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Warum Samnaun Deutsch spricht Jürg Wirth // Christian Jenal, Führer im Dorfmuseum Samnaun erinnert sich daran, weshalb in seiner Gemeinde nur noch Deutsch gesprochen wird und nicht mehr Romanisch – wie früher. Auch in Samnaun sprach man bis ins 18. Jahrhundert Romanisch. Dass diese Sprache dort mittlerweile verloren gegangen sei, liege an der Kirche und am Handel, weiss Christian Jenal. Vor rund 1000 Jahren hätten Unterengadiner Samnaun besiedelt und folglich auch gleich ihre Sprache mitgebracht, das Romanische – und die Namen ebenfalls. Zegg und Jenal hiessen und heissen die Ursamnauner, sagt Christian Jenal, und das seien beides ladinische Namen. Währenddessen Kleinstein oder Heis einen germanischen Ursprung hätten. Wie überall, herrschte auch in Samnaun erst der katholische Glauben vor, bis zur Reformation, die 1529 im Unterengadin einsetzte. Bereits 1530 bekannten sich die ersten Samnauner zum reformierten Glauben, und 1571 setzte die Gemeinde den ersten reformierten Pfarrer ein. Zur besten Zeit der Reformierten sei das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten fast ausgeglichen gewesen, weiss Jenal dank des Studiums diverser Bücher. Nach und nach hätten die Katholiken dann aber wieder
die Mehrheit und somit die Oberhand zu gewinnen begonnen. Überzeugte Protestanten mit Namen wie Stamm oder Morell hätten Samnaun den Rücken gekehrt und seien wieder zurückgekehrt ins Engadin. Katholischer Handel Dies könnte durchaus auch wirtschaftliche Gründe gehabt haben, die eng an den Glauben gekoppelt waren. Denn die Hauptgeschäftspartner der Samnauner waren die Tiroler, bekanntermassen durch und durch katholisch. Die Samnauner kauften Jungvieh, in erster Linie Kälber aus Tirol. Diese zogen sie ein, zwei und manchmal sogar drei Jahre auf und verkauften sie mit Gewinn innerhalb der Schweiz weiter. Nun legten die Tiroler aber Wert darauf, die Geschäfte nur mit ihresgleichen abzuschliessen, das heisst, ebenfalls mit Katholiken. Weil andere Handelspartner nur schwer oder gar nicht zu erreichen waren, fügten sich die Samnauner, die Geschäfte treiben wollten. Sie blieben oder wurden katholisch und sprachen zumindest beim Handel
Christian Jenal kennt sich aus in der Geschichte Samnauns.
Deutsch. Doch nicht nur die Geschäfte florierten über die Grenze, sondern auch die Liebe. Es seien viele Samnauner gewesen, die ihre Frauen in Tirol gefunden hätten, weiss Jenal. Eine reformierte Engadinerin in Samnaun sei noch vor 50 Jahren ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, sagt der der Dorfhistoriker. Deshalb kam die romanische Sprache nach und nach zum Erliegen. Die Frauen sprachen sie nicht, die Kinder dann auch nicht, und die Männer konnten es ihrer Familie auch nicht mehr beibringen. Um 1820 herum, so schätzt Jenal, sei das Romanische dann in Samnaun ganz ausgestorben gewesen. Heute erinnern nur noch die Flurnamen daran, dass Romanisch einst die Hauptsprache im Tal war. Allerdings hätte es mittlerweile auch wieder einige romanischsprachige Frauen in Samnaun, sagt Jenal, ob sich das Romanische aber je wieder durchsetzen wird, bezweifelt er.