Porträt
brachte ich sie zum Brünieren ins Geschäft von Walter Schneebeli nach St. Gallen», erzählt Crottet. Das war die Weichenstellung. Als er die Pistole später abholen wollte, war der Geschäftsinhaber per Zufall selber hinter dem Ladentisch. «Schneebeli schaute auf die Uhr und wollte sogleich mit mir zum Zmittag», so Crottet, dessen C96-Nachbau es Schneebeli offenbar angetan hatte. Man beschloss, die Waffe an der kommenden Waffenbörse in Neuenburg am Stand der Firma Mauser persönlich zu zeigen.
Eine Parabellum als Start Eine weise Entscheidung, stellte sich im Nachhinein heraus. Der Verantwortliche am Stand der Mauser fragte Crottet, ob er denn je schon eine Waffe im Massstab 1:2 gebaut habe. Crottet verneinte, aber von da an liess ihn die Faszination an sogenannten «HalfScale»-Modellwaffen nie mehr los. Zu Hause machte er sich an die Arbeit und in 300 Arbeitsstunden («in der Freizeit wohlverstanden, denn ich war ja nebenbei noch Servicemonteur») entstand seine erste Waffe im Massstab 1:2, eine Luger Parabellum 1908. Walter Schneebeli war wiederum begeistert und kaufte Crottet die Parabellum, wie schon die C96, ab und zahlte die verlangten 12'000 Franken umgehend in bar. «Alles Geld, das ich in meine Kellerwerkstatt investierte», so Crottet rückblickend. Durch einen Zufall und über drei Ecken kam Crottet danach in Kontakt zum US-Amerikaner Joseph D. Kramer aus Pittsburgh. Dieser, selber ein passionierter Modellwaffensammler, gab Crottet eine erste Bestellung für eine Half-Scale Modellwaffe. «Diese Replika wurde in Unterhosen eingewickelt in die Vereinigten Staaten zu Kramer gebracht», lacht Crottet. In den Folgejahren konnte Crottet komplette Modellwaffenserien für Joe Kramer herstellen. Letzterer ehrte den Thurgauer Waffenbauer sogar mit einem eigenen Buchkapitel. Und auch sonst lobten Fachzeitschriften im In- und Ausland Crottets Modellwaffen, beispielsweise jene des deutschen Fallschirmjägergewehrs von 1942. «Das war wohl der komplexeste Nachbau, gerade so im Bereich des Kolbens», so Crottet rückblickend. «Aber me darf kes Problem schüüche!»
Ostschweizers. Denn parallel zum Modellwaffenbau begann Crottet auch mit Waffentuning. Für die damalige Combat-Szene baute er so beispielsweise bei P 210 seitliche Magazindruckknöpfe ein. Dies erregte das Interesse der SIG, welche einen Auftrag aus dem Nahen Osten für P210-Pistolen mit der Möglichkeit zum schnellen Nachladen hatte. An sich kein Problem für Crottet. Dieser rüstete schon seit den 70er Jahren P210 mit seitlichen Knöpfen aus. Als nun eine Anfrage der SIG direkt kam, stellte der Ostschweizer der Waffenfabrik eine Bedingung: Die Originalserie sollte eine eigene Typenbezeichnung bekommen. Die SIG willigte ein und so gingen schon bald 30 SIG-Pistolen 210-8 in ein Emirat am Persischen Golf. Weitere 200 Stück wurden nachproduziert und mit der letzten Ziffer 8 in der Bezeichnung konnte sich Léon Crottet ein kleines Denkmal setzen. «Bis heute habe ich Kunden, die
von weit her aus dem Ausland hierher kommen», so Crottet nicht ohne Stolz. Jede professionelle Arbeit ermöglichte ihm seit jeher eine gute Mund-zu-Mund-Propaganda und jeder Auftrag zog irgendwie noch weitere Kreise. Und so ist es nicht unverständlich, dass selbst nach der Pensionierung Léon Crottet immer noch ab und zu in seiner Werkstatt anzutreffen ist. Pension ist eben doch Interpretationssache.» ●
Pas très connu comme armurier, mais célébrité internationale en tant que constructeur d’armes miniatures: c’est Léon Crottet d’Oberwangen, en Suisse orientale. Agé de 65 ans, il est retraité depuis peu de temps . . . ou pas vraiment? Il semble que tout cela soit une question d’interprétation. De toute manière, 65 ans c’est l’âge parfait pour faire un bilan.
Das Fallschirmjägergewehr 1942.
Eigene Typen-Nummer
Die wohl grösste Ehre erlebte Crottet von der SIG in Neuhausen am Rheinfall. Dies jedoch nicht aufgrund einer seiner detailgetreuen Modellwaffen und auch nur auf Eigeninitiative des feinmotorisch begabten
Eine SIG 210-8, nur wenige hundert Stück gibt es davon.
54 SchiessenSchweiz TirSuisse // TiroSvizzera // TirSvizzer
Ausgabe 12 // Dezember 2012