TagesWoche_37_2012

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Region

Der nächste USVize ist Katholik «Blogposting der Woche» von Sofie Dittmann

Auch das noch

Die falschen Lehrer

Intellektuelles Shoppen

Religion bestimmt hier das politische Leben mehr, als Europäer denken und mir persönlich lieb ist. Potenzielle Kandidaten werden auf ihre Religion abgeklopft. Es ist wichtig, zeigen zu können, dass man einer (christlichen) Kirche angehört. Obama hat vor vier Jahren auch alles getan, um seine christliche Religionszugehörigkeit zu untermauern. So widmete sogar NPR («National Public Radio») dem Fakt eine ganze Sendung, dass der nächste Vizepräsident (Joe Biden wie auch Paul Ryan) auf jeden Fall Katholik sei. Meine erste Reaktion: «Who cares?» Aber dann

Meine Bekannten beklagen, dass Staat und Kirche zu sehr verwoben seien. entschloss ich mich, doch ein paar Bekannte zu fragen, von denen ich weiss, dass sie ihren Glauben ernst nehmen. Und ich stach bewusst in ein Wespennest, denn Politik diskutiert man hier privat nicht gerne. Eine der Befragten schickte mir auf Facebook prompt eine private Nachricht, ob ich sie nicht aus dem Dialog entfernen könne, sie mische sich in solche Gespräche nicht ein. Die anderen entspinnen eine Diskussion, die so gar nicht mit Biden und Ryan speziell zu tun hat, sondern eher mit der allgemeinen politischen Lage. Der Konsensus ist, dass Religiosität und Politik hier zwischenzeitlich zu sehr verwoben seien. Dass der Staat zu viele Funktionen der Kirche übernommen habe, etwa Armenhilfe und Wohlfahrt, und dass sich zu viele Politiker auf die Bibel beriefen, nur um Minderheiten zu unterdrücken. All diese Aussagen kamen von Leuten, die ich bisher als ziemlich konservativ erlebt hatte. Wieder einmal denke ich, wie schade es ist, dass wir nur zwei Parteien haben. Es wäre Raum für so viel mehr Vielfalt, wenn man das System reformierte. tageswoche.ch/+azuwh

Sofie Dittmann lebt in Wooster, Ohio, und beobachtet dort den US-Wahlkampf für den TagesWocheBlog «Wahltag».

TagesWoche 37

Malenas Welt

Nicht nur, wie wir einkaufen, ist entscheidend, auch das Wo spielt eine grosse Rolle.

Von Malena Ruder

Immer nur turnen. Ist das die Zukunft der Basler Schule? Foto: Keystone

Normalerweise macht die Schule die Schüler nervös, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Wegen der Schulreform geht es in Basel nun aber auch den Lehrern so. Die Verlängerung der Primar um zwei Jahre auf Kosten der Sek bringt es mit sich, dass einige Magister Schule und Stufe wechseln müssen. Um unnötigen Stress zu vermeiden, versucht das Erziehungsdepartement, den Lehrern so viele Standortwünsche wie möglich zu erfüllen. Das ist gut gemeint, hat aber auch negative Folgen, wie sich in besonders motivierten Kollegien zeigt, die sich bereits ein erstes Mal getroffen haben. Da kam zum Beispiel jene nette, aber etwas einseitige Runde mit hauptsächlich Turn- und Zeichnungslehrern zusammen. Nach einer langen, sehr langen Vorstellungsrunde und einer sehr kurzen Beratung war den Spezialisten klar: So geht Schule nicht, mit hauptsächlich Turnlehrern, schon gar nicht an diesem Standort ohne eigene Turnhalle. Zumindest ein paar Mathe- und Sprachlehrer bräuchte es schon noch. Und vielleicht wäre auch noch ein bisschen Geschichte, Geo, Bio und so gut. Nun ist die Verunsicherung gross, an dieser Schule wie in ein, zwei anderen Kollegien, die zumindest bis vor Kurzem ebenfalls zu den besonders motivierten gehört haben. Das Erziehungsdepartement versucht zu beruhigen und spricht von einer rollenden Planung. Die bisherigen Standortzuweisungen seien provisorisch, die neuen Kollegien sollten sich eigentlich erst nach den Herbstferien treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt werde es noch Wechsel geben. Vielleicht ist das aber gar keine so gute Idee. Weil es ohne weitere Wechsel weniger verärgerte Lehrerinnen und Lehrer gäbe. Und wohl auch mehr zufriedene Schülerinnen und Schüler, die den ganzen Tag turnen und zeichnen können, anstatt sich mit undurchschaubaren Formeln und unnötiger Grammatik abzumühen. Von Michael Rockenbach tageswoche.ch/+baenc

Einkaufen zu gehen bedeutet ja eigentlich, dass man Geld gegen etwas tauscht, das man braucht, und das mehr oder weniger dringend: Essen, weil man Hunger hat, oder eine Winterjacke, weil der Sommer vorbei ist. Wer möchte oder sonst nichts zu tun hat, kann auch Shoppen anstatt einzukaufen, dann ist der Vorgang Geld gegen Sachen keine reine Grundbedürfnisbefriedigung mehr, sondern ein Hobby. Stunden-, tage-, wochenlang durchkämmt man diverse Läden, on- oder offline, um das Ersehnte zu erlegen, das man oft erst erkennt, wenn man es sieht; diese Suche nach dem Ungewissen gehört dazu. Es gibt verschiedene Arten des Shoppens: Frustshoppen, zum Beispiel, eine Ersatzbefriedigung. Belohnungsshoppen, eine schöne, wenn auch etwas egozentrische Sache. NeuesImage-braucht-neue-Kleider-Shoppen: kann gut oder verheerend enden. Aber auch die Wahl des Ladens ist entscheidend: ein Fairtrade-Geschäft verkauft immer ein gutes Gefühl, selbst wenn einem die Sachen nicht gefallen. Besonders hervorzuheben ist der Museumsshop. Er wird nicht betreten, um einzukaufen, sondern weil er da ist, denn Schöngeister erwerben nichts Materielles, sondern nur Künstlerisches. Deshalb ist der Shop meist so geschickt platziert, dass man sich einreden kann, man hätte gar nicht gemerkt, dass man die ausgestellten Sachen kaufen kann – na, so was, da ist ja ein Preisschild! Die Museumsbesucher, die Poren aller Sinne nach so viel Gesehenem weit offen, sind dem plötzlichen Konsum hilflos ausgeliefert, wie Kinder an den Süssigkeitsständen der Kasse greifen sie zu – die Glücklichen kommen mit einer Postkarte davon, andere ergattern mehrfarbige Stifte oder Geduldspiele. Das macht aber auch nichts: Das Tolle an Museumsshops ist, dass sie völlig sinnfreie Dinge verkaufen – denn schliesslich geht es hier um Kunst.

tageswoche.ch/+babpc Dieser Handspiegel mit Nasenspiel macht noch glücklicher als eine Postkarte: Fr. 3.50, Kunstmuseum Basel, St. AlbanGraben 16, www.kunstmuseumbasel.ch

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