, indem wir mit unseren Worten wiederholen, was die / der Gesprächspartner/in gesagt hat. (vgl. Rogers, 1985) Für die Orientierungs- und Differenzierungsphase im Coaching ist das Spiegeln oder «aktive Zuhören» eine wichtige Klärungshilfe. Ziel des Spiegelns ist die Synchronisation der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Carl Rogers, von dem diese Technik stammt, ging davon aus, dass eine wesentliche heilende Wirkung in der Gesprächsführung bereits darin besteht, dass die beratene Person bzw. der Coachee ihr / sein eigenes Anliegen selbst richtig versteht und je­ mand findet, der sie / ihn versteht (ebd.).

Grundlagen Methodik

Grafik 23, eigene Darstellung des Eisbergmodells nach Freud, zit. nach Ruch & Zimbardo, 1974, S. 367


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Ziel für den Coach • Komplexe Zusammenhänge werden sortiert, reduziert und präzisiert. • Der Coach sichert sich ab, dass sie / er das Anliegen richtig verstanden hat (vgl. Frei, 2014). Ziel für den Coachee • Der Coachee findet heraus, ob sie / er selbst erfasst hat, worum es ihr / ihm (wirk­ lich) geht. • Sie / er empfindet Sicherheit, wenn sie / er jemanden findet, der sie / ihn versteht (ebd.). Ziel für Coach und Coachee (gemeinsam) • Sie arbeiten an einem Thema und haben gemeinsame Begriffsdefinitionen (ebd.). Auf was ist beim Spiegeln zu achten bzw. was sind die verschiedenen Kommunika­ tionsebenen?

Paraphrasieren im Coachingprozess als Frage: «Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann geht es dir um die Lösung eines Konfliktes mit deinen Eltern, die dir die Dauer des Ausgangs nicht verlängern?»

Gefühlsebene verbalisieren: «Das klingt so, als wenn du darüber wütend bist? Stimmt mein Eindruck?» Die Frage kann auch noch offener formuliert werden: «Wie geht es dir dabei?» «Was empfindest du, wenn du an diese Person denkst?»

Achtung: Das Gefühlsleben zu verbalisieren, ist bei vielen Menschen auch heute immer noch ein Tabuthema. Verwende daher die Methode «Die vier Grundgefühle» (siehe Seite 90).

1. Sachebene paraphrasieren Fokussierung durch Wiedergabe des Inhalts; paraphrasieren bedeutet, dass der Coach das Gehörte in ihren / seinen Worten wiederholt (ebd.).

2. Gefühlsebene verbalisieren Fokussierung durch behutsames Be­ nennen von wahrgenommenen verba­ len und nonverbalen Gefühlsregungen (ebd.).


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

3. Bedürfnisebene deuten Fokussierung durch Hypothesenbildung oder Erfragen (ebd.).

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Bedürfnisebene deuten im Coachingprozess: «Könnte es sein, dass du diesen Konflikt nutzt, um deinen Eltern ein schlechtes Gewissen zu machen?»

Achtung: Wie die Gefühlsebene so kann auch die Bedürfnisebene durch eine Frage eingeleitet werden: «Das ist ja durchaus ein vielschichtiges Problem, das du gerade schilderst. Was wäre im Augenblick für dich das wichtigste Thema?»

Das Finden des Zielsatzes ist ein we­ sentlicher Teil des Coachings. Daher muss dieser Phase genügend Zeit ein­ geräumt werden (vgl. Frei, 2014).

Zielsatz «erfragen»: «Was wäre für dich heute in dieser Sitzung ein gutes Ergebnis?» «Was würde dich heute weiterbringen?» «Gibt es aus deinen Schilderungen ein konkretes Thema, welches du heute angehen willst?»

Achtung: Der Zielsatz soll klar, eindeutig und überprüfbar sein. Nicht: «Ich möchte, dass es mir nach dem Coaching besser geht!» Sondern: «Ich möchte meine Entscheidungsoptionen benennen und drei konkrete Ideen beschreiben.»

Reframing (Umdeutung) Definitionen Durch Umdeutung wird einer Situation oder einem Geschehen eine andere Bedeu­ tung oder ein anderer Sinn zugewiesen. Man versucht die Situation in einem an­ deren Kontext (oder «Rahmen») zu sehen. Die Bedeutung hinter Reframing geht darauf zurück, dass ein Bilderrahmen den Ausschnitt des Gesamtbildes definiert, wie dies auch der Blickwinkel einer Person bzgl. ihrer Realität tut.

Grundlagen Methodik

Zielsatz formulieren Nachdem die verschiedenen Ebenen «gespiegelt» wurden, bildet der Coach mit dem Coachee einen Zielsatz. Ohne klaren Zielsatz sollte der Coach nicht in die Arbeitsphase einsteigen (siehe Kapi­ tel «Phasen des Coachingprozesses auf Seite 79»).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Ein Reframing bedeutet, dass einem Geschehen ein anderer Rahmen gegeben wird, der die Bedeutung verändert. Einem in der Umdeutung geschulten Coach ist es durch Kommunikation möglich, Szenen in einem anderen Blickwinkel (Rahmen) er­ scheinen zu lassen. So kann sie / er Beteiligten erleichtern, mit der Situation umzu­ gehen. Die Bedeutung, die ein Ereignis, eine Aussage, ein Verhalten, ein Glaubenssatz oder ein Reiz haben, hängt vom Kontext, vom Rahmen ab, in den wir die Thematik hineinstellen. Das «Frame» ist der Rahmen. Reframing bedeutet, einen neuen Rah­ men zu konstruieren, eine neue Bedeutung zu geben. Dadurch werden neue Reaktionen und neues Verhalten möglich. Reframing be­ zeichnet den Prozess des Umdeutens, des Einnehmens einer neuen Perspektive, ei­ ner neuen Art der Wahrnehmung bzw. einer neuen Interpretation. (vgl. Nowottka, 2009) «Es gibt nichts, das an sich gut oder schlecht wäre, nur das Denken macht es so.» William Shakespeare Wo tauchen Reframings auf? Reframings tauchen auf in Witzen, Fabeln, Geschichten und bei Erfindungen. Sie sollten ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens werden oder sein. Reframing ist also ein Prozess, bei dem entweder • ein neuer Kontext gesucht wird, in welchem das alte, als problematisch empfun­ dene Verhalten einen Vorteil bewirkt (Kontextreframing) oder • das alte Verhalten eine neue Bedeutung bekommt (Bedeutungsreframing) (ebd.).

Überlegung vor der Intervention: In Bezug auf was ist er oder sie zu X? Gemessen woran oder mit wem? Für welche Situationen?

Intervention: Eine Jugendliche stellt sich als stur und starrköpfig dar. Folgende Frage ist als Reframing möglich: «Gibt es Situationen, wo diese Unbeugsamkeit, diese Hartnäckigkeit hilfreich war oder gar dazu führte, dass Sie Erfolg hatten?» Die junge Frau überlegt und meint: «Ja, dank meiner Hartnäckigkeit konnte ich mich im Geschäft durchsetzen und so habe ich mehr Kunden gewinnen können.»

Kontextreframing Kontextreframing eignet sich bei Aus­ sagen nach dem Muster «Ich bin zu X» (X kann dabei für jedes beliebige uner­ wünschte Verhalten oder eine Eigen­ schaft stehen). Diese Aussagen enthalten eine Tilgung bzw. der Satz ist nicht vollständig (vgl. Nowottka, 2009 ). Mit dieser limitierenden Aussage über sich selbst auf der Identitätsebene (Ich bin…) nehmen sich diese Menschen die Möglichkeit, etwas anderes zu sein (Identität) oder zu tun (Verhalten), um ihre Situation zu verändern.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Das Kontextreframing hebt diese Til­ gung auf und versöhnt den Coachee mit ihrem / seinem Verhalten, indem es Situationen anbietet, in denen das uner­ wünschte Verhalten Sinn macht (ebd.).

Bedeutungsreframing (Inhaltsreframing) Das Ziel ist das Finden einer «passen­ deren» Bedeutung für das als prob­ lematisch erlebte Verhalten. Bedeu­ tungsreframing schafft somit andere Blickwinkel auf dasselbe Phänomen (ebd.).

Kennen Sie persönliche Beispiele von sich selbst oder Ihnen bekannten Menschen, die unter der Perspektive des Reframings von einer negativen Bedeutung in eine positive Wahrnehmung wechseln?

Intervention: Eine Jugendliche, die die Ausbildung zur Fachfrau Betreuung absolviert, ärgert sich über die Fussabdrücke der Kinder auf dem Boden in der Kindertagesstätte. «Fussabdrücke» haben für sie folgende Bedeutung: «Niemand respektiert mich.» Eine neue Bedeutung kann sein: «Offensichtlich mögen die Kinder es, hier zu sein.»

Kennen Sie Momente, die Sie immer wieder Energie kosten?

Grundhaltung für Reframing in der systemischen Beratung • Jedes Verhalten macht Sinn, wenn man den Kontext kennt. • Es gibt keine vom Kontext losgelösten Eigenschaften einer Person. • Jedes Verhalten hat eine sinnvolle Bedeutung für die Kohärenz (Zusammenhän­ ge) des Gesamtsystems. • Es gibt nur Fähigkeiten. Probleme ergeben sich manchmal daraus, dass Kontext und Fähigkeiten nicht optimal zueinander passen. • Jeder scheinbare Nachteil in einem Teil des Systems zeigt sich an anderer Stelle als möglicher Vorteil. (vgl. Schlippe & Schweitzer, 2013, S. 179) Zum Schluss Die wichtigste Funktion des Reframings besteht darin, zu einer Verstörung der bis­ herigen Sicht der Dinge beizutragen bzw. eine Anregung für eine andere Sicht zu geben.

Grundlagen Methodik

Bitte geben Sie mit einem Bedeutungsreframing einer solchen Situation eine neue Bedeutung.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Projektionen Die Projektion ist eine Form der Übertragung. Bei Projektionen des Coachees sind oft unverarbeitete Beziehungsprobleme der Grund. Stellen sie sich einen Beamer vor, der Bilder auf eine weisse Wand projiziert. Die projizierten Bilder sind bei uns Menschen, in diesem Modell Teilaspekte unserer Persönlichkeit, die wir nicht mögen, die mit unserem Selbstkonzept nicht in Über­ einstimmung stehen.

Wenn sich eine Person zum Beispiel für besonders friedfertig hält, wird sie ihre rachsüchtigen Tendenzen bei sich nicht akzeptieren. Sie wird dazu neigen, Rachsucht bei anderen Menschen wahrzunehmen: «Nicht ich bin rachsüchtig, sondern du.» Häufig wird dann diese Eigenschaft bei anderen Personen mit Leidenschaft bekämpft und damit die Auseinandersetzung mit sich selber vermieden.

In Bezug zu oben erwähntem Beispiel ist zu akzeptieren, dass sie / er zwar ein friedliebender Mensch ist, aber auch rachsüchtige Züge hat und lernen kann, damit umzugehen.

Welchen Nutzen hat der Coachee, eine Auseinandersetzung zu verdrängen? Welche Aufgabe hat der Coach, wenn eine Projektion beim Coachee vermutet wird?

Um uns mit diesen Selbstansichten nicht auseinandersetzen zu müssen, verla­ gern wir diese Wahrnehmungen nach aussen und projizieren sie auf bzw. in andere Menschen. (vgl. Richter, 2015, S. 100)

Die Aufgabe des Coachs besteht da­ rin, den Coachee mit seinen Mustern zu konfrontieren und sie / ihn dabei zu unterstützen, in eine Selbstauseinan­ dersetzung zu gelangen (ebd.).

Hierbei gilt zunächst für den Coach zu klären, welche Funktion es für den Coa­ chee hat, sich nicht mit diesem Selbstas­ pekt auseinandersetzen zu können oder müssen (ebd.).


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Widerstand Der Widerstand ist eine Form der Abwehr von Veränderung. Der Coachee sperrt sich gegen Themen, die sie / er bewusst (aus Vorsicht, Scham, Misstrauen) oder un­ bewusst (Angst vor innerer Gefühlsüberschwemmung, Kontrollverlust, Panik) nicht in den kommunikativen Prozess einfliessen lassen will. Es sind in der Regel Schutzmassnahmen des Ichs, die früher ihre Berechtigung hat­ ten und oft noch haben. Der Coachee schützt sich vor einer vermeintlichen oder tat­ sächlichen Überforderung oder sie / er wehrt sich berechtigt gegen Zumutungen des Coachs (Interventionsfehler, Grenzüberschreitungen) (vgl. Richter, 2015, S. 100). Die Widerstandsdynamik hat in der Regel zwei Richtungen: 1. Der Widerstand funktioniert als Blockade gegen innere Impulse und als Selbst­ wahrnehmung. Das «Ich» verhindert damit, dass bestimmte energetisch aufgela­ dene Szenarien ins Bewusstsein gelangen. Ein «Angstpfropfen» verhindert, dass diese Impulse über die Schwelle der Wahrnehmung gelangen. Der Coachee verteidigt sich gegen die äusseren Versuche des Coachs, die ab­ gewehrten Themen doch noch bewusst zur Sprache zu bringen. Sie / er spürt dabei Ärger, Scham, Unsicherheit, also Gefühle, die sie / ihn motivieren, möglichst schnell das Thema zu verlassen (ebd.).

Wenn man es mit Widerstand zu tun hat, dann sollten folgende Fragen gestellt werden: (aus Sicht des Coachs wie auch als mögliche Fragestellung für den Coachee) • Welche Funktion hat der Widerstand? Dient er dem Selbstschutz, zur Abwehr etc.? • Wie viel Energie wird dabei gebunden? Widerstand ist eine schwere Arbeit für die Psyche. • Welche Szenarien oder Spiele werden dabei bewältigt? Wovor hat der Coachee z. B. Angst? • Wie ist der Widerstand ausgerichtet, geht er stärker nach innen, das heisst gegen sich selber, oder nach aussen gegen den Coach? • Wie genau erlebt der Coachee diesen Widerstand? Bei der Arbeit mit Widerstand sollte der Coach die Abwehr respektieren, sich aber die Art, wie der Coachee ihn erlebt, genau beschreiben lassen (ebd.).

Grundlagen Methodik

2. Widerstand erzeugt beim Coach leicht Kontergefühle, sie / er wird ungeduldig oder ärgerlich. Der Coach sollte solche Resonanzen als Signal nehmen, genauer hinzuschauen. Denn über die Art des Widerstandes kann ein Coach viel über die Psychodynamik seines Coachees erfahren (vgl. Richter, 2015, S. 100). Wichtig: Es gilt, nicht den Widerstand zu brechen, sondern Gemäss Kurt F. Richter zeigen «sol­ ihn zu kontaktieren, zu verstehen oder im Moment zu akzepche Abwehrformen viel von den Bezie­ tieren (ebd.). hungsmustern, mit denen der Coachee insgesamt seine Kommunikation gestal­ tet» (2015, S. 102).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Wie erkennt der Coach Widerstand? • schneller Themenwechsel • Verallgemeinern, Intellektualisieren (z. B. über das Problem philosophieren statt die Lösung anzuvisieren) • Der Coachee geht in die Opferrolle und zelebriert seine Hilflosigkeit. • Sagt zu allem «Ja», ohne nachzufragen oder kritisch zu sein. • Kommt zu spät an den Termin und / oder muss früher gehen. • Problemleugnung (es läuft ja alles rund …) • unangemessene Scherze, zynisches Reagieren oder ein nicht einordenbares La­ chen • Aber-Sätze (wird wohl bejaht und im gleichen Moment verneint) • dauernde Fragen an den Coach, kann auch in Warum-Fragen münden (ebd.). Umgang mit Widerstand Das Allerwichtigste bei Widerstand ist, dass der Coach in Beziehung bleibt und die eigene Irritation nicht als Angriff- oder Rückzugs-Reaktion versteht. Zuerst muss man den Widerstand erkennen und identifizieren (ebd.). Wie kann sich der Coach bei Widerstand durch den Coachee verhalten? • Den Widerstand benennen; den Widerstand beim Coachee direkt ansprechen. • Den Widerstand streicheln; kommunikativ den Widerstand beschreiben, ohne ihn direkt zu benennen. • Den Widerstand konfrontieren; diese Intervention ist sinnvoll, wenn die Bezie­ hung stark genug ist. • Den Widerstand parkieren; ist jetzt noch kein Thema, kann jedoch eines werden. • Den Widerstand ignorieren; ist dann sinnvoll, wenn ein anderes wichtiges The­ ma vordergründig ist und prioritär behandelt werden soll (vgl. Richter, 2015, S. 100 / Frei, 2014). Abschliessende Ergänzungen Widerstand ist nichts Bedrohliches, sondern lediglich ein Schutzmechanismus, der in diesem Moment eine Berechtigung für den Coachee hat. Der Coach kann diese erkennbare Ressource «Widerstand» in den Coachingprozess einbeziehen und soll den Widerstand als eine Bereicherung zur Lösung von Verhal­ tensweisen einbeziehen (vgl. Frei, 2014).


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Übertragung «Übertragung ist die Anwesenheit eines nicht sichtbaren Dritten in einer Zweierbe­ ziehung» (Rahm et al., 1993 zit. nach Richter, 2015, S. 101).26 In der Übertragung wird eine alte Szene mit einem neuen Gegenüber reinszeniert. Dem Gegenüber wird dabei die Rolle einer früheren Bezugsperson übertragen. Der Coachee verhält sich zum Beispiel gegenüber dem Coach, als wäre dieser sein Vater, der ihn nicht genug beachtet hat, oder ein älterer Bruder, mit dem er immer hoff­ nungslos konkurriert hat, oder ein Lehrer aus der Primarschule, der ihn ungerecht beurteilte usw.

26

F reud hat das Konzept der Übertragung bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in die Psychologie einge­ führt (Freud, 1912). Die Übertragungsanalyse war ein wesentlicher Aspekt in seiner Psychoanalyse und wurde als Behand­ lungstechnik eingesetzt.

Übertragungen sind szenische Wiederholungsversuche von Stücken, die in der Erstinszenierung kein befriedigendes Ende nahmen (vgl. Richter, 2015, S. 101.) Die szenischen Wiederholungen sind Lösungsversuche, bei denen leider immer wie­ der das fatale Drehbuch (unbrauchbares Lösungsmuster) herangezogen wird, das schon in der Originalszene nicht half (vgl. Oberhoff, 2000 zit. nach Richter, 2015, S. 101).

Der Begriff der Gegenübertragung, der wie der Begriff der Übertragung aus der psychoanalytischen Erfahrung stammt, hat heute drei verschiedene Bedeutun­ gen. Die Bedeutung ist auf die Bezie­ hung von Coach und Coachee ausge­ richtet. 1. die innerliche Reaktion des Coaches auf die Übertragung des Coachees (A) 2. eine Übertragung des Coachs auf den Coachee (B) 3. alle innerlichen emotionalen Reaktio­ nen des Coachs auf den Coachee Diese dritte Bedeutung schliesst also die beiden anderen mit ein. Was über die Gegenübertragung ge­ sagt wird, hat nicht nur in der «analy­ tischen Situation» Bedeutung, sondern bei jeder Beratungsbeziehung, weiter­ gedacht sogar bei jeder mitmenschli­ chen Begegnung (vgl. Frei, 2014).

Ein Coach fühlt sich einer kindlichen, zierlichen und sich hilflos verhaltenden jungen Frau als Coachee gegenüber in Versuchung, eine Beschützerrolle einzunehmen. (Gegenübertragung in der ersten Bedeutung A). Sich dessen bewusst, vermutet er, dass der Coachee ähnliche Retterphantasien gegenüber Mitmenschen im Alltag auslöst, die sie dann in ihrer «Opferhaltung» (Drama-Dreieck, siehe Seite 92) bestätigen. Ein Coach war anfangs einem älteren Coachee gegenüber misstrauisch, wie wenn er ihm als Lügner bekannt wäre. Als der Coach den Coachee näher kennenlernte, änderte sich seine Einstellung ihm gegenüber. Zuerst war er dem Coachee, ohne sich dessen bewusst zu sein, wie seinem Vater gegenüber eingestellt, der es mit der Wahrheit nicht genau genommen hatte (Gegenübertragung in der zweiten Bedeutung B – eine entsprechende Übertragung des Coachees auf den Coach kann natürlich auch eine Form eines Widerstandes, siehe Seite 109 sein). Ein Coach tritt seinem Coachee gegenüber immer sehr autoritär auf, da er ganz allgemein in der Grundeinstellung gefangen ist «Ich bin OK, die anderen sind nicht OK.». Für mehr Informationen siehe Seite 97.

Grundlagen Methodik

Gegenübertragung


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Eine bewusste Gegenübertragung im Sinne einer Reaktion auf die Übertragung des Coachees kann den Coach vermuten lassen, dass der Coachee möglicherweise auch auf andere Menschen auf dieselbe Art wirkt und diese dann entsprechend reagieren (siehe Beispiel 2).

Welche Interaktionen kann der Coach in einer Beratungssituation mit Gegenübertragungen anwenden? Wie sollte sich der Coach in einer solchen Situation verhalten? Was sind die wesentlichen Merkmale der Gegen­ übertragung?

Das ist eine in der Beratungspraxis ei­ nes Coachs sehr wichtige Funktion ei­ ner kontrollierten Gegenübertragung.


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Einführung in die Individualpsychologie nach Alfred Adler Kurzbiographie Der folgende Abschnitt basiert auf einem Text von Werner Stangl (2017).

Alfred Adler wurde Arzt und begriff den Menschen als Einheit von Körper, Seele und Geist. Er gilt somit als einer der Pioniere der Psychosomatik. Er etablierte seine Arztpraxis in einem sozial schwächeren Viertel von Wien, ge­ genüber dem Prater, einem Unterhaltungspark. Zu seinen Patienten gehörten Zir­ kusartisten und es wird daher vermutet, dass ihm deren ungewöhnliche Fähigkeiten Einsichten über organische Minderwertigkeit und ihre Kompensationen eröffneten. Im Zentrum seiner Arbeit standen daher oft die gesellschaftlich Benachteiligten, weshalb Reformen im Erziehungs-, Sozial- und Gesundheitswesen in Wien eng mit Alfred Adler verbunden waren. 1907 wurde er zu Sigmund Freuds Diskussionsrunden eingeladen. Anders als Freud, der einen Platz im reichen Wiener Bürgertum hatte, blieb Adler sein Leben lang den gesellschaftlich Benachteiligten verbunden. Er war ein Mensch mit star­ ken Gefühlen, voller Arbeitsfreude und mit einer schnellen Auffassungsgabe. Freud rühmte an ihm seine Intelligenz und seine Ursprünglichkeit. Adler war der Philosophie der Aufklärung verpflichtet. Zwar waren für ihn Er­ banlagen und Umwelteinflüsse prädisponierende Faktoren des Charakters, Erfah­ rungen werden aber aktiv gemacht, Erlebnisse subjektiv gedeutet und Handlungen vollzieht der Mensch weitgehend selbstbestimmt. Bei gleichen Erlebnissen wird das eine Kind mutlos, während das andere sich angespornt fühlt. Nicht die Erlebnisse eines Kindes diktieren seine Handlungsweise, sondern die Schlussfolgerungen, die es aus diesen Erlebnissen zieht. Darin zeigt sich nach Adler die Freiheit, aber auch die Verantwortlichkeit für das eigene Handeln, die nicht auf andere Menschen oder das Schicksal projiziert werden kann. Er glaubte, wenn die Menschheit zu retten wäre, dann müsste sie ihren Weg ändern. Nach dem Krieg war er in verschiedene Projekte involviert, u. a. an Universitäts­ kliniken und in der Lehrerausbildung. 1926 ging er in die USA, um Vorlesungen zu halten und nahm eine Gastprofessur am Long Island College of Medicine an. 1934 verliess er mit seiner Familie endgültig Wien. Am 28. Mai 1937 starb er an einem Herzinfarkt, nachdem er eine Reihe von Vorträgen an der Aberdeen University ge­ halten hatte. Individualpsychologie als Lehre Adler stellt mit der Individualpsychologie, einem vor allem aus der Therapiepra­ xis entstandenen psychologischen System, ein erstes Gesamtpsychotherapiemodell vor, das sowohl die normale Psyche als auch Neurosen, Psychosen, Psychopathi­

Grundlagen Methodik

Alfred Adler (1870–1937) wurde in Rudolfsheim bei Wien geboren. Er litt als Kind an verschiedenen gesundheitlichen Problemen. Zu dieser Zeit entschied er sich, Arzt zu werden. Er erreichte 1895 den Abschluss in Medizin an der Wiener Universität.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

en, Prävention und Rehabilitation umfasst. Adlers Persönlichkeitstheorie, seine Beschreibung und Erklärung des Phänomens seelischer Krankheit betont die Nähe seines psychologischen Systems zu anderen Wissenschaftsbereichen, vor allem zur Pädagogik und Soziologie. Adler hielt wenig von der Experimentalpsychologie, da er überzeugt war, dass sie den einzelnen Menschen in unzusammenhängende Ein­ zelteile zerstückelt und dass die so gewonnenen Ergebnisse für das Verstehen des Einzelnen wenig bringen können. Für ihn war klar, dass ein «gutes» oder «schlechtes» Gedächtnis nicht einfach eine gehirnphysiologische Angelegenheit ist, sondern seinen Sinn im Rahmen der gesamten Persönlichkeit hat. Adler vertritt eine ganzheitliche Sicht des Menschen. Körper, Seele und Geist sind danach untrennbar miteinander verbunden. Mit der Entwicklung dieses Ansatzes hat er Freuds Vorstellung vom Menschen als einer Zusammenballung gegensätz­ licher Triebe und Instanzen hinter sich gelassen und entsprechend weichen auch seine Schlussfolgerungen von Freuds Theorien ab. Während die Psychoanalyse sich auf die mühsame Suche nach den Ursachen see­ lischen Leidens begibt, betont Adler die «Zielstrebigkeit», die Intention oder Absicht des Individuums. Jeder Mensch kann in seinem Wesen als eine aufwärts gerichtete Spirale gesehen werden, deren Ziel die Vollkommenheit ist. Jedes Individuum strebt danach, von einer minderwertigen zu einer mehrwertigen Existenz zu gelangen. Im Menschenbild Adlers wird das Individuum von einem Gemeinschaftsgefühl geleitet. Das Individuum existiert nicht isoliert in einer statischen Umgebung, son­ dern es agiert und reagiert auf sie und steht mit ihr in einer permanenten Wechsel­ beziehung. Adler glaubte im Sinne des Präventionsgedankens, dass man Gemein­ schaftsgefühl methodisch trainieren könnte und müsste. Viele Konzepte von Verhaltensänderungen, die die Identifizierung mit sozialen Zielen zum Inhalt haben, haben ihre theoretischen Wurzeln in den Intentionen Ad­ lers, auch wenn deren Verfasser sich selten direkt auf ihn beziehen. Mit der Akzen­ tuierung sozial-praktischer Ideale in seiner Individualpsychologie kann Adler als frü­ her Kritiker des in der heutigen Psychologie häufig fehlenden Theorie-Praxis-Bezugs angesehen werden. Der Name «Individualpsychologie» betont die unteilbare Einheit von Körper, Seele und Geist des «Individuums», was auch als Abgrenzung gegenüber dem Freud’schen Persönlichkeitsmodell gedacht ist, das mehrere miteinander in Kon­ flikt liegende psychische Instanzen postuliert. Bei Adler zieht das gesamte seelische Geschehen an einem Strang. Zwar unterscheidet er wie Freud zwischen bewussten und unbewussten Vorgängen, aber das Unbewusste führt kein den Tendenzen des Bewusstseins entgegengesetztes Eigenleben. Auch die verschiedenen psychischen Funktionen wie Denken, Fühlen, Handeln, Wahrnehmen, Lernen stehen alle im Dienst einer einheitlich ausgerichteten Motivation. Die Individualpsychologie geht nicht von einzelnen Elementen aus, sondern vom Menschen als einem organischen Ganzen. Die Nähe der Ideen Adlers zur Ganzheits- und Gestaltpsychologie wird häufig her­ vorgehoben.


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Der Kerngedanke von Adlers Persönlichkeitstheorie ist das Konzept eines einheit­ lichen, zielgerichteten, schöpferischen Individuums, das in gesundem Zustand in einer positiven, konstruktiven, ethischen Beziehung zu seinen Mitmenschen steht. Die Einheit der Persönlichkeit ist eine souveräne und selbstbestimmende Macht, die durch innere und äussere Einflüsse mit geformt wird. Alles Seelenleben ist zielge­ richtet. Bereits 1912 wies Adler darauf hin, dass das Individuum aus dem Gefühl der Minderwertigkeit, der Unterlegenheit heraus, das durch die Kleinheit und Schwäche eines Kindes gegenüber dem Erwachsenen entsteht, meist unbewusst, aber sicher unverstanden, ein Persönlichkeitsideal, eine «Fiktion persönlicher Überlegenheit» schafft. Die Einheit der Persönlichkeit ist in der Existenz jedes Menschen angelegt. Jedes Individuum repräsentiert gleichermassen die Einheit und die Ganzheit der Per­ sönlichkeit wie die individuelle Ausformung dieser Einheit. Das Individuum ist sowohl Bild wie Künstler. Es ist der Künstler seiner eigenen Per­ sönlichkeit. Adlers Lehre ist zudem eine Sozialpsychologie der Persönlichkeit, denn der Charak­ ter bildet sich als Resultat der Begegnung mit anderen Menschen, das ganze seeli­ sche Geschehen ist darauf ausgerichtet, einen Platz in der Gemeinschaft zu finden. Die Gemeinschaft ist andererseits zu ihrer Verwirklichung und Entfaltung auf das Individuum genauso angewiesen, wie das Individuum zu seiner Selbstentfaltung der Gemeinschaft bedarf. Damit leugnet Adler aber nicht, dass es Widersprüche zwischen individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen geben kann.

Grundlagen Methodik

Zusammenfassung Das Menschenbild der Individualpsychologie kann mit folgenden Worten zusam­ mengefasst werden: • einzigartiges, ganzheitliches und schöpferisches, • in untrennbarer Beziehung zu anderen stehendes, • zielgerichtetes und Entscheidungen treffendes, • selbst verantwortliches Einzelwesen Schlussfolgernd gilt es festzuhalten, dass die Individualpsychologie ganzheitlich und zielgerichtet ist und die soziale Zugehörigkeit des Menschen betont.

Bedeutung für Jugendcoaching In der Schweiz greift zum Beispiel die Coachingausbildung von coachingplus 27 auf individualpsychologische Theoriekonzepte zu. Das oben zusammengefasste Men­ schenbild der Individualpsychologie passt zum Coaching-Verständnis, dass Men­ schen ihr Leben aktiv gestalten. Im Forschungsprojekt haben die Coachs mit einigen Arbeitsblättern und Auf­ gaben mit den Coachees gearbeitet, die aus der Individualpsychologie entwickelt wurden. Mehr Informationen dazu sind ab Seite 136 zu finden.

27

Mehr Informationen: www.coachingplus.ch


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Temporäre Themen Themen, die während einem Coachingprozess auftauchen und nicht zum verein­ barten Ziel passen, werden als temporäre Themen bezeichnet. Falls der Coachee aktiv das Bedürfnis äussert, ein aktuelles Thema wie den Arbeitsplatzverlust, Be­ ziehungsprobleme o. ä. zu bearbeiten, dann wird dieses Thema durch den Coach aufgenommen (vgl. Frei, 2014). Jugendliche besitzen häufig noch nicht viel Erfahrung mit der eigenen Selbststeu­ erung und dem Umgang mit herausfordernden Themen. Sie haben das Bedürfnis, diese Anliegen hier und jetzt zu bearbeiten, um im Prozess bzw. in Bezug zum ver­ einbarten Ziel weiterzukommen.

Wichtig ist für den Coach, nicht aus einer Retterrolle heraus unreflektiert zu handeln und temporäre Themen den Coachees aufzuzwingen. Die zentrale Frage bleibt: Was will der Coachee, was ist ihr / sein Bedürfnis? Achtung: Die Bearbeitung eines temporären Themas soll die Zielerreichung des Coachingprozesses unterstützen. Nicht jedes temporäre Thema, das bearbeitet werden könnte, dient der Zielerreichung des Coachingprozesses.

Forschungssetting: Die qualitative Bearbeitung von temporären Themen war Teil des Forschungssettings von Jugendcoaching «Get it real». Mehr Informationen sind auf Seite 59 zu finden.

Üblich sind folgende temporäre The­ men: • Störfaktoren, die den Jugendlichen indirekt blockieren: Dies können Be­ ziehungsprobleme wie ein Freund­ schaftsabbruch oder Scheidung im eigenen Freundeskreis sein. Auslöser ist hier empathische Betroffenheit des Coachees mit einer anderen Per­ son oder anderen Personen. • «Hiobs-Botschaften», die den Coa­ chee persönlich betreffen. Mögliche Beispiele sind ein Todesfall, Schei­ dung der eigenen Eltern, Arbeits­ platzverlust, Krankheit, unfreiwilliger Wohnortwechsel u. ä.

Das Ziel ist, in einem einzelnen Coa­ chinggespräch das temporäre Thema möglichst abschliessend zu bearbeiten. So wird erreicht, dass der Coachee im nächsten Treffen ihre / seine Energie wieder auf die geplanten Ziele des Coachingprozesses fokussieren kann (ebd.).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Visualisierung und Skalierung Visualisierungen und Grafiken Menschen funktionieren visuell. Mit visuellen Methoden kann eine vertiefte Wahr­ nehmung erreicht werden. Das Lernverständnis wird auf mehreren Ebenen erhöht, indem die innere, persönliche Vernetzung in Bezug zum bearbeiteten Thema ver­ stärkt wird. So funktioniert die Visualisierung auch als systemischer Ansatz in der Beratung (vgl. Frei, 2014). Falls der Coachee ihre / seine Visualisierung bzw. Grafik selbst erstellt, dann ist wichtig, dass der Coach mit offenen Fragestellungen die Visualisierung des Coa­ chees abfragt, um ihre / seine Überlegungen und Deutungen zu erhalten. Der Coa­ chee hört in diesem Prozess ihre / seine Interpretation und wird so mehr über sich selber erfahren (ebd.). Es ist passend zur aktuellen Situation im Coachingprozess möglich, dass der Coach oder der Coachee die Visualisierung erstellt. Bearbeitet der Coach die Vi­ sualisierung auf dem Flipchart, dann kann sich der Coachee auf ihre / seine eigene Wahrnehmung und Überlegungen konzentrieren. Falls der Coachee ihre / seine Vi­ sualisierungen selbst erstellt, dann ist dies auch eine Chance, ihre / seine gewünsch­ te «Struktur» der eigenen Lösungssuche zu finden und für sich selbst sichtbar zu machen (ebd.).

Konkrete Beispiele im Coaching Visualisierung als Prozess: • Einzelne Themen oder Ziele auf Flip­ chart sichtbar machen und bei Bedarf zueinander in Verbindung setzen. So wird die Bedeutung der Themen ge­ klärt und mögliche Handlungsschrit­ te werden initiiert. • Mit verschiedenen durch den Coa­ chee beschriebenen Karten arbei­ ten. Die Karten können auf dem Tisch oder Boden als Priorisierung in der gewünschten Reihenfolge plat­ ziert werden. So kann der Coachee ihre / seine eigenen nächsten Hand­ lungsschritte visuell erkennbar und für sich selbst erlebbar machen.

Grundlagen Methodik

Skalierungen Die oben beschriebenen Visualisierungen können durch Skalierungen (Skala 1 – 10) bewertet und dadurch eine Perspektive für die gewünschte Veränderung erarbei­ tet werden. Der durch den Coachee beschriebene und bewertete Soll-Zustand hilft der / dem Jugendlichen, ihre / seine gewünschte neue Perspektive zu erkennen und zu definieren (ebd.).

Eine durch einen Coach erstellte Visualisierung


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Mögliche Frage zum Ist-Zustand: Wo sehe ich mich jetzt? Mögliche Fragen zum Soll-Zustand: Wo sehe ich mich in Zukunft? Wo will ich hin? Was ist das gewünschte Resultat? Was brauchst du im Coachingprozess, um die Veränderung erfolgreich zu erreichen?

Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Skalierung als Zielsetzung und Priorisierung: • Durch die Beschreibung und Be­ wertung eines Ist-Zustands erkennt der Coachee ihre  /  seine aktuelle Position. Nach der Beschreibung des Ist-Zustands ist es wichtig, den Prozess weiterzuführen. Falls eine Person sich beispielsweise auf «6» bewertet und später «8» erreichen will, dann ist eine mögliche Folgefra­ ge: «Was wäre aus deinem aktuellen Ist-Zustand als Nächstes zu tun und welche konkreten Schritte sind erfor­ derlich?»

Was darf im nächsten Schritt nicht passieren? Was würde dich unterstützen, den nächsten Schritt zu machen?

Es ist auch möglich, ohne eine Visualisierung durch systemische Fragen (siehe Seite 101) eine Skalierung zu erreichen.

Durch diese Methode schafft der Coach zusammen mit dem Jugendli­ chen eine logische Orientierung und anschliessend einen konkreten Zugang zum nächsten Schritt.


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Soziokultur und Talent-Coaching Soziokultur Soziokulturelle Animation (oder auch kurz: Soziokultur) bezeichnet die kreative Be­ schäftigung mit Menschen in sozialen Projekten. Dabei ist die Arbeit mit Einzelnen oder in Gruppen möglich. Einzelne Menschen werden miteinander vernetzt und gleichzeitig (bzw. dadurch) gemeinsame Aktivitäten im Hinblick auf individuelle In­ teressen organisiert und gefördert. In besonderer Weise wird das Individuum berücksichtigt und dessen Persön­ lichkeit und Zugehörigkeitsgefühl gestärkt. Schwerpunkte können gezielt auf die sozialen und kulturellen Kompetenzen der Teilnehmenden gelegt werden, deren Entwicklungen in den jeweiligen Projekten beobachtet und professionell begleitet werden (vgl. Wandeler, 2010, S. 28 – 39). Soziokultur hat auch eine hohe Bedeutung für die Jugendarbeit. Jugendliche sol­ len durch passende Angebote eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung erfahren. Wir sehen Jugendcoaching als wichtiges Angebot, um Jugendliche im Rahmen von so­ ziokulturellen Angeboten in der Jugendarbeit in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Talente gezielt zu fördern.

Talent-Coaching und Prozessorientierung Im Talent-Coaching können Jugendliche und junge Erwachsene ihre Talente und Begabungen entwickeln. Die für ein Talent wichtige Leistungsvoraussetzung setzt in erster Linie ein wahrnehmbares Interesse und den Willen voraus, sich weiterzu­ entwickeln. Im Talent-Coaching rücken verstärkt Gruppen28 und kulturelle Kompetenzen29 in den Mittelpunkt. Ein Coachee im Talent-Coaching ist häufig Teil einer Gruppe, die ähnliche Interessen verfolgt. Talent-Coaching muss nicht zwingend einen Bezug zu einer Gruppe oder zu kul­ turellen Themen haben. Die Förderung von sportlich begabten Coachees ist bei­ spielsweise auch möglich. Auch hier stellt sich primär die Frage: «Was ist das Be­ dürfnis und Leistungsziel des Coachees?» Die Prozessorientierung im Coaching ist eine ideale Ausgangslage, um auch Talent­ förderung bzw. Talent-Coaching durchzuführen.

28

eispiele: Bands, Pro­ B jektteams, Jugendliche mit gemeinsamen Talen­ ten oder Interessen

29

eispiele: Musik, Kunst, B gestalterische Fähigkeiten

Grundlagen Methodik

Talent Mit Talent oder Begabung wird eine besondere Leistungsvoraussetzung einer Per­ son auf einem bestimmten Gebiet bezeichnet. Bei dieser Leistungsvoraussetzung handelt es sich üblicherweise um eine oder mehrere überdurchschnittliche Fähigkei­ ten («Vermögen») auf diesem Gebiet (vgl. Schneider, 2016).


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Organisation Im Kapitel «Rahmenbedingungen für Jugendcoaching» sind unter den Arbeitsebe­ nen im Coaching Themen in Bezug zur Organisation erwähnt: 30 Beispiele: Bandwettbewerb organisiert durch Jugendliche, Bau eines Bike-Pumptracks etc.

Organisation30 • Ziele • Strukturen • Veränderungen Um Gruppen zu einem gemeinsamen Ziel zu begleiten oder ein Projekt als Organi­ sation durchzuführen sind Strukturen und Veränderungen ein zentrales Thema im Talent-Coaching. Auch Themen zur Gruppendynamik sind zu berücksichtigen.

Strukturen Eine Gruppe in einer Organisation plant, gemeinsame Ziele zu erreichen. Die Ziel­ setzung, die Verantwortung einzelner Personen und das Zeitmanagement sind zu klären. Dies bedeutet in Bezug zu Jugend­ Folgende Fragen sind hilfreich und geben eine übercoaching, dass der Coachee Teil einer sichtliche Struktur in Projekten. Diese Fragen sind im Gruppe ist, die sie  /  ihn unterstützen Talent-Coaching relevant: soll, ihre / seine Ziele zu erreichen bzw. ihr / sein Talent einzusetzen. 1. Situation: Was ist der aktuelle Zustand? 2. Ziel: Was soll konkret erreicht werden? 3. Lösungen: Was ist möglich? 4. Auswahl: Was begeistert? 5. Umsetzung: Wer? Wann? 6. Kontrolle: Soll – Ist?

Veränderungen In Projekten sind Veränderungen üblich. Ziele müssen der aktuellen Situation ange­ passt und die Verantwortung einzelner Personen muss neu verteilt werden. Talent­ Coaching soll Jugendlichen und jungen Erwachsenen ermöglichen mit Veränderun­ gen konstruktiv umzugehen und ihre Ziele alleine oder als Gruppe schrittweise zu erreichen.

Fachberatung Im Talent-Coaching ist Fachberatung häufig ein Teil des Coachingprozesses und üblicher als in den Coachingsettings Lebensplanung und Bildung & Arbeit. Ein «Matching» (Orientierung des Coachees am Coach) von gleichen oder ähnlichen Interessen ist häufig beobachtbar. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Jugendli­ cher von einem Coach begleitet wird, weil dieser Kompetenzen in Musikproduktion vermitteln kann.


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Wichtig ist, dass der Coach die Rollenwechsel vom Coaching zur Fachberatung be­ wusst ausführt und gegenüber dem Coachee kommuniziert. Auch der Rollenwech­ sel von der Fachberatung zurück zum Coaching ist mitzuteilen. So wird erreicht, dass die Verantwortung für die Zielerreichung nach der Fachberatung wieder vom Coachee übernommen wird.

Projektbeispiele: REAL DJ Bei Real DJ werden seit 2011 DJs und Musikproduzenten individuell als Coachee gefördert. Die Real DJ-Crew organisiert auch Events und Musikprojekte. Gesamthaft wurden rund 80 DJs gefördert und mehrere Events mit bis zu 1200 Besucher/innen durchgeführt. Mehr Informationen: www.realdj.ch

PARKOUR UNITED In Parkour United werden Trainerinnen und Trainer individuell als Coachee begleitet. Ein Ziel ist eine möglichst hohe Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Jugendlichen. Das Projekt startete 2013 mit einer kleinen Gruppe. Bis 2017 ist das Projekt auf bis zu 60 Kinder und Jugendliche in den wöchentlichen Trainings gewachsen. Mehr Informationen: www.deinticker.ch/sissach > Specials Grundlagen Methodik

Strategie und Infrastruktur von Jugendorganisationen Die konsequente Planung und Umset­ zung von Talent-Coaching kann Aus­ wirkungen auf die mittelfristige Strate­ gie (2 – 3 Jahre) und das Angebot von Jugendangeboten haben.


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Methoden im Talent-Coaching Fragestellungen an den Coachee Auch hier werden systemische Fragen eingesetzt, um den Kern des Anliegens zu erarbeiten: • Wie lebst du dein Talent? • Welche Themen oder Ziele verfolgst du momentan? • Was sind deine Vorstellungen von deinem Weg als Künstler/in, Sportler/in etc.? • Wo willst du in einem Jahr stehen? • Wie bist du eingebunden in der kommerziellen Szene bzw. welche Einnahmen erreichst du? • Was für Erfolge hast du schon erreicht? (Live-Auftritte, eigene im Internet veröf­ fentlichte Musikproduktionen usw.) • Wo gibt es Misserfolge? Wie bist du damit umgegangen? Aufgabe des Coachs • Der Coach leitet den Prozess in die vertraglich vereinbarte Richtung. • Sie / er moderiert und vergleicht, gibt Feedback und motiviert. Der Coach über­ prüft die Aufgaben und Bemühungen des Coachees und würdigt diese mit Wert­ schätzung. • Sie / er stärkt den Coachee in ihrem / seinem Handeln. • Im Talentbereich ist es wichtig, dass die Ziele mess- und sichtbar werden Wichtig: Die Motivation des Coachees ist zentral im Tal(siehe Kapitel Visualisierung und Ska­ entbereich! Häufig stehen die Coachees in Konkurrenz zu lierung auf Seite 117). anderen Künstlerinnen und Künstlern oder Talenten. Um die • «Träume» haben ihren berechtigten gewünschte Leistung zu erreichen und über einen längeren Platz, müssen aber auch in die Reali­ Zeitraum die gewünschten Ziele fokussiert zu halten, ist eine tät «übertragen» werden. starke Motivation eine Grundvoraussetzung.

Dauer Talent-Coaching dauert in der Regel länger als Jugendcoaching mit anderen The­ men oder Zielen. Der Abstand zwischen den Treffen ist in der Regel grösser als in anderen Coaching-Arten. Ein Talent-Coaching kann ein bis zwei Jahre oder auch länger dauern. Abschluss Ein Abschluss muss nicht mit dem Erreichen der Ziele erfolgen. Es ist auch möglich, dass die Zeit, um ein Ziel zu erreichen, abgelaufen ist oder der Coachee dem Ziel messbar nähergekommen ist, es aber noch nicht vollständig erreicht hat. Spannungsfelder im Talent-Coaching • Die unterschiedlichen Werte des Coachees im Vergleich mit den persönlichen Werten des Coachs können Spannungen auslösen. • Der Coach hat darauf achtzugeben, dass sie / er nicht einem Erwartungsdruck verfällt, welchen sie / er auf den Coachee überträgt. • Der Weg ist das Ziel des Coachees.


Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

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Abschied Abschied ist ein wichtiges Thema im Coachingprozess, das tendenziell zu wenig Be­ deutung und Beachtung erfährt. Abschied ist nicht nur aus der Sicht des Coachees zu betrachten, sondern auch aus Sicht des Coachs. Im Coachingprozess wurde eine Bezie­ hung aufgebaut, die eine gewisse Tiefe erreichte und nun beendet und abge­ schlossen wird. Es kann Trauer entstehen, die mit Ver­ lust, Schmerz oder Abschied in Verbin­ dung gebracht wird. Hinter dem Gefühl der Trauer steht ein klares Bedürfnis des Menschen. Darauf sollte eingegangen werden.

• Wie soll der Coachingabschluss bzw. der Abschied gestaltet werden? • Welche offenen Fragen stehen im Raum? • Gibt es ein besonderes Ritual des Coachs, das zum Thema Abschied passt? Solche Fragen sind zu beachten, sobald der Abschied geplant wird.

In der letzten Coachingsitzung sind die Phasen des Coachinggesprächs nicht mehr eindeutig. Der Zielsatz kann zum Thema Abschied genutzt werden und weniger für die Zielerreichung des Prozesses. Die Abschiedsphase wird in der letzten Sitzung intensiviert und bekommt eine besondere Bedeutung. Es werden keine neuen Themen mehr aufgenommen oder zur Verfügung gestellt.

Wir empfehlen die Fragen der Zwischen- und Abschlussauswertung auf www.getitreal.ch/auswertung für die Evaluation des Coachingprozesses durch den Coachee.

Abschied aus Sicht des Coachs • offene Fragen klären • Wie sieht sich der Coachee jetzt im Abschluss des Coachingprozesses? • Höhepunkte oder Erfolge aus den Sitzungen schildern • Entwicklung des Coachees aus der Sicht des Coaches schildern (keine neuen The­ men einbringen) • evtl. als Coach ein Symbol für den Abschied mitgeben (Ritual) • Beziehung, die entstanden ist, ansprechen und auflösen

Grundlagen Methodik

Abschied aus Sicht des Coachees • offene Fragen klären • evtl. eine Abschlussevaluation durch­ führen • Raum für den Abschluss der Entwick­ lung geben • Was nimmt sie / er mit aus den Coa­ chings? • Was war besonders oder was war schwierig?


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Grundlagen Jugendcoaching-Methodik

Zum Schluss sollte eine Zukunftsperspektive für den Coachee mitgegeben werden. Motivierende Worte, Chancen oder Möglichkeiten können aus- bzw. angesprochen werden, ohne zu manipulieren. Eine formelle Verabschiedung (z. B. mit Hände schütteln) wird bewusst durchge­ führt. Was darf nicht passieren? Die Verbindung der Beziehung soll gekappt werden. Falls der Coach den Coachee in einer anderen Rolle wiedersieht, dann sollte nicht über die Inhalte des Coachingpro­ zesses gesprochen oder der Prozess nochmals aufgenommen werden.

Weitere relevante Ausbildungsthemen Dieses Handbuch gibt einen Einblick in Jugendcoaching und einiger damit verbun­ dener Methoden. Während dem Forschungsprojekt wurden die Coachs zu folgen­ den weiteren Themen ausgebildet. Kompetenz entwickeln • Lernen verstehen • Werte und Ethik • Empathie • Kompetenzfelder • Eigenes Coachingkonzept Transaktionsanalyse • Skript-Theorie • Ich-Trübungen • Kommunikation unter der Lupe • Paralleltransaktionen • Gekreuzte Transaktionen

Einführung in die Systemik • Konstruktivismus • Wirklichkeitsformen Systemtheorie • Systeme erkennen • Grundlagen der Interventionen • Systemische Interventionen Gruppen erkennen und verstehen • Merkmale einer Gruppe • Gruppenentwicklung • Zusammenspiel Organisation und Person

Folgende Themen sind aus Sicht der Projektleitung relevant, konnten im Projekt aber nicht bearbeitet werden: Persönlichkeit-Ebene (Life-Coaching Themen) • Der eigene Selbstwert unter der Lupe • Selbstreflexion trainieren Diese Themenliste soll Interesse für einen persönlichen Entwicklungsprozess­ wecken. Wir sind überzeugt, dass von einer umfassenden Qualifikation der Coachs auch die Jugendlichen als Coachees profitieren werden.


Konklusion

Konklusion

Im Forschungsprojekt Jugendcoaching «Get it real» wurden 149 Jugendliche während vier Jahren begleitet. 22 Coachs sammelten zusammen mit der Projektleitung eine hohe Anzahl an wissenschaftlich fundierten Erfahrungen, wie Jugend­coaching im Rahmen eines klaren methodischen Vorgehens funktioniert.


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Konklusion

Aufgrund der ermittelten Daten sieht die Projektleitung folgende Kernaussagen als erwiesen: • Die Jugendlichen erkennen einen für sich benennbaren und messbaren hohen Nutzen in Bezug zu ihrer persönlichen Zielerreichung (8.0 von 10 möglichen Punkten; siehe Seite 64). • Die passend zum Alter der Jugendlichen eingesetzten Methoden werden verstanden und können von den Coachees in eigenen Worten beschrieben werden (siehe Seite 72). • Die im Jugendcoaching «Get it real» angewandte strukturierte Vorgehensweise hilft den Jugendlichen, ihre Ziele messbar zu erreichen. • Jugendcoaching bietet der Jugendarbeit einen messbaren Mehrwert als niederschwelliges, in der Lebenswelt der Jugendlichen verankertes Angebot. Während des Projekts wurde die Absicht, Jugendliche mittels Coachingmethoden zu fördern, von einzelnen Fachpersonen auch als schwierig interpretiert. Wir sehen aufgrund der Rückmeldungen der Coachs in der Datenerfassung die Herausforde­ rung, die Rollenvielfalt, die Jugendcoaching beinhaltet, bewusst zu gestalten. Dies ist aus unserer Sicht vor allem eine Frage der fachlichen Entwicklung von Jugendar­ beitenden, die als Coach arbeiten wollen. Der Kontaktaufbau zu Jugendlichen war ein regelmässiges Thema in den Fach­ gruppen, in denen die Coachs untereinander einen Fachaustausch pflegten. Die Frage «Wie kann ich als Coach Jugendliche in der Rolle als Jugendarbeiter/in über das Angebot informieren?» fasst das Spannungsfeld zusammen. Für Jugendliche war nicht immer klar, was ihnen die geforderte Verbindlichkeit eines Coachingpro­ zesses für einen konkreten Nutzen bringen wird. Hier war jeder Coach gefordert, nachvollziehbar aufzuzeigen, weshalb sich ein Coaching lohnt. Jugendliche sind am Anfang ihres Coachingprozesses in der Regel sehr motiviert. An sich selber schrittweise und lösungsorientiert zu arbeiten, bedeutet für die Coa­ chees teilweise einen höheren Aufwand als erwartet. Der Coach kann diese Mo­ tivationsschwankungen mit genügend Erfahrung meist auf der Beziehungsebene stabilisieren. Jugendgerechte Interventionen, wie einen Tag vor dem Termin eine Erinnerung per WhatsApp zu senden, bewirken viel. Wichtig ist, die Interventionen an die dynamische Lebenswelt der Jugendlichen anzupassen. Es ist nicht zu unterschätzen, welche Entwicklungsaufgabe ein Coaching für ei­ nen Jugendlichen bedeuten kann. Jugendliche sind während dem Coaching nicht in einer «Rolle». In einem Führungscoaching mit einer erwachsenen Person bleibt diese in ihrer professionellen Rolle. Jugendliche sind während dem Jugend­coaching i. d. R. in ihrer Lebenswelt! Dieser Unterschied macht das Coaching für sie zu einem anspruchsvollen und persönlichen Prozess. Auch hier ist der Coach gefordert, sich an der Lebenswelt der Jugendlichen mit genügend Einfühlungsvermögen zu orien­ tieren. Das Wissen von Jugendarbeitenden über die Lebenswelt der Jugendlichen hilft, Ju­ gendcoaching als glaubwürdiges Angebot zu vermitteln.


Konklusion

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Zwei Drittel der Jugendlichen haben im Rahmen des geplanten prozessorientierten Arbeitens mit vier oder mehr Gesprächen von Jugendcoaching profitiert. Rund ein Drittel hat mit drei oder weniger Gesprächen den Zugang zu prozessorientiertem Arbeiten nicht gefunden. Das bedeutet nicht, dass diese Jugendlichen ihre Ziele aus ihrer persönlichen Sicht nicht zumindest teilweise erreicht haben. Als Kompro­ miss sollte der Jugendliche immer, auch bei kurzen Coachingprozessen, für ein Ab­ schlussgespräch eingeladen werden (siehe Kapitel Abschied auf Seite 123). Die unterschiedlichen, am Projekt beteiligten Organisationen (Offene Jugendar­ beit, Verbandsjugendarbeit, professionelle Coachs mit eigener Infrastruktur) schaf­ fen unterschiedliche Arbeitsrealitäten in Bezug auf zeitliche und geografische Er­ reichbarkeit, Organisationskultur und Qualifikation der Mitarbeitenden. Jugendcoaching kann ein Mittel sein, um aus soziokultureller Perspektive auch ältere Jugendliche in den Jugendangeboten in eine wachsende Verantwortung und hohe Wirksamkeit zu führen. Prozessorientierte und innovative Projekte profitieren von der Unterstützung durch Jugendcoachs.

Hauptunterschied von Jugendcoaching zu Coaching mit Erwachsenen

Im Jugendcoaching braucht der Coach die Sensibilität, bei Bedarf temporäre The­ men zu priorisieren. Im Entwicklungsprozess der Adoleszenz haben auch Themen einen hohen Einfluss, die für Erwachsene i. d. R. keinen Grund für eine Irritation darstellen.

Konklusion

Im Coaching mit Erwachsenen bleibt der Coach klar in der Rolle als Coach. Er spie­ gelt den Coachee und steuert den Prozess mit einer bewusst gewählten, zum Coa­ chee passenden Methodik. Das Vermitteln von Fachwissen ist im Jugendcoaching tendenziell häufiger für die Zielerreichung notwendig. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen suchen im Jugendcoaching teils auch ein Vorbild oder eine Fachperson passend zu ihren Interessen (Matching ­zwischen Coachee und Fachperson). Jugendliche lassen sich durch Vorbilder auf­ grund i­hrer Entwicklung noch stärker prägen als Erwachsene. Dieser Effekt ist bei Talent-Coaching besonders ausgeprägt. Aufgrund dieser begründbaren Ausgangs­ lage kann Fachberatung sinnvoll sein, um für den Prozess relevante fehlende Le­ benserfahrung oder Fachwissen als Coach für die Perspektivenerweiterung des Coachees zur Verfügung zu stellen. Jugendliche brauchen situativ passende Impulse zur ziel- und lösungsorientierten Bearbeitung ihrer Themen. Die dazu gehörende Rollengestaltung ist bewusst zu steuern und die Rollenwech­ sel sind dem Coachee anzukündigen. Diese Wechsel erfordern vom Coach etwas Übung.


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Konklusion

Es stellt sich in der Prozesssteuerung durch den Coach und in Bezug auf Fachbe­ ratung und temporäre Themen die Frage: «Was braucht die / der Jugendliche für ihren / seinen Prozess?» Wir haben diese Themen mit einem eigenen Modell zusammengefasst:

Bewusste Rollengestaltung durch passende Kompetenzen bearbeitet temporäre Themen

Prozessverantwortung mit bewusster Methodenwahl

Fachberatung

in der Lebenswelt der Jugendlichen verankert

Jugendcoach Grafik 24; eigene Darstellung

Fazit Jugendcoaching wirkt. Jugendcoaching benötigt eine umfassende Ausbildung, Selbstreflexion und Training, um das Angebot wirkungsvoll zu etablieren.

Einführung von Jugendcoaching in Organisationen Eine externe Begleitung mittels Supervision oder eine Intervision durch kollegiale Beratung der Jugendcoachs ist sinnvoll, da dadurch grundsätzliche Fragen geklärt und passende Interventionen schrittweise umgesetzt werden können. Wichtig ist, dass der Jugendcoach bei Unsicherheiten sich mit einer qualifizierten Fachperson austauschen kann. Dieser Prozess erhöht die Wirksamkeit und Glaub­ würdigkeit von Jugendcoaching.


Konklusion

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Schlusswort Wir befinden uns nach vier Jahren weiterhin auf einer Reise. Erste Schritte für die Einführung einer für Jugendlichen angepassten Methodik für Jugendcoaching lie­ gen hinter uns. Es liegt noch viel unentdecktes Land vor uns. Wir freuen uns, dass Sie die Entwick­ lung von Jugendcoaching ein Stück weit begleitet haben. Wer weiss, vielleicht haben Sie Lust auf mehr und beginnen Ihren Weg mit unserem Thema oder gehen diesen weiter?

Konklusion

Bei Bedarf stehen Ihnen die Autoren gerne für weitere Fragen zur Verfügung.


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Konklusion

Dank Das Forschungsprojekt Jugendcoaching «Get it real» war möglich Dank vielen be­ teiligten Personen, die sich mit ihrem Wissen in das Projekt investierten. Die Projektleitung dankt folgenden Personen und Organisationen für ihr Engage­ ment: 149 Jugendliche und junge Erwachsene, die sich als Coachees investierten und ihre Erfahrungen zur Verfügung stellten. 22 Coachs, die sich auf die Reise für eine professionelle Förderung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch Jugendcoaching machten. Die Begleitgruppe mit Dr. Sarah Auerbach (Hochschule Luzern – Soziale Arbeit), David Stalder (Kinder- und Jugendförderung Kanton Basellandschaft), Susanne Boelle (Kinder- und Jugendförderung Kanton Aargau), Miladin Matic (e9 Jugend & Kultur Basel) und Urs Rohrbach (Schulsozialarbeit Kanton Baselland, in der Begleit­ gruppe bis 2016) Den Finanzgebenden Bundesamt für Sozialversicherungen BSV Bern, Ronda Lau­ sen, Swisslosfonds Baselland, Göhner Stiftung Zug und GGG Basel Der Arbeitsgruppe Talent-Coaching Miladin Matic, Martin Pfeifer, Guido Lange­ negger und Thomas Furrer Hotel Scesaplana und Familie Aebli in Seewis / GR für die herzliche Unterstützung von Thomas Furrer während der heissen Phase der Schreibarbeit. Und allen anderen Personen, die das Projekt in irgendeiner Form unterstützten.


Konklusion

131

Am Projekt beteiligte Organisationen Dieses Forschungsprojekt wurde von folgenden Organisationen getragen: Bereich Kind Jugend Familie KJF der Stiftung Jugendsozialwerk Blaues Kreuz BL30 Der Bereich KJF ist in den Kantonen Baselland und Solothurn im Auftrag von rund 60 Gemeinden tätig. In rund 30 Gemeinden ist KJF regelmässig für Kinder und Jugendliche vor Ort aktiv. KJF war für die Projektorganisation von Jugendcoaching «Get it real» verantwortlich. Mit allen Angeboten steht KJF rund 34'000 Mal pro Jahr in Kontakt mit Kindern, Jugendlichen und Familien.

Mehr Informationen: www.kjf.ch

30

Angebote und Dienstleistungen: • Ferienpässe X-Island Baselland (Trägerschaft) und Laufental- Thierstein (im Auf­ trag eines Trägervereins) • sieben Jugendzentren und Jugendräume • Mobile Jugendarbeit & Streetwork in rund 30 Gemeinden • Mobile Angebote «Jugendmobil» und «The Truck» • Förderangebote «Real DJ» und «Parkour United» • Sportangebote wie Unihockey-Training, FunSportNights, Sportnächte u. ä. • verschiedene partizipative Jugendprojekte • Familien-, Erziehungs- und Jugendberatung helpnet (24 h erreichbar per Telefon, Mail, WhatsApp, Facebook), persönliche Beratungsgespräche nach Vereinbarung

CVJM32 Der CVJM/CVJF Regionalverband ist in Basel-Stadt und Baselland aktiv. Er vernetzt die verschiedenen Gruppen und Vereine, fördert deren Zusammenarbeit und unter­ stützt die freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er zählt rund 1500 Mitglie­ der. Im CVJM / CVJF nehmen Kinder, Jugendliche und Erwachsene an attraktiven Freizeitangeboten teil, werden in ihren Begabungen gefördert, setzen sich mit dem christlichen Glauben auseinander und erleben tragende Freundschaften. Angebote und Dienstleistungen: • wöchentlich stattfindende Jungscharnachmittage in zehn Ortsgruppen • Lager- und Weekendangebote

Mehr Informationen: www.e-9.ch

31

Mehr Informationen: www.cevibasel.ch

32

Konklusion

e931 e9 jugend & kultur vereint Kinder und Jugendliche in Basel unter einem Dach. • Für Kinder im Primar- und Oberstufen-Alter bietet e9 wahlweise einen offenen Spieltreff, Mittagstisch, Hausaufgabenbetreuung und / oder aktive Betreuung und Nachmittagsgestaltung durch Fachleute an. Während den Schulferien ste­ hen abwechslungsreiche Tagesferien auf unserem Programm. • Für Jugendliche befinden sich ein offener Jugendtreff mit Abend- und Mädchen­ programm sowie Projekte und Workshops im Angebot. Coachings und ein eige­ nes Tonstudio ergänzen das Jugendangebot.


132

Konklusion

• Aus- und Weiterbildung für freiwillig Mitarbeitende (Verbandsausbildung und J+S-Ausbildungskurse) • Sportangebote wie Hattrick (Fussball), Basketball • Musikangebote (Ten Sing, Worship Cafe, Posaunenchöre) • Angebote für Familien, wie z. B. Müttergruppen, Café Emma, Lagerangebote) • unterschiedliche Projekte, welche zielgruppenorientiert initiiert werden • Projekt Konfestival (jährlich zwei Konfirmandenlager für jeweils acht Kirch­ gemeinden) • e9 jugend & kultur (partizipativ geführtes Kinder- und Jugendangebot unter drei Dächern) • Generation YMCA Hostel in Basel

33

Mehr Informationen: www.vjf.ch

VJF Aargau33 VJF ist ein nicht gewinnorientierter Verein mit Sitz in Wohlen und ist von rund 35 Gemeinden beauftragt, die Jugendarbeit in den Gemeinden zu planen und umzu­ setzen. VJF betreibt für die Gemeinden Offene Jugendarbeit, führt Projekte mit Jugendli­ chen durch, fördert die politische Partizipation oder setzt Angebote für Kinder um. Die Angebote des VJF werden in Zusammenarbeit mit den Gemeinden bedarfsge­ recht entwickelt und umgesetzt. Dies beinhaltet unter anderem und je nach Ge­ meinde: • Führen der Jugendtreffs • Mobile Jugendarbeit mit Jugendmobil, an verschiedenen Orten in der Gemeinde • Aufsuchende Jugendarbeit • verschiedene partizipative Angebote • Spieltage und Ferienpassangebote • Offene Turnhallen • Regionales Spielturnier • Beratung, Coaching und Triage von Jugendlichen • Förderung der politischen Partizipation (Jugendrat, Jugendsession) • Infotheken zu relevanten Jugendthemen, Unterstützung im Bewerbungsprozess VJF führt zudem für mehrere Gemeinden Integrationsangebote durch. Im Zentrum stehen die Informationsvermittlung und die Vernetzung der Akteure. Es werden Beratungen und Projekte angeboten, damit sich Neuzuziehende, Migranten und Migrantinnen in den Gemeinden schnell einleben können. Für den Kanton Aargau ist der VJF im Flüchtlingswesen aktiv. VJF unterstützt die Gemeinden bei der Umsetzung von Projekten im Gemeinwesen und hilft, Ideen zu verwirklichen, um die Lebensqualität in den Gemeinden zu stei­ gern.


Konklusion

133

Zu den Autoren Thomas Furrer (Herausgeber, Initiant und Co-Projektleitung) arbeitet seit 20 Jah­ ren in der Offenen Jugendarbeit, seit 12 Jahren leitet er den Bereich Kind Jugend Familie KJF der Stiftung Jugendsozialwerk Blaues Kreuz BL. Er verfügt über jahre­ lange Erfahrung in der Leitung von Jugendangeboten. Arbeitsschwerpunkte sind Weiterentwicklung der Arbeitsmethodik und Innovation, ein hohes Anliegen ist ihm die konsequent zielgruppenorientierte Planung und Umsetzung. Als Jugendcoach begleitet er seit über 10 Jahren Jugendliche und junge Erwachsene. Guido Langenegger (Co-Projektleitung) ist ehemaliger Mitarbeiter des Bereichs Kind Jugend Familie KJF. Er arbeitet seit 2015 als Mandatsmitarbeiter für das Pro­ jekt Jugendcoaching «Get it real» und für die Familien-, Erziehungs- und Jugend­ beratung helpnet. Er bietet mit seiner Firma nextlevel4you Coaching, Supervision, Lehrsupervision und Organisationsentwicklung an. Philipp Frei (Mitarbeit Praxishandbuch) verfügt über jahrelange Erfahrung als Leiter einer regionalen Jugendarbeit und als Experte für extremistische und gewaltbereite Jugendcliquen. Als Erlebnispädagoge, Streetworker, Erwachsenenbildner und Kom­ munikationsleiter kann er auf einen breiten Methodenfundus zurückgreifen.

Konklusion

Dr. phil. Sarah Auerbach (Projektpartnerin Forschung und Mitglied der Begleitgrup­ pe) ist Dozentin und Projektleiterin an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und Personalentwicklerin am Universitätsspital Zürich. Seit Ende ihres Studiums der Psy­ chologie im Jahr 2009 hat sie sich der Aufgabe verschrieben, das «Gute Leben» zu erforschen und die Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie in die Praxis zu tragen und dort anzuwenden. Ihre Arbeit versteht sie als Mithilfe zur Schaffung von Bedingungen, die es Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ermöglichen, sich persönlich zu entfalten, zu wachsen und aufzublühen.



Anhang

Anhang

Im Anhang sind Arbeitsblätter und weitere projektrelevante Informationen zu finden.


136

Anhang

Arbeitsblätter Die Arbeitsblätter sind unter www.getitreal.ch/dokumente als PDF verfügbar.

Auf den folgenden Seiten sind einige für das Projekt Jugendcoaching «Get it real» relevante Arbeitsblätter zu finden.

Hier eine kurze Übersicht: Gesprächsraster Ein systematisches Vorgehen im Jugendcoaching hilft dem Coachee, seine Themen strukturiert zu bearbeiten. Die Coachs im Forschungsprojekt haben mit diesem Ge­ sprächsraster gearbeitet. Das Formular kann mit Notizen durch den Coach ergänzt werden und dient der Dokumentation der einzelnen Gespräche im Coachingpro­ zess. Die in diesem Handbuch erwähnten Gesprächsphasen sind dargestellt. Weitere wichtige Punkte wie Fragetechnik & Prozess, Beziehung & Gleichwertigkeit, Wahr­ nehmungen, Gefühle, Widerstand, geparkte und temporäre Themen sind erwähnt. Potenzial-Analyse Diese Analyse macht entlang der Themen Fähigkeiten, Talente / Begabungen, Wer­ te und Möglichkeiten das Potenzial durch den Coachee sicht- und erfahrbar. Die Potenzialanalyse kann in allen drei Coaching-Settings eingesetzt werden. Zugehörigkeitsgefühl Dieses Arbeitsblatt klärt das Zugehörigkeitsgefühl des Coachees in der Schule und am Arbeitsplatz. Diese Methode ist vor allem im Bildung & Arbeit-Coaching ein­ setzbar. Erkennen eigener Anteile Der Jugendliche erkennt durch diese Übung seine Anteile, die zum Konflikt mit seinen Freunden, Schulkollegen / Schulkolleginnen oder anderen Freunden / Freun­ dinnen führen, anhand konkreter Beispiele. Diese Übung kann in allen drei Coa­ ching-Settings eingesetzt werden. Beziehungsnetz Welche Menschen gehören zu deinem sozialen Netz? Welche Menschen nehmen oder nahmen Einfluss auf deine Entscheidungen? Dieses Arbeitsblatt schafft Klarheit zu sozialen Zusammenhängen. Diese Übung kann in allen drei Coaching-Settings eingesetzt werden.


137

Anhang

Gesprächsraster Jugendcoaching

Gesprächsraster Jugendcoaching □ Talent

□ Bildung / Arbeit

Coachee: ..........................................

Anzahl Gespräche: ..............

Kürzel Coach: ........................

Datum: .............................................

Gesprächsdauer (min.): .......

neuer Termin: ........................

Orientierungsphase: (Mit wem habe ich es zu tun?)

................................................................................. ................................................................................. ................................................................................. Differenzierungsphase: (Was wollen wir wie erreichen?)

................................................................................. ................................................................................. ................................................................................. ................................................................................. Der Zielsatz: (Wie lautet dieser?)

................................................................................. ................................................................................. Arbeitsphase: (Wird das Anliegen bearbeitet?) (aktuelles Gesprächsthema erfassen)

................................................................................. ................................................................................. ................................................................................. ................................................................................. ................................................................................. Abschiedsphase / Ergebnissicherung: (Was haben wir erreicht? / Was bleibt haften?)

Hilfsmittel und Unterstützungshilfen: Fragetechnik / Prozess: - Könnte es sein, dass ...? - Fragen, ohne einzugrenzen - Die Lösung selbst erarbeiten lassen - Nur einen Aspekt klären & vertiefen Beziehung / Gleichwertigkeit: - Vorbereitung und Einstimmung - Gleichwertigkeit herstellen - Gesprächsbereitschaft - Klarer Auftrag Wahrnehmungen: - Ersteindruck - Handschlag - Passiv / aktiv - Selbstaussagen Gefühle wahrnehmen: (welche Grundgefühle?)

....................................................................... ....................................................................... ....................................................................... Wie gehe ich um mit Widerstand?: - Zur Verfügung stellen - Ignorieren - Konfrontieren - In anderen Kontext setzen Gab es einen Widerstand?:

....................................................................... .......................................................................

(nachzufragende Aufgabe/n erfassen)

Parkierte Themen:

.................................................................................

.......................................................................

.................................................................................

.......................................................................

.................................................................................

Wurde das temporäre Thema geklärt? (Wert wird

.................................................................................

Kopiervorlage

durch Coachee angegeben)

6

5

4

3

2

1

Anhang

□ Lebensplanung


138

Anhang

Potenzialanalyse (vgl. Frei, 2015)

Diese Methode kann in allen drei Coaching-Settings angewendet werden. Einführung in die Potenzialanalyse Anwendung / Vorgehen: 1. Fähigkeiten 2. Talente / Begabungen 3a. Werte 3b. Werte-Blatt 4. Möglichkeiten Die Potenzialanalyse kann in bis zu fünf Sitzungen eingesetzt werden, je nachdem wie die Bedürfnisse der / des Jugendlichen sind. Der Coachee sollte die Felder im Arbeitsblatt möglichst mit ihren / seinen eigenen Worten ausfüllen. Der Coach be­ gleitet sie / ihn und stellt offene Fragen. Die Einführung zu den fünf Themen soll den Coach unterstützen, die entsprechen­ den Fragen zu stellen.

Themen in diesem Zusammenhang nicht frei konstruieren, sondern bei der / beim Jugendlichen mit offenen Fragen nachfragen.

1. Fähigkeiten (sind variabel): • Was hat die / der Jugendliche als fa­ miliäre, schulische und persönliche Prägung bereits mitbekommen? • Wie wurde die / der Jugendliche ge­ fördert?

Angelernte Fähigkeiten (Aktiv): Beispiele • Ich spielte als Kind ein Instrument über mehrere Jahre. • Mein Vater ging mit mir, als ich ein kleines Kind war, angeln.

Die passiven Fähigkeiten geraten oft in Vergessenheit und werden nicht im Coaching abgerufen.

Angelernte Fähigkeiten (Passiv): Lernen durch Beobachten von Autori­ tätspersonen. Der Coach unterstützt den Coachee, die für sie / ihn wichtigen Fragen in Bezug zu ihrer / seiner Ver­ gangenheit zu stellen.


139

Anhang

2. Talente / Begabungen (eher stabil): Beispiele • Was kann ich von Natur aus gut? • Was gelingt mir gut oder was macht mir Freude? Hier können auch Charaktereigenschaften aufgeschrieben werden, wie: • genau • dynamisch • perfekt • freundlich • hartnäckig • usw. In diesem Zusammenhang kann auch eine Verbindung zwischen Fähigkeiten und Talenten geschaffen werden. Als Methode können zirkuläre Fragen verwendet und verschiedene Kontexte ab­ gefragt werden.

Im Talentbereich: Die aufgelisteten Talente in eine Gewichtung bringen: A. Welcher Punkt ist am stärksten vertreten? B. Welcher Punkt ist am schwächsten vertreten? C. Danach die restlichen Punkte einordnen. 3a. Werte (sehr stabil): Was sind Werte? Werte sind Grundhaltungen oder Über­ zeugungen. Werte sind Leitlinien, die man sich im Leben gibt. Die Werte sind zuerst unbewusst und werden erst spä­ ter im Leben bewusst.

Metapher: Werte sind wie ein Kompass, an dem man sich orientiert, um zu wissen, wo oder wie man zu etwas steht.

Bei Jugendlichen sind die Werte noch nicht stabil. Es ist möglich, dass die Werte sich verändern. Im Jugendcoaching geht es auch um eine Wertentwicklung.

Anhang

Mit dem Werte-Blatt können die Werte systematisch thematisiert werden.


140

Anhang

3b. Werte-Blatt (Was ist mir wichtig?) Dieses Blatt soll intuitiv wie auch situativ ausgefüllt werden. Der / die Jugendliche hat zwei Minuten Zeit, um acht Werte anzukreuzen. Dieser Schritt erfolgt ganz spontan. Nächster Schritt: Die für die / den Jugendlichen drei wichtigsten Werte werden umkreist. Auftrag an die / den Jugendliche / n: Vergleiche die Fähigkeiten, Talente / Begabungen und Werte. Wo sind diese iden­ tisch mit dem Werte-Blatt? Je stärker diese identisch sind, desto glücklicher wird sich die / der Jugendliche füh­ len.

4. Möglichkeiten (momentan) In diesem Quadrat werden die Möglichkeiten im Hier und Jetzt abgefragt. Abfragen von verschiedenen Aspekten: – finanzieller Moment – gesundheitlicher Moment – zeitlicher Moment – familiärer Moment Folgende Fragestellungen zu den vier momentanen Bereichen sind möglich: Beispiele Familiärer Moment • Wie denken die Eltern über dieses Thema? • Wissen die Eltern …? • Gibt es familiäre Verpflichtungen? Gesundheitlicher Moment • Gibt es gesundheitliche Einschränkungen? • gesundheitlicher Check Zeitlicher Moment • Wie viel freie Zeit hast du zur Verfügung? • Was bist du bereit einzusetzen? • Was gibt es für zeitliche Verpflichtungen? Finanzieller Moment • Beitrag an die Nutzer/innen? • Sind Schulden vorhanden? • Verantwortungen: Welche Kosten fallen an, wie kann bezahlt werden?


141

Anhang

Werte Blatt – was mir wichtig? Werte-Blatt (Was ist mirist wichtig?)

□ Ehrlichkeit

□ Leidenschaft

□ Selbstbeherrschung

□ Freundlichkeit

□ Vision / Blick in Zukunft □ Sorglosigkeit

□ Glaubwürdigkeit

□ Disziplin

□ Versöhnung /

□ Offenheit

□ Gehorsam

□ Kontrolle

Loslassen

□ Individualität / Einzigartigkeit □ Treue

□ Schlauheit

□ Respekt

□ Fleiss

□ Weisheit

□ Liebe

□ Engagement

□ Intelligenz

□ Loyalität

□ Perfektion

□ Anspruchslosigkeit

□ Ordnung

□ Stärke

□ Effizienz /

□ Zuverlässigkeit

□ Gerechtigkeit

□ Kreativität

□ Genauigkeit

□ Sparsamkeit

□ Fantasie

□ Freundschaft

□ Grosszügigkeit

□ Sicherheit

□ Verständnis

□ Gewissenhaftigkeit

□ Kontinuität /

□ Harmonie

□ Geduld

□ Stolz

□ Mut

□ Vertrauen

□ Abwechslung

□ Wohlbefinden

□ Standhaftigkeit

□ Motivation

□ Friede

□ Freude

□ Toleranz

□ Bescheidenheit

□ Überzeugung

□ Humor

□ Hilfsbereitschaft

□ Selbstentfaltung

□ Sinn

□ Interesse

□ Freiheit

□ Verantwortung

Produktivität

Anhang

dranbleiben

Kopiervorlage


142

Potenzialanalyse

Anhang

Potenzialanalyse

1. Fähigkeiten (variabel)

4. Möglichkeiten (momentan)

2. Talente / Begabungen (eher stabil)

3. Werte (sehr stabil)

(Was ich gelernt, mir angeeignet habe)

(Was ich bin, was mich auszeichnet)

(momentane finanzielle, familiäre, gesundheitliche etc. Möglichkeiten)

(kaum verhandelbar / Grundüberzeugungen)

Kopiervorlage


Anhang

143

Zugehörigkeitsgefühl Zugehörigkeitsgefühl (vgl. Bärtschi, 2014)

(vgl. Schoenacker & Hildebrand, o. J.)

Wie fühlst du dich, wenn du dich in deinem Beruf / Schule zugehörig fühlst? Wie geht es dir emotional (gefühlsbezogen)? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Wie geht es dir körperlich? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Was denkst du? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Wie verhältst du dich? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Wie erlebst du die anderen? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Wie fühlst du dich, wenn du dich in deinem Beruf / Schule nicht zugehörig fühlst? Wie geht es dir emotional (gefühlsbezogen)?

___________________________________________________________________ WieKopiervorlage geht es dir körperlich? ___________________________________________________________________

Anhang

___________________________________________________________________


Wie fühlst du dich, wenn du dich in deinem Beruf / Schule nicht zugehörig fühlst? Wie geht es dir emotional (gefühlsbezogen)? 144

Anhang

___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Wie geht es dir körperlich? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________

Was denkst du? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Wie verhältst du dich? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Wie erlebst du die anderen? ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________

Selbsteinschätzung: Schätze ein, auf welchem Platz der Skala von 1–10 du dich z. Zt. befindest. 1 bedeutet: Ich fühle mich überhaupt nicht zugehörig. 10 bedeutet: Ich fühle mich rundum zugehörig.

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Kopiervorlage

10


145

Anhang

Erkennen eigener Anteile (vgl. Bärtschi,eigener 2014) Erkennen Anteile

Übung 1 Erkenne deine Anteile, die zum Konflikt mit deinen Freunden, Schulkollegen / Schulkolleginnen oder anderen Freunden / Freundinnen führen, anhand der Beispiele oder ergänze die angefangenen Sätze. Mein Anteil ist, dass ich meinen Ärger nicht rechtzeitig ausspreche, ihn immer wieder □ Nein runterschlucke, bis ich schliesslich explodiere. □ Ja Mein Anteil ist, dass ich zu viel Zeit in die Arbeit / Schule stecke und deshalb zu □ Nein wenig zu Hause bin. □ Ja Mein Anteil ist, dass ich mich viel zurückziehe.

□ Ja

Mein Anteil ist, dass ich zu hohe Erwartungen habe.

□ Nein □ Ja

□ Nein

Mein Anteil ist, dass ich im Grunde immer erwarte, dass Menschen auf mich □ Nein zukommen, anstatt dass ich einen Schritt auf sie zu mache. □ Ja Mein Anteil ist, dass ich meinen Mitmenschen immer zeige, dass ich es besser weiss □ Nein und sie dadurch entmutige. □ Ja Mein Anteil ist, dass ich mich mehr um meine Dinge kümmere als um meine Mitmenschen. □ Ja □ Nein Mein Anteil ist, dass ich meine Mitmenschen abwerte und meine, sie wissen oder □ Nein verstehen wenig oder nichts. □ Ja Mein Anteil ist, dass ich zu viel Verantwortung übernehme und andere dadurch wie □ Nein unmündige Kinder behandle. □ Ja Mein Anteil ist, dass ich zu viele Vorschriften mache und dadurch im Grunde jede Situation bestimmen und beherrschen will. Ich sage zwar, dass ich zu allem und zu jeder Zusammenarbeit bereit bin, aber im Grunde nur unter meinen Bedingungen. □ Ja □ Nein

Anhang

Mein Anteil ist, dass ich nicht offen über meine Sorgen spreche, sondern mit □ Nein Rückzug oder Verstimmung reagiere. □ Ja

Kopiervorlage


146

Anhang

Eigene Nennungen: Mein Anteil ist: ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Mein Anteil ist: ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ Übung 2 Erkenne deinen Anteil in Konflikten sowie deine Konfliktmuster. Dies ist möglich, wenn du dir zwei bis drei verschiedene Konfliktsituationen vor Augen führst. Notiere diese Situationen stichwortartig und halte die wichtigsten Aussagen schriftlich fest. Versuche Folgendes zu erkennen: Abläufe und Muster (vermeiden, kämpfen, verweigern etc.) -

Was passiert mir immer wieder? ____________________________________ ______________________________________________________________

-

Wie fängt es an? ________________________________________________ ______________________________________________________________

-

Was passiert als Nächstes? _______________________________________ ______________________________________________________________

-

Und dann? _____________________________________________________ ______________________________________________________________

-

Wie endet es? __________________________________________________ ______________________________________________________________

-

Wie fühle ich mich? ______________________________________________ ______________________________________________________________ Kopiervorlage


147

Anhang

eigene Anteile (Befürchtungen, Unterlassungen, Versäumtes, Konfliktfolgen etc.) _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ Meine Handlungsstrategien unter Druck sind: -

Ich bringe es nicht auf den Punkt.

-

Ich drücke mich unklar aus.

-

Ich spreche leise.

-

Ich verzettele mich.

-

Ich wecke Schuldgefühle.

-

______________________________________________________________

-

______________________________________________________________

-

______________________________________________________________

-

______________________________________________________________

Formuliere dein persönliches Muster, z. B.: -

«Ich formuliere so kurz und knapp, dass ich oft nicht verstanden werde.»

-

«Mein Vorschlag wird nicht aufgenommen.»

-

«Ich ziehe mich zurück nach dem Motto: Wenn ihr nicht wollt, dann bringe ich mich nicht ein.»

-

«Ich bin enttäuscht.»

Ich formuliere mein persönliches Muster: _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________

_____________________________________________________________________ Kopiervorlage

Anhang

_____________________________________________________________________


148

Anhang

Wie gehe ich mit meiner Erkenntnis nun um? Was ist mein nächster Schritt? _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________ _____________________________________________________________________

Kopiervorlage


149

Anhang

Beziehungsnetz   (vgl. Bärtschi, 2014)

Beziehungsnetz

Diese Methode eignet sich gut für die Bereiche Lebensplanungs-, Bildung & ArbeitsBeziehungsnetz und Talent-Coaching

Diese Methode eignet sich gut für die Bereiche Lebensplanungs-, Bildung & ArbeitsLeitfragen: und Talent-Coaching • •

Welche Menschen gehören zu deinem sozialen Netz? Welche Menschen nehmen oder nahmen Einfluss auf deine Entscheidungen?

Leitfragen:

Denke daran, dass auch Menschen, die nicht mehr leben, dich beeinflussen können.

Welche Menschen gehören zu deinem sozialen Netz?

Schreibe den Namen der Personen ein Feld. JedeEinfluss Person hat eigenes Feld. • Welche Menschen nehmeninoder nahmen aufein deine Entscheidungen? Warte so lange, bis Nähe und Distanz34 für dich stimmig sind.

Denke daran, dass auch Menschen, die nicht mehr leben, dich beeinflussen können.

Schaue auf dein Netz. Ist es stimmig für dich?

Schreibe den Namen der Personen in ein Feld. Jede Person hat ein eigenes Feld. Warte so lange, bis Nähe und Distanz34 für dich stimmig sind. Schaue auf dein Netz. Ist es stimmig für dich?

Ich

Ich

Markiere die Felder grün, wenn du von diesen Menschen Unterstützung erwartest. Markiere sie rot, wenn du von diesen Menschen Störungen für deine Pläne vermutest.

34

Hier sind Nähe und Distanz in der Beziehung gemeint.

Notiere dir Mein Handlungen, durch du jedoch Einzahlungen auf das emotionale Beziehungskonto Ein Beispiel: Bruder ist mir sehrdie nahe, hat er mich nicht geprägt. Er ist deshalb nicht ganz beim «Ich». eines anderen Menschen machen kannst. Eine mögliche Vorgehensweise ist auch wie folgt möglich:

sindmir Nähe Distanz derBlatt Beziehung gemeint. Ich Hier schreibe alleund Personen aufinein auf, die in meinem Leben eine Bedeutung hatten und haben. Dann bewerte ich mit dem Netz, wie nahe sie mich positiv oder negativ geprägt haben. 34

Ein Beispiel: Mein Bruder ist mir sehr nahe, jedoch hat er mich nicht geprägt. Er ist deshalb nicht ganz beim «Ich».

Ich schreibe mir alle Personen auf ein Blatt auf, die in meinem Leben eine Bedeutung hatten und haben. Dann bewerte ich mit dem Netz, wie nahe sie mich positiv oder negativ geprägt haben.

Kopiervorlage

Anhang

Eine mögliche Vorgehensweise ist auch wie folgt möglich:


150

Anhang

Online-Umfrage Jugendcoaching Die für das Projekt Jugendcoaching «Get it real» entwickelte Online-Umfrage wird in einem offenen Setting (z.B. im Jugendzentrum, öffentlichen Raum) eingesetzt. Die Umfrage ist hilfreich für den Kontaktaufbau zu potentiellen Coachees oder die Vorbereitung eines Erstgesprächs. Die / der Jugendliche beantwortet in fünf bis zehn Minuten 29 Fragen.

Jugendcoaching-Umfrage Umfrage unter www.getitreal.ch/umfrage nutzbar.

Eine durch die Software durchgeführ­ te Auswertung erfolgt entlang der Di­ mensionen Selbstkenntnis, Zielsetzung, Handlungsfähigkeit und Frustrations­ toleranz. Zusätzlich werden kurze Be­ schreibungen generiert.

Die Auswertung mit den ermittelten Daten bietet eine Gesprächsgrundlage um mit den Jugendlichen mögliche Veränderungsschritte zu planen. Die Umfrage ist für einen ersten Einblick offen zugänglich. Für weitere Informationen steht die Projektleitung gerne zur Verfügung.


Anhang

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Literaturverzeichnis Arnold, W., Eysenck, H. J., Meili, R. (1980). Lexikon der Psychologie. Freiburg/ Basel/Wien: Herder Bibliographisches Institut. Bärtschi, U. (2014). Unterrichtsunterlagen. Kloten: coachingplus Bellermann, M. zitiert nach Mogge-Grotjahn H. (2002). Lexikon der Sozialen Arbeit (deutsche Textfassung zum ЛEKCИKOHCOЦИAЛЬHOЙ PAБOTЫ). Wologda, Bochum. Berne, E. (1974). Spielarten und Spielregeln der Liebe - Psychologische Analyse der Partnerbeziehung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Berne, E. (1979). Struktur und Dynamik von Organisationen und Gruppen. Mün­ chen: Kindler. Berne, E. (1983). Was sagen Sie, nachdem Sie 'Guten Tag' gesagt haben? - Psycho­ logie des menschlichen Verhaltens. Frankfurt: Fischer. Berne, E. (1991). Transaktionsanalyse der Intuition. Ein Beitrag zur Ich-Psycholo­ gie. Paderborn: Junfermann. Berne, E. (2001). Die Transaktionsanalyse in der Psychotherapie. Paderborn: Jun­ fermann. Birgmeier, B. R. (2006). Coaching und Soziale Arbeit. Grundlagen einer Theorie sozialpädagogischen Coachings. Weinheim: Juventa. Bourne, L. E. & Ekstrand B. R. (2005). Einführung in die Psychologie (4. Auflage). Eschborn bei Frankfurt am Main: Dietmar Klotz. Charlton, M., Käppler, C. & Wetzel, H. (2003). Einführung in die Entwicklungs­ psychologie. Weinheim/Basel/Berlin: Beltz. Crossman, P. (1966). Permission and protection. Transactional Analysis Bulletin, 5 (19), S. 152–154. Dekovic, M., Noom, M. & Meeus, W. (1997). Expectations regarding development during adolescence: Parental and adolescent perceptions. Journal of Youth and Adolescence, 26, S. 253 – 272. Dettmann, M. (2017). Partizipation und Ressourcenorientierung in der Sozialen Arbeit – Eine Analyse zur Begriffssicherheit und theoretischen Fundierung. Ham­ burg: Universität Hamburg, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Anhang

DGTA. Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse. (o. J.). Zugriff am 4.4.2016 unter https://www.dgta.de/transaktionsanalyse/ta-eine-elegante-theorie/.


152

Anhang

Ecarius, J., Eulenbach, M., Fuchs, T. & Walgenbach, K. (2011). Jugend und Soziali­ sation. Wiesbaden: Springer VS. English, F. (1998). Transaktionsanalyse: Gefühle und Ersatzgefühle in Beziehungen. Salzhausen: Iskopress. English, F. (1982). Es ging doch gut – was ging denn schief? Beziehungen in Part­ nerschaft, Familie und Beruf. München: Christian Kaiser. Fend, H. (2003). Entwicklungspsychologie des Jugendalters (3. Auflage). Wiesba­ den: Springer VS. Flammer, A. (1991). Entwicklungsaufgaben als Initiationsrituale? Entwicklungs­ aufgaben anstelle von Initiationsritualen?. In Klosinski G. (Hrsg.). Pubertätsriten - Äquivalente und Defizite in unserer Gesellschaft. (S. 89 – 101). Bern: Huber. Frei, D. (2014). Unterrichtsunterlagen. Liestal: 4progress. Frei, D. (2015). Unterrichtsunterlagen. Liestal: 4progress. Freud, S. (1912). Zur Dynamik der Übertragung. Gesammelte Werke VIII, S. 364 – 374. Frankfurt am Main: Fischer. Grob, A., Flammer, A. & Rhyn, H. (1995). Entwicklungsaufgaben als soziale Norm­ setzung: Reaktionen Erwachsener auf Lösungsmodi von Entwicklungsaufgaben Ju­ gendlicher. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 15(1), S. 46-62. Häfeli, K., Neuenschwander, M. P. & Schumann, St. (2015). Berufliche Passagen im Lebenslauf. Berufsbildungs- und Transitionsforschung in der Schweiz. Heidelberg: Springer VS. Hagedorn, J. (2008). Jugendkulturen als Fluchtlinien. Zwischen Gestaltung von Welt und der Sorge um das gegenwärtige Selbst. Wiesbaden: Springer VS. Harris, T. A. (2006). Ich bin o.k. — Du bist o.k.; Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können — Eine Einführung in die Transaktionsanalyse (41. Auflage). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Havighurst, R. J. (1948). Developmental tasks and education. New York: Longman. Hennig G. & Pelz G. (1997). Transaktionsanalyse. Freiburg: Herder. Hentze, J. (1995). Personalwirtschaftslehre 2 (6. Auflage). Bern/Stuttgart/Wien: UTB.


Anhang

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Impressum Grafische Gestaltung: Adrian Frei, BrĂźggli Medien, Romanshorn www.brueggli-medien.ch Lektorat: Felix Ruhl, Basel www.felixruhl.ch Assistenz Projektleitung: Sarah StĂśckli Fotos: Thomas Furrer, istockphoto.com

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Ein Projekt von:


Jugendcoaching «Get it real» unterstützt junge Menschen von 14 – 25 Jahren, eigene Lösungen zu finden und ihre Fähigkeiten auszuschöpfen. «Get it real» bietet ein ziel- und lösungsorientiertes Angebot für Jugendliche. Jugendliche systematisch zu fördern ist von hoher Bedeutung für ihre Entwicklung. In der Schweiz sind die Offene Jugendarbeit und Verband-Jugendarbeit stark verbreitet. Dieses Praxisforschungsprojekt geht der Implementierung von Coachingmethoden in der Jugendarbeit nach. Wie können Jugendliche in der Lebensplanung, Arbeit & Bildung sowie Potenzial- und Talententwicklung durch Coaching gefördert werden? Rund 1100 Coachinggespräche wurden im Rahmen dieses Praxisforschungsprojekts von 22 Coachs durchgeführt. Die Coachings wurden wissenschaftlich im Rahmen von sozialwissenschaflichen Methoden ausgewertet.

Wirkt Jugendcoaching? Dieses Handbuch gibt Antworten und zeigt auch methodische Grundlagen für professionelles Jugendcoaching auf.

Was sind die Herausforderungen?


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