Wenn alle Kommunisten wie du wären…

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LiebeR ...,

wenn alle kommunisten wie du wären …

am 18. April wird Thomas Ebermann 60. Einige Gruppen aus der radikalen Linken wollen ihm eine Freude machen, und produzieren eine Broschüre mit kurzen Beiträgen von Freund_innen und Genoss_innen. In der gebügelten Welt würde man das eine » Festschrift « nennen. Wir möchten aber, dass die Broschüre eher das Gegenteil einer Festschrift wird, eine Anti-Festschrift. Und wir würden uns freuen, wenn Du etwas beisteuern würdest. …


liebe_r ...,

… Wir haben uns für ein offenes Format entschieden: Alle sollen selbst über Art und Inhalt ihres Beitrags entscheiden, sofern sich das Ergebnis nur irgendwie grafisch vervielfältigen lässt. Denkbar wäre etwa ein eigener Text oder ein Zitat, Fotos mit oder ohne Kommentar, ein gefundenes Stück Schrift oder Bild, eine Grafik oder Collage, was auch immer. Wir möchten nur zu bedenken geben, dass die Broschüre keine weihevolle Rückschau halten soll. Es sollte vor allem um die Anliegen von Thomas gehen: um Kritik, Emanzipation, Rauchen, Kunst. Es wäre schön, wenn die Broschüre am Ende selbst eine » Waffe der Kritik « (Marx) würde, im weitesten Sinne. Die Beiträge sollten also auch für Dritte interessant sein. Für die einzelnen Beiträge haben wir jeweils bis zu zwei A4Seiten reserviert. Textbeiträge sollten also in etwa zwischen 1 und 10.000 Zeichen lang sein. Es kann natürlich auch etwas mehr sein, das müssten wir dann absprechen. Bilddateien etc. sollten einzeln und in gängigen Formaten eingereicht werden, ggf. mit Hinweisen zur gewünschten grafischen Anordnung. Wir werden alle Beiträge in einem zurückhaltenden Layout zusammenfassen, in Kleinauflage drucken und gleichzeitig als PDF bereitstellen. Da wir für die Produktion etwas Zeit brauchen, hätten wir Deinen Beitrag gerne bis 1. März, letzte Frist ist der 15. März. Bitte schreibe uns möglichst umgehend, ob Du dabei bist oder nicht. Du erreichst uns über thomas_ebermann_60@ gmx.de. Um spätere Absprachen zu erleichtern, gib uns bitte alle nötigen Kontaktdaten durch, mindestens eine aktive eMail-Adresse, am besten eine Handynummer. In einer Woche werden wir noch einmal nachfragen. Zuletzt möchten wir Dich bitten, uns ggf. noch weitere Genoss_innen von Thomas zu nennen, über deren Gruß er sich freuen würde. Das ganze soll natürlich eine Überraschung sein, also bitte nichts verraten! Rainer Trampert und Heike Bettermann sind eingeweiht. Schöne Grüße, und hoffentlich auf bald!*

*E-Mail versendet im Februar 2011


Die radikale Linke steht jeden Tag aufs Neue vor der fast unlösbaren Aufgabe, weder von der Macht der anderen noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen. Es rettet sie kein höheres Wesen, kein Staat, kein Proletariat. Unterm nationalen Massenkonsens der Berliner Republik ist sie zur Empörung genötigt und zur Bescheidenheit verdammt. Die Sehnsucht, alle Verhältnisse umzustürzen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein verächtliches und geknechtetes Wesen ist, überdauert im Winterlager. Dessen Feuer hütet Thomas Ebermann. Ein neuer Frühling ist ungewiss. Aber warum nicht im Winter kämpfen? Seien wir unrealistisch, versuchen wir das Mögliche. HERAUS ZUM REVOLUTIONÄREN ERSTEN MAL

top b3rlin



eine »  anti-festschrift « für ebermann,

das zeigt zumindest der Arbeitstitel, mag schnell in dem unappetitlichen Verdacht stehen, das Genre einer vorweg genommenen Sammlung von Nachrufen zu bedienen. Jedenfalls braucht es nicht viel Phantasie, sich das vom Kopfschütteln begleitete spöttisch abwehrende Lächeln des rauchenden Ebermann’ mit der Bemerkung » Ihr seid wohl verrückt « bei der Entgegennahme einer wie auch immer gearteten Schrift vorzustellen. Deshalb jetzt keine geliehenen Worte Benjamins über jemanden, der nicht dafür gelobt werden will, dass er trotz der Wahrnehmung des Verfalls nicht dazu übergeht, für sein Verweilen und seine Beteiligung an diesem Chaos eine besondere Rechtfertigung in Anspruch zu nehmen. Keine Worte davon, dass er eben nicht vom blinden Willen getrieben ist, eher das persönliche Prestige zu retten, als die souveräne Abschätzung seiner Ohnmacht und Verstricktheit darin zuzugeben. Und daher auch keine Worte darüber, dass er sich damit nicht auf die optischen Täuschungen seines isolierten Standpunktes verpflichtet fühlt. Stattdessen eine Werbung in seiner Sache: geht ins » Polittbüro « am Hamburger Steindamm! Aber besucht auf jeden Fall die Abende der » Vers- und Kaderschmiede «. Nutzt die Gelegenheit, zu Unrecht vergessene Autorinnen und Autoren (wieder) zu entdecken und etablierte Schreibende von neuen Seiten kennen zu lernen. Denn dort versammelt sich die » C ontrebande «, die Literatur und Politik nicht als Gegensatz, sondern als Zusammengehöriges begreift. Lernt den Geist Kafka kennen, auch dort etwas zu vernehmen, wo andere taub sind oder sich geborgen fühlen. Begegnet Heines Befürchtung, dass es mit der Revolution wie mit den in Kupfer gestochenen grandiosen Landschaftsbildern ist, dort, wo das Scheitern im Detail verborgen ist: die Misthaufen riechen nicht und der in Kupfer gestochene Morast ist mit den Augen leicht zu durchwaten. Erkennt Hegels Einsicht, dass die Sprache gleichsam der Leib des Denkens ist. Versteht Karl Kraus’ PR-Gesetz, dass es immer richtig ist, nicht zu sagen, was die Öffentlichkeit hören will in dem Wissen, dass die ohnehin nicht auf das hört, was man sagt. Erlebt Caroline Schlegels Ahnung, dass die Kritik untergeht, Geschlechter verlöschen, Systeme wechseln, aber wenn die Welt einmal aufbrennt wie ein Papierschnitzel, die Kunstwerke die letzten lebendigen Funken sein werden!

Das wird in seinem Sinne sein...

andreas blechschmidt

Vor allem begegnet einem all das in der » Vers- und Kaderschmiede  « eben gerade ohne bildungsbürgerliche Geschaftlhuberei! Schließlich vermögen die regelmäßigen Besuche die Richtigkeit der Behauptung Brechts beweisen, dass man es sich abgewöhnen sollte, über Dinge zu reden, die durch Reden nicht zu lösen sind. So soll also der bisherige wie der künftige Erfolg der » Vers- und Kaderschmiede « den Verantwortlichen ausreichend ehren.


einige sehr vorläufige überlegungen anlässlich des 60. geburtstags von thomas ebermann Der Typus des Prominenten ist in der mangels einer besseren Begrifflichkeit auch hier linksradikal genannten Szene selten. Das hat vermutlich mit Allerlei zu tun, mit Skepsis gegenüber Autoritäten, mit Mißgunst, mit dem Wirrwarr an Anschauungen und Ideologien, die es schwer machen, dem immer noch beliebten Wörtchen » links « einen personalisierten Generalnenner zu geben. Obwohl er selbst das wahrscheinlich nicht so gerne hört und einen solchen Status wohl nie angestrebt hat, ist Thomas Ebermann jedoch zu einem der wenigen Vertreter dieser Spezies Prominenter geworden, neben anderen, durchaus unterschiedlichen Leuten wie Gremliza oder auch Pohrt. Phasenweise mutete es beinahe wie ein Automatismus oder Reflex an, wenn zum Beispiel die Jungle World mal wieder eine auf ein größeres Publikum abzielende Podiumsveranstaltung anberaumte und — natürlich — Thomas Ebermann mit angekündigt wurde, was die Veranstaltung im Vorgefühl zu einer Art Event werden ließ. » Ebermann? Der ist gesetzt «, würde man im Fußball wohl zu einem solchen Vorgang sagen. Und tatsächlich hat Ebermann alleine durch seine Präsenz, sein Sprechtempo und seine Stimmlage solchen Abenden durchaus einen nicht zu gering zu schätzenden Unterhaltungswert verliehen — auch dies, so ist zu vermuten, relativ unabhängig von den ­– doch eher politischen ­— Absichten, die Ebermann bei solchen Gelegenheiten verfolgt hat. Ergiebig vielleicht die Frage, welche Bedürfnisse es sind, die die Figur Ebermann beim linksradikalen Publikum über die Jahre erfüllt. Eine mögliche Antwort oder an dieser Stelle eher Vermutung könnte darin liegen, was wiederum Thomas Ebermann mit seiner politischen Biographie repräsentiert: In Zeiten, die mit der Allerweltsvokabel Postmoderne vielleicht dann doch nicht ganz so schlecht getroffen sind, paßt es offenbar, daß Ebermann ein Post-KGruppen-Vertreter, ein post-früh- oder post-ökosozialistischer Grüner, ein auf verwickelte Weise Post-Antideutscher ist, der der letzteren Strömung wohl schon wieder verlustig ging, bevor sie vor allem seit 2001 einiges an Rambazamba und Aufregung » in der Szene « verursacht hat. Auf eine gewisse Art ist Thomas Ebermann heute offenbar auch noch zum Post-Politischen geworden, indem er nun (nach einer Exkursion zu Sartre?) doch mehr auf Theater, Bühne und Literatur setzt, um — wie er es in etwa selber manchmal als Hoffnung und bescheidenes Ziel ausdrückt ­— zu verhindern, daß man in dummen Verhältnissen selber verdummt. All diese Stationen hat Ebermann zudem durchlaufen, ohne jemals auf eine neue weltanschauliche Orthodoxie hinauszuwollen, von der er vermutlich in den 1970er Jahren für seinen Geschmack genug mitbekommen hat, daß es fürs restliche Leben ausreicht. Und weil er somit die Zumutungen einer alleinigen großen Wahrheit, zu der man sich entweder zustimmend oder ablehnend verhalten kann,

dem Publikum erspart hat, hatte dieses die gerne wahrgenommene Gelegenheit, trotz der von Ebermann immer mit Akribie und Schärfe geführten Auseinandersetzung mit den jeweiligen (Partial-)Fragen, sich ein wenig im Ungefähren zu tummeln und sich den Abend eben nicht durch Existenzialfragen versauen, sondern sich selbst auch ein wenig unterhalten zu lassen. Ob nun die Bedingungen, in denen zum Beispiel Thomas Ebermann die erwähnte Prominenz erlangt hat, weiter fortbestehen, oder ob es sich hier mittlerweile um einen Anachronismus handelt, der mit dem Abschluß der postsozialistischen Zeit und ihren Orientierungslosigkeiten und Verirrungen ebenfalls zu Ende geht, wie vielleicht auch insgesamt die Zeiten, in dem man die Weltlage unter Verwendung des Präfixes » post « zu beschreiben versuchte, allmählich wieder vorbei gehen – diese Frage sei hier abschließend vorsichtig zur zweiten Variante tendierend beantwortet.

bernd volkert


tattatataaaaa

Der Boden gab nach all den Jahren sachte nach. Ein Klimmzug abwärts stand abrupt alles am richtigen Platz. Die Schallplatten hingen nicht wie riesige Manifeste an den Wänden sondern bogen sich spastisch gekrümmt in der Sonne. Oh, all die penibel zusammengekauften und mühsam gepflegten Pflanzen. Was hier strahlt ist nicht mehr Lebensfreude, gestrahlt wird nur Verachtung, gegen das Dahinvegetieren in hässlichen kotzroten Blumentöpfen.

Der stilvolle Kellner kommt aus der Kellerbar gestürzt und lacht. Der Strauß schaut keck und harrt der Dinge, sitzend, den Hals stolz in die Luft streckend. » 2 Aschenbecher zum Auszuzeln, bitte « » Herr Ebermann, das schmeckt doch nicht! Ich empfehle eine Barschlägerei « » So sei es, o holder Adelskellner «

Bücher gibt es hier auch en masse. Die Kontaktlinsen werden weiterhin in Buchstabensuppe getaucht. Nun ist diese aber nicht in glänzend hellweiße Regale gepresst, die Marxschen Das Kapital- Bände nicht mehr strahlend wie eine Monstranz der Wahrheit sondern in einem Karton auf dem dick, fett und krakelig » Hausaufgaben « steht. Selbst vom Brandyglas ist nur noch das Gefäß an sich übrig, so dass es bestenfalls als Aschenbecher zu benutzen ist. Und benutzt wird. Ebermannscher Zigarettenrauch dringt durch einen Spalt zwischen zweier Holzlatten, die vorgeben eine Wand zu sein. » Du bewertest Eintracht Frankfurt zu schlecht, Schwegler, Gekas, usw. Für mich ein klarer Top10- Kandidat «. Unter lautem Getöse fällt ein Piano herunter und zerberstet knapp neben uns. Ebermann legt ein schmutziges Laken darüber. » Aber Verhältnisse wie bei Arminia Bielefeld will natürlich auch keiner «. Die Küchenmesser schiessen wie Pfeile herunter. Eins ritscht mein Ohr auf. Ebermann reicht mir einen Schnaps.

Prompt schaut ein Kotomalkomowawski herein und schreit: » Vernunft und Anstand! Mehr Vernunft und mehr Anstand! Seiet dienlich nur der deutschen Straußenart! Den Rasenmähern! « Ebermann lässt sich nicht 2x bitten und nimmt reichlich vom bestellten Buffet. Vom lauten Klatschen der Ohrfeige aufgeschreckt, bricht erneut der Kellner ins gewaltig bunte Treiben. » Aber .. aber .. aber das ist nicht die Bestellung, wir liefern heut nur Braunbarbiere « Chapeau, welch unbestellte Freud. In tiefer Hoffnung dass das nächste Wort noch besser sitze. Und kotomallkomowawzieren die Kotomalkomowaskis noch so lange ihr penetrantes Lamentieren. Und auch wenn hier alle Rasen mähen. Hier geht nicht viel in den Auffangsack. Selbst zum düngen zu verlebt, diese ganze traurige Sippe. Flieg, Anarchostrauß, flieg mit uns.

» Der Erfolg von Hannover 96 ist nicht erklärbar « Alle reden vom Wetter. Wir nicht. Einzelne Blätter fallen spielend aus dem oberen Stockwerk. Fallen auf den Boden und beginnen zu vergilben. Maritimen Flair verbreitet eine Möwe: sie tanzt ihr Spiel der Lüfte und gibt ihre spitzen Schreie ab bis dann auch sie den Boden berührt und eine verendend quietschende Maus gebärt. Ein lachendes Kind eilt einem Luftballon nach, stolpert, stürzt und wird vom Boden Stück für Stück abgetragen wie der Sylter Strand. Nur ist hier kein Gott, der den Strand zurückpumpt. Nur die Uhr, die so konsequent- beharrlich weitertickt als wolle sie Jopi Heesters zeigen, dass man tausend Jahre anders erreicht als er sich das vorstellt.

christian bartz

Und da, Kawumms, ein Anarchostrauß!!! Legt ein buntes Ei ins Tristessenstockwerk und sieht sich um.


in diesem jahr werden wir zusammen 80 Das Conne Island gratuliert von Herzen

conne island


unterredungen drei szenen für thomas ebermann Personen DER SULTAN MARIECHEN, seine feministische Leibwächterin DIE INTENDANTIN BERNDI, ihr sprechender Igel SIR ANTHONY HOPKINS

MARIECHEN: Ich weiß. Aber was du willst, passiert längst nicht mehr.

(2)In der großen Schwurkammer der Rundfunkräterepublik DIE INTENDANTIN: Es ging mir überhaupt noch nie so gut. Vor lauter Sendungsbewußtein fühle ich mich restlos privatisiert, es klingelt in beiden Ohren!

(1)Im Aufstandsvorstandssitzungszimmer DER SULTAN: Wenn doch die Kurse wüßten, was sie wollen. Dann könnte ich gegen mich wetten, und das Volk verständigen lassen, damit es schon mal demonstrieren geht. MARIECHEN: Ich werde dich jetzt niedlich finden, bis du weinst. DER SULTAN: Hast du nach den bewaffneten Verbänden schicken lassen? Ich will, daß sie dich für mich einschüchtern. Mir ist so mies; ich kann nicht mehr. Was machst du?

BERNDI : Ist das der richtige Zeitpunkt, einen Einfall zu äußern? DIE INTENDANTIN: Nur zu, mein stachliger Freund! Ich bin in großzügigster Laune. BERNDI: Ich finde, wir sollten zur Geisterstunde wieder sowas machen wie früher die » Nachtgedanken « mit Hans-Joachim Kulenkampff.

MARIECHEN: Ich twittere.

DIE INTENDANTIN: Der diese Dichtungen verlesen hat, und den philosophischen Qualster, und die versonnene Lebenshilfe, in weit ausschwingenden klassischen Satzperioden?

DER SULTAN: Daß die Verbände kommen?

BERNDI: Eben der, und gerade das.

MARIECHEN: Nein, damit alle wissen, sie kommen nicht.

DIE INTENDANTIN: Aber ich mag keinen alten Kram.

DER SULTAN: Früher kamen alle, weil sie nichts wußten. Heute wissen alle, daß keiner kommt. Es ist die wahre Tyrannei nicht mehr.

BERNDI: Das ist mitbedacht. Ich habe neue Gedichte gemacht. DIE INTENDANTIN: Na zauberhaft.

MARIECHEN: Soll ich dir etwas Zimt reinschütten, in deine fettarme Milch?

BERNDI: Sie wollen eine Probe hören, ja?

DER SULTAN: Wieso Zimt?

DIE INTENDATIN: » Wollen « trifft es nicht.

MARIECHEN: Weil die Zuckerzeit vorbei ist. Wie die Epoche des weissen Mannes, das sagt sogar Peter Scholl-Latour.

BERNDI: Also, das erste heißt » Lob der anhaltenden Zurechnungsfähigkeit «. Es geht auf einen vernünftigen Linken in Hamburg.

DER SULTAN: Für dieses » sogar « hätte man dich früher gerädert und gevierteilt. Was machst du? MARIECHEN: Ich schicke eine SMS. DER SULTAN: Ans Volk? MARIECHEN: Im Gegenteil. An eine, die ich liebe. DER SULTAN: Dann ist es gut. Ach, ich will sterben.

DIE INTENDANTIN: Tell me more, o wise one. BERNDI: An sich ist Meinung immer Scheiß / Was jeder Radikale weiß, / Der hier in Deutschland mit Geschrei / im Angesicht der Polizei / Rechts handelt, aber wild links winkt / Rechts abbiegt, aber frech links blinkt / Und es sich richtet auf der Welt / Die ihm im Grunde gut gefällt. / Was jeder linke Streber kann / Verweigert Thomas Ebermann / Das Pathos der verklärten...


DIE INTENDANTIN: Danke, das genügt. BERNDI: Also, gekauft?

BERNDI: Uhm, errr... we have come to inform you that ... we have come to inform everyone who is living here ....

DIE INTENDANTIN: Mitnichten. Du denkst wohl, ich wäre so leicht zu leimen, wie?

SIR ANTHONY HOPKINS: No one is living here except me and Albert Ayler, and Albert is tripping right now.

BERNDI: Ich verstehe nicht ....

MARIECHEN: So that’s the sweet music we’ve been hearing ever since we landed!

DIE INTENDANTIN: Beschämend ist das. Mein eigener Igel! Kennt mich, liebt mich! Aber daß ich ein Rilkegedicht nicht erkenne, wenn er es als seins ausgibt... wirklich, schäm dich.

SIR ANTHONY HOPKINS: Indeed. BERNDI: ... to inform ... to inform everyone that Pluto is no longer officially a planet.

BERNDI: Okay.

SIR ANTHONY HOPKINS: Pffft. (3)Auf dem Pluto MARIECHEN: Es hat eine Weile gedauert, bis wir die Zeit gefunden haben, herzukommen. Wir machen die Sachen nicht hopplahopp, wir machen sie gründlich. BERNDI: Sind Sie sicher, daß das im Sinne ihres Chefs und meiner Chefin ist?

BERNDI: Dreht sich um und schlurft davon. Siehste, das machen die Leute, wenn man ihnen mitteilt, was zu erfahren sie ein Recht haben. MARIECHEN: Ich weiß. BERNDI: Was machst du denn da eigentlich die ganze Zeit? MARIECHEN: Meinen Status auf Facebook verändern.

MARIECHEN: Die Leute hier haben ein Recht darauf, zu erfahren, daß der Klumpen, auf dem sie hausen, keinen offiziellen Planetenstatus mehr besitzt. Es wird ja ihre Lebensweise beeinflussen, nehme ich an.

BERNDI: Wie lautet er denn jetzt? MARIECHEN: Gestrandet, Alter. Gestrandet, aber gut drauf.

SIR ANTHONY HOPKINS: What is all this commotion, then? - Vorhang MARIECHEN: Oh, hello, Sir. BERNDI: Oh Gott, ist das wirklich ... MARIECHEN: Pssst. Ja doch. Das ist er. BERNDI: Aber wieso wohnt er auf dem Pluto?

dietmar dath

MARIECHEN: Mit der Kohle von dem Lämmerfilm hat er das Ding gekauft. SIR ANTHONY HOPKINS: Well? BERNDI: Aber wer spielt dann in den ganzen Filmen mit? MARIECHEN: Der Kerkeling. Wegen der Herausforderung. SIR ANTHONY HOPKINS: Must I repeat myself?


liebe freunde, hier mein winziger beitrag: Lieber Thomas, wenn einer, so wie Du, öffentlich auftritt, dann wird er beobachtet. Ich beobachte gern, das ist mein Job. Was habe ich also gesehen? » Wenn man will, (jemanden bei dem) absurd heroischen Versuch, die Fahne, die man auf dem Boden der Tatsachen nicht mehr hochhalten kann, an die Wolken zu nageln. « (Heiner Müller) Man geht eben nicht von der Fahne. Allein Deine Wut auf die gemauerten Verhältnisse würde das nicht zulassen. Ich wünsch`Dir das Glück, uns noch mit einer langen Reihe erhellender Veranstaltungen » an die Wolken zu nageln «. Mit herzlichen Grüßen:

doris gercke


lieber thomas, herzlichen glückwunsch.

Ich kenne ich Dich schon seit 1966. Damals war ich Vertrauenslehrer der Schüler an der Haupt- und Realschule » Am Brink « in Bergedorf, ein Hort reaktionärer und teilweise sehr rechtslastiger Pauker. Um diese Zeit konnte man sich als Schüler eigentlich nur nach links entwickeln.

Wir hätten uns damals nicht träumen, dass es ein Jahr später dann soweit war.

Gleichzeitig trainierte ich die Fußballschulmannschaft. Du warst der ausgezeichnete Torwart dieser Mannschaft, die im Wettbewerb unter die ersten vier der Hamburger Schulen landete. Besonders stolz waren wir alle, als wir die Mannschaft des Hansa-Gymnasiums, den » Hort der Reaktion « schlugen.

Liebe Grüße

Liebe GrüßeWir hätten uns damals nicht träumen lassen, dass es ein Jahr später dann soweit war.

Aber auch Deine Familie, Glasarbeiter bei Hein & Dietrich und Deine Oma aus Bergedorf, die von » de Schlüs «, haben sicherlich einen großen Anteil an Deiner Sozialisation. Vielleicht hat auch die Bergedorfer Apo mit ihren Aktionen einen gewissen Einfluss ausgeübt. Du warst zwar nicht in unsrer Mitte, aber stets am » Rande «. Oder hast Du die ersten Demokratie-Gehversuche im Jugendclub Glindersweg 66 probiert, die unter der Leitung eines linken Pfarrers das hektographierte Blättchen » Puperzke « herausgab? Nach 1970 wurden wir leider » politische Feinde «, wie es oft in der Geschichte der Arbeiterbewegung vorkommt. Du warst im BALZ (Bergedorfer Arbeiter- und Lehrlingszentrum), später KB und ich in der DKP. Ich war für Euch der » Revisionist «, Ihr für uns die » Linkschaoten «. Dann hast Du als Bundestagsabgeordneter der Grünen die ehemaligen Angehörigen der Bergedorfer Apo nach Bonn eingeladen. Das war 1988, also ein Jahr vor der Eingliederung der DDR in die BRD. Das war ein Spaß. Wir waren zu einem Gespräch im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen vorgemerkt. Nach alter Apo-Manier haben wir dem Referenten folgende Fragen gestellt: » Gibt es eigentlich einen konkreten Plan für die Wiedervereinigung «? » Was wollen Sie dann eigentlich mit all den Kommunisten machen? « Als er immer noch nicht merkte, dass wir ihn verarschen wollten, setze Achim Weretka noch einen drauf: » Das finde ich unerhört, dass Sie keinen konkreten Plan in der Schublade haben, wo wir doch am Tag der Deutschen Einheit immer Kerzen ins Fenster stellen! «

elke und alfred dreckmann

Nach dieser Frage und unserem lauten Gelächter merkte der Beamte endlich etwas und beendete das Gespräch vor der Zeit. Die Einladung ins Verteidigungsministerium wurde an demselben Tag von Seiten der Behörde gestrichen.


thomas ebermann steht in der donau. eine groll-geschichte Groll und der Dozent saßen in Groß-Engersdorf beim Heurigen im Freien. Die große Ebene, die sich von den Abhängen des Hochleitenwaldes im Norden bis zu den Ausläufern Stammersdorfs und Seyrings im Süden erstreckt, war von der Nordautobahn und ihren Zufahrten zerschnitten. Die Höhenrücken waren von Weingärten und Eichenwäldern geprägt, kleine Waldbäche hatten Täler geformt, die von den Menschen zu Kellergassen ausgebaut worden waren. Auch der Heurigen Madl, in dem Groll und sein Freund Platz genommen hatten, schmiegte sich in die Geländestufen. Unten der Bach, dann der Parkplatz und auf der oberen Ebene standen unter Akazien die Holzbänke des Heurigen. Groll erzählte von einem Freund, den er hier vor Jahren getroffen hatte, er erzählte von Thomas Ebermann. » Er wird Ihnen, verehrter Herr Dozent, ein Begriff sein. Ein großer, schlanker Mann mit windgegerbter Haut und vollem, weißem Haar sowie einer ruhigen und gelassenen Rede, die von seinem Baß noch unterstützt wird. Für einen Binnenländer erscheint Thomas Ebermann als Verkörperung des Hamburger Seebären. Tatsächlich ist Thomas Ebermann durchaus wasseraffin, er ist aber mehr als das, er ist ein hervorragender Vertreter der linksradikalen Bewegung im Gefolge der 68-er Jahre, aber im Gegensatz zu manch überdrehten Bürgersöhnchen lebte er in proletarischen Verhältnissen. Jahrelang war er Gewerkschafter und Betriebsrat in Hamburger Industriebetrieben, in manchen stellte er mit seiner linken Gruppe die Mehrheit. Und er war bei den Hamburger Hausbesetzern und Antifa-Gruppen an vorderster Stelle. Es verwunderte niemanden, als er mit den Grün-Alternativen in den Hamburger Senat einzog und zu den führenden Figuren der westdeutschen Linken aufstieg. Es wunderte auch niemand, als er Mitglied der ersten Bundestagsfraktion der Grünen in Bonn wurde, er war einige Zeit auch deren Sprecher. Es wunderten sich aber viele, die geistig schon auf dem grünen Karrieretrip waren, als er sich aus der Bundestagsfraktion zurückzog. Die ehrgeizigen Bürgerkinder erschienen ihm mehr und mehr als eine Kinderfraktion der bürgerlichen Parteien. Mit diesen Leuten hatte er nichts am Hut. « Der Dozent lächelte fein.

kamen er und seine Freundin auch hierher, in diesen Heurigen, wo wir uns kennenlernten. Aus seinen Artikeln und Büchern war er mir längst zum Begriff geworden. Im Verlauf dieses Abends erzählte ich von meiner zweiten Heimat im ungarischen Visegrád, wo meine Großmutter väterlicherseits 1911 als Eisenbahnerkind geboren worden war. « Der Dozent nahm eine Eintragung in seinem Notizbuch vor. » Schreiben Sie auch, daß Ebermann ein genauer Zuhörer ist. Wenn er jemandem eine Stunde zuhört, kennt er sein Gegenüber als wäre er jahrelang mit ihm zusammen gewesen. Er vermerkt alles, auch die negativen Seiten, Maulheldentum und Großmannssucht, er sieht’s, macht davon aber kein Aufhebens. Ungewöhnlich ist seine Art zu verreisen. Er setzt sich in einen Bus oder in die Eisenbahn, fährt nach Litauen, Polen oder das ehemalige Jugoslawien und läßt sich in einem kleinen Dorf bei Privatleuten nieder, für sechs Wochen und mehr. Dort erkundet er die Gegend und arbeitet an seinen Büchern. So hielt er es auch mit Ungarn. Eines Tages stand er in der Szechenyi-Straße in Visegrád und nahm, ganz Reisender des 19. Jahrhunderts, für sechs Wochen bei meiner geliebten Wirtin Irena Quartier. « Der Dozent lächelte. » Natürlich besuchte ich ihn, wir fuhren an die Donau und hatten eine gute Zeit mit meiner Frau und deren Söhnen. Eines Tages, es war drückend heiß und schwül, kletterten Thomas Ebermann und der älteste Sohn, Johannes, über einen schmalen Steig zur Burg hoch, die das Donauknie weithin überragt. Warnungen und Empfehlungen in den Wind schlagend, gingen der Hamburger und der Sechzehnjährige ohne Wasser, ohne Kopfbedeckung und ohne geeignetes Schuhwerk auf den Berg. Am späten Nachmittag kehrten sie wieder, der Junge hatte einen hochroten Kopf, aber nicht nur von der Sonne, sondern auch von den Erzählungen Thomas Ebermanns. Der ließ sich seine Erschöpfung nicht anmerken, er ging zur Donau, stellte sich bis zum Nabel ins Wasser und ließ den überhitzten Körper abkühlen. So seh ich ihn heute noch vor mir. Er steht in der Donau, nahe der Fähre; mit den Händen streicht er übers Wasser und genießt das Kribbeln der Strömung. «

erwin riess

» Thomas begann zu schreiben, profunde Serien zu Ökonomie und Politik erschienen in » Konkret « und anderen Zeitschriften. Gemeinsam mit seinem Kompagnon Rainer Trampert machte er sich zu Lesungen in der Republik auf, eine wunderbare Praxis, die bis heute fortdauert «, setzte Groll fort. » Mit der unvergleichlichen Lisa Politt betreibt er in Hamburg ein kleines, aber feines Theater, in dem er mit Freunden rund um den Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza für das Literaturprogramm sorgt. Anläßlich eines Recherche-Aufenthalts von Thomas Ebermann in Wien,

» Es gab für beiden keine gesundheitlichen Folgen? « fragte der Dozent. » Kurzfristige nicht. Aber langfristige «, erwiderte Groll. » Johannes, der ursprünglich Wirtschaftsrecht machen wollte, studiert jetzt Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung. Und er hat alle Bücher von Thomas Ebermann gelesen. « Groll lehnte sich zurück. Der Dozent ließ den Blick über die Weingärten auf der anderen Seite des Tals schweifen.


beitrag

______________________________________________ ________________________________________ Wofür hat man sich eigentlich in den frühen achtziger Jahren all die Sicherheitsnadeln in die Backen gesteckt und die Verstärker aufgedreht. Zur Provokation eines Kleinstadtspießers bedarf es weit weniger, wie das durchaus unwichtige » TitelMagazin « beweist: Nach einem gelungenen Abend mit Thomas Ebermann und Harry Rowohlt über Erich Mühsam, wie auch er fand, hatte der Rezensent angesichts der Musik dann doch » Sorgenfalten auf der Stirn « E-Gitarre und Bass, seien in » vollendeter « minimalistischer Kunst bedient worden. Natürlich hätte er auch gerne die Worte minimalistisch und Kunst zusätzlich noch in Anführunszeichen gesetzt, dachte sich aber der Leser hätte vielleicht auch so verstanden, dass er gemeint hätte, die beteiligten Musiker würden ihre Instrumente nicht beherrschen. Bravo. Das hat aber lange schon nicht mehr funktioniert das man mit angewandtem (Pseudo-) Dilletantentum jemanden so ärgern konnte. Offensichtlich stammt der Autor aus einer Zeit als sich noch Horden von Pferdeschwanzträgern mit dicken Socken in Birkenstock Sandalen steckend, bei der ersten Gelegenheit, ohne irgendwelche Hemmungen, die selbst dazu erklärte » Open Stage « bestiegen, sich eine Gitarre griffen und stundenlang mit dem Rücken zum Publikum, die zu Hause in minutiöser Kleinarbeit gelernten Gitarrensoli von Steely Dan und anderen Heroen nachempfanden, die im Original schon viel zu lang waren. Wahrscheinlich wahr er sogar selbst einmal in einer Band. Einer von denen, die sich nach getaner Arbeit Anerkennung heischend dann doch dem Saal zuwandten, nur um festzustellen, das jetzt alle Mädchen schon weg waren. Um seinen Frust zu überwinden hat er sich vielleicht einer Männergruppe angeschlossen, oder Ausdruckstanz betrieben. In Erlangen gibt es sicher noch einige Initiativen die sich um das Vermächtnis Gret Paluccas kümmern, da bin ich sicher. Dabei geht es in den von Ebermann und Lasse Koch zusammengestellten Texten Erich Mühsams eigentlich immer um einen ähnlichen Konflikt. Der Proto-Punk Mühsam, gegen die dogmatische Linke (Rauswurf sogar aus dem deutschen Anarchistenverband), gegen esoterische Hippies (Lebensreformer in Askona) , gegen den preussischen Verwaltungsapparat und den Staat an sich, sowie am Ende den nicht zu gewinnenden Kampf gegen die Barbarei.

hat der Rezensent schon mal von Punk gehört. Er führt Beispiele an: » Die Musik der drei Hamburger Musiker trotzdem nur Versuch ­— oder vielleicht Abklatsch? — einer extremen Klanglichkeit wie bei den Einstürzenden Neubauten. Auch das Charisma Rio Reisers ganz weit weg. « So so. Da kennt er schon mal was und dann ist es das auch nicht. Vor allem Rio Reiser und Punk — ja klar. Sicher. Der vor Ehrfurcht und Mitgefühl triefende historisierende Vortrag eines Ernst Busch wäre ihm anscheinend lieber gewesen. Und wer lockt solche Leute an? Thomas versäumt es nicht, sich jeden Abend wieder höflich dafür zu entschuldigen, die Grünen gegründet zu haben. Aber dafür, das er auch selbst dem Ausdruckstanz gehuldigt hat, dafür entschuldigt er sich nicht. Kein Wort über sein Styling in der siebziger Jahren, die Wahl der Frisur, Koteletten, oder der Fussbekleidung. Anscheinend hat er immer noch nicht begriffen, was wirklich schwerwiegende Fehler in seiner Biografie waren. Allein, die grauen Haare – dagegen kann niemand etwas sagen.

frank spilker

Das einer nach einem solchen Abend immer noch meint zu wissen, wie man das musikalisch zu begleiten habe, ist eine schreckliche Erfahrung. Punk war das konsequente Gegenteil von dem oben erwähnten Hippie Gestus und immerhin


thomas ebermann: spiegelei und zigarette

» Du « und Thomas Ebermann? Ist das » der « Thomas Ebermann? Der Ebermann und der Gewerkschaftsfuzzi, wie soll das gehen? Wie passt das? Na erstmal gar nicht. Als der eine das parlamentarische System alternativ aufzumischen gedenkt, sitzt der andere brav in seinen Parteigremien. Wenn der eine sich für sogenannte » Randgruppen « engagiert, versucht der andere die Mitte der Gesellschaft, z.B. den Facharbeiter zum Streik aufzuwiegeln. Irgendwann sitzen sie dann im Streitgespräch auf einer Bühne in der Hamburger Uni. Während der eine Verbündete für den Kampf um das Recht auf Arbeit sucht, will der andere lieber darüber diskutieren, dass das Ziel die Befreiung von Arbeit, entfremdeter Arbeit sein muss. Heute empfiehlt es sich, die damaligen wechselseitigen Beurteilungen als » vergessen « zu markieren. Aber es ist noch immer so, dass gegenseitige Wertschätzung durch eine Reduktion auf das » Gemeinsame « erleichtert wird. Eine Verabredung zum späten Frühstück bei ihm um die Ecke ist möglich. Allerdings während ich Spiegeleier mit Speck für uhrzeitangemessen halte, ist mehr als Kaffee und Zigarette für ihn noch nicht möglich. Aber gemeinsam ist dann die Diskussion über das nächste Projekt. Es beginnt fast immer mit einem mir unbekannten Autor oder, wenn ich den zwar kenne, einer mir unbekannten Seite dieses Autors. Und der Begeisterung, die er vermittelt, kann man sich kaum entziehen. Als Gräber nach versunkenen Schätzen ist er unterwegs, dort wo etablierte Kultur das finanzielle Risiko scheut. Sein verblüffender Optimismus, was die Chance betrifft, dafür Publikum begeistern zu können, nimmt Dir die Möglichkeit, Zweifel zu äußern. Er hat langjährige Erfahrung mit schwierigen Themen. Es sind die Texte, seine Leidenschaft für gute Schreibe und die Inhalte, der Wunsch dies an Dritte weiter zu geben, was seinen Optimismus treibt. Im fünften Jahr schaffen wir die Kooperation so unterschiedlicher Partner wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Polittbüro und der Vers- und Kaderschmiede. Kultur zum 1. Mai, Kultur als politischer Faktor und der Versuch, neue Zuschauerkreise zu aktivieren, das ist die eine Seite. Aber, dass das Experiment gelingt, geht nur, wenn Du Schauspieler, Autoren für das Projekt begeistern kannst. Das insbesondere dann, wenn die Gagen nicht ausschlaggebend sein können. Auch da ist er für viele große Namen überzeugend.

frank teichmüller

Ich lerne gern dazu. Ich lese Texte, denen ich allein nicht begegnet wäre und ich frühstücke gern weiter in der Schanze, auch wenn er meine Begeisterung für Spiegeleier nicht teilt.


notruf

dieter glawischnig


lieber thomas,

Festschriften, was immer ihre Veranstalter damit im Sinn haben, sind vorauseilende Nachrufe. Mich hat so einer, an dem auch Du teilgenommen hast, zum Fünfzigsten ereilt, mit der Folge, daß ich seit zwanzig Jahren, um mich mitzuteilen, mit knochigem Zeigefinger meine Botschaften, lauter und deutlicher als zuvor, an den Sargdeckel zu meinen Häupten morse. Nimm Dir, bitte, ein Beispiel daran! Zwischen uns hat sich in den letzten dreißig Jahren aus Sympathie, professioneller Bekanntschaft, einer bei Gelegenheit des Golfkriegs im Mai 1991 von Dir offiziell erklärten » politischen Feindschaft « anders als aus vielen anderen Beziehungen, die an unvereinbaren Haltungen insonders zu Israel und den Juden zerbrachen, im letzten Jahrzehnt persönlicher Respekt und schließlich, ich als der Ältere erlaube mir, es auszusprechen: Freundschaft entwickelt. Wir haben, mit-, neben- und mitunter gegeneinander manche Schlacht verloren. Warum aber nicht den Krieg, hast Du im Mai 1992 in der Justizvollzugsanstalt Celle bei unserem Gespräch mit den dort seit zwei Jahrzehnten einsitzenden RAF-Gefangenen expliziert. Ich habe es nicht vergessen: » M an kann natürlich sagen, Niederlage ist erst, wenn sie uns geschafft, wenn sie uns unseres politischen Denkens, unserer Systemgegnerschaft beraubt haben. Wenn man diesen Begriff von Niederlage hat, dann habt ihr (die Gefangenen) keine erlitten und ich auch nicht. Soweit ist es noch nicht und kommt es hoffentlich nie. Dann gibt es einen Begriff von Niederlage, der, weil das konkrete Ziel nicht erreicht wurde, alle im Kampf darum gemachten Erfahrungen behandelt nach dem Motto » Klappe zu, Affe tot « — kein zukünftig Rebellierender soll daraus lernen können, also begrabt den Scheiß. Diese Haltung ist ja gerade gegenüber Leuten sehr verbreitet, die mit ihren konkreten Zielen gescheitert sind, das macht auch die Kritik am Realsozialismus so widerwärtig — jeder muß noch mal schnell sagen: Ich hab da auch nichts von gehalten. Ich habe wirklich viele Seiten mit Kritik am Realsozialismus gefüllt, aber ich habe immer gehofft, daß die DDR sich halten kann gegen die BRD, und ich habe immer gehofft, daß bestimmte Planungen, zum Beispiel eine Rüstung so hinzukriegen, daß man die dort killen kann, ohne daß hier allzuviel passiert, nicht aufgehen werden; ich habe gehofft, daß die Totrüstung und die ökonomische Durchdringung nicht gelingen. Wenn ich dies alles jetzt streiche und sage: Das war ja gar kein Sozialismus, wo war da die Emanzipation, war die Entfremdung nicht genauso groß oder die Warenbeziehung genauso ausgeprägt, mache ich auch kaputt, was man daraus würde lernen können.

Auch diesen zweiten Begriff von Niederlage meine ich nicht. Sondern wenn ich von Niederlage spreche, dann vom gesellschaftlichen Kräfteverhältnis. Die haben erstens euch nicht geschafft und mich nicht geschafft, zweitens ist es nicht so, daß das eine Zeit war, wo man nur Scheiß gemacht hat - aber das gesellschaftliche Kräfteverhältnis stellt uns in eine Position, die so einsam ist, wie ich sie, seit ich halbwegs erwachsen bin, nicht erlebt habe. « Das war nach dem Ende Deiner grünen Partei, dem Zusammenbruch Deiner » Radikalen Linken « (ich sage » Deiner «, denn so, wie es sie damals gab, hätte es sie ohne Dich nicht gegeben), dem mehr oder weniger schnellen und innigen Anschluß einstiger Gefährten ans teure Vaterland, und bevor Du — mit dem einem Kommunisten dieser Jahre und ihren Verhältnissen durchaus angemessen pathetischen: Der Starke ist am mächtigsten allein — dazu gefunden hast, die Arbeit an der Aufklärung lieber am Schreib- und Vorlesetisch oder auf Deiner Bühne mit den Bühnenkünsten einer disparaten Horde von Literaten, Musikern und Schauspielern voranzutreiben, als in irgendeinem realpolitischen » Zusammenhang « mit Vereinsmeiern des kleinsten gemeinsamen Nenners. Mit einem Deinem Dienstgrad bei der Entlassung aus der Bundeswehr angemessenen » Soldat ohne Funktion Ebermann: Weitermachen! « umarmt Dich zum Sechzigsten herzlich.

hermann l. gremliza


_____________________ _____________________ _____________________ _________________ Schmerzgrenzenverletzer Bücheraussauger Bullenbepöbler Wehrkraftzersetzer GEZ-Gebühreneintreiberschubser Gesundheitsvorsorgevernachlässiger SichkaumfürSportInteressierer Hirnzermarterer Handyhasser Handyausleiher Mitmachpublikumsbester Menschenkoordinatenerfasser Lebenshungerverschlinger Ehrerbietungsverweigerer Größenwahnsinnsenthaupter Stimmungskanoneninszenierer Anpassungsbelächler Fehlererlauber Expertenenblößer Frohnaturankotzer Gedankenausquetscher Eierleger Rampensau Praktischvölligunpraktischer Nachtdenker Lebenskneter Mutterversacker Vorneugierverbrenner Schlafräuber

a.


mein lieber langer,

ich habe dir, wie dieses foto eindeutig belegt, schon am 12. oder 13. januar 1980 in karlsruhe ganz klar gesagt: »lass es, das wird nix.« dankenswerterweise hast du dich seit damals positiv weiter entwickelt.

henning venske


who´s who

Lieber Thomas, zum 60. alles Liebe. Wir kennen uns ja nicht soooo gut, aber die Zusammenarbeit mit Dir hat viel Freude gemacht. Hab auch was gelernt.

hannelore hoger


lieber thomas,

ees war in jenen Tagen in den Achtzigern, da Du Widerborst der Bonner Gesetzgebungsmaschinerie und Horseshareholder bei den Trabern warst. Ferner befand sich die Vers- und Kaderschmiede des Politbüros noch Äonen ante natum. In diesen jenen Tagen hatten wir, das Duo Sen & Sibel (Sen icke, Sibel Ernst Kahl) die idée fixe, den Aktionskreis Energie e.V., den Lobbylumpi der Atomstromer, unterwandern zu müssen – ein einzig zu dem Zweck, unser Engagement für denselben zu uns geeignetem Zeitpunkt als ein tückischgestückeltes zynischsatirisch auffliegen zu lassen. Vorher sollte aber schon ein Batzen Geldes fliessen, für den Infostellenleiter und Cartoonisten. Ees kam aber, bis auf die Erstattung der Kosten für die Vervielfältigung der Ballade auf grüner Saugpost, nix bei rum, die müssen geahnt haben, daß, wa … und wir waren neese. Batt wott schälls, Hauptsache ees erheitert Dich in Maßen im Rahmen dieser Festschrift zu deinem Sechzigsten, zu welchem wir Örnie und Opa Pulpo, telesynchron in ein »Wunderbar, lieber Thom, gut gemacht, guat schaugst aus, klasse Mann der Ebermann!« auszubrechen uns gestatten. Sehend, wie der Gabentisch mich anschaut, frag ich Dich, lieber Thom: Stehst du auf Steinpilze? Denn wenn, dann würde ich Dir gerne hiermit eine kleine Freude machen wollen, mit von mir mit eigener Hand geernteten. Entweder gleich am achtzehnten April, mit getrockneten des Jahrgangs 2010 (Hermann Kant kamen sie, unlängst von konkiHörmie zu einer Lesung in Berlin mitgebracht, grad recht »in Süppchen und Gulasch«) oder, vorausgesetzt das Myzelium meiner diversen im Oktober-Tagebuch erwähnten Claims, spielt wieder soo üppig mit, Du geduldest Dich bis zur frischen Wahre* im Sommer / Herbst. Bitte besprich Dich mit Heike und gib bescheid. lieber Thom! Die Zeitgenossenschaft mit Dir is nix als Gewinn und Genuß. Sei, zutiefst höchstverehrter, very sowie herzlichst gegrüßt:

hotte

*die konkiHörmie als Risottoverfeinerung schätzt.



jutta ditfurth


lieber thomas,

der schöne gesellschaftliche Aufbruch, an dem unsere Generation beteiligt war, ist schon vor langer Zeit gescheitert, schneller, als wir es wahrgenommen haben. Unsere Vorstellungen von Gesellschaft, von Politik, vom Leben, vom Sozialen, von Beziehungen, vom Kollektiv und vielem anderen waren nie mehrheitsfähig. Das ewig Störrische in mir weigert sich, das als mein oder unseren Fehler zu begreifen. Unsere Niederlage legitimiert nicht die, die einfach mit allem weiter machen. Ein Blick auf Claudia Roth oder Jürgen Trittin, um frühere Mitstreiter aus Deinem alten Umfeld zu nennen, enthüllt schlagartig das Glück, zu den Unterlegenen zu zählen. Nicht gewinnen muss nicht zum Mitmachen führen. Die Förderung dessen, was den Hauptstrom in der Gesellschaft ausmacht, wäre obszön und in der letzten Konsequenz verbrecherisch. Genauso falsch wäre es, eine politische Perspektive zu behaupten, wenn sie nicht da ist. Es reicht zu sagen, daß wir nicht mitmachen und die Lage erst einmal aussichtslos scheint. Wir stehen — für unseren Lebenszeitraum ­­— inzwischen auf verlorenem Posten. Du wirst nun 60 Jahre alt. Ich frage mich nun, wem ich da gratulieren soll — Deiner biologischen Uhr, die Dich trotz Deines Lebenswandels dort hin gebracht hat? Oder wem? Ich glaube, etwas anderes ist wichtig und der 60. ist da nur ein Anlass, der unserem Bedürfnis nach runden Summen entspricht. Seit vielen Jahren, sicher über 60 oder 70 Vorführungen hinweg, begleite ich Dich freundschaftlich in lässlicher Nebenrolle bei Deiner Vers- und Kaderschmiede. Ich finde, das ist ein tolles Projekt, das Du auf die Beine gestellt hast. Die Erinnerung an die vielen Unterlegenen, Gescheiterten, Vergessenen ist auch eine Erinnerung an uns selbst. Es ist ein schönes Werk, auch ein schönes Alterswerk und ich wünsche Dir ganz herzlich, dass Du noch viele Jahre weiter daran arbeiten kannst.

karl-heinz dellwo


lebenslauf für thomas ebermann

Ich wurde geboren In einer Gegend In der ich aufwuchs Dann wurde ich eingeschult Und zwar in eine Schule Jetzt gings bergab Ich wurd jugendlich Mein Berufswunsch: Außerirdischer Auf dem Land war zuviel los Also ging ich in die Stadt Mein Leben ist ein Roman Mein Leben ist ein Roman

Ich verließ die Nähe Zugunsten der Ferne Ich machte mir einen Namen Ich hieß jetzt Nobody Weil ich Punk und Arbeitersohn war Verachtete ich Intellektuelle Ich wurde ein Student der Studenten hasste Ich laß viele Bücher Ich liebte Bücher Das Gegenteil von natürlich ist künstlich Also wurde ich Künstler Mein Leben ist ein Roman Mein Leben ist ein Roman Alles war Kunstscheiße Außer meiner Kunstscheiße Ich traf Individualisten Sie versammelten sich in Massen Um Geld zu verdienen Mußte ich Spaß haben Freizeit war anstrengend Im Urlaub fotographierte ich hauptsächlich Touristen Ich hatte ein fotographisches Gedächtnis Also schrieb ich alles auf

knarf rellöm


lieber thomas,

zu Deinem 60. Geburtstag wünschen wir Dir alles erdenklich Gute. Nicht erst seitdem wir nun mittlerweile schon fast 8 Jahre im Polittbüro zusammen arbeiten, sind wir befreundet – und dass wir gemeinsam seit so langer Zeit alle Klippen umschifft und uns trotzdem nicht getrennt haben, spricht bei der permanenten Überarbeitung aller Beteiligten schon für ein gerüttelt Mass an Konfliktfähigkeit, Toleranz und echter Verbundenheit. Kurz und gut: Nichts kann uns mehr trennen. Na, sagen wir mal: Fast nichts. Auch bei angemessener Romantisierung an bestimmten Festtagen kann man straflos nicht über Gebühr beschönigen. Denn Eins könnte unser Verhältnis noch trüben, korrekter gesagt, sogar zwei Dinge, und beide betreffen unsere unmittelbaren gemeinsamen Arbeitsbedingungen:

Dein mit Dir in die Jahre gekommenes (und im Gegensatz zu Dir nicht täglich an Charme gewin- nendes) Faxgerät, das uns grundsätzlich Texte übermittelt, von denen man das erste Drittel nicht lesen kann (schon klar: das liegt an UNSEREM Gerät und passiert, gemeines Ding das, nur bei Deinem Absender), und

Diese widerlichen in mehr oder weniger heißem Wasser aufgelösten Krümel, die Du einem als » Kaf fee « anbietest. Daher sind unsere Geschenke, an dem auch wir unsere stille Freude haben werden (und gegen unsere anteilige Partizipation am Segen technischen Fortschritts in Form optimierter Pro- duktionsmittel kannst Du bei Deiner Überzeugung nichts einzuwenden haben) :

1.)

Ein neues Faxgerät (keine Angst, Gunter installiert das)

und 2.)

lisa politt und gunter schmidt

Eine Kaffemaschine (ich schenk Dir einen Einführungskurs zur Her- stellung des von mir bevorzugten Ergebnisses).

Keine Widerrede. Und ALLE GUTEN WÜNSCHE!!!


lieber thomas,

zu Deinem Sechzigsten möchte ich zunächst einmal Harold Pinter zitieren: » Herzlichen Glückwunsch! « (aus: Eine Geburtstagsfeier, geschrieben 1958). Ich soll auch noch von zwei weiteren guten Bekannten herzlich grüßen, die Dir im Moment nicht persönlich gratulieren können. In ihrem Auftrag und ihrem Namen möchte ich Dir die beiden nachfolgenden Texte zur Kenntnis bringen. Den ersten hat unser gemeinsamer Freund Fritz H. um 1803 gedichtet, unter anderen für uns beide, da bin ich ganz sicher. Den zweiten Text verfaßte der Genosse Michail S. im Jahre 1923, vermutlich speziell für Dich und im Hinblick auf Dein späteres Wirken. Jaja, es ist nur eine Vermutung — aber ich weiß aus sichersten Quelle, daß S. die Hauptfigur seiner damaligen Erzählung zunächst nach Dir benennen wollte, und sich erst in letzter Sekunde und nach zähem inneren Ringen dann doch für den Namen » Grigori Kossonossow « entschieden hat. Genug der Vorrede, hier sind die beiden Texte:

LEBENSLAUF Größers wolltest auch du, aber die Lieber zwingt All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger, Doch es kehret umsonst nicht Unser Bogen, woher er kommt. Aufwärts oder hinab! herrschet in heil`ger Nacht, Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt, Herrscht im schiefesten Orkus Nicht ein Grades, ein Recht noch auch? Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich, Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden, Daß ich wüßte, mit Vorsicht Mich des ebenen Pfades geführt. Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen, Daß er, kräftig genährt, danken für alles lern, Und verstehe die Freiheit, Aufzubrechen, wohin er will. Soweit die Verse von Fritz H., geschrieben vor mehr als zweihundert Jahren, und nun die Beschreibung der Kader von Michail S., genau einhundertzwanzig Jahre später verfaßt, heute also vor gut neunzig Jahren


AGITATOR

lieber thomas, was bleibt mir mehr, als mich den zweien anzuschließen. in diesem sinne noch einmal harold pinter: »   glückwunsch! « (aus: eine geburtstagsfeier, 1958).

Der Wächter der Luftfahrtschule, Grigori Kossonossow, fuhr zum Urlaub ins Dorf.

» Wie wär`s, Genosse Kossonossow «, sagten ihm die Freunde vor seiner Abfahrt, » wenn Sie schon hinfahren, könnten Sie doch, na ja, in dem Dorf da bißchen agitieren. Sagen Sie den Bauern, na ja, daß sich die Luftfahrt entwickelt ... Vielleicht legen die Bauern zusammen und kaufen ein neues Flugzeug. « » Da könnt ihr euch drauf verlassen «, sagte Kossonossow, » ich werd agitieren. Wenn`s was anderes wäre, aber das von der Luftfahrt, keine Sorge, ich sag`s ihnen. « Als Kossonossow ins Dorf kam, war Herbst. Gleich am Tag seiner Ankunft ging er zum Sowjet. » Also «, sagte er, » ich möchte bißchen agitieren. Wenn ich nun schon aus der Stadt gekommen bin, wird man wohl `ne Versammlung machen können. « » Warum nicht «, sagte der Vorsitzende, » schieb ab, und morgen ruf ich die Bauern zusammen. «

Am nächsten Tag bestellte der Vorsitzende die Bauern zum Spritzenhaus. Grigori Kossonossow trat vor sie hin, verbeugte sich, und da er`s nicht gewohnt war zu reden, wurde er verlegen und sprach mit heiserer Stimme.

» Unverständlich! « schrie der Vorsitzende. » Genosse, näher zu den Massen ... « Kossonossow trat dichter an die Menge heran, wickelte sich eine Zigarette und begann von neuem:

» Nämlich, das ist so, Genossen Bauern ... man baut Flugzeuge, und hinterher fliegt man damit. Das heißt, durch die Luft. Na ja, manch eins kann sich nicht halten und saust runter. So wie der Genosse Jermilkin. Hochgeflogen - prima, aber dann ist er runtergekracht, daß ihm die Därme raushingen ... « » Ist ja auch kein Vogel «, sagten die Bauern. » Das ist ja meine Rede! « Kossonossow freute sich über die Unterstützung. » Natürlich ist er kein Vogel. Ein Vogel, wenn der runterfällt, dem ist das scheißegal - der schüttelt sich und fliegt weiter. Aber hier, das ist `ne ganz andre Schose. Ein Pilot, dem ging`s genauso, das war der Genosse Michail Iwanytsch Popkow. Flog los, alles prima, und rums! Motorschaden. Der ist derartig runtergekachelt, daß ... « » Na? « fragten die Bauern. » Junge, Junge ... Und dann ist mal einer auf`n Baum gefallen. Wie ein kleiner Junge hat er da oben gehangen - zum Totlachen. Was alles so passiert ... Einmal ist bei uns `ne Kuh in den Propeller gelaufen. Eins-zwei-drei, zackzack und schon war sie in Stücke. Hier lagen die Hörner, und wo der Bauch war, das konnte man gar nicht mehr rausfinden. Hunde laufen auch manchmal rein. «

» Nämlich, das ist so «, sagte Kossonossow, » die Luftfahrt, Genossen Bauern ... ihr seid natürlich ein ungebildetes Volk, darum werd ich erst von der Dingsda reden, na ja, von der Politik ... Hier, sagen wir mal, ist Deutschland, und das hier ist Curzon. Dies ist Rußland, und hier ... überhaupt ... «

» P ferde auch? « fragten die Bauern. » L aufen etwa auch Pferde rein, Lieber? «

» Worüber sprichst du denn, Lieber? « fragten die Bauern verständnislos.

» Diese Halunken, daß ihnen die Pest an den Hals fahre «, sagte einer. » Was die sich nicht alles ausdenken! Pferde zerstückeln ... Und das, Lieber, entwickelt sich also? «

» P ferde auch, klar «, sagte Kossonossow. » So schnell kannst du gar nicht gucken - Hackfleisch!. «

michael weber

» Worüber? « erwiderte Kossonossow gekränkt. » Na, über die Luftfahrt doch. Sie entwickelt sich, die Luftfahrt ... Hier liegt Rußland, und da liegt China. « Die Bauern hörten finster zu. » Komm zur Sache! « schrie einer von hinten.

»Sag ich doch «, antwortete Kossonossow, » es entwickelt sich, Genossen Bauern ... Und ihr nämlich, ihr könntet deshalb in der Gemeinde sammeln. « » Aber wofür denn, Lieber? « fragten die Bauern. » Na, für ein Flugzeug «, sagte Kossonossow.

» Ich bin ja gleich bei der Sache «, sagte Kossonossow. » Ich sprech über die Luftfahrt ... Sie entwickelt sich, Genossen Bauern. Nichts dagegen zu sagen. Es ist, wie es ist ... «

Die Bauern lachten böse und gingen auseinander.


tomoldie-rocks the blues

Sechzig da wird mir rot und grün vor augen was für ein spleen mit rechts und links flapsig drehen smöken bis alle sätze stehen gewunden, abgeklopft und zugespitzt kaum eine pointe die nicht sitzt sechzig ist so rund wie eckig thomas altlinks etwas zeckig starke rede drängt zu taten revolte – das bleibt abzuwarten spitzwegerich im wintergarten sechzig weder alt noch weise in hamburg beginnt jede reise das ticket stets korrekt gelöst auch wenn thomas im abteil döst wird im gehirn eine idee gedrechselt jedoch nie zur and’ren seit’ gewechselt sechzig prozentige sind stark dröhnung bis ins rückenmark konkreter geht es kaum wachkoma oder lebenstraum ständige sucht nach lebenssinn und thomas pendelt mittendrin

raimund hethey


thomas ebermann − das phänomen. (die bibliothek in einer zigarettenfabrik) Was ist das eigentlich — ein Thomas Ebermann? Fragen mich wildfremde Leute immer wieder auf den Straßen Hamburgs. Nun, das ist nicht einfach zu erklären, antworte ich den Unwissenden. Meist behelfe ich mich mit ein paar Aphorismen um das Phänomen vorsichtig zwischen die Finger zu bekommen. Biologisch gesehen ist Thomas Ebermann ein massives und recht komplexes Hirntrumm auf Beinen, man könnte auch sagen ein saufendes Wissensarchiv oder eine nikotinisierte Denkfabrik. Einige fürchten ihn als arrogante Riesenschnecke vor der es sich nicht zu flüchten lohnt, weil sie einen sowieso erwischt. Andere erbibbern lustvoll durch sein mächtiges Bassorgan mit dem er gerne eine gemütlich dampfende Erotik produziert. Wie kann man dieses Phänomen denn kennen lernen- fragen mich die neugierigen Fremden. Man muss sich ihm vorsichtig nähern antworte ich, dem Phänomen, denn will man zu viel auf einmal, so beginnt es zu spucken wie ein beleidigtes Lama. Ich rate an Desinteresse vorzutäuschen, man sollte es schneiden und nicht beachten und irgendwann wie durch Zufall ein Thema oder konkreter eine Frage verlieren, beiläufig, sie zu Boden fallen lassen, so das das Phänomen sie persönlich auflesen kann. Und wenn man dann Glück hat, und das Phänomen in einer belehrenden Stimmung ist, dann packt es aus. Das sind dann die großen Momente der politischen Kultur des Nordens. Denn es weiß viel, das Phänomen, und an guten Tagen ist es spendabel, und dann pladdern die Fakten und die Zusammenhänge derart aus ihm heraus das man einfach nur daneben stehen und sein Kittelchen aufhalten muss. Das Phänomen zu kennen heißt lernen zu lernen. Und nun hat es Geburtstag und wird wieder etwas älter und reicher und sammelt weiter für uns all das wozu wir nicht in der Lage sind es uns zu merken. Und wir möchten das Phänomen für immer erhalten und uns vom Regenschauer seiner Freigiebigkeit erquicken und erbauen lassen, drum sagt es laut: » der Archivar, der Archivar, er lebe hoch der Archivar! «

rocko schamoni


der lichtblick

Kaum zu glauben, aber Thomas Ebermann war mal » mein Mann im Parlament «. Als ich zum ersten Mal wählen durfte, wählte ich ihn, und als er ausschied, hatte ich keinen Mann mehr im Parlament und auch keine Frau. Also wählte ich erstmal nicht mehr. Aber ich folgte ihm mit den Augen und hatte, soweit ich es erfuhr, Sympathie für alles, was er war, dachte und tat. Und dazu gehörten auch Pferdewetten auf einen eigenen Wallach. Thomas hatte diese unprätentise Art, nicht dazuzugehören. Seine Bescheidenheit in der Verneinung, seine Sicherheit in der Besetzung exterritorialer Standpunkte, seine Fähigkeit, sich zu schaden, sie waren immer animierend, das ganze Klima rings um ihn war es, die Fenster standen immer offen. Als ich dann 1991 in einem Hamburger Fernsehstudio eine Probesendung absolvieren sollte, damit man sähe, ob ich mich als Interviewer einer täglichen Gesprächssendung eigne, war mein letzter Gast Thomas Ebermann. Man hatte mir gesagt, er sein » ein harter Brocken «, und da ich ihn mochte, fürchtete ich ihn in dieser Situation. Wir redeten aber ganz flüssig und hatten sogar Zeit, uns in die Augen zu schauen. Als er sich verabschiedete, gab er mir die Hand mit den Worten: » Viel Glück, und das habe ich hier noch keinem gewünscht. « Wir haben später manchmal in der Schanze im Café Stenzel Kaffee getrunken. Er laborierte an den Zähnen, kriegte vom Ökolinx-Pamphletismus von Jutta Ditfurth » einen Depri « und empfahl mir Bücher, die ich nicht kannte. Wo ich konnte, lud ich ihn in Sendungen oder auf Bühnen ein und folgte seinen Einladungen. Er ist richtbildlich, hilft bei der Orientierung. Ich glaube kaum, dass er weiß, wie sehr er mir ans Herz gewachsen ist. Muss er aber auch nicht.

roger willemsen


mit diesem geburtstagsglückwunschfoto möchte ich dir rüstigem jubilar folgendes (böswillig nach joschka fischer abgewandelt...) zurufen:

Herzlichen Glückwunsch!! Ich liebe, verehre und brauche dich stark,

stoppt den krieg, schlagt die schweine tot!!

schorsch zu kamerun


lieber thomas,

ich kann mir nicht viel unter einer »Anti«-Festschrift für Deinen Geburtstag vorstellen und das, obschon ich in einem Radio gearbeitet habe, das sich, wie du ja weißt, sieben Antis in seine Radioregeln geschrieben hatte. Wenn ich dir jetzt also zu Deinem Geburtstag gratuliere, dann tue ich es ohne anti ...

Du hast damals für einige Wärme in meinem Leben gesorgt. Kannst du dich noch an den Gasmann erinnern? Der auf seine abgeschabte Blümchentapete deine Haushaltsrede gekleistert hat? Die musste er zweimal beim Bundestag bestellen, weil er nicht gewusst hat, und wer hätte das schon wissen können, dass sie dort die Seiten zweiseitig bedrucken. Deine Rede war für ihn das Einmaligste, so sagte er, das sich bis dahin in seinem Leben ereignet hatte. Und er hat erfahren, dass ich manchmal kein Holz und keine Kohle kaufen konnte. Da kam er auf die Idee, mir ab und zu eine Gasflasche vor die Türe zu stellen. Einfach so. Ich habe dann hin und wieder — und das ist wirklich unöko – mit dem Backofen geheizt.

... und es gab den ersten Computer für mich, mit dem ich Dir ungebremst seitenweise Briefe schreiben konnte ...

ursi anna aeschbacher


heraus zum revolution채ren ersten mal


Idee und Organisation: TOP B3RLIN

Gestaltung und Produktion: Schroeter und Berger mit LĂŠo Favier

Berlin • 2011



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