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Tech Cluster Zug
Innovative Industrie als Teil der Stadt
Standortentwicklung – Der Haushaltsgerätehersteller V-Zug AG produziert künftig in vertikalen Fabriken und schafft auf seinem Stammareal in Zug auf diese Art mehr Raum für die Ansiedlung von innovativen Industrieunternehmen und Dienstleistern in einer attraktiven städtischen Umgebung.
Von Birgitt Wüst – Fotos: V-Zug AG, zVg
Andernorts verlieren Industrieareale aus wirtschaftlichem Zwang ihre ursprüngliche Bestimmung, wertvolle Arbeitsplätze gehen verloren. Nicht so in Zug. Hier haben die Metall-Zug-Gruppe und die Stadt Zug die Weichen anders gestellt: Die Industrie erneuert ihre Infrastruktur vor Ort, die Stadt schafft die planerischen Voraussetzungen für einen lebendigen Stadtteilt, in dem sich industrielle Produktion, Forschung und Entwicklung mit urbanen Nutzungen vernetzen. Ausgangspunkt für das Vorhaben ist die strategische Erneuerung des Werkareals der V-Zug – eine Entwicklung, für die keine Wiesen geop«Durch die Stärkung des Werkplatzes fert werden müssen, weil die ganze Fläche ohnehin schon überbaut ist. «Am Anfang des Tech Clusters Zug steht der entsteht öffentlicher Tatbeweis: Während viele IndustriefirMehrwert weit über men Arbeitsplätze ins Ausland verladas V-Zug-Areal hinaus.» gern, investiert V-Zug am bisherigen Standort in neue Produktionsanlagen und Bauten», sagt Beat Weiss, CEO der V-Zug Immobilien AG. V-Zug setzt damit ein starkes Signal, nicht zuletzt auch für andere Unternehmen – und dies ganz bewusst. Denn das Ziel geht weit über die Konzentration des Betriebs in «vertikalen Fabriken» hinaus: Durch die Transformation zum TCZ Tech Cluster Zug soll das zuvor eingehegte und geschlossene rund 82.000 Quadratmeter grosse Fabrikareal in den kommenden Jahren geöffnet und zu einem zukunftsfähigen Stück Stadt transformiert werden. Dazu wird Schritt für Schritt der Masterplan des Büros Hosoya Schaefer Architekten aus Zürich umgesetzt, die 2014 siegreich aus einem städtebaulichen Konkurrenzverfahren hervorgegangen sind und die Transformation des Stammareals der V-Zug in einen zukunftsgerichteten Standort urbaner Industrie seither betreuen. Ziel ist, öffentlich zugängliche Räume zu schaffen, die künftig neben dem Produktionsanlagen und dem Hauptsitz der V-Zug AG auch Raum für neue Industrieunternehmen,innovative Start-up-Firmen, Dienstleister, Werkstätten, Ateliers, Labors und Schulen bieten. Mit der arrondierenden Integration von urbanen Nutzungen will man einen organischen Übergang zum Lebensraum der Stadt Zug schaffen; der wirtschaftliche Fokus dabei liegt auf innovativer Industrie und Logistik, ein historisch stark verankerter Gegenpol zur wachsenden Bedeutung der Region Zug als Standort internationaler Finanz- und Rohstofffirmen.
Standort mit Potenzial
Der TCZ setzt dabei nicht zuletzt auf die vielfältigen Standortvorteile von Kanton und Stadt Zug, die sowohl die Rekrutierung von Fachkräften erleichtern als auch die Ansiedlung neuer Industrien mit hohen Wissensanteilen und höchster Wertschöpfung. Denn für hoch qualifizierte Arbeitskräfte hat Zug einiges zu bieten – unter anderem leicht erreichbare Arbeits- und Schulorte, eine vielfältige städtische Umgebung und urbane Kultur, eine reizvolle Landschaft, eine gute verkehrliche Anbindung sowie nicht zuletzt die schnelle Erreichbarkeit von Städten wie Zürich und Luzern und des internationalen Flughafens in Kloten. Grosses Potenzial für den Tech Clusters Zug sieht man beim Konzern nicht zuletzt in den vielfältigen Beziehungen und Synergien zwischen den zukünftigen Nutzern. «Mit der strategischen Investition von V-Zug entsteht eine intelligente Infrastruktur, die von Dritten genutzt werden kann», sagt Weiss. Denn im Geviert von Industrie, Grienbach-, Oberallmend- und Göblistrasse soll ein gemischtes Quartier entstehen, von dessen Fläche V-Zug künftig nur etwa ein Drittel für seine Produktion und Logistik nutzen wird. Das restliche Areal – alles in allem rund 50.000 Quadratmeter – will man für weitere Nutzungen öffnen.
Insgesamt sind acht Baufelder geplant, auf denen sich zum einen weitere etablierte Industrieunternehmen und Hauptsitze ansiedeln sollen, zum anderen junge Firmen, Start-ups, Forschungseinrichtungen und Thinktanks, Schulen sowie industrienahe Dienstleistungen. «Durch die entstehenden Synergien profitierten nicht zuletzt die Stadt und der Kanton Zug, denn die Stärkung des Werkplatzes schafft öffentlichen Mehrwert weit über das V-Zug-Areal hinaus», so Weiss. Logistisch werden die Baufelder des TCZ durch ein System von Parkdecks und Parkhäusern verbunden. Für die Verbindung zwischen Bahnhof und dem Tech Cluster Zug sollen u.a. auch selbstgesteuerte Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Neben einem umfassenden Facility-Management sowie einem Betriebscatering sollen den Nutzern des TCZ industrienahe Dienstleistungen wie Labore, Prüfstände, Forschungseinrichtungen sowie Beratungen (Legal, Patente, Finanzierungen) zur Verfügung stehen – und nicht zuletzt auch das Know-how der V-Zug-Gruppe in Sachen Logistik.
Einzigartiger Multi Energy Hub
Interessant für künftige Mieter und Partner dürfte auch sein, dass der TCZ über einen schweizweit einzigartigen Multi Energy Hub mit allen nötigen Energien klimaneutral versorgt wird. Besonders attraktiv für die Mieter und Partner des TCZ sei das geplante nachhaltige Energienetz, führt Weiss weiter aus: «Dabei werden die Anforderungen der Industrie mit den übrigen Arealbedürfnissen über eine intelligente Infrastruktur verknüpft, welche die vorhandenen und nachgefragten Energien optimal managt.» Heizung und Kühlung erfolgen durch intelligente Nutzung von Grund- und Seewasser und alle überschüssige Wärme und Energie wird zur weiteren Verwendung im Hub zurückgewonnen. Angestrebt wird ein minimaler Ressourcenverbrauch, eine TCZ wird über einen maximale Eigenversorgung und eine schweizweit einzigmöglichst geringe Emission von CO2. artigen Multi Energy Übertragen und gespeichert werden die Energien über ein effizientes Leitungssystem; zudem ist das teilautarke SysHub mit allen nötigen Energien klimaneuttem in das Netz des örtlichen Energie- ral versorgt. versorgers eingebettet.
TCZ als «Stadtlabor»
Neben neuen Aussenräumen mit zahlreichen öffentlichen Plätzen, Gassen und Wiesen werden im TCZ auch neue Quartierangebote mit Gastrono-
mie, Kindertagesstätten, Kongressräumlichkeiten geschaffen sowie Wege für den Fussgänger- und Veloverkehr, ebenso Strassen für die Anlieferungen und den motorisierten Individualverkehr. Hinzu kommen innovative und zukunftsweisende Lösungen zur Sicherung der Nachhaltigkeit, denn der TCZ versteht sich, wie Weiss betont, als «Stadtlabor», das auf fortwährende
Neuer Rekord im Transformation und Optimierung zielt. Dazu will V-Zug nicht zuletzt «betriebs-
Holzbau: Das 80 nahen» Wohnraum schaffen – so etwa
Meter hohe Wohn- mit dem «Projekt Pi». hochhaus «Pi» wird fast komplett aus Bei «Pi» handelt es sich um ein innovatives Wohnhochhaus, ein nachhaltiges Projekt aus sozialer und ökologischer Holz gebaut. Perspektive: Es soll das erste komplett aus Holz errichtete Hochhaus von 80 Metern Höhe in der Schweiz werden, preisgünstigen Wohnraum schaffen sowie durchmischtes und verkehrsarmes Wohnen in Zug ermöglichen. Gebaut werden soll nach Plänen von Duplex Architekten, den Ingenieuren WaltGalmarini und Implenia, welche die Wettbewerbsjury mit ihrer Gesamtleistungsstudie überzeugten. «Die innere Logik des Hochhauses baut auf vertikaler Nachbarschaft auf», berichtet Anne Kaestle von Duplex Architekten. Dazu würden jeweils drei Geschosse über eine zentrale, offene Mitte zusammengefasst, der «Piazza» als Ankunftsort und Verteilraum zu den Wohnungen. Insgesamt entstehen zehn solche Nachbarschaften mit jeweils 22 Wohneinheiten, ergänzt um Gemeinschaftsflächen, das öffentlich zugängliche Erdgeschoss mit Arbeitsräumen, Showroom und Bistro sowie einer Kindertagesstätte im Hofhaus. Konstruiert ist das Haus mit einem Rahmentragwerk aus Buchenholz. Die neu entwickelten Holz-Beton-Verbunddecken haben die gleiche Konstruktionsstärke wie herkömmliche Betondecken, sind aber leichter und erzeugen in der Herstellung geringere Treibhausgasemissionen. Mit Fassaden-Photovoltaikmodulen deckt das Gebäude einen Teil seines Strombedarfs selbst. Erneuerbare Wärme und Kälte aus dem Boden sowie dem Zuger See versorgen es zusätzlich energetisch. Baustart soll Ende 2021 sein, Einzugstermin 2024.
TCZ wächst: SHL Medical baut SHL-Südtor
Mit der Annahme, weitere Unternehmen für eine Ansiedlung im Tech Cluster Zug begeistern zu können, scheinen die Planer richtig zu liegen:Im Frühling 2021 wurde erfolgreich ein Studienauftragsverfahren für die Entwicklung des Baufelds «Südtor» abgeschlossen. Dort entsteht ein kombiniertes Produktions- und Bürogebäude für den Konzern SHL Medical, einem weltweit führenden Anbieter von fortschrittlichen Systemen für die Verarbreichung von Medikamenten. Die Produktpalette beinhaltet eine breite Auswahl von wiederverwendbaren und wegwerfbaren Injektoren für Medikamente der unterschiedlichsten Therapiegebiete. Am Standort Zug werden dereinst rund 400 Mitarbeitende tätig sein. Das Siegerprojekt der Architekten Penzel Valier AG aus Zürich schafft einen abgestuften und sorgfältig gestalteten Übergang zur kleinräumlichen städtischen Umgebung und erfüllt die Nachhaltigkeitsanforderungen des Tech Clusters Zug. Auch bei diesem

Projekt wird die Emission von CO2 bereits beim Bau durch eine raffinierte Holzkonstruktion und das Verwenden von CO2-optimierten Beton minimiert. Die 10.500 Quadratmeter Produktions- und 5.000 Quadratmeter Bürofläche verfügen über ein in das Gebäude integriertes Photovoltaik-System und werden zudem vom Multi-Energy-Hub versorgt. Weil die SHL Group über die nächsten Jahre ein kontinuierliches Wachstum anstrebt, ist ein späterer Ausbau des Standortes auf einem weiteren Baufeld vorgesehen. Die Inbetriebnahme der Ausbaustufen soll in mehreren Etappen erfolgen.

VZ Depotbank sichert sich Creatower I
Einen weiteren Schritt voran machte die Entwicklung des Tech Custers Zug mit der Entscheidung der unter anderem im Fintech-Bereich tätigen VZ Vermögenszentrum Depotbank, ihren neuen repräsentativen Hauptsitz im Tech Cluster Zug anzusiedeln. Die VZ Depotbank wird das Gebäude «CreaTower I» mitsamt der zugehörigen Parzelle von rund 700 Quadratmeter erwerben; der Verkauf von weiteren Landparzellen auf dem TCZ-Areal ist dem Vernehmen nach nicht vorgesehen. Die Urban Asset Zug wird die CreaTowers I und II als Gesamtprojekt entwickeln; begonnen wird mit dem CreaTower I. In einem zweiten Bauschritt wird der CreaTower II erstellt, in dem unter anderem urbane Nutzungen und Wohnen vorgesehen sind. Auch Westhive, ein Anbieter von Coworking Spaces, eröffnet in enger Kooperation mit der Tech Cluster Zug AG inmitten des V-Zug Areals einen neuen Standort. Er entsteht an der Oberallmendstrasse in einer lichtdurchfluteten, komplett sanierten und klimatisierten Shedhalle und bietet flexible Arbeitsplätze auf über 2.000 Quadratmetern Fläche, der Grossteil davon in Form von kleinflächigeren Büros, sowie eine grosse Dachterrasse mit spektakulärer Alpensicht. Die Eröffnung ist für den Spätsommer 2022 geplant.
Mobility Hub als Tor zur Stadt
Bemerkenswert ist nicht zuletzt der Mobility Hub Zug Nord (MHZN), der auf dem ehemaligen Grundstück der SFS-Handwerkstadt, einem professionellen Markt für Handwerk-Maschinen und Zubehör, realisiert wird – und bei dem es sich um weit mehr als um ein «gewöhnliches Parkhaus» handelt. Der MHZN soll nicht zuletzt dazu dienen, die Entwicklung der Stadt Zug zur Smart City voranzutreiben – indem neue Mobilitätskonzepte getestet und verfeinert werden. So ist die Parkieranlage direkt angebunden an die Autobahntangente Zug–Baar sowie an ein ÖV-Netz, das künftig nicht mehr nur aus Zügen oder Bussen bestehen wird. Im MHZN sollen Besucher beispielsweise auf einen selbstfahrenden Bus umsteigen können, der
Das Wohnhochhaus «Pi»: Baustart 2021
sie wahlweise aufs Areal des TCZ oder in die Stadt bringt. Darüber hinaus stehen Parkhausnutzern jederzeit E-Bikes oder E-Scooter zum Ausleihen zur Verfügung, wenn sie individuelle Strecken punktgenau zurückzulegen wollen. Dass ein solcher Hub mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge ausgestattet sein wird, ist heutzutage zwar nicht mehr ganz aussergewöhnlich, dass der MHZN aber so ausgelegt wird, dass er in Zukunft über ein voll automatisiertes Parkingsystem verfügen kann, hingegen schon: Selbstfahrende Autos sollen künftig an einem Übergabeterminal übergeben werden und anschliessend selbstständig parkieren, zuerst auf der ersten Etage, später soll dies auch vor dem Gebäude oder ausserhalb des Areals geschehen. Durchdachte Teilkonzepte wie diese machen den MHZN erst zu einem intelligenten Gebäude. Der Abriss des alten Lager- und Verkaufsgebäudes der SFS wurde Ende März vergangenen Jahres beendet, seither nimmt das Mobility Hub Zug Nord Gestalt an. Das Gebäude hat nicht zuletzt auch eine städtebauliche Bedeutung: Über eine elegant geschwungene Fussgängerbrücke bildet der Mobility Hub schon bald den Eingang zum Tech Cluster Zug – und gleichzeitig das Tor zur Stadt. Die Eröffnung des MHZN mit integriertem Café und dem Ladenlokal von Handwerkstadt Zug ist für diesen Herbst angekündigt. ∙