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Die Challenge von ex-Pro Yves Auberson

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QUIZ

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Yves Auberson gewann 1988 die Schweizer Junioren Meisterschaft und spielte danach fast ein Jahrzehnt als Golf-Pro auf der Tour. Mit 35 erkrankte der Waadtländer an Parkinson. Er wurde ein zweites Mal Spitzensportler, aber diesmal zum Überleben und sein nächstes Grossprojekt ist geplant.

THÉRÈSE OBRECHT HODLER

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Es ist eine Geschichte von Mut und Willenskraft. Die eines jungen Familienvaters und leidenschaftlichen Sportlers, der erfährt, dass er an Parkinson leidet, einer neurodegenerativen Krankheit, die die schrittweise Zerstörung der sogenannten Dopamin-Neuronen im Gehirn verursacht, welche die Motorik des Körpers regulieren. Yves Auberson war 35 als ihm die Ärzte mitteilten, dass ihm höchstens noch 15 Jahre bleiben würden. Heute ist Yves Auberson 52. Als ich beim kleinen Wohnblock in Nyon läutete, rannte der frühere Golfprofi buchstäblich die Treppe hinunter, um mir die Türe zu öffnen. Auberson erwähnte seine «17 gemeinsamen Jahren mit Parkinson» mit einem Humor, den er trotz seines harten Schicksals nie verloren hat. Seine Zeit auf der Tour, unter anderem zusammen mit dem Walliser Steve Rey – «mein bester Kumpel» –, war spannend aber nicht einträglich genug. «So wechselte ich danach ins Immobiliengeschäft». Im Jahr 2010, als ihn die Parkinson-Symptome noch nicht allzu sehr behinderten, machte Auberson eine Weltreise, dann arbeitete er als Sportcoach. «Sport ist die beste Medizin. Wenn ich laufe, scheint mein Körper die Krankheit zu vergessen», sagt der grossgewachsene Westschweizer.

«WIE EIN TÄNZER AUF DEM HOHEN SEIL»

Diese Entdeckung wurde sein Mantra und sein Lebensinhalt. 2019 gründete er die Vereinigung Défi Parkinson

(Parkinson-Challenge), deren Ziel es ist, sowohl gegen vorgefasste Meinungen anzugehen als auch zu zeigen, dass ein intensives, sportliches Training es erlaubt, die Auswirkungen der Krankheit zu mildern und bestenfalls sogar seine Träume zu verwirklichen. Den Beweis dazu lieferte Auberson vor drei Jahren mit der Überquerung der Alpen in 100 Tagen. Über tausend Kilometer zu Fuss, über Stock und Stein, in vier- bis fünfstündigen Tagesmärschen. Sein Sohn Arnaud, damals 17 Jahre alt und Student an der Handelsfachhochschule, begleitete ihn teilweise und sah, wie sein Vater stürzte, sich die Beine aufschürfte und die Knöchel verstauchte – und immer wieder aufstand und weiterlief. «Ich fühlte mich wie ein Tänzer auf dem hohen Seil. Aber ich kämpfe, weil ich nicht will, dass die Krankheit die Oberhand gewinnt», lächelt Auberson und fügt hinzu, dass er während dieser langen Bergtour, die mit einem Empfang durch seine Supporter in Montreux endete, «ins Leben zurückgekehrt» sei.

SPORT IN DIE THERAPIE INTEGRIERT

Diese unglaubliche sportliche Leistung, die gefilmt und in der Westschweiz und in Frankreich am Fernsehen* ausgestrahlt wurde, fand ein überwältigendes Echo. Tausende von Menschen reagierten und schrieben ihm: «Der Erfolg war viel grösser, als ich je erhofft hatte.» Par- kinson, eine der am weitesten verbreiteten degenerativen Krankheiten, und zwar nicht nur im höheren Alter, wurde zu einem öffentlich debattierten Thema. Und Auberson erhielt eine Anstellung als Sportcoach in der Klinik Valmont in Glion. Dort arbeitet er jetzt einmal pro Woche, oft mit Patienten, die ebenfalls an degenerativen Krankheiten, Alzheimer, Multipler Sklerose usw. leiden. «Sport ist heutzutage in die Therapie integriert, denn er hilft, die Krankheits-Syndrome zu verlangsamen. Ich habe eine Art Vorbildfunktion und die Patienten erzählen mir oft von ihren Problemen», sagt Auberson mit leuchtenden Augen.

EINES STATT 18 MEDIKAMENTE PRO TAG

Nach seiner Alpenüberquerung rieten ihm jedoch seine Ärzte, sich einer Operation zu unterziehen, um sowohl die Parkinson-Symptome als auch die Menge an Medikamenten zu verringern, um einigermassen «einsatzfähig» zu bleiben. Bei diesem Eingriff (der auch gefilmt wurde) implantierten die Spezialisten des Universitätsspitals von Lausanne Elektroden in sein Gehirn, die wie Neurostimulatoren wirken und die Bewegungen harmonisieren. «Ich bin ein sozusagen ein ‘vernetzter’ Mensch», scherzt Auberson und zückt ein spezielles Smartphone, mit dem er die Elektroden so einstellen kann, dass entweder die Motorik oder das Sprechen privilegiert wird.

Diese Technik wird ab und zu als «Hirnschrittmacher» bezeichnet. Doch die Analogie zum Herzschrittmacher ist falsch: Während das Implantat im Brustkorb Signale des Herzens ersetzt und es zum Schlagen anregt, ist die Elektrode im Gehirn eher ein Störsender: Sie unterbricht die Signalübertragung zwischen zwei oder mehr Hirnstrukturen. «Sie löst eine Handbremse dort, wo sie gelöst werden muss, oder bremst eine überschiessende Aktivität aus».

Seit der Operation sei er zwar «zehn bis fünfzehn Jahre jünger geworden», doch die Entwöhnung von achtzehn Medikamenten auf ein einziges pro Tag sei äusserst schmerzhaft gewesen. Und das «dritte Leben», das nach der Operation begonnen hat, erfordert ein tägliches Training, um wieder flüssig sprechen zu lernen. Anders gesagt: Die zuckenden Bewegungen sind verschwunden aber viele Wörter ebenso...

WIEDER 100 TAGE UNTERWEGS

Unser Gespräch – übrigens eine perfekte LogopädieÜbung – dauerte über eine Stunde. Zum Schluss kündigte Auberson sein grosses Projekt für 2023 an: Eine neue Expedition über 100 Tage, diesmal mit einem dreirädrigen Fahrrad, das in Deutschland nach Mass angefertigt wird. Die Route ist bereits auf einer Schweizer Karte an der Wand skizziert. Sie ist noch nicht definitiv, aber eines ist sicher: Auberson, ein Wettkämpfer mit Leib und Seele, stellt sich wieder einer Herausforderung, die jeden gesunden 50-Jährigen auf die Probe stellen würde. Nach der eindrück lichen Begegnung war mir plötzlich klar, dass er dank seiner schweren Krankheit die Kraft gefunden hat, nicht nur bis an seine physischen Grenzen zu gehen, sondern weit darüber hinaus. •

* «Mein Leben ist eine Herausforderung», ein Film von Stephan Rytz. Diverse Videos sind auf der Webseite www.defi-parkinson.ch zu sehen.

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