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Interview: Theo Bonick, PropTech1 Max Meister, Swiss Start-up Group

«Konvergenz auf allen Ebenen»

Finanzierung – Der Boom im PropTech-Sektor hält an. Max Meister, Mitgründer der Swiss Startup Group, und Theo Bonick, Kommunikationsmanager bei PropTech1 in Berlin, kommentieren Trends – und die sich zuletzt häufenden Finanzierungsrunden.

Von Michel Donath – Fotos: zVg

SwissPropTech-Magazin: Wie steht es aktuell um die Finanzierung von PropTechs in Europa und insbesondere in der Schweiz? i Max Meister: Gemäss den neuesten von PitchBook veröffentlichten Zahlen wurden 2021 insgesamt 3,6 Milliarden US-Dollar in PropTech-bezogenes Venture Capital (VC) in Europa, einschliesslich der Schweiz, investiert. Dies ist nicht nur ein Rekord in den letzten fünf Jahren, sondern auch das 3,5-Fache im Vergleich zu 2020. Auch der Blick auf die Schweiz zeugt von Wachstum: Von 26 Millionen Dollar im Jahr 2020 hat das VC hier um das 2,3-Fache auf 59 Millionen

«Wir erleben eine Dollar im Jahr 2021 zugelegt. In absoluten schnelle Reifung des Ökosystems der Zahlen spielt die Schweiz jedoch noch keine sehr wichtige Rolle: Tatsächlich entfallen auf die Schweiz auf Jahresbasis 1,5

PropTech-Start-ups bis 3,0 Prozent der Venture-Capital-Inin der Schweiz.» vestitionen in PropTechs. Dies ist wenig Max Meister Swiss Startup Group überraschend, weil da das Gesamtvolu men der VC-Investitionen in Europa zu letzt stark gewachsen ist. Theo Bonick: Genaue Zahlen schwanken stark mit der Definition, welche Themen, Sektoren und Geschäftsmodelle man tatsächlich zu PropTech zählt. Wir gehen von einem ungefähren Investmentvolumen von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr in Europa aus. Auf den deutschsprachigen Raum entfallen davon laut einer Studie von Blackprintpartners 666 Millionen Euro pro Jahr.

Wie hoch ist der Anteil des Venture Capital im Vergleich zu anderen Technologien? Meister: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da sich die technologische Ausrichtung ständig ändert, insbesondere im Hinblick auf disruptive Trends wie FoodTech, FinTech und DeFi/Web 3.0. Betrachtet man jedoch beispielsweise die weltweiten Daten zu aufstrebenden Technologien im vierten Quartal 2021, so steht das PropTechSegment, gemessen am Wert der Transaktionen, an fünfter Stelle. Eine weitere interessante Perspektive ist der Blick auf themenbezogene VC-Fonds oder Spezialfonds: Bei den DeFi/Crypto-, FoodTech- und ClimateTech-Fonds gibt es einen Boom – was bei PropTech noch nicht ganz der Fall ist. Positive Perspektiven werden sich wahrscheinlich ergeben, wenn sich das Ökosystem in Europa weiter verfeinert. Bonick: Ich denke, hier muss man gar nicht einzelne Technologiesegmente miteinander vergleichen. Der Einsatz von technologischen Lösungen in allen Branchen ist ja ohnehin nicht mehr wegzudenken. Fakt ist, dass das Investment-Volumen in den PropTech-Bereich in den letzten 7 Jahren rasant um circa 45 Prozent pro Jahr gewachsen ist, was allerdings nicht weiter erstaunlich ist vor dem Hintergrund, dass vor diesem Zeitraum das Wort PropTech bei den allerwenigsten Menschen auf diesem Planeten auf dem Schirm war.

Investieren VC-Geber vorzugsweise in einem frühen oder eher späteren Stadium in PropTechs? Meister: In US-Dollar, auf europäischer Ebene geht der Löwenanteil eindeutig über die Seed Stage hinaus, beispielsweise machen die Series A und B 53 Prozent aller Investitionen aus, auf die Series C und folgende entfallen 40 Prozent. Die Situation in der Schweiz ist etwas anders, da die Investments hier ausgewogener verteilt sind: 24 Prozent für die Seed-Phase, 30 Prozent für die Series A und B und 46 Prozent für die Series C und folgende. Bonick: Es kommt ganz darauf an, welche Strategie ein Investor verfolgt und welche Renditeerwartung er hat. Wir als PropTech1 Ventures zum Beispiel investieren am liebsten in der frühen Phase, also zum Beispie in der Seed- oder SeriesA-Runde. Wir haben dann noch Möglichkeiten, aktiv und gestaltend an der Entwicklung des Startups teilzunehmen, und die Aussicht auf einen höheren ROI bei einer niedrigeren Einstiegsbewertung ist logischerweise auch besser. Gleichwohl steigt damit das Risiko, denn ein Start-up kann oftmals erst in späteren Phasen nachweisen, dass es sich bereits am Markt etabliert hat.

Welcher PropTech-Markt ist attraktiver – der Schweizer oder der europäische? Meister: Das ist schwer zu beurteilen, denn in der Realität liegen die Verdienste im Einzelfall bei jedem spezifischen Unternehmen und nicht bei einem Land. Die Qualität der Gründerunternehmer zum Beispiel spielt eine grosse Rolle. Hinzu kommt, dass die Schweizer PropTech-Szene auch auf den europäischen Markt ausgerichtet ist: Von Anfang an streben die Unternehmensgründer eine Expansion auf den europäischen oder sogar den Weltmarkt an. Davon abgesehen, ist es offensichtlich, dass sich die Investoren schon immer auf europäische Länder wie Grossbritannien, Deutschland, Frankreich und Spanien konzentriert haben. Sie waren in den letzten fünf Jahren immer unter den Top 5 und machten zusammen 75 bis 90 Prozent der Gesamtinvestitionen auf Jahresbasis aus. Wir erleben jedoch eine schnelle Reifung des Ökosystems der PropTech-Start-ups in der Schweiz, was unserer Meinung nach mehr innovative Talente dazu bringen wird, sich in diesem Segment zu engagieren. Die Ausbildung vieler Talente an den Schweizer Universitäten wird diese Entwicklung beschleunigen. Bonick: Innerhalb von Europa sehen wir nur eine geringe Korrelation zwischen dem Erfolg und der Herkunft eines PropTechs. Europa, als Gesamtheit gesehen, ist aber in unseren Augen attraktiver als bspw. die USA, weil sich der Start-up-Markt angesichts der dort aufgerufenen Unternehmensbewertungen überhitzt hat. Europa ist da glücklicherweise noch etwas konservativer.

Gibt es neue Trends im Bereich VC/Finanzierung von PropTechs in Europa und der Schweiz?. Meister: Wir beobachten eine zunehmende Konvergenz auf allen Ebenen mit einigen an den Immobiliensektor angrenzenden Themen, etwa FinTech und LegalTech. Ähnliche Kooperationen sehen wir auch bei komplexeren Technologien wie Big Data/künstliche Intelligenz, so z.B. bei der datenbasierten Bewertung von Immobilieneigentum, der Messung von strukturellem Verschleiss, Wartungsprognosen, der Optimierung von Bauprojekten. Die ETH Zürich und die EPFL haben hier viele Innovationen entwickelt. In unserem Anlageportfolio halten wir bereits einige Beteiligungen, die sich mit diesen Themen befassen – und wir können bestätigen, dass der Markt für solche Lösungen attraktiv ist. Wir sind überzeugt, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, da sich die Industrie von ihrem (derzeitigen) noch weitgehend analogen Status entfernt. Gleichzeitig nimmt das Interesse an Technologien zu, die für die Immobilienbranche nicht auf den ersten Blick relevant sind, wie Blockchain oder das Metaversum: Einige haben bereits Immobilien im Metaversum erworben. Wer weiss, welche Anwendungen und Geschäftsmodelle die Immobilienwelt noch bereichern können. Bonick: Das derzeit alles dominierende Thema in der Immobilienbranche generell ist ESG (Environmental, Social, Governance). Es setzt die sonst eher träge Immobilienwirtschaft u.a. aufgrund der steigender Regulierung unter immensen Handlungsdruck. Das kann man, etwa als traditionelles Immobilienunternehmen, als Bedrohung wahrnehmen, daraus ergeben sich aber viele Chancen für PropTechs. Das Gute ist: Gerade für etablierte Unternehmen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, an deren Erfolg zu partizipieren, sei es durch direkte Investments oder indirekte in Venture-Capital-Fonds, deren Aufgabe es ist, diese Trends zu verfolgen. Mit unserem Portfoliounternehmen Ecoworks sind wir bspw. an einem Unternehmen beteiligt, das energetische Sanierung durch vorgefertigte und modulare Bauweise realisiert – ein absolutes Muss, will man die Klimaziele der EU erreichen. Ein zweiter, durchaus von Corona geprägter Trend ist «the Future of Work». Wenn Unternehmen die besten Talente beschäftigen möchten, muss das Arbeiten sowohl von zu Hause aus möglich sein als auch im Office oder in flexiblen Workspaces. Unser PropTech-Investment Desana etwa hat eine ganzheitliche Lösung für Corporates entwickelt, die es diesen ermöglicht, ihren Arbeitnehmern die gewünschte Flexibilität und zusätzlichen Zugang zu einem globalen Netzwerk an Coworking Spaces zu bieten. So etwas ist ein reeller Vorteil im «War for Talents». Mit Kollabo haben wir auch ein Schweizer Investment mit einem Human-Resources-Bezug. Das Zürcher PropTech bietet eine Art LinkedIn-Netzwerk für Blue-Collar Worker wie Handwerker und schafft somit Abhilfe beim Personalengpass am Bau. • «Für etablierte Unternehmen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, am Erfolg von PropTechs zu partizipieren.» Theo Bonick PropTech1

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