In ihrem ehemaligen Beruf in der Pflege litt Petra unter den Arbeitsbedingungen.
Wenn die Zielperson etwas merkt, muss man eine Lüge auf Lager haben.
Der Europäische Menschengerichtshof urteilte 2016, dass zur Überwachung von Versicherten in der Schweiz die gesetzlichen Grundlagen fehlten. Doch die Verschuldensfrage verschwand und damit auch das wichtigste Standbein von Privatdetektiven. «Das hatte einen massiven Einbruch an Aufträgen zur Folge», sagt der Zürcher Privatdetektiv Daniel Senn. Er schätzt ihn auf 50 bis 60 Prozent. Der zweite Grund hat mit einer IV-Rentnerin zu tun, die vor dem Europäischen Menschengerichtshof klagte. «Das Handy», zischt die Frau, die an unserem Tisch in der Gartenwirtschaft vorbeigeht. Petra und ich haben uns etwas vergessen. Bei der Frau handelt es sich um jene Detektiv-Komplizin, die mit Erich Wunderli am Tisch sitzt. Zum Schein war sie auf die Toilette gegangen mit dem Auftrag, uns auf dem Rückweg unauffällig etwas zuzu raunen. Petra liest die eingegangene WhatsApp-Nachricht. Die Anweisung: «Bezahlen, Zielperson könnte jederzeit verschwinden». Kurze Zeit später verlässt Milli das Lokal tatsächlich, und wir nehmen die Verfolgung wieder auf. So geht das weiter, per Auto und zu Fuss durch Dübendorf, es wird noch mit der App «Voxer» gefunkt, es werden per Handy Live-GPS-Standorte ausgetauscht, und Wunderli führt 12
vor, wie er das Navigationsgerät mithilfe von Spracheingaben über Siri steuert. Knapp zwei Stunden nach dem Start wird die Übung auf einem Aldi-Parkplatz für beendet erklärt. Wunderli blickt auf die Uhr. «Zurück zur Schule, Schlussbesprechung». Hoffnung, dass die Politik die Branche rettet Vor zwei Jahren sahen die privaten Detektive ihr Geschäftsmodell endgültig zusammenbrechen. Der Europäische Menschengerichtshof urteilte 2016, dass zur Überwachung von Versicherten in der Schweiz die gesetzlichen Grundlagen fehlten. Nach den Scheidungswilligen fielen auf einen Schlag auch IV-Stellen, SUVA sowie private Versicherungen und Krankenkassen als mögliche Auftraggeber weg. Hans Ruch, ein auf Versicherungen spezialisierter Privatdetektiv aus Münsingen und ebenfalls Verbandspräsident (Schweizerischer Privatdetektiv-Verband ehemaliger Polizei- und Kriminalbeamter), sagt: «Seit dem Urteil aus Strassburg befinden wir uns in einer Warteposition und halten uns mit Aufträgen Privater oder aus der Wirtschaft über Wasser.» Surprise 428/18