Hier wird die Schrift für ein Plakat mit Fahrradketten nachgebaut. Natürlich haben die Designer auch scherzhalber Wörter wie »Busen« und »Penis« zurechtgelegt. Drum herum gab es eine komplette Fahrrad-Kampagne.
Büros wahrgenommen und ausgezeichnet. Zur Trophäensammlung zählen etliche Joseph Binder Awards, der Deutsche Designpreis, ein Merrit Award beim Art Directors Club NY, ein European Design Award usw. Da hat nicht einmal der Ruf, etwas »softymäßig« (Ramoser) zu sein geschadet, im Gegenteil. Mittlerweile klopfen sogar große Unternehmen an, die früher eher mit der verbalen Brechstange agiert haben. Sägenvier agiert nicht immer nur dezent und subtil. Wenn es drauf ankommt, kann man sogar aktionistisch werden. Bei einer Kampagne für die Arbeiterkammer Vorarlberg zum Thema »Schulden von Jugendlichen« schickte man einen bärtigen »SchuldenfallenTrapper« auf die Straße, in die Öffentlichkeit. Handy- und Autokosten, Telefonsex oder Kreditraten – das befördert viele Jungen ins finanzielle Abseits. Die Entscheidung für eine auffällige, durchaus lustige Art bei einem ernsten Thema hatte gute Gründe: »Wir wussten, mit herkömmlicher Werbung können wir den mächtigen Werbeimpulsen nichts entgegenhalten.« Manchmal kann sich auch etwas Unvorhergesehenes aus einer Zusammenarbeit entwickeln. Für ein neurologisches Krankenhaus hatte man zur Recherche Interviews mit Patientinnen und Patienten geführt. Die erwiesen sich als so gehaltvoll, dass schließlich eigene Geschichtenhefte daraus entstanden, die leidvolle, aber auch positive Erfahrungen schilderten.
Wo bin ich? Sägenvier ist auch ein Beispiel dafür, dass im Bereich der Kommunikation die Grenzen längst fließend sind. Ob Illustration oder Editorial, Design für Unternehmen oder Verpackungen, Branding oder Social Advertising, Webdesign oder Illustration und wie sie alle heißen: Es herrscht ein freies Spiel der kreativen Kräfte. Ein Bereich hat sich dabei in den vergangenen zehn Jahre als besondere Spezialität von Sägenvier herauskristallisiert: die Signaletik. Im klassischen Sinn versteht man darunter Leitsysteme, die Menschen bei der Orientierung auf komplexen Arealen wie Flughäfen, Büros oder Krankenhäuser helfen. Doch Signaletik ist weit mehr als nur Hinweistafeln oder Piktogramme. »Es geht auch um Unterhaltung, Corporate Identity,
wie gut und komfortabel die Menschen geführt werden«, so Ramoser. »Wenn man etwa beim Bürohaus eines Telekom-Unternehmens die Ebenen der Tiefgarage mit Städtenamen codiert, also Como 3 statt C3 sagt oder ein Stockwerk ›Timbuktu‹ nennt, dann ist das eine Identitätsübersetzung. Denn das Unternehmen verbindet ja Städte und Gebiete. Das schafft Bewusstsein bei den Mitarbeitern wie bei den Kunden.«
Geben und Nehmen Verbinden ist auch eine weitere wesentliche Stärke von Ramoser und seinen Mistreitern. In der heimischen Kreativbranche zählt das Büro zu den bestvernetzten überhaupt, was auch durch Netzwerkstudien belegt ist. »Schon in den 80er Jahren haben wir für unterschiedliche Agenturen gearbeitet, was bei manchen mit Misstrauen gesehen wurde. Dabei wollten wir einfach unser Spektrum möglichst weit aufmachen. Das Wort Kooperation war damals nicht so in aller Munde wie heute.« Als man 2001 das Büro Sägenvier gründete, war klar, dass man in immer wechselnden Teams arbeiten würde – teils mit Angestellten, teils mit Freelancern. »Aus unserem Büro haben sich im Lauf der Jahre drei, vier eigene Büros etabliert. Aber anders als bei den Werbeagenturen haben jene, die gegangen sind, nie Kunden mitgenommen. Das hat noch nie zu Konflikten geführt. Es ist eine lang gelebte Erfahrung, wie man mit Know-how-Transfer umgeht.« Die Vernetzung betrachtet Sigi Ramoser nicht als notwendiges Übel, sondern als Chance, den Wettbewerb nicht nur als ein Rittern um den nächsten Auftrag zu begreifen. »Es besteht ein freundschaftlich gewachsenes Interesse zwischen anderen Büros und uns.« Nicht zuletzt schafft das Freiräume, die man selber genießen kann. »Irgendwann wollte ich nicht mehr alles selber machen. Das Beste, was mir heute passieren kann, ist ein Projekt gemeinsam mit interessanten Menschen durchzuführen. Wie man Dinge lustvoll umsetzt, darauf kommt es schließlich an.« www.saegenvier.at 047