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«DIESER AUFSTIEG IST NUR EIN WEITERER SCHRITT»
from SWISS GOLF 05-22 DE
by swissgolf.ch
Jeremy Freiburghaus spricht über seinen Aufstieg auf die führende europäische ProfiTour. Der 26jährige Bündner zielt aber noch höher als die DP World Tour.
Interview J R Me Reynard
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Jeremy Freiburghaus, was bedeutet die Qualifikation für die DP World Tour für Sie persönlich?
Das ist mein Ziel, seit ich im Alter von acht Jahren mit dem Golfspielen begonnen habe. Ich wollte schon immer auf der European Tour oder auf einer amerikanischen Tour spielen. Es bedeutet einen grossen Schritt nach vorne in meiner Karriere und ich kann mich nur darüber freuen.
Sie sprechen von einem Ziel. War es also mehr als ein Traum? Sagen wir, es war ein bisschen von beidem. Es ist ein kleiner Kindheitstraum, der in Erfüllung geht, das ist klar. Aber wenn ich von einem Ziel spreche, dann deshalb, weil diese Promotion auf die DP World Tour nicht das Ende ist. Sie ist nur eine Etappe. Ich will noch höher hinaus.
Was heisst das?
Ich möchte Majors spielen, Turniere und Majors gewinnen. Das ist mein wahrer Traum, mein ultimatives Ziel. Ich bin mir bewusst, dass diese Art zu reden in der Schweiz manchmal überrascht. Wir sind solche Leistungen im Männergolf nicht wirklich gewohnt. Aber das heisst nicht, dass ich mir das verbieten muss. Jeder Profi strebt danach, auch wenn es vielleicht nicht jeder wagt, das so zu behaupten wie ich.
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie eine Karriere auf höchstem Niveau anstreben können?
Als ich zwischen 10 und 14 Jahre alt war, spielte ich sehr gut. Ich war so gross, dass ich härter und weiter schlagen konnte als andere. Ich sah, dass diese Kraft von Vorteil war. Mit 16 Jahren hatte ich mehr Schwierigkeiten auf dem Golfplatz, aber am Ende meiner Amateurkarriere habe ich wieder gute Leistungen erbracht.So habe ich den grossen Schritt gewagt und war überzeugt, dass ich das Zeug dazu habe. Als Amateur habe ich bereits an einigen Turnieren der Challenge Tour teilgenommen und dabei recht gut gespielt.
Jeremy Freiburghaus
Die Swiss Challenge war für Jeremy Freiburghaus ein kleines Jubiläum. Der Bündner spielte in Saint Apollinaire sein 50. Turnier auf der Challenge Tour. Nach seinem 75. Platz klassiert sich Freiburghaus aktuell als achter in der Jahreswertung. Die besten 20 Spieler Ende Jahr erhalten die Spielberechtigung für die DP World Tour 2023 (früher European Tour). Mit dem Rolex Challenge Tour Grand Final Anfang November sind bloss noch vier Turniere auf dem Saisonprogramm. So ist der Aufstieg für Freiburghaus bloss noch Formsache. «Nun geht es im Rest der Saison noch darum, innerhalb der Top 20 eine möglichst gute Ausgangslage zu erspielen, das kann bei grossen Turnieren im nächsten Jahr entscheidend sein», sagt Performance Manager Stuart Morgan zur Ausgangslage für den aktuell besten Schweizer. Die Grundlage für den Aufstieg von Freiburghaus waren seine beiden zweiten Plätze im Mai und August, dazu kam er bisher vier Mal in die Top-10. Zusammen mit den anderen Resultaten ergibt dies ein Preisgeld von knapp 110 000 Euro. So erfolgreich war noch kein Schweizer auf der Challenge Tour unterwegs. Damit wird der 26-Jährige Bündner der erste Schweizer mit einer vollen Spielberechtigung seit Julien Clément (2003 und 2004), Joel Girrbach konnte 2019 mit einer «eingeschränkten» Tourkarte insgesamt 17 Events bestreiten.
In der Welt des Profi-Golfs haben Sie vier Jahre gebraucht, um von der Pro Golf Tour über die Challenge Tour zur DP World Tour aufzusteigen.
Ich habe mich jedes Jahr stark verbessert. Aber ich denke, dass dies ein normales Aufstiegstempo für einen etablierten Spieler auf der DP World Tour ist.
Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg insgesamt?
Ich habe in meiner bisherigen Karriere gute und schlechte Zeiten erlebt. Und die schlechten Zeiten haben mir geholfen, zu verstehen, was ich tun muss, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen, wenn mein Spiel nicht funktioniert. Das heisst, einfache Dinge machen, bei dem bleiben, was ich gut kann, und nicht an meinem Schwung zweifeln.
Wenn man ein Schweizer ist, der die DP World Tour anstrebt und Jahr für Jahr hört, dass es dem Schweizer Golf nicht gelingt, einen Spieler auf höchstem Niveau bei den Männern zu etablieren, wie geht man damit um?
Es ist frustrierend. Man hat das Gefühl, dass die Schweizer nicht an uns glauben. Aber es macht auch Lust zu beweisen, dass es möglich ist. Wir sind ein kleines Land, wir können nicht wie Frankreich oder England zehn Spieler auf der Tour haben. Aber wir sind auf dem richtigen Weg, mit vielen guten Golferinnen und Gol fern. Das inspiriert zur Nachah mung. Persönlich hat mich der Erfolg von Albane Valenzuela, Morgane und Kim Métraux enorm motiviert. Drei Frauen auf höchstem Niveau, aber kein einziger Mann – so konnte es nicht weitergehen! (lacht)
Kann diese Erwartungs haltung gegenüber dem Männergolf einen negativen Druck auf die Spieler ausüben? Wahrscheinlich schon. Aber ich habe nie gedacht, dass gerade ich ‘der’ Schweizer sein muss, der endlich wieder auf der Tour spielt. Aus einem ganz einfachen Grund, den ich bereits erwähnt habe: Ich will mehr als nur diesen Aufstieg.
Sie sind der Beweis dafür, dass man mit Swiss Golf erfolgreich sein kann, ohne unbedingt an einer amerikanischen Universität zu studieren.
Das ist richtig. Während meiner Informatik-Lehre hatte ich das Glück, einen entgegenkommenden Arbeitgeber zu finden.
Dazu muss ich mich auch bei Swiss Golf für die jahrelange Unterstützung bedanken. Und damit meine ich nicht nur die finanzielle Unterstützung. Seit zwei Jahren wird die Betreuung der Spieler individueller gestaltet. Performance Director Stuart Morgan und Assistent Roberto Francioni haben mir mit ihrer Erfahrung und ihren Analysen enorm geholfen, um vor allem meine Spiel und meine Stärken zu kennen und sie besser einzusetzen.
Sie haben erwähnt, welche Rolle Albane, Morgane und Kim für Sie gespielt haben. Ist es auch für Sie wichtig, andere – vor allem jüngere Spieler – zu inspirieren?
Auf jeden Fall. Meiner Meinung nach muss in unserem Land noch mehr getan werden, um den Golfsport unter jungen Menschen populärer und zugänglicher zu machen. Meine Rolle in diesem Prozess ist es, alles zu unternehmen um zu zeigen, dass es ein toller Sport ist, und dass es für einen Schweizer möglich ist, an die Spitze zu gelangen.
Was tun Sie damit der Spass nicht verloren geht?
Ich will ehrlich sein: Ich hatte auch Phasen, in denen mich der Golfsport genervt hat. Und ich bin bei weitem nicht der Einzige, dem es so geht. Wenn es nicht läuft, macht Golf keinen Spass. Aber ich glaube, dass man als Profi in der Lage sein muss, Golf ab und zu als Hobby zu betrachten und mit Freunden eine lockere Partie zu spielen. Wenn man ständig an Wettkämpfe und Ergebnisse denkt und unseren Sport ausschliesslich als Arbeit sieht, kann die Freude verloren gehen. Man muss ein gutes Gleichgewicht finden.
Was wird sich für Sie bei der DP World Tour am meisten ändern?
Die Saison ist länger und es gibt mehr Turniere. Ich muss meinen Kalender anders verwalten. Auf der Challenge Tour gibt es immer noch Wochen ohne Events, in denen man sich entweder ausruhen oder intensiv trainieren kann. Bei der DP World Tour wird es darauf ankommen, die richtigen Momente zu finden, um die wenigen Zeitfenster optimal zu nutzen.

Wie sieht es mit Ihrem Team und Ihrem Umfeld aus?
Ich spiele gut mit meinem derzeitigen Team mit meinem Vater als Trainer, der Mutter als Ernährungsberaterin, einem Konditionstrainer und einem Mentaltrainer. Ich sehe keinen Grund für einen Wechsel. Allerdings muss ich mir für die Saison einen festen Caddie suchen.
Ist das Spielniveau auf der DP World Tour viel höher?
Ich würde sagen, dass es vor allem eine grössere Dichte im Spielerfeld gibt. Was ich bei den wenigen Turnieren der DP World Tour, die ich bisher gespielt habe, bemerkt habe, ist, dass der Zustand und die Vorbereitung der Plätze auch anders sind, insbesondere was die Roughs und die Fahnenpositionen betrifft. Ich werde mein Spiel und meine Strategie sicherlich anpassen müssen. Auf der Challenge Tour bin ich ein recht aggressiver Spieler. Aber auf harten und schnelleren Grüns und mit komplizierteren Fahnenpositionen muss ich überlegter spielen. Ich bin fähig, mich anzupassen. •