The Gap 136

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Links: Jay-Z Rechts: Lady Gagas Hufe

Neue Pop-Satanisten — Kanye West und Verschwörungstheorien 2.0

Satan Walks 029 Kanye West nennt sein neues Album »Yeezus«. Wie Jay-Z ist er für viele Verschwörungstheoretiker im Netz ohnehin ein satanischer Hohepriester. Weitere Pop-Satanisten: Beyoncé, Rihanna und Lady Gaga. Aber was haben eigentlich die Illuminaten mit alledem zu tun? anderen Pop-Satanisten auf fruchtbaren Boden fallen. Luzifer und die Musik haben schon eine lange gemeinsame Historie. Robert Johnson schloss an einer Kreuzung einen Vertrag mit dem Teufel, dem er angeblich den Blues verdankte, für den er bis heute in Erinnerung geblieben ist. Macht und Verführungskraft der Musik bringen den Teufel schon immer in Verbindung mit Tanz und Ekstase. Der Baphomet, der Teufel als Ziegenbock, ist eine mittlerweile weit verbreitete Darstellung, deren Ursprung im antiken Fabelwesen Pan liegt, das wiederum Sex, Lust, Wein und Musik verkörperte. Gerade in der Popmusik spielte dieses Dionysische, das die Kirche im Mittelalter verteufelt hatte, wieder eine große Rolle – Tanz, Ekstase, das Unkontrollierbare.

»Do what thou wilt« Angebliche Rückwärtsbotschaften auf Platten sind wie Verschwörungstheorien die Vereinfachung von solch komplexen Zusammenhängen. Aber unterhaltsam. Bei dem Beatles-Song »Revolution 9« sollen die Worte »Turn me on, dead man« rückwärts zu hören sein. Eine doppelte Reminiszenz an den Song lieferte Danger Mouse, als er ihn für einen Remix von Jay-Zs »Lucifer« sampelte und eine Rückwärtsbotschaft einbaute: »I can introduce you to evil. Murder murder Jesus. 666. Catholics, I gotta murder them.« Benzin ins Feuer für alle, die ihn sowieso für einen satanischen Hohepriester halten. Aber auch für die Publicity-Maschine. Jay-Z lässt sich nur zu gern mit den Händen zum Dreieck geformt oder einem Sweater mit dem Crowley-Credo »Do what thou wilt« ablichten. Ob es ihm nun der Teufel verraten hat oder nicht, er weiß, wie das Geschäft läuft. In einem Interview streitet er jede Verbindung zu den Illuminaten ab, bevor er einräumt: »I’m an entertainer at the end of the day. Maybe I’ll push your buttons but you know …«

Text sandra adler Bild Universal Music

Kryptische Twitternachrichten kündigten Kanye Wests sechstes Studioalbum zuerst an: »Yeezus«, abgeleitet von Wests Spitznamen »Yeezy«, soll es heißen. 2006 ließ er sich mit Dornenkrone für das Cover des amerikanischen Rolling Stone fotografieren. Diese Blasphemie, sein Riesenerfolg und geheime Handzeichen sind deutliche Beweise, finden einige Verschwörungstheoretiker. Kanye West ist ein Satanist und er ist nicht der einzige im Show-Business. Die neue Riege der Teufelsanbeter besteht nicht aus Metal- und Rockmusiken, sondern ist im HipHop und Pop zu Hause. Viele von ihnen berichten laut Verschwörungstheoretikern offen von ihrer Besessenheit. Beyoncé erzählt z.B., wie Sasha Fierce, ihre extrovertierte Bühnenpersona, beim Auftritt in ihren Körper fährt. Katy Perry hingegen spricht im Interview darüber, ihre Seele verkauft zu haben. Tatsachenberichte. Man mag denken: Egal, lasst die Leute dumm sterben. Durch die rasante Verbreitung und Allgegenwart dieser Ideen im Netz ergibt sich aber auch eine ganz andere Frage: Was ist Wahrheit im Internet und wer hat die Macht, sie zu behaupten? Am deutlichsten wird dieses Problem, wenn in nahezu allen Theorien plötzlich die Illuminaten ins Spiel kommen. Und die Freimaurer. Deren Symbol, das Auge der Vorsehung, hat mit Satanismus nichts zu tun. Bisher. Wahrheit bestimmt, wer die Macht hat und die Institutionen der Macht konstruieren sie, um ihre Hegemonie zu erhalten – so grob eine von Foucaults Kernthesen. 1885 veröffentlichte Léo Taxil, nachdem er aus der Freimaurerei ausgeschlossen wurde, ein Buch über deren angebliche luziferische Orgien. Für die Verbreitung seiner Geschichte nutzte er den Argwohn der katholischen Kirche. Mittlerweile braucht dieses Gerücht den Vatikan nicht mehr. Im Internet ist jede Wahrheit erst einmal gleichberechtigt und Fakten wie Hirngespinste verbreiten sich auch so. Die andere große Frage aber ist, warum Geschichten von Kanye und den

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