sp e c u l a t i v e a r t e facts and d e s i g n f i c t i ons
I’m not saying design fiction’s going to resolve our economic problems. On the other hand, if you’re an unemployed designer, it’s one of the coolest things you can do now. Bruce Sterling 3/2012
what if? Gastprof. Christian Zöllner
Das Projekt „Speculative Artefacts and Design Fictions“ hat das Ziel narrative Strategien in Entwurfsprozessen praktisch und experimentell zu erproben. Aktuelle und kritische Tendenzen in Gesellschaft, Wirtschaft und Ästhetik sind Gegenstand der den Entwürfen vorangestellten Analysen. Wie bewegen sich Menschen digital? Gibt es eine freie Informationswahl? Was ist das Verhältnis von Futtermittel zu essbarer Fleischmenge? Wie gehen wir in Zukunft mit Natur um, wenn es gar keine mehr gibt? Aus diesen und weiteren Kernfragen leiten die Studierenden konkrete Szenarien ab und spekulieren deren mögliche Implikationen für die gesamte Gesellschaft und das Individuum selbst. Die entstandenen Arbeiten verweigern sich einer klaren formalen und konzeptionellen Einordnung. Es gibt keine gemeinsam genutzte Technologie, nach deren Vorgaben entworfen wurde. Auch lässt sich kein grundlegend positivistisch-utopisches Zukunftsbild ausmachen; die Projekte umkreisen dunkle Aussichten, gehen einem dystopischen „What-if“ auf den Grund, das wenig Raum für Hoffnung lässt. Paul Kingsnorth, Autor, Künstler und Aktivist formuliert im Dark Mountain Manifesto eine Abkehr vom Fokus auf Sustainability und eine Hinwendung zum spekulativen Design. Kurz: Das Ruder lässt sich nicht mehr rumreißen, wir müssen uns aktiv und konstruktiv mit den Szenarien auseinandersetzen, die unweigerlich auf uns zukommen. Designer sind gut ausgebildet dafür, zukünftige Situationen zu analysieren und Lösungen vorzuschlagen. Sie kennen dieses unsichere Terrain in dem vieles nur vage ist und schwer zu bestimmen. Es ist ihr Berufsfeld, Möglichkeitsräume zu finden und ästhetisch wie funktional zu realisieren. Rapid Prototyping erlaubt an diesen Designprozessen schnelle überprüfbare Modelle zu erstellen, Ideen auf Sinn und Funktion hin zu erproben, vom Vagen ins Konkrete zu gehen.
„What if“, diese Frage steht vor jedem der aufgeführten Projekte. Was wäre wenn? Was wäre wenn die Wälder stürben, wenn es keine unmodifizierten Pflanzen mehr gibt? Welch Luxus wäre es, einen letzten Samen zu haben, der ohne Eingriff internationaler Saatgutkonzerne, naturbelassen ist. Wie gängen wir mit ihm um? Was ist Natur? Wann wäre es soweit? Wie stellen wir Luxus in dieser Zukunft dar und wie ist Reichtum gestaltet? Oft klingen solche Design-Fiction Szenarien weit her geholt, fantastisch und bizarr. Bei genauem Hinsehen wird aber deutlich, dass die futuristischen Idee schon heute in Grundzügen realisiert werden, Forschungsabteilungen fieberhaft an neuen Technologien und Medienkonzerne an immer neuen Abbildern und deren
Verbreitung arbeiten. Viktor Papanek verweist in seinem Buch „Design for the real World“ auf den „Haha! Aha! Ahh...“ Erkenntnisverlauf von Arthur Koestler. Dieses kleine Diagramm beschreibt den Prozess wie Menschen hintergründige und versteckte Kritik, Ironie und Satire aufnehmen. Erst Belustigung, dann Staunen, gefolgt von Erkenntnis. Auf ähnliche Weise reagieren Menschen auf Design-Fiction und spekulative Design Objekte: amüsiert, verwundert, irritiert. Die Irritation, die Störung im Erwartungsbild und damit verbundene Selbstreflexion sind Ziel und Methode. Wenn in Peking bereits die Kinder amerikanischer Diplomaten in ihrer Schule zum frische Luft schnappen in ein dem Gebäude vorgelagertes Zelt gehen, abgeschottet vom Smog und Staub der Millionenstadt, so rückt die von Klara Dlouha in diesem Band aufgeführte Zukunftsvisionen in erschreckend erfahrbare Nähe.
ANAL YZE
DETECTING NOW TENDENCIES
FANT ASIZE
PREDICTING FUTURE IMPLICA TIONS
RENDERING PLAUSIBLE SCENARIO
CONCRETIZE
DEVELOPING SIGNIFICANT OBJECTS
REALIZE
MAKINGAIT PHYSICAL EXPERIENCE
Als Grundlage für alle Arbeiten im Projekt dient ein Ablaufschema, welches das Semester in vier Teilphasen zu je 3 Wochen untergliedert. Analyze! Fantasize! Concretize! Realize! Dem Semesterprojekt sind Reader und Viewer beigestellt die auf einem gemeinsam zugänglichen Cloud-Server liegen. Texte, Filme, Bilder, Präsentations-PDFs sind so für jeden zu jeder Zeit zugänglich und können über den Semesterzeitraum ergänzt werden. Die Texte wurden im Kolloquium besprochen, ein Text je Student*in, jede*r sattelfest in der Argumentation, offen für Fragen von Kommilitonen und somit Teil einer größeren Kollektivintelligenz. Die Analysephase war geprägt von tieferen Betrachtungen aktueller Tendenzen in Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft. Auf Moodboards wurde die Recherche visualisiert und anhand der Materialauswahl diskutiert. Die aus dieser analytischen Betrachtung entstandenden Ideen und Konzepte wurden in der zweiten Phase fantasiert, als hypothetische Szenarien, vertieft, angepasst und in der dritten Phase konkretisiert.
Ist die Idee stichhaltig? Ist das Verhältnis Science zu Fiction gut ausbalanciert? Ist die Argumentation stimmig, kohärent? Welche ästhetische Dimension hat das Projekt? Diese Fragen wurden in zwei Zwischenpräsentationen verhandelt, finalisiert und in der letzten Phase als physisch erfahrbare Prototypen realisiert. Der Fokus liegt auf der sinnlich-reichhaltigen Erfahrbarkeit. Keine Renderings, wenig Text. Es geht um die Fähigkeit die eigene Haltung, Idee, Utopie umweglos als Objekt oder Konstellation darstellbar und somit für ein Publikum nachvollziehbar gestalten. Das ist das Ziel. Ob es erreicht wurde? Die vorliegende Sammlung der Ergebnisse stellt sich dieser Frage.
V e g e ta r i s c h e s J a g e n Konstantin Hinkel
Drohnen werden so allgegenwärtig sein, dass sie eine Erweiterung unseres Ökosystems darstellen. Eine zweite Natur. Damit einhergehend, findet eine konstante konsumorientierte Überwachung statt. Ähnlich dem Surfen durch das Internet mit einem schlecht gesicherten Internetbrowser, wird draußen in den Straßen und auf den Plätzen beobachtet wo sich Menschen befinden und welche Vorlieben sie haben. Ergebnis dieser technologisierten und automatisierten Überwachung ist ein differenziertes und vollständig auf die aktuellen vermeintlichen Bedürfnisse abgestimmtes Werbeangebot. Bereits heute ermöglicht der Service „Watson“ von IBM eine solche User-Zentrierung für großformatige, öffentliche Werbescreens an. Doch nicht jeder wird mit diesen Entwicklungen in Zukunft einverstanden sein. Aus vagem Unmut entwickeln sich weltweit neue Formen des Protests gegen diese ständige Form der Überwachung. Keine Hashtags und virtuellen Petitionen. Subversiv, aktionsbetont und hedonistisch sind die vielfältigen Ansätze sich gegen die zunehmende Drohnenpräsenz zu wehren. Auch das Vegetarische Jagen entsteht. In den dunkleren Ecken des Internet entsteht ein Diskurs über die Möglichkeiten sich vor der thermischen und optischen Überwachung zu tarnen. Wie kann die Bevölkerung der von Konzernen und Behörden gesteuerten zweiten Natur Herr werden, wie sich wehren? Das Jagen und Herunterholen von Drohnen entwickelt sich vom hinterwäldlerischen Sport zu einer urbanen Protestform.Am 07.03.2014 gewinnt Rapheal Pirker vor Gericht gegen die US-amerikanische Luftfahrtaufsichtsbehörde (FAA). Dieses Gerichtsurteil schafft einen Präzedenzfall der das kommerzielle Drohnennfliegen bis zu einer Höhe von 400ft (120m)erlaubt. Es dauert mehr als 1 Jahr, bis die FAA eine überarbeitete Version ihrer Regulationen veröffentlicht um kommerziellen Drohnenflug erneut zu unterbinden. Gerade mal 2 Monate nach Inkrafttreten der neuen Regulationen wird am 27.11.2015 durch Jamahl Rohs ein neuer Präzedenzfall geschaffen, der die kommerzielle Nutzung von Drohnen ohne Sondergenehmigung, diesmal in einer Höhe von 130ft (40m) zulässt.Wenige Wochen nach dem Urteil starten zahlreiche Unternehmen ihren eigenen auf Drohnen basierenden Services. Darunter Amazon, Dominos Pizza und Walmart.Unabhängig davon startet Google bereits in der Mitte des Jahres 2016 das Projekt „Solara“ über dem afrikanischen Kontinent. 3 Drohnen fliegen nun konstant über Afrika und versorgen die Menschen mit kabellosem 6G Internet. Die Drohnen des Typs “Solara 50“, entwickelt durch die von Google gekaufte Firma “Titan Aerospace“, zeichnen sich besonders dadurch aus, dass sie so gut wie wartungsfrei und autark, Jahre lang am Himmel bleiben können. Im Jahr 2018 werden, im Rahmen der Erweiterung des Projekt „Solara“, insgesamt 8 neue „Solara“ Drohen sowohl über den USA als auch weiten Teilen Europas positioniert. Der neue kabellose 6G Standard verdrängt alle anderen Formen des Internetzugangs vom Markt und wer Internetzugang braucht, muss sich nun mit Googles Geschäftsbedingungen einverstanden erklären. Die erste Studie zu den Auswirkungen des stetig wachsenden Drohnenverkehrs, nicht nur im kommerziellen, sondern auch privaten Bereich, auf heimische Vogel- und Kleintierarten wird am Ende des Jahres 2018 an der „Freien Universität Berlin“ veröffentlicht. Es beinhaltet ausschließlich kritische
Ausblicke auf die zukünftigen Entwicklungen lokaler Flora und Fauna.Zeitgleich wird an der „Columbia University in the City of New York“ ein weiterer Artikel zum Thema veröffentlicht, der die Situation weitaus unbedenklicher einschätzt. Am 14.11.2018 wird Facebook von Google gekauft. Die ebenfalls von Google gekaufte Firma „Skybox Imaging“ ist maßgeblich an der Entwicklung der neuesten Drohne vom Typ „Solara“ beteiligt. Die mit hochauflösenden optischen und thermischen Kameras ausgestattete Drohne wird zum neuen Standard im öffentlichen, kommerziellen wie auch privaten Sektor. Zeitgleich mit dem Einsatz der neuen Drohnengeneration beginnt Google das Projekt „Best Buddy“. Das Projekt Best Buddy bietet den Kunden von Google Internet Service nun die perfekte Unterstützung im Alltag. Komplexe Algorithmen können mit den durch die Drohnen seit Jahren gewonnenen Daten, einen beinahe lückenlosen Service anbieten um den Nutzer über eine Vielzahl von kontextsensitiven Angeboten und Vorteilen zu informieren, immer passend zum aktuellen Aufenthaltsort und abgeglichen mit den Gewohnheiten und Tagesabläufen des Nutzers. 80% Aller Drohnenserviceanbieter rüsten ihre Drohnen und AGBs so um, dass sie Daten für das Projekt „Best Buddy“ generieren können, um diese gewinnbringend an Google weiterzuverkaufen. Die ersten vegetarischen Jäger sind naturverbundene Menschen, echte Jäger, Förster, Farmer. Aber auch Rednecks und Drop Outs. Sie erleben die mit den Drohnen einhergehende Veränderungen in der Natur hautnah mit und sind bestens ausgestattet um auf Drohnenjagd zu gehen. Eine der ersten Entwicklungen im Bereich des vegetarischen Jagens sind Flintengeschosse die das Wirkprinzip von Bolas aufgreifen. Sie verschießen zwei aus Wachs gegossene Geschosse ,verbunden mit einer reißfesten Schnur. Sie sind nicht gemacht um viel Kraft durch den Schuss zu übertragen, sonder legen die Rotoren der üblichen Kopterdrohnen lahm und zwingen sie so zu Boden. Eine ebenfalls frühe Entwicklung ist ein Tarnparka der sowohl vor optischer als auch thermischer Überwachung schützt. Das Tarnmuster ist mit seiner vorgetäuschten Tiefe so angelegt das es besonders für mechanische Augen schwer einzuordnen ist. In Verbindung mit dem großzügigen Schnitt und der Möglichkeit das Gesicht bis auf die Augen in einer Kapuze zu verbergen, löst das Tarncape die Silhouette des Trägers bestmöglich auf. Schutz vor Überwachung durch Wärmebildkameras bietet das Innenfutter des Parkas. Durch den Einsatz von unterschiedlich dicken Lagen aus Glaswolle und Schichten aus Wärmestrahlung reflektierender Folien wird die Form des Trägers aufgelöst und sein Umriss unlesbar gemacht. Die Zahl der Drohnen steigt stetig weiter. Die nächste Generation an Jägern kommt aus der Stadt. Dieser neue Urbane Kontext bedingt ebenso neue Ausrüstung. Deutlich kleiner und perfekt zu verbergen, jedoch keinesfalls weniger effektiv. Schleudern werden ,geladen mit ähnlicher Bolamunition, schnell zur Standartausrüstung des städtischen Jägers. Neben dem offensiven Jagen wird der städtische Jäger auch immer weiter in eine defensive Haltung gedrängt. Großereignisse ,Demonstrationen und öffentliche Plätze stehen mehr und mehr unter Beobachtung durch die lauernden Drohnen der Obrigkeit. Doch der vegetarische Jäger ist gewappnet.
falscher hase Carolin Schulze
Fast ein Fünftel der globalen Treibhausgase werden durch Viehwirtschaft verursacht. Vierzig Prozent unserer ernährungsbedingten Treibhausemissionen verursachen wir durch tierische Lebensmittel. Ein Drittel dieses Ausstoßes entsteht durch die Abholzung von Regenwäldern in Südamerika. Allein für die Viehwirtschaft. Riesige Mengen von Wasser werden verschwendet. Neben langen Transportwegen ist die ineffiziente Biomasseumsetzung von Säugetieren, Geflügel und Fischen ein ausschlaggebender Punkt für die immer lauter werdende Kritik. Aus 10kg Futtermittel resultieren 5Kg Hähnchen, 3kg Schweinefleisch oder 1kg Rindfleisch. Im Vergleich dazu könnte man aus der selben Futtermenge 9kg Insektenfleisch gewinnen. 1400 Insektenarten, so eine Studie der Welternährungsorganisation, können die Welt ernähren. In Asien laufen derzeit Forschungsprojekte zu verschiedenen und kostengünstigen Futtermethoden von Insekten. Der große Vorteil des Insektenfarmings ist die „einfache“ Haltung von Insekten: Sie mögen es dunkel und brauchen wenig Platz und nahzu kein Wasser. Zudem sind sie Allesfresser und kommen teilweise mit Pappresten und einer Handvoll Küchenabfällen aus. Jeder kann in selbstgebauten Behältern seine Insekten ziehen. In Thailand und Laos ist das heute schon Realität. Zwei LKW-Reifen aufeinanderstapeln, Eierkartons mit Grillen einsetzen, Drahtgitter drüber und eine Handvoll Küchenabfälle hinein. Das funktioniert aber in Europa nicht. Noch können die Menschen ihr Schnitzel, stellvertretend für unterschiedlicche Zubereitungsformen tierischer Proteine, auf Kosten der Umwelt konsumieren. Aber auch mit ruhigem Gewissen genießen? Es ist leicht auszurechnen wie die Umwelt- und Ernährungssituation in 20 und in 40 Jahren aussehen wird. Zukunftsprognosen und gemeinsame ethische Werte fordern uns auf, nicht nur unser aktuelles Konsumverhalten zu überdenken, sondern auch umzusetzen. Menschen in Europa essen keine Insekten, weil die westliche kulturelle Prägung es nicht zulässt. Insekten verbinden die meisten Menschen mit Unreinheit und daraus resultierend Ekel. Nur die wenigsten würden freiwillig ihre Ernährung auf Insekten umstellen. Das Aussehen und die Erscheinung des Schalentieres schreckt sie ab. Wie kann dieses Problem gelöst werden? Indem man dem Insektenfleisch eine neue Form gibt und wir uns durch den „Look“ der Insektenspeise selbst überlisten. Der „falsche Hase“ transportiert historisch betrachtet eine ähnliche Aussage. Als „Falschen Hasen“ bezeichnet man ein Gericht, bestehend aus gekochten Eiern und Hackfleisch, dass in Zeiten knapper Nahrungsmittel stellvertretend für den kostbaren Sonntagsbraten war. Der „falsche Hase“ aus Insektenfleisch ist ein auf diesen Zusammenhängen beruhender Gegenentwurf, der moralisch und ökologisch vertretbar ist. Aktuelle und zukünftige 3D-Druck-Technologien ermöglichen eine freie Formwahl für die verfeinerten Rezepturen aus Insektenproteinen. Es wird durch die Verfügbarkeit in jedem Haushalt möglich sein eigenständig und nach Gusto Nahrung zu drucken. Der 3DDrucker Makerbot heißt ja heute schon Replicator, angelehnt an die automatisierte Essensausgabe auf dem Raumschiff Enterprise.
Mit dem Entwurf Falscher Hase liegt nun ein Konzept vor, dass beispielhaft-morphologisch eine Formstudie pr채sentiert: vom bekannten Bild des Hasen hin zur Heuschrecke in sieben Schritten, 3D-gedruckt mit einer speziell entwickelten Rezeptur basierend auf Mehlw체rmern.
b r i st l e r s Felix Krämer
Bristlers ist ein Startup Unternehmen mit einem besonderen Ziel: Menschen zu verbinden. Anders als üblich bei sozialen Netzwerken ist das Ziel des jungen Unternehmens jedoch nicht, gleichgesinnte und Menschen mit ähnlichen Interessen zusammen zu bringen. Vielmehr kann der Nutzer über Bristlers Mitmenschen treffen, die ein konträres Weltbild oder eine andere Meinung vertreten. Bristlers findet den kontroversen Gesprächspartner. Das erste von Bristlers auf den Markt gebrachte Produkt Bristle ist ein kleines behaartes Objekt, ein Gadget, welches als reale Erweiterung zu dem sozialen Netzwerk dient. Es ist per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden und kann auf unterschiedliche Gesprächsthemen eingestellt werden. Sobald also ein potentiell spannender Gesprächspartner in der Nähe ist, zeigt das Gerät Abneigung an, indem es die Härchen auf seiner Oberfläche aufstellt. Ob dies der Fall ist und wie weit der andere Teilnehmer entfernt ist, wird über den GPS Standort des Smartphones ermittelt. Während Menschen ihren Tag scheinbar selbst gestalten, gibt es Algorithmen und Datensätze, die ihnen Entscheidungen vorwegnehmen, erleichtern und das Leben vorbestimmen. Es ist eine Welt der Auflösung, der Durchdringung. Computersysteme haben gelernt, Gemütsregungen zu lesen und selbstjustierende Algorithmen berechnen aus der Geschichte der Menschheit, was als nächstes passieren kann und wird. Dinge wie Ratlosigkeit, Unwissen, Spontaneität sind zu purem Luxus geworden. Wo auch immer wir unsere Schritte hinsetzen – jeder Schritt unseres Lebens wird in Echtzeit analysiert. Auch soziale Interaktion wurde über die Jahre derart an die Bedürfnisse der Menschen angepasst, dass dank perfekt zusammenpassender Gruppen und Persönlichkeiten kontroverse Diskussionen kaum mehr stattfinden. Der Vorsatz “Finde Freunde in deiner Nähe...” ist derart gut umgesetzt, dass er zu geistiger Immobilität geführt hat und sich Meinungen über die Jahre zementiert haben. Der 2012 von Eli Pariser geprägte Begriff der “Filterblase” (gleichnamiges Buch “Filter Bubble”) beschreibt genau diesen Effekt und ist inzwischen zu einer handfesten Realität geworden. Wie begegnen wir also jenem allgegenwärtigen System, welches laufend unsere Handlungen auf Korrelation mit Entscheidungen unserer Vergangenheit überprüft? Wie behalten wir uns vor, wenigstens ein bisschen “unberechenbar” zu sein? An dieser Stelle kommt Bristle ins Spiel. In dem Smartphone App und dem Online-Profil kann der der Bristler die Themenauswahl und ein polemisches Meinungsprofil seines Bristles einstellen. Die Interaktion mit dem Gegenüber findet persönlich statt und zielt damit auf eine reale Begegnung ab, für die ein Anstoß gegeben
wird. Das junge Startup erhofft sich vor allem zwei Ergebnisse eines solchen Netzwerks: Erstens entgehen die Nutzer für kurze Zeit der Filterblase und erweitern ihren Horizont erheblich, lernen zu akzeptieren, dass es andere Meinungen gibt und kommen auf Gedanken, die in ihrer üblichen Umgebung unauffindbar wären. Der zweite Punkt ist – Es handelt sich hier um einen Albtraum für Überwachungs- und Analyse-Mechanismen. Die Basis für Überwachung, nämlich dass die politische Einstellung im direkten Zusammenhang mit Bekanntenkreis, Herkunft, Aufenthalt und dergleichen steht, wird durch ein solches paradoxes Sozialverhalten aufgeweicht. Das Bewegungsprofil eines Menschen, der sich dann und wann mit Menschen vollkommen anderer Auffassungen trifft und unterhält, lässt in dem von Bristlers angestrebten Szenario kaum mehr einen
Aufschluss über seine wahre politische Einstellung zu. Zuguterletzt können durch eine entsprechende Vernetzung mit Plattformen anderer Netzwerke die dort entstandenen Filterblasen verwässert werden und plötzlich entstehen die sonderbarsten Verbindungen zwischen den denkbar unterschiedlichsten Menschen. mehr auf bristlers.com
habitat|r Klara Dlouha
Handlung Dieses hypothetische Objekt entstammt dem Jahr 2089. Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Die Menschen leiden an Krankheiten, die Luft ist nahezu ungenießbar, das Wasser ist verschmutzt, die Vegetation wird von saurem Regen geplagt, ursprüngliche Pflanzen sind fast gänzlich ausgestorben. Es überleben nur einige genetisch modifizierte Pflanzenarten. Die konsumorientierte Lebensweise senkte den Lebensstandard auf ein Minimum. Erst als es am schlimmsten ist realisieren die Menschen ihre Fehler. Es bricht eine Zeit des Bewusstseins ein, in welcher für uns alltägliche und gewöhnliche Dinge sehr kostbar werden. Es kommt zu einer Abwendung von modernen Technologien und einer Hinwendung zu natürlichen Lebensweisen. Reichtum besteht aus einer Sammlung genetisch nichtmodifizierter Pflanzen, welche von Menschen gezüchtet und behütet werden und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Das Objekt Es handelt sich um einen schützenden Behälter für eine ursprüngliche Pflanze. Der Behälter bewahrt ein einzigartiges und wertvolles Stück Natur. Das Objekt ermöglicht dem Menschen im Jahr 2089 ein kostbares und rares Erlebnis in einer Zeit, in welcher die Luft massiv verschmutzt ist.
Das Objekt setzt sich aus vier hauptsächlichen Bestandteilen zusammen; aus dem gläsernen Teil (Tubus), aus dem Glas für die Pflanze, dem Sockel und dem Filter. Für die Zeit für welche dieses Projekt bestimmt ist, ist menschliche durch maschinelle Arbeit ersetzt, auch der hölzerne Sockel ist deshalb durch einen 3D-Druck erstellt. Das Objekt soll als Kontrast zur lebendigen Natur wirken. Die Form des Behälters erinnert an ein Monument welches den Verlust symbolisiert genauso wie Wertschätzung nach dem Untergang, Tod aber auch Belehrung und Ewigkeit. Ich würde mit diesem spekulativen Objekt gerne eine Einsicht bei den Betrachtern bewirken dafür was durch unser Tun verursacht werden könnte und diesem vorzubeugen.
Ein Filter säubert in den Behälter einströmende Luft und speichert den sauberen natürlichen Sauerstoff, welcher von der Pflanze produziert wird; die gesäuberte Luft kann anschließend inhaliert werden. In der ersten Schicht des Filters befindet sich ein spezieller Pilz, welcher die Luft von Schadstoffen säubert. Im zweiten Teil befinden sich kleine Papierstücke, welche den einzigartigen Duft der Pflanze resorbieren. Dank idealer Umstände (Nährstoffzufuhr anhand eines speziellen Gels, Klima, Trennung vom verschmutzten Raum) überleben die Pflanzen und können sich vermehren. Im Sockel befindet sich eine Leuchtdiode welche sich zur verbesserten Sichtbarkeit zum Betrachten der Pflanze anschalten lässt.
M O R P HM E N T Max Bastian
Unsere Welt ist durch stetig ansteigendes Wachstum gekennzeichnet. Prognosen sagen eine Weltbevölkerung von 11 Milliarden Menschen für das Jahr 2100 voraus. Immer mehr Wohnraum wird benötigt, riesige Metropolen und Megacities entstehen. Die Industrie und Infrastruktur muss sich diesem Wachstum anpassen, um diese Massen an Menschen zu versorgen. Gleichzeitig müssen Naturräume dieser Ausbreitung weichen. Man entfernt sich immer weiter von der ursprünglichen Natur, die allen unseren Existenzen zu Grunde liegt. Vielmehr setzt eine Verkünstlichung ein. Eine Art Hyperzivilisation entsteht, eine Welt berührungslos mit der Natur, immer unfähiger mit dieser umzugehen. Die Natur verkommt zum Gegenpol der sich ausbreitenden menschlichen Zivilisation, wobei vergessen wird, dass der Mensch selbst von natürlicher Beschaffenheit ist. Bestimmte Instinkte und Gefühlsmuster können sich durch den fehlenden Umgang mit der Natur nicht richtig ausprägen. Unnatürliche Verhaltensweisen bewirken ein Ungleichgewicht in unserer Umgebung und man läuft Gefahr, dass sich die Menschheit gegen ihre eigentliche Herkunft wendet. Meine Produkte sind Raumelemente, welche ein Signal in dieser Entwicklung setzen. Sie sollen den Anreiz geben, sich unseren Zuständen bewusst zu werden und rückzubesinnen. Es wird dabei die Frage gestellt, ob wir in einer komplett verkünstlichten und technisierten Umgebung eine Art Naturersatz brauchen, der die unbefriedigten Sinne der Naturwahrnehmung wieder ansprechen soll, die innere, angeborene Sehnsucht nach der natürlichen Harmonie. Es handelt sich dabei um 3D-gedruckte Elemente, die im Raum hängen und in ihrer Gestaltung abstrahierte Formprinzipien und Wachstumsmuster der Flora und Fauna aufnehmen. Um den Bezug zur Natur aufzugreifen bestehen sie aus LAYWOOD, einem holzbasierten Druckfilament. Die Strukturen dieser Elemente sind relativ dünn und fein aufgebaut, sodass sie immer noch flexibel sind und sich verformen lassen. Mithilfe eines Nickel-Titanium-Drahtes können sich die Elemente bewegen. Dieser Draht zieht sich bei Anlegen eines Stromes zusammen und dehnt sich wieder in seine Ursprungsform aus, wenn der Strom nicht mehr fließt. Da dies weniger ein technischer, sondern ein physikalischer Vorgang ist, werden damit sehr organische Bewegungen erzeugt. In einem harmonischen Rhythmus angesteuert, kann man somit dynamische Bewegungsabläufe darstellen. Es entstehen also Objekte, welche nicht tot und künstlich wirken, sondern vielmehr eine dynamische Ausstrahlung haben und Anzeichen von natürlicher Lebendigkeit in sich besitzen. Diese Ausstrahlung soll auf den Nutzer übergehen, indem er Vorgänge sieht und wahrnimmt, die ihm abgeschottet von der Natur schon längst nicht mehr bewusst geworden sind bzw. die er unbewusst schon lange vermisst hat. Sein Gespür für das Natürliche und die ihm innewohnende Harmonie, die auch Grundlage des Menschen selbst ist, wird wieder sensibilisiert.
„Warum spielt die Harmonie, die in der Natur so deutlich zu Tage tritt, nicht auch in unserem gesellschaftlichen Leben eine wesentliche Rolle? Vielleicht, weil wir so fasziniert von unserer Macht, der Macht des Erfindens und Vollbringens sind, dass wir die Kraft der Grenzen aus den Augen verloren haben. Aber nun sehen wir uns plötzlich gezwungen, die Ausbeutung unserer zu Ende gehenden Bodenschätze und den Bevölkerungszuwachs in manchen Teilen der Erde zu limitieren und auch der immer maßloseren Macht von Staat, Großkapital und Gewerkschaft angemessene Grenzen zu setzen. Wir müssen wieder lernen, Maß zu halten und die richtigen Proportionen zu finden.“ -György Doczi-
l i v in g l i g h t Fei Shan
so! und nicht anders Karl Russel
Entsprechen Sie in all Ihren Handlungen und äußeren Erscheinung dem Ihnen zugewiesenen Geschlecht! Schönheitsideale sind naturgegeben und erstrebenswert! Vom Äußeren Erscheinungsbild können Sie auf den Charakter eines Menschen schließen. Teilen Sie Ihren erschöpfenden Lebensstil mit, ohne sich zu beschweren! Seien Sie stolz darauf, auf sich selbst Druck auszuüben. Darstellung ist alles!
bloboter Robert Dippel Im 21st Century Robot Manifesto schreibt Brian David Johnson, dass es an der Zeit ist, sich »radikal andersartige Roboter« vorzustellen. Demnach existiert ein Roboter zuerst in der Vorstellung, ist einfach zu bauen und sein Quellcode und seine Bauteile sind komplett open source. Seine Entwicklung erfolgt iterativ in mehreren Evolutionsstufen. Er ist zutiefst sozial und mit eigenem Bewusstsein und Wünschen erfüllt. Er kann selbstständig Entscheidungen treffen und denkt für sich selbst. Bloboter sind mitwachsende Roboter, die sich gemeinsam mit einem Kind entwickeln. Ausgestattet sind sie mit einer künstlichen Intelligenz, die sie nicht streng linear und logisch handeln lässt, sondern sie vielmehr mit einer gewissen Irrationalität und Unberechenbarkeit versieht. Zugleich wird es dank Rapid-Prototyping immer einfacher werden, individuelle Objekte vor Ort schnell und günstig herzustellen. Aus Kunststofffilament werden beispielsweise Bauteile 3D-gedruckt. Eine große Gemeinschaft stellt Baupläne für Anbauteile online und bietet Kits zum Verkauf an. Die beinhalten alles, was nicht gedruckt werden kann, wie etwa Motoren, Sensoren und Prozessoren. Des Weiteren gibt es auch Tauschbörsen für gebrauchte Teile. Alle Teile kommunizieren über Funkschnittstellen mit der Kernzelle, die die passenden Treiber dafür umgehend aus der Cloud lädt. Die Kernzelle versorgt sie auch über Induktion mit Energie, sodass ein einfacher Anschluss per Plug and Play möglich ist. Das psychische und physische Wachstum der Roboter ist eng an die menschliche Persönlichkeitsentwicklung gekoppelt und beginnt mit der Geburt eines Kindes. Die kugelförmige Kernzelle des Bloboters fungiert in der ersten Zeit als Sendestation eines Babyphons und überwacht wie diese den Geräuschpegel und die Atemund Herzfrequenz des Kindes. So, wie das Kind neue Fähigkeiten erlernt, lernt auch der Bloboter dazu. Wenn das Kind beispielsweise beginnt, auf Geräusche zu reagieren und gezielt zu greifen, fängt der Bloboter an, sich interessant zu machen. Er summt und flötet, wackelt vor sich hin. Dank Motoren und Schwungmassen im Inneren kann sich der Bloboter auch rollend fortbewegen, sobald das Kind mobil wird und krabbeln lernt. Es wird so zu Aktivität ermuntert, da sich mindestens eines seiner „Spielzeuge“ von ihm fortbewegen kann. Nach etwa einem Jahr, wenn das Kind gerade laufen lernt, bekommt der Bloboter zum ersten Mal neue Anbauteile. Die Eltern des Kindes bestellen das erste Fortbewegungs-Kit, drucken die dazugehörenden Teile direkt aus und montieren sie. Der Bot bekommt Beine, aber keine Anweisung, wie sie genau zu verwenden sind – das muss er, wie das Kind auch, selbst lernen. Im nun folgenden zweiten Lebensjahr probieren Kind und Bot sich aus, machen Fehler, lernen dazu. Nach dem zweiten Geburtstag, wenn das Kind sich verständlicher ausdrücken kann, beginnt die dritte Phase der Bloboter-Entwicklung: er wird größer und nimmt eine neue Form an. Gemeinsam mit den Eltern – und vielleicht auch mit dem Bot selbst – wird entschieden, welche Form das sein soll.
Großer Zeitsprung vorwärts: das Kind ist jetzt alt genug, seinen Gefährten selbst zu modifizieren. Der Bloboter kann sich mittlerweile artikulieren, hat ein Bewusstsein und einen eigenen Willen. Beide entscheiden gemeinsam, wie es voran gehen soll. Neue Anbauteile können temporär sein, einer Laune oder einem Trend entsprechen, aber auch dauerhafter Teil des Bloboters werden. Assistent, Freund, Haustier, Kommunikator, Sidekick – all das kann ein Bloboter sein. In einer Welt, in der jeder mit jedem und alles mit allem vernetzt ist, Informationen gefiltert und aufbereitet präsentiert werden, ist man doch wieder froh, wenn Technologie nicht einfach nur stupide funktioniert, sondern, wie es über Jahrzehnte in der Science-Fiction erträumt wurde, schlagfertig, unkonventionell und liebenswert – kurz: menschlich ist.
ground meat Suhair Al-Kazimi GROUND MEAT von Hackbro® ist der ultimative Spiel-Spaß für die ganze Familie! Schlüpfe selbst in die Rolle des Bauern und lerne alles über das spannende und lustige Farmleben! Kaufe Ackerland, züchte süße rosa Schweinchen mit der Mega-Schweinemastpresse und kreire leckere Würstchen mit dem Wurst-Buzzer! Nie war Schlachten so kinderleicht! Du wolltest schon immer wissen, wo all die leckeren Sachen wie Bockwurst, Hack und Sülze herkommen? Dann ist GROUND MEAT von Hackbro® genau das Richtige für dich! Zeige deinen Mitspielern, wie gerissen du bist und erklimme als erster den großen, mächtigen Hash-Cash-Berg! Entdecke, wie spielend leicht sich Unmengen von Geld mit diesem rosaroten Geschäft verdienen lassen und werde in kürzester Zeit zum mächtigsten Wurst-Mogul der Erde! Hau einfach so oft wie möglich auf den Wurst-Buzzer und du wirst sehen, wie die Schweine-Scheine nur so vom Himmel regnen! Im GROUND MEAT von Hackbro® entscheidest allein du, wie weit dich dein Weg zum Erfolg führen wird! Hänge alle anderen Mitspieler ab, indem du das meiste Land kaufst und die meisten Schweine mästest und damit immer höher aufsteigst. Oben ist nur Platz für Einen! Besitzt du das letzte Stück Land, dann bist du der GROUND MEAT-KING und das Spiel ist vorbei! PARENTAL ADVISORY: Machen Sie sich keine Sorgen darüber, ob dieses Spiel für ihre Kinder ungeeignet, moralisch bedenklich oder gar zu brutal sein könnte. Denken Sie immer daran: Schweine sind zum Schlachten da! Sie haben unsere Garantie: Dieses Spiel ist mindestens so harmlos wie Bärchenwurst. Thema des Gesellschaftsspiels GROUND MEAT ist die Zuspitzung einer endlosen Maschinerie, die sich ewig dreht und für den Durchschnittsverbraucher nahezu unsichtbar ist: Die Fleischindustrie. Unsichtbar ist bisher auch das verheerende Ausmaß der Auswirkungen und Folgen dieser Industrie für die gesamte Welt. Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass sie das Klima beim Verzehr von nur einem Kilo Rindfleisch so stark belasten wie bei einer 1.600 km langen Autofahrt und dass für das gute Stück neben einem Lebewesen auch etwa 10 Kilo Getreide und 15.500 Liter Wasser draufgegangen sind. Über die moralischen Aspekte des Tötens von Lebewesen zum Zwecke des Verzehrs lässt sich endlos diskutieren, über Zahlen und Fakten, die unseren Planeten und seine Ressourcen direkt betreffen jedoch nicht. Die Konsequenzen sind eindeutig ermittelbar und nicht zu ignorieren. Großflächige Wald- und Regenwaldrodungen für Ackerflächen, Übersäuerung von Boden und Grundwasser durch Gülleabfall, globale Erwärmung durch die ansteigenden Treibhausgas-Emissionen und antibiotikaresistente Keime, die in den Tierfabriken gedeihen. Mit dem stetig wachsenden Phänomen der Massenversorgung mit Fleischprodukten, welche durch die immer extremer werdende Industrialisierung des Erzeugungsprozesses ermöglicht wird, wachsen die daraus resultierenden Probleme exponentiell. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen nimmt der Verzehr von Fleisch bisher
weltweit um 2,3 % jährlich zu. Die Nachfrage nach Fleisch wird bis zum Jahr 2050 voraussichtlich um 200 Millionen Tonnen - also um 2 Drittel der jetzigen jährlichen Produktionsmenge - steigen. Fleisch ist in breiten Teilen der Welt eine Art Grundnahrungsmittel, auf das kaum jemand verzichten möchte und nebenbei so billig, dass wir es uns leisten können knapp ein Drittel der weltweit jährlich produzierten 300 Millionen Tonnen wegzuwerfen. Diese Zahlen sind nicht grenzwertig oder beunruhigend, sondern bei genauer Betrachtung blanker Wahnsinn. Mein Anliegen ist es, diesen im Hintergrund ablaufenden Wahnsinn sichtbar zu machen, indem er auf satirische Weise in einem Spiel vermittelt wird, ohne den moralischen Zeigefinger und Emotionalisierung, sondern durch eigene Erfahrung und Erkenntniss. Der Spieler befindet sich selbst in der Rolle des Bauers, stellvertretend für alles Fleisch ist hier Schwein, welches in Europa und Asien auf der Beliebheitsskala ganz oben steht. Die Spieler werden in die Welt der Fleischproduktion eingeführt und sehr bald vor wichtige Entscheidungen gestellt. Sie können wählen zwischen vernünftiger und maßvoller Fleischproduktion - bei der allerdings keine hohen Aufstiegschancen bestehen - und einer kometenhaften Karriere als Supermastbetreiber, der die Stufen der Maschine emporsteigt und nach und nach die restlichen Spieler abhängt. Dabei werden Schweine aus Knetmasse in der Mastmaschine stranggepresst und später mit dem Wurstbuzzer geschlachtet und verarbeitet, wodurch dem ganzen Produktionsszenario noch ein pysisches, haptisches Erlebnis beigeführt wird. Gern wird der ekelhafte Teil der Fleisch-Prozedur vom Konsumenten ausgeblendet, es findet irgendwo im Hintergrund statt und man wird lediglich mit den ansehnlichen Endresultaten konfrontiert, und alles Unangenehme findet ausgelagert statt, wogegen es in diesem Spiel jedoch bewusst mit einbezogen wird. Hier wird dem romantischen Bauernhof-Idyll die Maske abgerissen und alle Konsequenzen der Fleischindustrie offenbart und erfahrbar gemacht. Der Spieler muss Landressourcen-Karten abpuzzeln, auf deren Unterseite er Informationen zu den direkten Folgen seines Wirtschaftens findet. Ist die letzte Land-Karte aufgedeckt, sind alle Wald-Ressourcen aufgebraucht und das Spiel ist vorbei, der Planet ist am Ende und kann nicht weiter geschröpft werden. Es gibt kein Gewinnen, alle verliern, selbst wenn nur einer unvernünftig handelt und ganz nach oben will - er reißt am Ende alle mit in den Abgrund. Dieser radikale Spielausgang zeigt das Ungleichgewicht zwischen Einzel- und Kollektiv-Verantwortung auf - so wie es auch in der realen Welt stattfindet - und soll die Spieler zur Diskussion anregen.
Speculative Artefacts and Design Fiction Entwurfsprojekt im Sommersemester 2014 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle . Gastprof. Christian Zöllner
StudentInnen: Suhair al-Kazimi
Klara Dlouha
Karl Russell
Maximilian Bastian
Konstantin Hinkel
Carolin Schulze
Robert Dippel
Felix Krämer
Fei Shan
Gestaltung und Redaktion: Suhair al-Kazimi & Christian Zöllner Auflage: 250 Stück
www.burg-halle.de/design www.theconstitute.org