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Neudeker Heimatbrief
für die Heimatfreunde au+ Stadt und Landkrei+ Neudek
Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Jahresbezugspreis 31,25 EUR. Konto für Bezugsgebühren und Spenden: Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft, Stadtsparkasse
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Am Silvesterabend kamen wir von unserem sechsten Hilfstransport in die Ukraine zurück. Bei der Fahrt ins Landesinnere schlug eine Rakete in ein Wohnhaus neben der Straße ein. Diese Stelle hatten wir ein paar Minuten vorher passiert. Doch wie komme ich, ein Neideker Bou, dazu, mich mit meinen 82 Jahren – ich kam am 3. April 1940 in Neudek zur Welt – solchen Gefahren, körperlichen und psychischen Strapazen auszusetzen?
Wir sind vier Männer aus der Region Oberschwaben-Bodensee. Thomas Ruf lebt in Maselheim im Kreis Biberach, Christof Ronge und ich leben in Tettnang im Bodenseekreis und Manuel Mehltretter lebt in Weingarten im Kreis Ravensburg. Wir fanden uns unmittelbar nach der Invasion Rußlands in die Ukraine am 24. Februar auf rein privater Basis zusammen, um aus Eigeninitiative Hilfe zu leisten. Inzwischen ist daraus ein effizientes, gut vernetztes, zielgenaues und bedarfsorientiertes Unternehmen geworden. Mittlerweile hat dieses Team zehn Transporte gefahren.



Wir fahren mit zwei Transportern die Nacht durch, um nach 18 oder 20 Stunden Fahrt in Lemberg, unserem Hauptstützpunkt, anzukommen. Nach oft 40 Stunden ohne Schlaf fallen wir in Tiefschlaf, um nachts von halbstündigem Alarm hochgerissen zu werden. Warum mache ich das?
Ich gestehe, daß ich auf diese Frage keine abschließende Antwort habe. Aber ich bin sicher, daß mein Vertreibungserlebnis damit zu tun hat. Ich war sechs Jahre alt, als meine Familie am 20. April 1946 – es war ein Karfreitag – mit dem dritten Transport aus dem Kreis Neudek mit insgesamt 1222 Personen in Viehwaggons über Karlsbad, Eger, Augsburg nach Burgau ins bayerische Schwaben vertrieben wurde. So bin ich eine Art Beute-Bayer geworden.
Ich bin dort in die Schule gegangen, und ich wurde von den einheimischen Buben bestens aufgenommen. Ich wurde kein einziges Mal abgelehnt. Und heute noch, obwohl ich mit 19 Jahren von dort weggegangen bin und draußen in der Welt war, hängt mein Herz an dieser Stadt.
Die Vertreibung selbst hat mich nie interessiert.
Ich war zu jung und zu arrogant dafür, dieses Ereignis in seiner Tiefendimension zu verstehen.
Als ich jedoch im Alter von etwa 60 Jahren vor den von Wald überwachsenen Grundmauern des zerstörten Bauernhau-