Straßenkreuzer 02/2018

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Zähne zeigen Tom liefert sich nicht aus

25. Jahrgang · Ausgabe Februar 2018 · www.strassenkreuzer.info


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Schwierige Lebenssituation, geringes Einkommen oder ohne festen Wohnsitz?

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Liebe Leserinnen, liebe Leser, DAS THEMA

Wir haben uns daran gewöhnt, dass sich Tausende Frauen, Männer und auch Kinder regelmäßig an den Ausgabestellen der Tafeln anstellen und billige Lebensmittel bekommen, die andere verschmähen – weil sie ihr Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht haben. Wir haben uns daran gewöhnt, dass zunehmend alte Leute in Abfalleimern nach Pfandflaschen suchen, weil sie sich über 25 Cent mehr im Geldbeutel freuen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass mehr und mehr Menschen mit schlechten Zähnen und großen Zahnlücken leben. Weil sie sich die hohen Zusatzkosten zur Zahnbehandlung (und oft genug die Krankenversicherung selbst) nicht leisten können. Wir haben uns auch an Skandale mit so unwirklichen Namen wie Cum-Ex gewöhnt, bei dem sich eine globale Finanz­ elite – darunter etliche deutsche Banken – jahrelang vom deutschen Fiskus Steuern hat erstatten lassen, die ihnen nicht zustanden. Insgesamt ist den Steuerzahlern ein Schaden von mindestens 31,8 Milliarden Euro entstanden. Schlechte Gewohnheiten lassen sich bekanntlich ändern. Also lassen wir Cum-Ex, Paradise- oder Panama-Papers nicht aus den ­Medien und den Köpfen verschwinden, bis die Kriminellen dahinter zur ­Rechenschaft gezogen und die Gesetze geändert worden sind. Also stellen wir Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und Chancen für Arbeitslose und Abgehängte. Oder entwickeln selbst Ideen, wie diese reiche Gesellschaft für alle besser werden könnte. So wie Roland Stubenvoll, der Leiter der Straßenambulanz in Nürnberg (S. 9). Er fordert eine europäische Krankenversicherung und will damit eine klaffende Lücke im System schließen. Und viele Zahnlücken.

Schlechte Gewohnheiten

s Sparkasse Nürnberg

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M O M E N TA U F N A H M E

„Wenn es meinen Kindern gut geht, geht es mir auch gut“ Die Straßenkreuzer-Verläuferin Violetta Maria Dumitrescu

Viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe wünschen Ilse Weiß und das Straßenkreuzer-Team

Zähne zeigen

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Was zum Beißen haben Schlechte Zähne wegen ­geringen Einkommens

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Der Lückenfüller Zahnarzt Bernhard Lohbauer hilft in der Straßenambulanz

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„Jeder sollte versichert sein“ Das Gebiss ist längst ein ­Indikator für Wohlstand

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10 Unter die Räder gekommen Lieferdienste für Restaurants sind selten ein gutes Geschäft Tom liefert sich nicht aus Die Folgen eines entfesselten Marktes

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14 Durchbeißen Texte aus der Schreibwerkstatt Was uns bewegt

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S T R A S S E N D E R W E LT

Das letzte Gericht Was Todeskandidaten essen

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S TA D T G E S C H I C H T E

„Für viele Deutsche sind 26 ­Türken nur Döner-Verkäufer“ Wissensvermittlung kontra Vorurteile INTERVIEW

Die Mächtigen haben Angst vor den Träumen von einer besseren Welt Konstantin Wecker im ­Exklusiv-Interview

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K U LT U R G U T

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Impressum

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Wir sind für Sie da: www.caritas-nuernberg.de

„ Wenn es meinen Kindern gut geht, geht es mir auch gut“ 24-Stunden-Notaufnah me Pflege

Die Caritas ist Nächstenliebe. Als Ihr Caritasverband vor Ort sind wir nah dran an den sozialen Herausforderungen der Menschen in der Region. Unser vielfältiges Leistungsnetzwerk fängt Hilfesuchende auf und bietet unbürokratische Unterstützung.

Besondere Lebenslagen

Kinder- und Jugendhilfe

St. Theresien-Krankenhaus

Beratung

Unsere Hilfen für Senioren und Kranke:

Akademisches Lehrkrankenhaus der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Tagespflege:

Unsere Hauptfachabteilungen:

Tagespflege im Caritas-Senioren- u. Pflegezentrum St. Willibald Tagespflege im Caritas-Senioren- u. Pflegeheim Stift St. Josef, Fürth

Anästhesie, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Innere Medizin, Geriatrische Rehabilitation, Unfall- und Orthopädische Chirurgie, Urologie, Frauenklinik und Geburtshilfe

Kurzzeitpflege Kurzzeitpflege ist auf Anfrage in allen Häusern des Caritasverbandes Nürnberg möglich. Senioren- und Pflegeheime: Caritas-Senioren- u. Pflegeheim Stift St. Benedikt Tauroggenstraße 27 90491 Nürnberg Tel.: 0911 - 58 06 60

Caritas-Senioren- u. Pflegezentrum St. Willibald Klenzestraße 6 - 8 90471 Nürnberg Tel.: 0911 - 81 88 10

Caritas-Senioren- u. Pflegeheim Stift St. Martin Grolandstraße 67 90408 Nürnberg Tel.: 0911 - 93 57 40

Caritas-Senioren- u. Pflegeheim Jacobus-von-Hauck-Stift Herbartstraße 42 90461 Nürnberg Tel.: 0911 - 46 25 750

Caritas-Senioren- u. Pflegeheim St. Michael Amalienstraße 17-19 90419 Nürnberg Tel.: 0911 - 32 25 12 0

Caritas-Senioren- u. Pflegeheim Stift St. Josef Benno-Mayer-Straße 5 90763 Fürth Tel.: 0911 - 75 66 290

Ambulante Pflege:

Palliative Pflege:

Caritas-Pflegedienst Angelus Leopoldstraße 34 90439 Nürnberg Tel.: 0911 - 26 98 92

Caritas-Hospiz Xenia Klenzestraße 4 90471 Nürnberg Tel.: 0911 - 959 80 50

Unsere Belegabteilungen: Gynäkologie, Strahlentherapie, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (HNO), Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, Plastische und Ästhetische Chirurgie, Therapeutische Nuklearmedizin (Radiojodtherapie)

Unsere Kooperationen: Interdisziplinäres Schilddrüsenzentrum am St.TheresienKrankenhaus, Brustzentrum am St. Theresien-Krankenhaus, Neurochirurgie, Dialysezentrum Nürnberg, Prostatazentrum Metropolregion Nürnberg, Herzkatheter-Labor, Radiologie und diagnostische Nuklearmedizin (RNZ), Reha-Zentrum Medical Park - St. Theresien GmbH Berufsfachschule für Krankenpflege

Rufen Sie uns an, wir beraten Sie gerne! Caritasverband Nürnberg e.V. Obstmarkt 28, 90403 Nürnberg Telefon: 0911 - 23 54-0 altenhilfe@caritas-nuernberg.de

Mommsenstraße 24 90491 Nürnberg www.theresien-krankenhaus.de Telefon 0911-5699-0 Sie finden uns auch auf info@theresien-krankenhaus.de Facebook und Twitter!

In ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen, kam Violeta Maria Dumitrescu mit 15 Jahren aus Rumänien nach Deutschland. Heute, ebenso viele Jahre später, ist für die 31-jährige StraßenkreuzerVerkäuferin vieles besser – und eines wichtig: dass ihre beiden Kinder niemals erfahren müssen, wie es sich anfühlt, arm zu sein. Wie bist du aufgewachsen? In Timisoara, einer Stadt etwa so groß wie Nürnberg, habe ich mit meiner Mutter und fünf Geschwistern gelebt. Wir Kinder haben uns ein Zimmer geteilt, zusammen auf einer Matratze geschlafen in einem Raum ohne Fensterscheiben. Wir hatten oft nichts zu essen, keine Strümpfe, abgetragene, geschenkte Kleidung von den Nachbarn. Wir hatten kein Geld für die Schule – erst recht nicht, um eine Ausbildung zu machen. Das Leben in Rumänien war sehr, sehr schlecht. Bis meine Tante aus Deutschland zu Besuch gekommen ist. Was ist dann passiert? Sie hat gesehen, wie arm wir leben, und gefragt, ob ich mit ihr nach Deutschland kommen möchte. Ich habe sofort „ja“ gesagt, wollte nur noch weg. Fünf Jahre habe ich bei ihr in Offenbach gelebt – und begonnen, Deutsch zu lernen, indem ich ihren Kindern bei den Hausaufgaben gelauscht habe. Dort habe ich meine Tochter bekommen: mit meinem deutschen Freund, einem Maurer, von dem ich mich nach fünf Jahren getrennt habe, denn er hat getrunken und

mich geschlagen. Zu der Zeit war meine Mutter bereits aus Timisoara nach Nürnberg gezogen, und so bin ich auch hierher gekommen. Hat sich dein Leben dann geändert? Und wie! Eine Nachbarin meiner Mutter, eine Nonne, hat mir sozusagen das Leben gerettet. Sie und ihre Freundinnen haben sich unglaublich engagiert für mich, haben mir eine kleine Wohnung besorgt und Geld für die Miete gesammelt, meiner Tochter einen Kindergarten-Platz organisiert und mir kleine Jobs als Putzfrau. Über die Nonne, die wie eine Großmutter wurde, habe ich viele tolle Menschen kennengelernt, die mich unterstützt haben. Das ging ganz gut, auch mit meinem Freund habe ich es noch einmal probiert – und mein zweites Kind bekommen. Aber der Mann hat immer noch zu viel getrunken, und ich will nicht, dass meine Kinder das erleben müssen. Also habe ich mich wieder getrennt, dem Jobcenter meine ganze Geschichte erzählt und um Unterstützung gebeten. Ich habe lesen und schreiben gelernt – und schließlich den Straßenkreuzer entdeckt.

Was heißt denn „entdeckt“? Ich habe beobachtet, dass ein Mann eine Zeitschrift verkauft, sich mit Menschen unterhält, es ihm gut zu gehen scheint. Ich habe meinen ganzen Mut zusammengenommen und ihn gebeten, mir zu erklären, was er da tut. Der Mann war sehr freundlich, hat mir alles erklärt und mich zum Straßenkreuzer geschickt – einen Tag später habe ich selbst verkauft, beim Marktkauf in Thon. Alle Kunden, alle Menschen waren und sind sehr freundlich und nett, erkundigen sich nach mir, wenn ich mal nicht da bin, bringen mir Geschenke für die Kinder. Wenn es kalt ist, lässt der Chef mich drinnen verkaufen. Mit den Heften verdiene ich ungefähr 150 Euro im Monat dazu, wovon ich meinen Kindern Kleidung, Essen oder auch mal Schokolade kaufen kann. Ich bin dem Straßenkreuzer sehr dankbar, weil er mir so geholfen hat. Was wünschst du dir für die Zukunft? Ich möchte sehen, wie meine Kinder groß werden und gesund sind, ein besseres Leben, eine Arbeit, eine Familie haben. Ich begleite sie dabei, so gut und so lange ich kann. Ich möchte, dass meine Kinder nie erfahren müssen, wie es ist, in Armut zu leben. Ich möchte nie wieder nach Rumänien zurück. Hier in Deutschland haben meine Kinder die Chance auf ein gutes Leben. Wenn es ihnen gut geht, geht es meinem Herzen gut. Text: Katharina Wasmeier | Straßenkreuzer-Redaktion Foto: Anika Maaß | anikamaass.de

MOMENTAUFNAHME

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Zähne zeigen – das fällt Tausenden von Menschen schwer. Sie haben sichtbare Lücken und schlechte Zähne. Das Gebiss ist längst ein Indikator für Wohlstand geworden. Satte drei Milliarden Euro pro Jahr zahlen Patienten in Deutschland für Zahnersatz. Der Sozialverband VdK konstatiert: „Zahnersatz ist für viele Patienten

Was zum Beißen haben

zu teuer“, und „Armut macht krank“. Laut einer Haushaltsbefragung des Statistischen Bundesamts geben knapp die Hälfte derjenigen, die nicht zum Zahnarzt gehen, finanzielle Gründe an. Die hohen Eigenanteile bei Zahnersatzbehandlungen führten wohl dazu, dass immer mehr Menschen ganz auf den Zahnarztbesuch verzichten. Der VdK fordert daher, dass Menschen mit geringem Einkommen einen festsitzenden Zahnersatz ohne Eigenanteil erhalten. Ähnlich plädiert die „Vereinigung Demokratische Zahnmedizin“ – doch große Bohrungen am System gibt es bislang nicht. Im Tagestreff FrauenZimmer an der Hessestraße haben sich zwei Besucherinnen entschlossen, über ihre Sorgen mit den Zähnen offen zu reden. Und ein Besuch in der Straßenambulanz zeigt, wie wichtig die Arbeit etwa von Dr. Bernhard Lohbauer ist. Er will sich künftig zudem für mehr Prophylaxe stark machen. Damit alle was zum Beißen haben. Zähen zeigen – für Gastwirt Tom heißt das, bei Lieferdiensten nicht mitzumachen. Die Lieferanten, meist Studenten, müssen manchmal vor allem eins: Zähne zusammenbeißen.

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Ich will doch nur eine ­Prothese, die nicht weh tut

ch war ein Heimkind, habe viel Gewalt und viele Schläge erlebt. Später hab ich Altenpflegehelferin gelernt. Später hab ich bei der Lebkuchenfabrik gearbeitet, ich war auch mal im Frauenhaus. Krankenversichert war ich immer. Vor zehn Jahren ungefähr hab ich mir die Zähne machen lassen. Die waren schlimm beieinander. Vorne hat schon meine Zunge durch die Zähne gepasst. Ich hab zu der Zahnärztin gesagt, dass die Zähne doch der ganze Schmuck des Menschen sind und dass ich sie mir machen lassen will, damit sie wieder schön aussehen. Die Zahnärztin hat gesagt, ich soll zur AOK, einen Härteantrag stellen, dann hilft sie mir. Das hab ich so gemacht – und die Kasse hat das wirklich so genehmigt! Neue Füllungen, eine Brücke, sogar eine Kieferoperation hab ich bekommen. Die Zahnärztin hat mir wirklich geholfen! Sie hat sogar mehr gemacht als sie bezahlt bekommen hat. Da hatte ich wirklich Glück! Ich sag nicht, wer sie war. Man muss halt aufs Sozialamt gehen, und man muss das wollen, dass es besser wird mit den Zähnen. Bei mir ist das so schlimm geworden, weil ich so eine Angst vorm Zahnarzt habe, dass ich jahrelang nicht dort war. Ich pass jetzt schon gut auf. Zahnseide und jeden Tag putzen, klar. Für sich selbst hat man ein besseres Gefühl. Ich fühl mich wieder als Mensch. Wenn man früh aufsteht und schaut sich im Spiegel an und hat Zähne – das ist doch eine ganz andere Sache! Ich will ja auch gepflegt sein.

Anna (67), hat große Zahnlücken und großen Mut, dass sie über ihre schmerzende Prothese und ihre Not mit den Zähnen redet. Aus Sorge, noch mehr Druck statt Hilfe zu bekommen, wollte sie sich nur anonym fotografieren lassen.

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s ist eine Katastrophe! Ich kann nicht beißen, ich kann nicht essen. Eine Prothese hab ich schon zuhause, aber die passt nicht. Ich weiß nicht weiter. Ich bin in Deutschland und ohne Zähne. Ich habe immer Schmerzen, wenn ich die Prothese trage. Ich muss alles klein schneiden, sonst kann ich nicht essen. Ich bin vor 20 Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen und habe hier geheiratet, einen Deutschen. Ich habe einen deutschen Pass, mein Mann ist leider vor zehn Jahren gestorben, er war für mich auch ein Freund, jetzt bin ich ganz allein hier. Ich habe viel gearbeitet. Als ich kam war ich 46 Jahre, in Russland hatte ich als Lehrerin an der Berufsschule gearbeitet. Hier immer bei der Zeitarbeitsfirma, in der Lebkuchen-Fabrik, im Lager, überall. Ich war immer krankenversichert. Vor drei Jahren bin ich wegen meiner Zahnlücken zum Zahnarzt. Er hat die Prothese eingesetzt und gesagt, sie passt. Ich sage ihm, es tut so weh. Er sagt, ich muss mich dran gewöhnen. Er hat mir nicht geglaubt. Ich bin zu einem anderen Zahnarzt, der hat alles neu vermessen und eine Kostenaufstellung an die Kasse geschickt. Als der Brief von der Kasse zurückkam hab ich ihn gleich zerrissen! Die Kasse hat abgelehnt, weil ich schon eine Prothese habe. Zu teuer. Wird nicht 6

bezahlt. Jetzt muss es so bleiben mit meinen Zähnen. Was soll ich machen? Ich hab hier schon so viele Menschen gesehen ohne gute Zähne. Gut, denke ich, gut Anna, da gehörst du eben dazu. Ich will doch nur eine Normalprothese, einfach ohne Schmerzen. Keine Implantate oder sowas. Hier ins FrauenZimmer komm ich seit vielen Jahren. Die helfen mir. Das sind sehr gute Leute hier. Da kann ich mal sitzen in Ruhe, mir die Haare schneiden lassen. Ich habe 70 Euro Rente. Deshalb bekomme ich Grundsicherung. So viel Arbeit und so wenig Rente. Um halb fünf Uhr musste ich aufstehen, wir haben in Treuchtlingen gewohnt, dort hat mein Mann gearbeitet. Ich bin früh in die Schicht gefahren, all die Jahre – 70 Euro Rente. Als er tot war, bin ich nach Nürnberg gezogen. Meine Schwester in Russland hat eine Prothese. Die passt, ohne Schmerzen! Sie hat gesagt, das gibt es doch nicht, warum kannst du in Deutschland nicht so eine Prothese bekommen, die nicht weh tut? Das ist doch kein teures Auto, keine Wohnung, das ist einfach eine Prothese. Aber ich bekomme sie nicht. Meine Schwester kann beißen und lachen, alles. Ich hab Angst um meine restlichen Zähne. Ich putze, ich pass auf beim Zubeißen. Ich verstehe es nicht.

Zähne sind der ganze Schmuck des Menschen Ingrid Fiedler (59) weiß, was es heißt, von einem Auf und Ab im Leben zu reden. Sie war im Heim, hatte Hilfsjobs, bekommt Grundsicherung – und hält den Kopf oben. Im FrauenZimmer genießt sie die das Essen, die Gespräche und ein Familiengefühl. Ihre Zähne hält sie in Ehren – und lässt nix auf ihre Zahnärztin kommen.

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Protokolle: Ilse Weiß | Straßenkreuzer-Redaktion Fotos: Maria Bayer | www.mariabayer.net

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Aber es waren mehr als nur ein paar? Am Anfang waren es wenige, vielleicht einmal im Monat einer. Wir haben sie gleich durchgeschleust, direkt ins Behandlungszimmer. Um diesen Weg des Kontakts zu den anderen Patienten zu umgehen. Das hat gut funktioniert.

Der Lückenfüller Dr. Bernhard Lohbauer (55) ist in Gibitzenhof aufgewachsen. Seit 24 Jahren hat er zusammen mit seiner Frau und einem weiteren Kollegen eine Zahnarztpraxis in der Pfälzer Straße, ganz in der Nähe der Straßenambulanz. Er war der erste von inzwischen 20 Zahnärzten und Kieferchirurgen im Großraum, die armen Menschen und solchen ohne Versicherung bei Zahnproblemen helfen.

Warum wollten Sie den Kontakt umgehen? Das waren Menschen, die nicht gewaschen waren, nach Alkohol gerochen haben. Andere Patienten wären vielleicht verschreckt worden. Aber weder ich noch mein Team hatten jemals Probleme im Umgang mit diesen Patienten. Ich bin besonders stolz darauf, dass meine Assistentinnen vollkommen vorbehaltlos auf die Leute zugegangen sind. Sie haben sich mit den Infektionsthemen beschäftigt, haben sich geschützt und hatten keine Panik. Ohne unsere Mitarbeiterinnen – wir sind ja drei Zahnärzte in der Praxis – wäre es nicht möglich gewesen diese Aufgabe zu übernehmen. Das war vor 22 Jahren und gilt bis heute.

Was hat sich seither verändert? Die Klientel. Und der Versicherungsstatus. Heute sind es oft ganz normale Menschen, die aber meist keinen Versicherungsschutz haben, auch viele Leute, die aus dem Ausland kommen, kein Deutsch sprechen und nicht versichert sind. Aber wie gesagt auch immer mehr Einheimische, die durchs soziale Sicherungssystem fallen und nicht versichert sind. Weil sie zum Beispiel mal privat versichert waren und durch einen Schicksalsschlag rausgefallen sind. Oder Beiträge nicht nachbezahlen konnten und heute unversichert dastehen. Die sich eine Zahnbehandlung sowieso nicht, aber nicht mal eine Schmerzbehandlung leisten könnten. Denn auch die kostet ja Geld.

Straßenkreuzer: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit

St. Ludwig? Dr. Bernhard Lohbauer: Das ist auf ganz natürlichem Weg vor

nunmehr 22 Jahren entstanden. Ich war hier Ministrant, hatte guten Kontakt zu den Franziskanern, die damals noch hier waren. Bruder Martin dürfte ja noch bekannt sein. Er hat die Straßenambulanz aufgebaut. Er hat hier gewohnt, hat am Hummelsteiner Weg seine Klienten betreut, die hauptsächlich aus dem Obdachlosenmilieu kamen. Eines Tages, als er zu mir in Behandlung kam, sagte er: „Du Bernhard, wir haben hier Platz im Kloster, können wir da nicht einen Zahnarztstuhl hinstellen? Wir haben Patienten, die von anderen Zahnärzten nicht behandelt werden.“

Und Sie machen das einfach so …? Das haben wir viele Jahre gemacht, einfach so. Ich hab dann noch ein paar Freunde angesprochen, dann waren wir mal vier, dann fünf. Inzwischen sind wir an die 20 … Zahnärzte, Kieferchirurgen, verteilt auf die ganze Region Nürnberg, Fürth, Erlangen – und das funktioniert jetzt richtig gut.

Warum nicht? Weil sie nicht wartezimmerfähig sind, so heißt das. Weil sie Paradiesvögel sind oder äußerlich so aussehen, dass sie von manchen Ärzten kategorisch abgelehnt wurden. Die meisten waren damals übrigens über die AOK versichert, ganz anders als heute. Sie wurden dennoch abgelehnt, weil sie Infektionskrankheiten hatten wie HIV oder Hepatitis C beispielsweise. Ich hab damals zu Bruder Martin gesagt, er soll mir seine paar Sorgenkinder einfach schicken. Die würden wir in der Praxis mit versorgen. Es wäre schon allein hygienisch ein viel zu großer Aufwand gewesen, hier in der Straßenambulanz einen Stuhl zu installieren.

Gleicht Ihr Einsatz nicht nur eine Zahnlücke, sondern auch eine Versorgungslücke aus? Wir hatten ganz großes Glück. Denn wenn es im kleinen Team weitergegangen wäre, hätten wir’s nicht geschafft. Dann hätte ich irgendwann zur Straßenambulanz gesagt, es geht nicht mehr. Es waren zu viele Patienten. Dann gab’s eine Aktion über die NNAktion Freude für alle, Unterstützung von Dr. Macher, dem Präsidenten der Zahnärzte ohne Grenzen, und Öffentlichkeitsarbeit. Und dann sind wir diese große Gruppe geworden, die das stem-

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men kann. Das ist etwa vier Jahre her. Der Herr Stubenvoll, der Leiter der Straßenambulanz, hat dann bei der Stadt angefragt, ob Zahnschmerzen als Notfall einzuordnen sind. Er hat grünes Licht bekommen – und wir bekommen pro Fall 50 Euro. Damit ist das Röntgenbild abgedeckt, und das ist sehr wichtig. So bekommt man einen Überblick über den Zahnstatus und weiß, wie man gezielt vorgehen muss. In der Regel machen wir nur Schmerzbehandlung. Es gibt auch viele Kollegen, die besonders nett sind und Füllungen anfertigen. Bis hin zu Wurzelbehandlungen … ohne Honorar.

unversichert. Es gibt nur die Möglichkeit, über die Straßenambulanz die Bedürftigkeit prüfen zu lassen. Die Leute müssen sich überwinden, hierher zu kommen. Den anderen können wir nicht helfen, weil wir sie nicht erreichen. Wie sieht es bei Kindern und deren Zähnen aus? Gibt es da auch immer mehr Problemfälle? Oft kommen kleine Kinder, deren Milchzähne sind schon schwarz. Weil sich die Eltern nicht drum kümmern, oder es nicht wissen, oder es existiert nur eine Zahnbürste für die ganze Familie. Da ist es dann wichtig, dass wir Sanierungen in Vollnarkose durchführen lassen. Wir haben in unserem Kreis drei Kollegen, die das machen können.

Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern, damit die Patienten nicht um Hilfe bitten und Sie nicht draufzahlen müssen? Es gibt ähnliche Projekte wie in Nürnberg in vielen Städten, entweder privat oder über einen Verband. Der bekannteste Verband in Bayern ist der Hilfsfonds Zahnärzte Bayern, er gehört zur Zahnärztekammer. Der Vorsitzende ist Martin Schubert. Mit ihm hab ich regelmäßig Kontakt und er sagt immer, wenn ihr was braucht, ruft an. Also, auch von der Kammerseite gibt es Unterstützung.

Welche Verbesserung wünschen Sie sich? Wenn wir die Patienten schmerzfrei und kariesfrei gemacht haben, dass auch die Prophylaxe finanziert wird, damit nicht so schnell wieder Schäden entstehen. Man könnte in Gruppen über Zahngesundheit aufklären, auch im Gesundheitsamt …das anzustoßen habe ich vor. Dazu beitragen, dass es nicht soweit kommt, oder Patienten helfen, die kariesfrei sind, ihre Zähne zu erhalten. Das wäre schön!

Aber wer einmal aus der Versicherung raus ist, hat Pech, oder? Stimmt, wer in diese Schieflage gekommen ist und die Beiträge nicht nachzahlen kann, findet keinen Ausweg. Er wird kaum jemanden finden, der die Schulden bezahlt und bleibt so weiterhin

Interview: Ilse Weiß | Straßenkreuzer-Redaktion, Foto: Giorgos Agelakis

„Jeder sollte versichert sein“ Krank, arm, fremd, abhängig, einsam – so fühlen sich viele Besucher der Straßenambulanz. Schön, dass es zu Weihnachten immer ein kleines Präsent gibt. Erstmals inklusive: eine Zahnbürste.

Der kleine Wink mit der Bürste zur süßen Überraschung zeigt, wie wichtig die Themen Zahngesundheit und Vorsorge inzwischen sind. Mehr als 1000 Menschen werden jährlich in der Ambulanz behandelt, knapp die Hälfte hat keine Krankenversicherung. Und wenn doch, dann sind die Zähne wegen der meist hohen Zuzahlungen im Bedarfsfall ein besonders schmerzhaftes Thema. Da bleiben Lücken. Die Lücken im System beginnen allerdings schon viel früher, stellt Roland Stubenvoll (linkes Bild) fest, der seit 2004 die Stra-

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ßenambulanz an der Straßburger Straße leitet. Denn zunehmend kämen sozial Bedürftige in die Straßenambulanz. „Die hat’s hier früher gar nicht gegeben“, weiß der 51-Jährige. „Ältere Leute zumeist, die kommen mit einem Rezept vom Hausarzt und sagen, sie können’s gar nicht einlösen, weil sie die fünf Euro nicht aufbringen. Wir helfen dann natürlich.“ Menschen, die sich schämen, weil sie Hilfe brauchen – Grund dazu sollte es in diesem Haus nicht geben. Niemand wird auf seine Bedürftigkeit hin geprüft, man darf einfach da sein. 9

Es gibt Frühstück, mittags was Warmes. Ein engagiertes Team ist im Haus, auch eine Ordensschwester. Über 30.000 Essen werden pro Jahr ausgegeben. Weniger werden es nicht. „Viel hat sich verändert“, sagt Roland Stubenvoll. Mehr Familien mit Kindern kommen, Ausgrenzung und Armut seien internationaler geworden. „Suppenküchen, Straßenambulanzen, dass es das braucht, das ist traurig.“ Und er findet: „Jeder sollte eine Krankenversicherung haben. Auch ein Rumäne muss das bekommen.“ Stubenvoll denkt an eine Art europäische Versicherung. „Wir sind eine EU – und die einzelnen Mitgliedsstaaten müssten für ihre Bürger einzahlen. Sonst stimmt doch auch unser Grundgesetz nicht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Oder müssen wir sagen, das gilt nur für nur die Würde des deutschen Menschen?“ Text: Ilse Weiß | Straßenkreuzer-Redaktion Foto: Giorgos Agelakis


Unter die Räder gekommen Essen auf Rädern – für Kunden sind Lieferdienste bequem, von Restaurants verlangen Foodora und Co. saftige Provisionen. Auch in Nürnberg sind meist Studenten auf ihren Fahrrädern unterwegs – sie sind schlecht bezahlt, doch gewerkschaftlich organisieren sie sich nicht. Besiegt in diesen digitalen Zeiten der Konsument den Staatsbürger? Ein Streifzug.

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ch habe den Pizzalieferdienst ausprobiert. Und: Es war praktisch und kam mir damals sehr großstädtisch vor. Ein Telefonanruf genügte, ich musste mein Sofa nicht verlassen, nach 40 Minuten klingelte der Bote – er war in einem halb verrosteten Ford Fiesta unterwegs – und die Pizza kostete auch nicht mehr als im Restaurant. Damals meint Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, als die SPD die Arbeitszeit verkürzen und die Betriebsräte stärken wollte. Die FDP trat für die Stärkung des freien Marktes ein, und wollte das Wirtschaftswachstum erhöhen. Die Grünen riefen das Ende des Wachstums aus und wollten alle Atomkraftwerke abschalten, am liebsten sofort. Und ich hielt in diesen Zeiten vegetarische Pizzen für ein Statement und hasste Franz Josef Strauß, weil er Sachen sagte, wie „ich will lieber ein kalter Krieger sein, als ein warmer Bruder.“ Kurz gesagt, die politischen Konzepte in der BRD lagen, als es Lagerbildung und die DDR noch gab, ziemlich weit auseinander. Heute wurde unter einer CDU-Regierung der Atomausstieg beschlossen, „warme Brüder“, wie Strauß sie nannte, dürfen –

auch dies parteiübergreifend beschlossen – heiraten und auf den Wahlplakaten der FDP war der Schlachtruf „Digital first, Bedenken second“ zu lesen. Ach ja, und die SPD hat, Stichwort Agenda 21, die Arbeitnehmerrechte geschwächt und den Arbeitsmarkt flexibilisiert. Und wer heute eine Pizza, gerne auch vegetarisch bestellt, bekommt sein Essen von jungen Menschen geliefert, die auf Fahrrädern durch Nürnberg sausen. Auf ihre Rücken sind pinkfarbene Rucksäcke, die Kisten gleichen und Thermoboxen sind, geschnallt. Sie arbeiten für das Start-up Foodora, das sich als Dienstleister für die Gastronomiebranche versteht. Auch sie liefern Pizzen aus, und doch ist das Geschäftsmodell ganz anders als vor 25 Jahren, als der Italiener um die Ecke durch Lieferdienste auf ein Zubrot hoffte. Nur der Vollständigkeit halber: Die anderen Radfahrer, die auch kaum zu übersehen sind, wenn sie im Dienst sind, tragen türkisfarbene Thermoboxen des Start-up Unternehmens Deliveroo auf dem Rücken und in orange (Lieferando) gibt’s die Kurierfahrer auch noch – Gewerkschaftern ist all das ein Graus, ob magenta-pink, orangefarben oder türkis.

vor allem vor den Burger-Läden in der Nürnberger Innenstadt parken, hinein und wieder hinaus sausen, nehmen. Sie glauben an den Algorithmus, der alles ausrechnet und plant – eine App auf ihren Smartphones weist ihnen Strecken zu, sie holen das Essen im Lokal und bringen es zum Kunden. Viele kurze Strecken sind am besten, erklärt mir ein Sportstudent, denn je mehr Kundenkontakte, desto mehr Chancen auf Trinkgeld. Fünf bis sieben Bestellungen in zwei Stunden, das wäre ein guter Schnitt. Handy und Rad müssen die Kuriere selbst stellen, schildert ein anderer Fahrer leicht verärgert, ginge was kaputt, wäre praktisch das Handwerkszeug weg, zumindest bis die Reparatur bezahlt ist. Ein anderer mag es, draußen unterwegs zu sein, ein Job am Schreibtisch wäre viel beschissener, meint er. Für eine junge Frau ist Foodora sowieso nur eine Zwischenstation, nach dem Abi habe sie einfach nicht gewusst, was sie machen soll, auf dem Fahrrad strampeln klang nach einer easy Gelegenheit, an Geld zu kommen. Was nervt? Das Wetter – vor allem bei Regen und Schnee werden Lieferdienste beauftragt – und das Warten in der Kälte. Nicht jeder Wirt duldet, dass die Lieferanten im Lokal rumsitzen und darauf warten, dass ihre Bestellung fertig wird. Während ich versuche, mit den Kurierfahrern ein paar Worte zu wechseln, fällt mir auf, wie maximal flexibel sie arbeiten – feste Strukturen, vertraute Kollegen, eine gemeinsame Arbeitsstätte – all das fehlt. Unsere kurzen Gespräche werden unterbrochen, sowie die App auf dem Handy wieder eine Anweisung gibt, den Weg zum Restaurant und von dort zum Kunden weist. Wieder denke ich an die 80er/90er Jahre. Das typische Un-

„Es muss klar sein, dass die Interessen der Beschäftigten nicht unter die Räder kommen“, so der Appell der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin nur wenige Tage vor Weihnachten. Michaela Rosenberger dachte dabei kaum zentral an die Kurierfahrer, doch ihre Fragen, die sie als Vorsitzende der Gewerkschaft an den Berliner Politikbetrieb adressierte, betreffen auch sie. Wie viel ist künftig in der Lohntüte? Wird Arbeiten in der Nacht oder am Wochenende zur Normalität? Was passiert mit der Rente? Mindestlohn plus Trinkgeld Doch manchmal sind es eben die da unten, die es denen da oben recht leicht machen. Sie würde sich mehr Proteste wünschen, sagt Claudia Huber, Gewerkschaftssekretärin der NGG in Nürnberg. Doch gerade in der Gastronomie, im Einzelhandel oder bei den Gebäudereinigern wehrt sich kaum einer gegen übermäßig lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung. Die wenigsten Mitarbeiter sind organisiert, dabei hat die Branche Schwierigkeiten, überhaupt genügend Nachwuchs zu finden – schon haben in der Fränkischen Schweiz selbst am Sonntag Wirtschaften geschlossen. Ein Kurierfahrer, ob pink, orange oder türkis, hat sich bei der NGG noch nicht gemeldet. Passen Gewerkschaften, Streiks und Solidarität etwa nicht in die schöne, stylische neue Arbeitswelt? Die Kuriere, die sich – vorwiegend mittags und abends, denn da wird am meisten bestellt – durch Nürnbergs verstopfte Straßen schlängeln, sind meist jung. Sie verdienen zwischen neun und elf Euro pro Stunde, genauer den Mindestlohn plus Trinkgeld. Viel Zeit für ein Gespräch kann sich keiner der Fahrer, die ihre Räder

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die gesellschaftlichen Folgen der Geschäftsmodelle geht, die das Internet erst möglich macht. Der 47-Jährige stellt die Lieferdienste in eine Reihe mit Dienstleistungsvermittlern wie Airbnb und Uber. Ebenso, wie wir uns seiner Ansicht nach bewusst machen sollten, warum wir kein Fleisch aus Massentierhaltung mehr essen und keine Turnschuhe kaufen wollen, die in den Hungerlohnfabriken in Bangladesch produzieren werden, sollten wir kritisch über die neuen InternetFirmen und deren angeblich libertäre Ideen sprechen. Ihr unternehmerisches Konzept sei doch klar: Konkurrenten verdrängen. Das sei an sich kein Problem – wenn es in einer Wirtschaft nicht schmeckt, geht eh kein Gast mehr hin. Ein neuer Pächter, der gut kochen kann, wirtschaftet erfolgreicher.

respektlos angegriffen“, kommentiert Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. Man kann es auch einfacher ausdrücken: Bei 20 bis 30 Prozent Provision, die Lieferdienste von den Wirten pro Essen verlangen, bleibt kaum noch ein Gewinn übrig. Kein Wunder, dass der Verband warnt, es könne zu einer ähnlichen Situation kommen wie in der Hotelbranche. Die Giganten verklagt

ternehmen jener Zeit hatte einen Betriebsrat, es bezahlte anständige Löhne und es gewährte seinen Mitarbeitern von Anfang an unbefristete Arbeitsverträge. Heute gibt es Millionen befristete Verträge und einen riesigen Niedriglohnsektor in Deutschland – in dieser Hinsicht wäre ein Unternehmen wie „Foodora“, in dessen pinkfarbenem Logo Future, also Zukunft, mitschwingt, eine düstere Aussicht. Rostige Ketten aus Protest abgeladen Auch wenn die traditionellen Gewerkschaften eher am Rand stehen, gibt es doch Proteste: In Berlin luden Demonstranten vor der Zentrale von Deliveroo kaputte Reifen, alte Fahrradgestelle und rostige Ketten ab – dies sollte ihren Unmut darüber zeigen, dass die Essenkuriere ihr eigenes Smartphone und Rad mitbringen müssen. Hinter diesem „Arbeitskampf“ gegen die neue Internet-Plattform-Wirtschaft steckte die „Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union“ (FAU). Kurz gesagt versteht sich die FAU als anarchistische Basisgewerkschaft. Die Beschäftigten sollen ihre Angelegenheiten möglichst betriebsnah selbst regeln, so das Credo. Doch Tarifverträge darf die FAU nicht abschließen, auch wenn auf der Internetseite der FAU viel Revolutionsrhetorik zu lesen ist und das Schrott-Abladen vor der Berliner Zentrale bestimmt ordentlich gescheppert hat. Doch es geht auch noch traditionell, in Köln gründete sich im Sommer 2017 der erste Betriebsrat bei Foodora. Ob das Geschäftsmodell lange überlebt? Auch der Lobbyverband der Gastronomie, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, kurz Dehoga, ist nicht besonders gut auf Lieferdienste zu sprechen. „Die etablierte Wertschöpfungskette wird ziemlich

Buchungsportale wie Booking oder HRS zeigen, dass es kein Halten mehr gibt, wenn so eine Idee aus dem InternetZeitalter erst einmal genug Freunde gefunden hat. Auf Buchungsportalen kann, wer ein Hotelzimmer sucht, auf den ersten Blick Preise und Angebote vergleichen – doch diesen Service lassen sich die Anbieter von den Hotelbetreibern gut bezahlen. Als das Internetportal genügend Hotelanbieter auf seiner Plattform versammelt hatte, verlangten dessen Betreiber, dass die Partnerhotels der Plattform garantieren, dass sie ihre Zimmer dort zum niedrigsten Preis anbieten. Zuletzt musste der Dehoga klagen, um durchzusetzen, dass der Hotelier auf seiner eigenen Internetseite oder beispielsweise abends um 22 Uhr an der Rezeption das Zimmer günstiger verkaufen kann, als es bei den Portalen gelistet ist. Warum also sollten Gastronomen in ein Geschäftsmodell einsteigen, das praktisch ihren gesamten Profit aufzehrt? Matthias Artmeier, Leiter der Fachbereichs-Geschäftsstelle Gastronomie beim Branchenverband Dehoga Bayern ist hin und her gerissen. Ob sich das Geschäft unter dem Strich lohne, will er nicht pauschal beantworten. Jeder Wirt müsse selbst rechnen. Ein zartes Soufflee oder knusprig gebackene Pommes seien aber sicher nicht geeignet, erst noch im Rucksack durch die Gegend gekarrt zu werden. Und wenn eine Bestellung zu lange im Lokal stehen bleibt, bis der Fahrer endlich kommt oder auf dem Fahrrad erst mal ordentlich durchgeschüttelt wird, stelle sich schon die Frage, ob dies negativ auf den Wirt oder auf den Lieferdienst zurückfalle. Andererseits wäre es ja denkbar, dass ein Gast, dem der Lieferservice ein neues Lokal schmackhaft machte, es auch einmal ausprobiere. In Regenburg, dort sitzt die Geschäftsstelle, seien jedenfalls keine Kurierfahrer unterwegs, schildert er. Kein Pink, Orange oder Türkis in Sicht. Vielleicht noch nicht. Text: Ulrike Löw | Gerichtsreporterin bei den Nürnberger Nachrichten Fotos: Maria Bayer | www.mariabayer.net

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Die Folgen eines entfesselten Marktes Doch hier passiere anderes, und weit mehr: Tom verweist auf Airbnb. Dessen Konzept sei, bestehende Angebote zu kopieren, einen Preiskrieg zu führen und es zum Monopol zu bringen. Tom lebte jahrelang in London. In der englischen Metropole, so sagt er, seien die Folgen eines entfesselten Marktes seit Jahren zu sehen. In dem Stadtteil, in dem er zu Hause war, konnte er die – wochenweise zu entrichtende Miete – stemmen. Irgendwann, so erinnert er sich, wurden die Leute, die in den Markthallen des Viertels flanierten, schicker. Der Stadtteil wurde cool, abends saßen in den Kneipen nur noch hippe junge Menschen mit guten Einkommen. Der Immobilienmarkt wurde zum Parkplatz für die Milliarden internationaler Investoren. Und weil diese in erster Linie Wohnungen im Luxussegment wünschten, wurden Neubauprojekte forciert – und der Aufschwung spülte nicht nur sozial Schwache, sondern auch Normalverdiener raus. Airbnb, eigentlich nur eine private Zimmervermittlung, habe die Wohnungsnot verschärft. Schließlich sei es für einen Eigentümer lukrativer, seine Wohnung als privaten Hotelraum anzubieten, statt dauerhaft zu vermieten. Aber macht es ein Student, der im Sommer sein WG-Zimmer untervermietet, denn viel anders? Im Internetzeitalter werde aus einem solchen Einzelfall eben ein Massenphänomen, sagt Tom. Bei Airbnb werde zwar betont, dass die Vermieter verpflichtet sind, ihre Einkünfte zu versteuern, doch in Wahrheit öffneten sie Steuerschlupflöcher und überließen die Kontrolle dem Staat. Airbnb wolle die Hotelbranche „neu gestalten“. Doch die Wahrheit sei: Die Hotelbranche schafft Jobs, Arbeitnehmer zahlen Steuern und Hoteliers müssen beispielsweise in Brandschutz und Hygiene investieren – all dies muss ein privater Zimmervermittler nicht. Nicht viel anders bei Uber – im Grunde ein Taxiunternehmen, doch eine Taxilizenz haben die privaten Uber-Fahrer nicht. Sie müssen keine Versicherungen abschließen, keine Lizenzgebühren zahlen – und sind daher günstiger als Taxen. Ob Firmen wie Uber oder Airbnb erfolgreich seien, entschieden wir Konsumenten, betont Tom. Und ob ein Wirt in hohe Provisionen investiert, um einen Lieferservice zu finanzieren oder in gute Produkte investiert, um gut kochen zu können, auch.

Tom liefert sich nicht aus Der Koch und Chef der „Wirtshauskatze“ kritisiert Geschäftsmodelle aus dem Netz

W

ie wir künftig leben wollen? In der „Wirtshauskatze“, einem 24-Quadratmeter-Lokal im Nürnberger Stadtteil Johannis mit 18 Plätzen sitzen die Gäste eng, es geht familiär zu und das ist auch beabsichtigt. Es riecht nach Ingwer, Kräutern und Kokosmilch und Tuanthong Vaidyanond (47) will sein Lokal als Ort der Kommunikation verstanden wissen. Der Wirt der Wirtshauskatze boykottiert Lieferdienste und dabei geht es ihm nicht nur darum, dass er keine 30 Prozent Provision an ein Unternehmen zahlen will, das andere kochen und kellnern lässt. Er findet, dass das scheinbar so hippe, moderne Konzept der Lieferdienste ein Schritt zurück ist: Jeder schaue ständig auf sein Handy und tippe Nachrichten, über die sozialen Netzwerke stehen heute alle ständig miteinander in Kontakt – aber wirklich miteinander sprechen und miteinander verbunden sein, sei doch nur im persönlichen Gespräch möglich, etwa beim Sitzen in der Gaststube. Man muss nicht lange mit Tom, wie sich Tuanthong Vaidyanond nennen lässt, sprechen, um zu verstehen, dass es ihm um

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Text: Ulrike Löw | Gerichtsreporterin bei den Nürnberger Nachrichten Foto: Maria Bayer | www.mariabayer.net

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Müder Dünnbrettbohrer

Der Kiefer lockert sich

Böser Fiffi

Jenseits der Nebel

Schmerzverzerrt kroch Herr W. auf den Behandlungsstuhl und öffnete den Mund. „Da, rechts unten“, wimmerte er. „Ganz plötzlich hat es kracks gemacht und nichts ging mehr!“ Weit öffnete er seinen Mund. „Irgendwie hatte ich mich verbissen! Wo ich doch eigentlich ein Dünnbrettbohrer bin! Beim letzten Balken habe ich mich wohl übernommen …!“ Der Arzt beugte sich über seinen Patienten. „Ihr Zahn ist abgebrochen! Klarer Fall, das ist ein Ermüdungsbruch“, stellte er nach kurzer Inspektion fest. „Ach, kein Wunder, Herr Doktor!“ jammerte der Patient. „Bei mir stapeln sich die Aufträge! Jeder, der ein Brett vor dem Kopf hat, (und das sind, bei Licht betrachtet, eigentlich alle!) möchte wenigstens ein bisschen Licht in sein Oberstübchen fallen lassen, und dazu braucht es zumindest ein kleines Löchlein … Ich arbeite schon in Schicht! Vielleicht sollte ich mal eine Kur machen.“ – „Jetzt kümmern wir uns erst einmal um ihren Zahn, Herr Holzwurm!“, unterbrach ihn der Arzt. „Ich baue Ihnen eine Spezialkonstruktion, damit fräsen Sie sich selbst durch die dicksten Bretter!“ Ob der Zahnarzt Wort gehalten hat, kann nun jeder bei sich selbst testen …

Als Einzelkind bin ich behütet aufgewachsen. Ich sollte es ja einmal besser haben als meine Eltern, die nach dem furchtbaren Krieg nichts, und vor allem nichts zu essen hatten. Alle Probleme wurden mir abgenommen und ich dachte, dass es immer so weitergeht. Plötzlich auf eigenen Füßen, Gegenwind, falsche Entscheidungen, falsche Freunde, alles Aufgebaute zerbricht und meine Seele liegt in einem riesigen Scherbenhaufen. Die Grenze zwischen verzweifeln und aufgeben und dann doch weiterzumachen war ganz schmal. Irgendwann kam er wieder, der Überlebenswille, die Kämpferin in mir, ein Schritt vor, zwei Schritte zurück und immer wieder Verzweiflung. Irgendwann begegneten mir Menschen, die an mich glaubten und mich toll fanden. Es gab Gespräche, wo ich am Ende wusste: So mache ich es. Mein Lebenszug holpert langsam wieder in eine gute Richtung und mein Kiefer, der so verbissen war, wird wieder lockerer. Ich schaffe es!

Ich hatte es mir fest vorgenommen, ganz ehrlich. Gleich nach dem Dreikönigstag wollte ich die Christbaumkugeln und die hölzerne Engelsschar zurück auf den Dachboden bringen. Doch die Tüte mit der Weihnachtsdeko steht noch immer in der Diele, seit Wochen. Ich schiebe sie von rechts nach links und wieder zurück. Auch das kleine Loch in meinem Lieblingspulli stopft sich nicht von selbst und wenn ich meine Winterstiefel nicht bald zum Schuster bringe, bleiben sie in dieser Saison ungetragen im Schrank. Es ist wie verhext. Es scheint fast so, als wollten diese Dinge geradezu nicht erledigt werden. Und wer ist schuld? Unser aller liebstes Haustier: unser innerer Schweinehund. Da meldet sich mein schlechtes Gewissen schon wieder. Die Steuer! Du musst jetzt aber unbedingt schleunigst die Belege zusammensuchen, die der Steuerberater (wann war das?) haben wollte. Mein innerer Schweinehund ist ein ganz hartnäckiges Biest. Überall hockt der böse Fiffi und hindert mich daran, das aus dem Weg zu schaffen, was mich so tierisch nervt. Damit ist jetzt aber Schluss. Versprochen! Also endlich weg mit der Weihnachtsdeko. Obwohl, die Stiefel wären wichtiger. Oder sollte ich nicht lieber erst die Steuerbelege suchen? Der Pulli ... Mist, beinahe vergessen: Ich muss einen Termin beim Zahnarzt ausmachen. Und Farbe kaufen – wir müssen dringend mal tapezieren. Wau! Wau! Wau!

Wenn sich der herbstlich-winterliche Nebel verzogen hat, wird sich die Frühlingsklarheit übers Land legen. Dann werden sich mir die April- bis Oktober-schönen Aussichten im neuen Jahr in den Weg stellen mit der Aussicht, die Probleme zu bewältigen und die Wege zu gehen, die mir zu gehen Spaß machen.

Martina Tischlinger

Daniela Riesner

Marita Hecker

Elisabeth Heyn

Waldemar Graser

Siehst du mich Ich fühle mich verloren, wie schon so oft. Einfach dazugehören, gesehen werden, mehr verlange ich nicht. Es zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Immer irgendwie dabei, aber nie richtig erfolgreich. Kurzfristig angekommen, fällt mein Kartenhaus wieder zusammen. Nach außen mit scheinbar viel Energie und lockerem Spruch auf den Lippen wirke ich selbstbewusst. In Wahrheit beiße ich mich mit unermüdlicher Kraft und genügend Selbstzweifeln im Gepäck durch die Abseitsfallen und genieße die kleinen Erfolge. Jenseits von Erschöpfung, Burnout, Depression. All das wird mich nicht hindern weiter zu kämpfen. Vielleicht sieht mich ja mal jemand.

DURCHBEISSEN

Schreibwerkstatt

Hoffnung, postlagernd

Ende. Des Monats. Kein Geld mehr. Im Kühlschrank nur noch etwas Milch und Hafer im Regal. Da gibt es heute also Hafersuppe. Guten Appetit! Da muss ich durch. Drei Tage lang, dann kommt wieder ein bisschen Geld.

Als im März 2000 meine Katze Muschi gestorben ist und dann 2003 meine andere Katze Susi, das war sehr hart für mich. Da musste ich mich durchbeißen. Mit Susi hab ich immer gekuschelt. Auch meine Eltern sind bereits gestorben. Sie haben beide sehr viel für mich gemacht. Jetzt, wenn ich einen Arzttermin oder einen anderen wichtigen Termin habe, muss ich selbst schaun, dass ich pünktlich komme. Ich muss den Bus erwischen oder die U-Bahn, ich darf keine Zeit verlieren. Und vor allem darf ich meine Angelegenheiten nicht auf die lange Bank schieben. Das ist eine Herausforderung manchmal.

Steve Zeuner

Klaus Schwiewagner

Muss ich. Durch.

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Foto: suze - photocase.de

Die lange Bank

Zähne zusammenbeißen und durch, sage ich mir, als ich in dem kleinen Dorf Chippiona, nicht weit von Gibraltar entfernt, auf einer Parkbank sitze und meine Lage überdenke. Ohne einen Pfennig Geld sind meine Möglichkeiten etwas eingeschränkt. Da frage ich mich doch, warum heißt es durchbeißen, wenn man nicht genug zum Beißen hat? Ich muss nach Barcelona trampen. Dort besteht die Hoffnung, dass von zuhause postlagernd Geld angekommen ist. Den Hilferuf hatte ich per Postkarte nach Hause geschickt. Bis die ankommt … da muss ich mir Zeit lassen für den Weg. Der erste Fahrer nimmt mich gleich bis Sevilla mit. Eine beeindruckende Stadt. Ich schlendere an Palästen vorbei, Prachtbauten mit marmorgetäfelten Innenhöfen. All die vielen orientalischen Formen begeistern mich. Ich laufe und laufe, zwar knurrt mein Magen, aber auf den Landstraßen finde ich ein bis zwei Äpfel pro Tag, die reichen mir. Weiter nach Cordoba. Wieder spaziere ich

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durch kleine, verwinkelte Gassen. Ich bin hingerissen von der großen La Mezquita Moschee. Abends laufe ich raus aus der Stadt. Neben einer Autobahn zu schlafen ist der sicherste Platz. Die Autofahrer, die mich morgens mitnehmen, spendieren mir stets meinen Morgenkaffee, und an den Raststätten kann ich mich waschen, mir die Zähne putzen. Ich will unbedingt die Alhambra in Granada sehen, viel hab ich schon davon gehört. Über Alicante und Valencia geht’s weiter. Nach zehn Tagen erreiche ich Barcelona. Der Magen knurrt kaum noch. Ein Brief meiner Mutter wartet auf mich, sie schreibt, sie habe mir Geld geschickt, postlagernd nach Chippiona, weil die Karte von dort war. Da gelte doch sicher meine Bitte, das Geld nach Barcelona zu schicken, nicht mehr … nur vorsichtshalber schreibe sie mir diese Zeilen … Also, wieder Zähne zusammenbeißen – und zurück. Siglinde Reck

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Das Abo

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05.02.13 12:40

„Oxx beats Esel“ Altdorfer Weihnachts-Benefiz für den Straßenkreuzer

E

ine äußerst launige Geschichte sind die „Oxx meets Esel“-Konzerte im ehemaligen Brauhaus in Altdorf (Foto). Seit drei Jahren trifft sich dort an einem Abend vor Weihnachten die Musikszene der Wallenstein-Stadt, um unter einer stets wechselnden Überschrift gemeinsam aufzuspielen. Bei der ersten Auflage 2015 wurden die Besetzungen der Bands konsequent durchmischt, im Jahr darauf boten die Gruppen sehr eigenwillige Interpretationen bekannter Weihnachtslieder dar. Diesmal zogen die Beatles und ihr umfangreiches Schaffenswerk den roten Faden durch den folgerichtig (und deswegen ausnahmsweise) „Oxx beats Esel“ betitelten Abend, und jede der teilnehmenden Musikkapellen (unter anderem Dillberg, Giftwood, Farnbach & Spieß, Bobmila und Torpedo Dreiklang) spielte im fliegenden Wechsel jeweils eine eigene Nummer sowie eine Coverversion der Fab Five. Dass die bereits im Vorfeld ausverkaufte lange Konzertnacht nicht nur mit viel Spaß, sondern von allen Beteiligten auch noch ganz und gar ehrenamtlich durchgezogen wurde, macht die Geschichte zu einer doppelt feinen Angelegenheit. Der komplette Erlös von „Oxx beats Esel“ wurde gespendet, unter anderem gingen 1000 Euro allein an den Straßenkreuzer. Da halten wir es mit den Worten des großen Horst Hrubesch: „Ich sage nur ein Wort: ,Vielen Dank!’“ Mehr Infos: www.brauhausaltdorf.de

Gute Seiten

Etwa 7.500 Flüchtlinge leben derzeit in Nürnberg. Sie verteilen sich auf 184 Gemeinschaftsunterkünfte im Stadtgebiet. Rund 4000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unterstützen verschiedene Organisationen dabei, den Geflüchteten zum Beispiel bei Behördengängen und Alltagsfragen, den über 2000 Kindern beim Lernen und Spielen an der Seite zu stehen. Das klingt alles gut, und doch werden immer wieder und immer noch Helfer gebraucht. Wenn Sie nicht wissen, wo und wie Sie mitmachen könnten – die Stadt Nürnberg und das „Zentrum Aktiver Bürger“ (ZAB) geben alle Informationen übersichtlich im Netz. Über Erstkontakte per Telefon, Einblicke in Helferkreise bis hin zu genauen Angaben der eigenen Fähigkeiten in einer Maske und der Suche nach einem geeigneten Einsatzort reicht das Angebot. Also nix wie rein ins Netz und statt anonymer Zahlen konkrete Menschen erleben. www.nuernberg.de/internet/stadtportal/ fluechtlinge_ehrenamtliches_engagement.html Ilse Weiß | Straßenkreuzer-Redaktion

Die ökumenische Wärmestube freut sich im Februar vor allem über Unterwäsche und Socken für ihre Besucher, außerdem Hygieneartikel für Frauen, Kaffee und Tee, Duschgel, ­Rasierzeug und Papiertaschentücher. Wenn Sie helfen können: Ökumenische Wärmestube, Köhnstraße 3, Nürnberg, 0911 44 39 62

Text: Stefan Gnad | Journalist, Foto: Anja Szameitat

#VendorWeek 2018

Seit der Gründung der ersten Straßenzeitung 1989 in New York ist viel passiert: Weltweit vereint der internationale Dachverband „INSP“ (International Network of Street Papers) heute über 100 Straßenzeitungen, die sich in 34 Sprachen und 24 Ländern über den ganzen Globus verteilen. 2016 wurden so über 24 Millionen Straßenzeitungen verkauft – und dabei den Verkäufern ein Gesamtverdienst von weit über 30 Millionen Euro ermöglicht. Heute verkaufen weltweit rund 9300 Frauen und Männer Straßenzeitungen. Auch der Straßenkreuzer ist Teil des INSP-Netzwerks. Jedes Jahr im Februar will eine „Vendor Week“, eine Verkäufer-Woche, ganz besonders aufmerksam machen auf die Menschen, die Straßenzeitungen verkaufen. Vom 5. bis 11. Februar ruft der Verband daher Leserinnen und Leser dazu auf, sich mit einem Verkäufer, einer Verkäuferin zu fotografieren. Machen Sie mit und senden Sie Ihre Bilder an mail@strassenkreuzer.info. Oder posten Sie bei Instagram unter #strassenkreuzer_verein und #VendorWeek.

WAS UNS BEWEGT

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Straßenkreuzer – Das Sozialmagazin Jahrgang 25 / Heft 2, Februar 2018

Herzlichen Dank! Im Dezember 2017 erreichten uns Spenden von …

Der Straßenkreuzer ist Mitglied im Inter­nationalen Verband der Straßenzeitungen INSP (www.street-papers.org), im lokalen sozialen Netzwerk „Anlauf“ und im Paritätischen Wohlfahrtsverband Herausgeber: Straßenkreuzer e.V. Wilhelm-Spaeth-Str. 65, 90461 Nürnberg Tel. 0911 217593-0, Fax -20 e-mail: mail@strassenkreuzer.info www.strassenkreuzer.info Vorstand: Walter Grzesiek, Franziska Kapp und Götz Schwanhäußer Straßenkreuzer Redaktion: Ilse Weiß (verantw.), Ulrike Löw, Katharina Wasmeier Verwaltung und Straßenkreuzer Uni: Barbara Kressmann, Barbara Lotz Öffnungszeiten Redaktion: Mo bis Do, 9 bis 15 Uhr Redaktionelle Mitarbeit in dieser Ausgabe: Sharon Chaffin, Artur Engler, Wolfgang Gillitzer, Stefan Gnad, Manfred Schwab, Dieter Stoll, Marcus Pregler Fotos: Giorgos Agelakis, Maria Bayer, Mile Cindric, Henry Hargreaves, Thomas Karsten, Anika Maaß, Simeon Johnke Titelfoto: Maria Bayer Wir danken der Nachrichtenagentur Reuters für ihre Unterstützung Schreibwerkstatt: Waldemar Graser, Marita Hecker, Elisabeth Heyn, Siglinde Reck, Daniela Riesner, Klaus Schwiewagner, Martina Tischlinger, Steve Zeuner Manuskripte sind nach Absprache mit der Redaktion willkommen. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Gestaltung: gillitzer.net Druck: hofmann infocom GmbH, Nürnberg Auflage: 14.000 Vertrieb: Straßenkreuzer Vertrieb, Wilhelm-Spaeth-Str. 65, 90461 Nürnberg Mitarbeiter/-innen im Vertrieb: Heidi Brandenberg, Holger Hoffmann, Birgit Korder, Marco Korder, Ilka-Maria Mertel, Helmut Nill, Helmut Nordhardt, Daniela Post, Siglinde Reck, Helga Rottkamp, Stefanie Sandmann, Sofia Schier, Claudia Schubert, Erika Stark, Betty-Bianka Steinbach, Gabriele Stell, Patricia Wallat, Christa Widmann, Michaela Wolf Anzeigenannahme und -verwaltung: Artur Engler, Tel. 0157 56816284, anzeigen@strassenkreuzer.info Derzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 20 (Anzeigenpreise im Internet unter www.strassenkreuzer.info)

Verkaufspreis 1,80 EUR (davon 90 Cent für die Verkäufer/-innen) Der nächste Straßenkreuzer erscheint am 1.3.2018. Anzeigenschluss: 5.2.2018

Der Straßenkreuzer ist eine Zeitschrift, die Menschen in sozialen Schwierigkeiten hilft, sich selbst zu helfen. Die Zeitschrift wird von Wohnungslosen, Langzeit­erwerbslosen und Armen auf der Straße verkauft. Spendenkonto: IBAN DE73 7002 0500 0009 8155 00 BIC BFSWDE33MUE Bank für Sozialwirtschaft BLZ 700 205 00 · Konto 9 815 500 Bei Spenden bis 200 EUR genügt der Überweisungsschein als Steuerbeleg.

18  WAS UNS BEWEGT

A.Doederlein, Adelheid Fuchs, Alexandru Duma, Alfons Graf, Andrea Bielmeier, Andrea Kluegl, Andrea Stendebach, Andrea Wenzel, Andreas Barth, Angela Thieg, Angela Wittenberg, Angelika Lamml, Angelika Rose-Kuther, Angelika Tischer, Anita Kalb, Anja Winkler, Anna Maria Baudy, Anna Potzner, AnnaElisabeth Stumpf, Annelie Doerfler, Anneliese Steiner, Annette Rosner, Annette Wilhelmine Kreh-Wob, Annette Zuerlik-Eckhart, Anthony Steinbach, Anton Jaeger, Apotheke An Der Radrunde, Ariane Ortweiler, Axel Goebl, Barbara Heisselbetz, Barbara Knodt, Barbara Schönig, Beate Leuthel, Benedikt Gratzfeld, Bernd Hensel, Bernd Lochschmidt, Bernd Schwappacher, Bernhard Bergmann, Betterplace, BFW Mitarbeiter, Birgit Reuter, Brigitte Beck, Brigitte Fleischer, Brigitte Kraus, Brigitte Lang, Brigitte Pilz, Cantoni Alfredo u. Karin Schau, Carina Schmitt, Christa Spörl, Christa u. Peter Saam, Christhild Sieber, Christian Lothar Krabbe, Christina Hebig, Christine Liepelt, Christine Maginot-Rohde, Christine Ruppe, Claudia Gottschalk, Corinna Beck, Dagmar Richter, DB Regio Bebtriebsrat, Dieter Kreft, Dieter Schoch, Dietmar u. Ursula Heinz, Dominik Rattler, Dorit Schatz, Dorothea Adomeit, Douglas Cooper Thompson, Dr. Artur u. Hildegard Friedrich, Dr. Carola Mayer, Dr. Eberhard Freude, Dr. Gerhard Raab, Dr. Klaus K., Dr. Klaus Reichel, Dr. Manfred Schmidt, Dr. Roland Krippner, Dr. Schaefer Immobilien E.K, Edgar u. Ilse Buehler, Edith Seuss, Elfriede Schackot, Elfriede Schmidt, Elisabeth Rankl, Elisabeth Schiedermeier, Elisabeth Taubenberger, Erika Rachwal, Erna Reil, Eva Maria Reichelmann, Frank Leibig, Franziska Babl, Franz-Josef u. Ursel Fidder, Frau Lampert der VHS Oberasbach, Friedrich u. Margit Leicht, Friedrich-Wilhelm u. Eva Fix, G. Altissimo u. C. Milan, Gabriela Lahner, Gabriele Anna Koch, Gabriele Hetterich-Philipp, Gabriele Stell, Gerald Kollenda u. Gabriele F., Gerda Dill, Gerda Sandner, Gerhard Seyfert Christel, Gerhard u. Susanne Kraft, Gerhard u.Ingrid Babel, Gerhard Winkler, Gerhard Zuber, Gerlinde Bleyh, Gerlinde Dunnigan, Gertraud u. Wasil Arabackyj, Gisbert Betzler, Grete Zintl, Gudrun Merz, Guenter Kessler, Guenter u. K. Gloser, Guenther Kaiser, Guenther u.Theres. Haeusser, Günter u. Cornelia Krauss, Gunther u. Friedel Wesche, Günther Ziegler, H. u. A Antoni, H. u. A. Dehmer, Hahn & Riedl Wohnbau Gmbh, Hannelore Mueller, Hans Tippmann, Hans u. Elfriede Burkhard, Hans-Juergen Beie, Hans-Jürgen Thum, Hans-Werner Heinzen, Hans-Werner u.

Foto: Giorgos Agelakis

Impressum

Schöne Melodien mit mehrfachem Nutzen Die Staatsphilharmonie, mit rund 100 Musikern Nürnbergs größtes Orchester, hat traditionell eines ihrer Neujahrskonzerte ohne Gage gespielt. Der Erlös kommt dieses Jahr drei guten Zwecken zugute: den Geigenbaukindern im Himalaya, der Erforschung des Rett-Syndroms und dem Straßenkreuzer. Ob der Erlös den Umfang der vergangenen Jahre erreichen wird, steht noch nicht fest. Erstmals seit Jahrzehnten sollen die Musiker die Miete für das Opernhaus abziehen. Ein Ansinnen, das im ausverkauften Saal für Missbilligung beim Publikum sorgte. Für den Straßenkreuzer freute sich Vorstandsmitglied Franziska Kapp vorerst über das wunderbare Konzert­ erlebnis und eine noch nicht feststehende Spende. Die Musiker auf dem Bild sind (von links nach rechts): Michael Wolkober (Posaune), Christian Heller (Viola), Paulo Arantes (Oboe). Alle drei sind Mitglieder des Orchestervorstands der Staatsphilharmonie Nürnberg.

Patenschaften Grüll Bolko, Grüll Ingo, Hahn Karl-Dieter, Hartwig Gabi, Kronenwald Axel, R ­ uider Bernhard, Dr. Schroll Siegfried, und zwei anonyme Paten. Ansprechpartnerin ist Ilse Weiß, Telefon: 0911 217593-10, E-Mail: weiss@strassenkreuzer.info I.Nawracala, Harald u. Birgit Klein, Heidemarie Keitel, Heidemarie Straussberger, Heidi Hauck, Heidi Moegel, Heidi Riedner, Heidi Seitz-Roemling, Heidrun Feuerbach, Heiko Zatocil, Heinz Rosenbauer, Helga u. Dieter Arnold, Helga u. Rolf Langenberger, Helga Voelker, Helmut Hager, Helmut u. Monika Streng, Helmut u. Sigrid Pflasterer , Herbert Lanzmich, Herbert Schweiger, Herbert u. Renate Stier, Hermann-Hedenus-Schule Grundschule, Herwig Graf, Hiemer Helmut u. Csapai Efraim, Horst Hausmann, Horst u. Gisela Meier, Horst u. Meta Pilipp, Inci Haldun, Inge Kneittinger, Inge Leha-Castner, Ingeborg Janik, Intechnica Consult Gmbh, Irene Felsch, Isabella Engler, James u. Helga Krueger, Janina Halbig, Jens Nentwich, Jens o. Vanessa Janson, Joachim Moessner, Joachim Platzek, Joachim u. Doris W. Mossner, Jochen u. Renate Hippel, Johann u. Anne Ginzinger, Johann u. Brigitte Spiessl,

Jung und sozial aktiv: Die Junge Union Nürnberg-Ost hat bereits zum dritten Mal im Advent für den Straßenkreuzer in den städtischen Ortsvereinen gesammelt. Schöne 320,20 Euro sind es diesmal geworden. „Wir haben wieder den Straßenkreuzer gewählt, weil uns der Ansatz der Hilfe zur Selbsthilfe gefällt“, erklärt die Vorsitzende der JU Nürnberg-Ost, Regina Maria Frieser (vorne im Bild) das Engagement. Bei der Spendenübergabe dabei: Johannes Bürgin, ebenfalls JU (links), und Verkäufersprecher Steve Zeuner für den Straßenkreuzer e.V.

Johanna Kluge, Johannes u. Annette Deyerl, Jörg Hertle, Juergen Berger, Juergen Traeger, Juergen u. Ingrid Hammer, Jupitz Manfred, Jürgen Schmitzer, Jürgen u. Ingrid Kandziora, Jürgen u. Katharina Tallner, Karin Bohrer, Karl Heinz u. Irmgard Adrian, Karl Herrmann, Karl Kahn, Karlheinz Rimann, Karoline Maria Schmutzler, Katja Stammler, Katja u. Ralf Hässler, KC Risk AG, Klaus Bode, Klaus Geissdoerfer, Klaus Hofmann, Klaus Lohbauer, Klaus Popp Ingeborg Popp, Klaus Stroka, Konstanze Seutter u. Arne Mewes, Kornelia Mangold Hermann Rast GbR, Kuno u. Helga Dollenmaier, Kurt u. Doris Plackner, Lina Schwanenberg, Linde Eckstein Gmbh + Co. KG, Lions-Hilfswerk Nürnberg, Lorenz Endres, Lothar u. Britta Gritschke, Lucija Matkovic, Lutz u. Sab. Boehmer, Lydia Buettner, Lydia Ulrich, M. u. Ch.Weitzer, Manfred Funk, Manfred u. Caroline Weiss u. Sanne Fink, Manuela Dick, Manuela und Dr. Peter Schuster, Margarete Bauer, Margarete Fiedler, Margret Orlowski, Maria Bayer, Maria Caramagno, Maria u. Hans-J. Buchard , Marianne Bachmann, Marie-Luise Frommberger, Marie-Luise Klug, Marita Grimm, Markus Bueb Dentaltechnik, Markus Dorner, Markus Schr., Markus Stradtner, Martin u. Ingeborg Heyn, Martina Russ, Maximilian Straßenkreuzer Freundeskreis Neu im Freundeskreis seit Dezember 2017: Hans-Joachim Rudolph, Jasmin Schalasch und ein anonymer Freund. Alle Freundeskreis-Mitglieder und weitere Informationen im ­Internet unter www.strassenkreuzer.info Auch Sie können ein Freund des Straßenkreuzers werden: ab 60 Euro/Jahr.

Schwicker-Schneider, Mediendesign Aktiengesellschaft, Melanie Breidenstein, Michael Goebl, Michael Kothe, Michael Lorber, Michael Plommer, Michael u. Maria Eichner, Michael Vögele, Michaela Griep, Molin Daniela, Monika Friedmann, Monika Kraus, Monika Ramer, Monika u. Jochen Ziegler, Monika Zeilinger, Nadine Goetz, Nadine Trautmann, Nicole Ein Löwenbeitrag vom Lions-Club: Auf Initiative von Club­ Brachmann, Norbert Lingen, master Dr. Carl Ernst Grummt und dessen Frau H ­ anne Norbert u. Anjela Guenter, wurden für den Straßenkreuzer und seine Projekte Oliver Krisch, Pascal Schackot, 2000 Euro von den Mitgliedern gesammelt. Auf dem Peter Friedewald, Peter KoFoto von links: Lions-Präsident Prof. Klaus Heying, vacs, Peter Platen, Peter Raum, Dr. Carl Ernst Grummt und Straßenkreuzer-Vorstand Peter u. Christa Mickain, Peter ­Walter Grzesiek. u. Petra Braun, Peter Ullein, Petra Breitkopf, Petra Stoecker, Petra Va Holz, Rainer Schulze-Bahr, Regina genthal, Ulrike Ebinger Fa. Ebtrade, Ulrike u. Mueller, Regina Proell, Regine Uffelmann, Michael Gleiss, Ulrike Wikner Fa. KSE, Ursel Reiner Retzer, Reinhard Dittrich, Reinhard Fischelmayer, Ursula Aichemueller, Ursula Schaumburger, Reinhard Scholz, Renate KoEcker, Ursula Gad, Ursula Hofmann, Ursula erner, Renate Lange, Renate Lindner, Renate Maul, Ursula Neubert, Ute u. Juergen Wedel, Simon-Mathes, Renate Wiesender-Bethke, Uwe u. Andrea Nenni, Uwe u. Anne Braehmer, Richard Radle, Robert Kraus, Robert u. Ina Uwe u. Brigitte Polifke, Vladimir Poliakov, W. Krist, Roland Friedlein, Ronald u. Birgit Rabe, u. K. Beigel, Walter Iffland, Walter Schimmer ROWE Gesellschaft für Rohstoffhandel, Ruu. Britta Meis, Werner Brodkorb, Werner u. dolf Schedel, Sandra Kuba, Sauer Monika, Ute Kunzmann, Wilfried u. Irmgard Pickel, Sibylle Bernet, Siegfried Seitz, Sigl Schreiber, Wilhelm u. Elisabeth Segit, Winfried MeyerSigrid Schickendanz, Silvia Winkler, Stefan Schmidt, Witzke Joachim, Wolfgang Brunner, Oesterlein, Stefan u. Kristina Arold, Stefanie Wolfgang u. Anne Eichholz, Wolfgang u. GabBeck, Susanne Gross-Eisenmann, Susanne riele Bednar, Yasmine Gisel Dorsch Margarete Ehrler, Susanne Seybold, Susanne Worbs, Sylvia Geiling, Tatjana SchuettaufSpendenkonto: Blatter, Thomae-Schrader Franziska, Thomas Bank für Sozialwirtschaft, Konto 9 815 500, Nicole, Thomas Jurisch, Thomas Kaiser Sigrid BLZ 700 205 00 Kaiser, Thomas Pangerl, Thomas Seel Doris IBAN DE73 7002 0500 0009 8155 00 Seel, Thomas Zwack, Ulla u. Andreas MerBIC BFSWDE33MUE WAS UNS BEWEGT

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Als der neuseeländische Fotograf Henry Hargreaves anfing, sich mit Henkersmahlzeiten auseinanderzusetzen, war er schockiert. Und zwar darüber, wie menschlich ihm die Verurteilten plötzlich erschienen.

Das letzte Gericht

Allen Lee „Tiny“ Davies, 54, Florida. Verurteilt für Raub und drei Morde. Elektrischer Stuhl. Letzte Mahlzeit: Hummerschwanz, Bratkartoffeln, 1/2 Pfund frittierte Shrimps, 170 Gramm frittierte Muscheln, ein h ­ albes Knoblauchbrot, ein Liter A & W Root Bier (Limonade aus ­Wurzel- und Kräuterextrakten).

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Durchschnittlich 47 Menschen werden in den USA pro Jahr hingerichtet. Traditionell haben sie vielerorts das Recht auf eine letzte Mahlzeit. Obwohl dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, gilt die letzte Mahlzeit als ein Privileg, das die amerikanischen Bundesstaaten so gut wie allen ihren Insassen gewähren. In manchen Staaten ist die Auswahl der Gerichte auf jene Produkte beschränkt, die in den Gefängnisküchen vorhanden sind. Anderswo wird für die Kosten ein Höchstbetrag festgelegt – wie beispielsweise in Oklahoma, wo es gestattet ist, Essen von außerhalb des Gefängnisses bis zu einem Betrag von 15 US-Dollar zu bestellen. 2011 sorgte Texas für Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass das LetzteMahlzeit-Programm gestrichen wurde, nachdem der Todestraktinsasse Lawrence Bender ein besonders umfangreiches Menü bestellt, aber schlussendlich nicht gegessen hatte. Das machte den Fotografen Henry Hargreaves auf das Thema aufmerksam. „Ich war schockiert, wie menschlich mir diese Leute erschienen, als ich über ihr Essen las“, sagt er. Damals stellte er die letzte Mahlzeit von einem Dutzend zum Tode Verurteilter nach. Für diese Fotoserie erntete Hargreaves nicht nur Anerkennung: „Viele missverstanden das Projekt und waren der Meinung, ich würde die Taten der Verurteilten gutheißen.“ Aber darum gehe es ihm nicht. „Ich bin in Neuseeland aufgewachsen, wo es die Todesstrafe nicht gibt. Für mich ist dies eines der seltsamsten Konzepte der westlichen Gesellschaft.“ Nun hat sich der 38-Jährige für seinen Bildband „A Year of Killing“ erneut mit dem Thema beschäftigt. Er will mit seinen Bildern eine Diskussion anstoßen. „Ich versuche, mich in die Situation der Personen hineinzuversetzen, die kurz vor dem letzten Moment ihres Lebens stehen. Ich stelle mir die Spannung vor, die sie fühlen“, sagt er. „Ich möchte, dass man sich darüber Gedanken macht und all dies bewusster wahrnimmt als bisher.“ Wie aktuell die Debatte um die Todesstrafe in den USA ist, zeigt eine Abstimmung aus Oklahoma: Hier stimmten zuletzt 66 Prozent der Bevölkerung dafür, das Recht auf die Vollstreckung der Todesstrafe in der Verfassung zu verankern. Mit freundlicher Genehmigung von: The Curbside Chronicle, INSP.ngo Aus dem Englischen von Borbála Eke, Trommons.org

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Ted Bundy, 43, Florida: Verurteilt für Vergewaltigung, Leichenschändung, Gefängnisausbruch und mehr als 35 Morde. Elektrischer Stuhl. Letzte Mahlzeit: Lehnte eine spezielle Mahlzeit ab, ­bekam dafür das traditionelle letzte Gericht – Steak (medium), Spiegeleier, Rösti, Toast mit Butter und Marmelade, Milch, Saft.

Ferdinando Nicola Sacco & Bartolomeo Vanzetti, 36 und 39 Jahre, Massachusetts:

Verurteilt für Doppelmord. Elektrischer Stuhl. Letzte Mahlzeit: Suppe, Fleisch, Toast, Tee. 1977, 50 Jahre nach ihrer Hinrichtung, rehabilitiert der damalige Gouverneur von Massachusetts beide. Grund: Der Staatsanwalt hatte absichtlich „unfaire und irreführende Beweise“ vorgelegt.

John Wayne Gacy, 52, Illinois: Verurteilt,

weil er 33 Jungen und junge Männer vergewaltigte und ermordete. Tod durch die Giftspritze. Letzte Mahlzeit: Zwölf gebratene Garnelen, eine Portion original Kentucky-FriedChicken-Hähnchenstücke, Pommes Frites, ein Pfund Erdbeeren. Bevor er verurteilt wurde, hatte er drei KFC-Filialen gemanagt.

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Stephen Anderson, 49, Kalifornien: Verur-

teilt für Einbruchdiebstahl, Körperverletzung, Ausbruch aus dem Gefängnis, sieben Morde, Giftspritze. Letzte Mahlzeit: Zwei Käsetoasts, eine Portion Hüttenkäse, Maisgrütze mit Zuckermais, Radieschen, Pfirsichkuchen und Stracciatella-Eis.

Oscar Ray Bollin Jr., 53, Florida: Giftspritze für den Mord an drei Frauen. Er beteuerte bis zuletzt seine Unschuld. Letzte Mahlzeit: Steak (medium). Kartoffel mit Butter und Sour Creme, Salat, Knoblauchbrot, Zitronenkuchen und eine Flasche Cola.

Pablo Vasquez, 38, Texas. Mord an einem Kind. Tod

durch Giftspritze, nach 17 Jahren in der Todeszelle. Letzte Mahlzeit: Hacksteak mit brauner Soße, Reis,

süße Erbsen, Bohnen, Toast und Kuchen.

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„ Für viele Deutsche sind Türken nur Döner-Verkäufer“ Das Department Islamisch-Religiöse Studien (DIRS) an der Erlanger Universität wird in Zeiten, in denen viele Koran mit Terror gleichsetzen, zur Wissensvermittlung immer wichtiger. Gasthörer und Studierende kommen aus allen Disziplinen. Auch Zeynep Ölmez hat nach ihrem Lehramtsstudium noch Vorlesungen am DIRS belegt. Nun ist die Deutsche mit türkischen Wurzeln im Referendariat, danach geht die Muslima in die Türkei, auch weil sie sich hier nicht mehr wohl fühlt.

F

ür ihren Glauben, den Islam, interessiert sich Zeynep Ölmez schon seit ihrer Jugend, auch das Kopftuch trägt die 27-Jährige bereits seit einigen Jahren. Das aber hat der angehenden Gymnasiallehrerin, die türkische Wurzeln und eine deutsche Staatsbürgerschaft hat, nicht gereicht. Sie wollte mehr über die Religion wissen und hängte an ihr Deutsch- und Geographiestudium an der FriedrichAlexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg noch ein Jahr islamische Religionspädagogik dran; dazu besuchte sie auch Veranstaltungen des Department Islamisch-Religiöse Studien, kurz DIRS. „Ich wollte mehr über den Islam erfahren, mich mehr informieren und mehr recherchieren“, sagt Zeynep Ölmez, die im oberfränkischen Selb aufgewachsen ist und derzeit in Coburg einen Teil ihres Referendariats absolviert. In einer universitären Umgebung lasse sich besser über Inhalte diskutieren als in einer Moschee, in die auch Ältere kommen, die „ein bisschen aus dem Koran lesen“ könnten. Für sie sei das Erlernen der arabischen Sprache sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Islam eine „große Bereicherung“ gewesen – ebenso wie der Austausch mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen. „In den Vorlesungen waren Menschen aus unterschiedlichsten Berufs- und Altersgruppen, die als Studierende und Gasthörer mehr über das Thema erfahren wollten“, berichtet Zeynep Ölmez. Gerade in einer Zeit, in der Flüchtlinge und der Islam undifferenziert mit Terroranschlägen in Verbindung gebracht würden, sei es wichtig, sich bewusst zu machen, was genau im Koran steht: „Der Islam ist eben keine Gewaltreligion, auch wenn das in der Öffentlichkeit immer mal wieder so dargestellt wird“, betont die junge Frau, die in jüngster Zeit selbst immer wieder zum Ziel islamfeindlicher Äußerungen wird. In Deggendorf, wo sie einen Teil ihrer Lehrerausbildung gemacht hat, sei sie als türkischstämmige Frau mit Kopftuch und zugleich Referendarin am Gymnasium wie ein „exotisches Tier“ betrachtet worden. „Mit meinem Referendariat durchbreche 26 STADTGESCHICHTE

ich Vorurteile“, sagt sie. „Für viele Deutsche sind Türken nur DönerVerkäufer und Reinigungskräfte, aber keine Gymnasiallehrer.“ Immer wieder, sagt Zeynep Ölmez, werde sie auf der Straße oder beim Zugfahren wegen ihres Kopftuches angepöbelt und als „Terroristin“ beschimpft. Das sei „sehr, sehr unangenehm“. Diese feindliche Stimmung, die sie am eigenen Körper spürt, hat ihrer Einschätzung nach zugenommen: „Ich fühle mich in Deutschland nicht mehr so wohl wie früher“, sagt sie. „Inzwischen wundere ich mich schon, wenn die Leute mal nett zu mir sind.“ Mit Argumenten kann und will sie jenen, die oft betrunken und voller Hass sind, nicht entgegentreten. Und das Kopftuch einfach ablegen, um so den Aggressionen zu entgehen, möchte sie auch nicht. „Dann müsste ich gerade für die Leute, die es nicht verdienen, meine Identität ändern und das mache ich nicht.“ Zumal sie im Freundes- und Bekanntenkreis durchaus viele Christen hat, die mit ihrem Kopftuch keine Probleme haben. Auch für ihre Kollegen spielt die Religion keine Rolle, im Unterricht allerdings legt Zenyep Ölmez das Kopftuch wegen möglicher Kritik von Eltern ab. Sie gibt aber zu bedenken: „Die Schüler sehen mich außerhalb des Unterrichts mit und in der Schulstunde ohne Kopftuch, das ist doch nicht authentisch.“ Da die junge Frau mit diesem Widerspruch nicht leben will und ihr Verlobter Türke ohne Deutschkenntnisse ist, dessen Hochschulabschluss als Mathe- und Physiklehrer hierzulande nicht anerkannt wird, zieht Zeynep Ölmez voraussichtlich nach dem Referendariat im Sommer 2018 in die Nürnberger Partnerstadt Antalya. Dort will sie entweder an einer Privatschule oder an der Universität arbeiten, ihre Eltern aber bleiben mit ihren anderen Kindern in Deutschland. Auch wenn Zeynep Ölmez weiß, dass sie jederzeit hierher zurück kann, fällt ihr der Abschied doch schwer: „Ich habe noch nie in der Türkei gelebt“, sagt sie. Text: Sharon Chaffin | Redakteurin bei den Erlanger Nachrichten; Fotos: Mile Cindric

Lehrerin Zeynep Ölmez wird immer wieder wegen ihres Kopftuchs angepöbelt.

Islam studieren – so geht’s an der Uni Erlangen

Farid Suleiman, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am DISR in Erlangen.

Der Studiengang Islamisch-Religiöse Studien kann an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg mit dem Abschluss Bachelor (als Nebenfach) oder Master studiert werden. Dabei stehen unter anderem religiöse Normen- und Methodenlehren, Schulen des Islam sowie gegenwartstheologische Fragen des Islam im Zentrum. Aber auch Themen wie Islam und Gesellschaft, Islam und Gender oder Radikalisierung werden im Studium behandelt. „Der Studiengang ist ähnlich wie bei der evangelischen oder katholischen Theologie offen für alle“, erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter Philipp Farid Suleiman, der in dem Bereich zugleich zuständig ist für die Studienberatung. Oft seien es deutsche Muslime, die am DIRS studierten, um auf Deutsch über ihre Religion sprechen und auch mehr über sie erfahren zu können. Das gilt auch für den praktizierenden Muslim Suleiman selbst, der einen palästinensischen Vater und eine deutsche Mutter hat. Kombinieren lässt sich der Studiengang, für den sich pro

Semester im Schnitt 40 neue Bachelor-Studenten (ohne Lehramt) einschreiben, etwa mit Orientwissenschaften, Soziologie, Geschichte und Ethik der Medizin, Politikwissenschaft sowie Pädagogik und Religionspädagogik. Wie bei allen Absolventen der Geisteswissenschaften ist auch hier die berufliche Bandbreite groß: So kommen Absolventen zum Beispiel in städtischen Verwaltungen, in der Beratung in Wirtschaft, Politik und Gesundheitswesen, im Journalismus, in der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung sowie in der Gefängnis- und Krankenhausseelsorge unter. Bei Moscheen sei es hingegen schwieriger, eine Stelle zu finden, da sich die Gemeinden über Spenden finanzieren und davon bereits Miete und Vorbeter bezahlen müssten, erläutert Suleiman. Text: Sharon Chaffin | Redakteurin bei den Erlanger Nachrichten

STADTGESCHICHTE

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Die Mächtigen haben Angst vor den Träumen von einer besseren Welt

Diverse Bücher, 40 LP, politisches Engagement gegen rechts, KurtTucholsky-Preis: Konstantin Wecker, 1947 in München geboren, gehört zu den vielseitigsten Künstlerpersönlichkeiten im deutschsprachi­gen Raum. 1968 trat er erstmals als Liedermacher auf, der Durch­bruch gelang 1977 mit der Ballade „Willy“ und dem Album „Genug ist nicht genug“. Zum 70. Geburtstag ist er mit „Poesie und Widerstand“ auf Tour. Warum er Gedichte als Form des Widerstands begreift und was er Nürnberg für die Bewerbung als Kulturhauptstadt empfiehlt, erzählt er im Interview.

Straßenkreuzer: Mit 50 haben Sie gesungen „I werd oid“. Wie fühlen

Sie sich mit 70? Konstantin Wecker: Ich weiß mittlerweile, dass das Lied damals ganz

schön kokett war. Als ich es geschrieben habe, ging‘s mir ja wieder ganz gut, aber es gab Zeiten davor, zwischen 40 und 50, da war ich wirklich down. „Kein Ende in Sicht“ heißt es in meinem ersten Lied im Programm. Das klingt ein bissl komisch, aber es stimmt schon: Das Alter bringt auch Vorteile. Man genießt viel mehr den Augenblick. Und jeder Augenblick ist ewig. Ihre Programme und Buchtitel vereinen meist konträre, sich scheinbar widersprechende Begriffe wie „Mönch und Krieger“, „Wut und Zärtlichkeit“, „Pazifismus und Revolution“. Sind Sie ein Zerrissener? Es ist so, dass ich mich durch meine Gedichte selbst erfahre, die guten und die Schatten-Seiten, die ich wie jeder Mensch habe. Meine Sehnsucht nach einer liebevolleren, zärtlicheren Welt, hinter meinem Zorn über die politischen Verhältnisse. Der Titel „Wut und Zärtlichkeit“ ist entstanden. als ich mal über diese Zerrissenheit gesprochen habe und mir ein Fan dazu gesagt hat: „Das gehört doch alles zusammen, das sind starke Gefühle!“ Wie wahr. Und sie lassen uns wachsen. Reifen im Herzen. Nürnberg ist eine „Stadt der Brüche“, einst „Stadt der Reichsparteitage“ und der Nazi-Rassengesetze, heute „Stadt der Menschenrechte“. Wie erleben Sie die Stadt? Das ist ja leider nicht zu Ende mit dem rechten Ungeist. Pegida, die AfD und andere führen das fort. Jetzt in Österreich. Wir dürfen nie aufhören, uns dem zu stellen und entgegenzustellen. Es ist der ewige Kampf um mehr Menschlichkeit. Ich finde es gut, dass das in Nürnberg getan wird und hoffentlich auch seinen Platz findet im Programm einer künftigen Kulturhauptstadt Europas. Man sagt Ihnen eine gewisse Affinität zu Randmilieus nach. Auch ihre Achterbahn-Biografie kennt tiefe Brüche und Abstürze. Was hat Sie immer wieder gerettet? Glück! Vor allem das Glück, liebevolle Eltern zu haben, die mich nie verurteilt, mich angenommen haben ohne Wenn und Aber, besonders auch mein wunderbarer Vater. Die einzige Möglichkeit, die Welt in und um uns zu verändern, ist doch die Liebe. Ich habe immer zu meinen Fehlern gestanden, die Schuld nie auf andere geschoben. Aber aus der Drogenabhängigkeit kommt man ohne Hilfe von außen nicht mehr raus. Das ist eine Krankheit und muss als solche behandelt werden, nicht als kriminelles Delikt. Es ist ja auch so, wie ich es in der „Kunst des Scheiterns“ beschrieben habe: Es sind die Niederlagen, die uns weiter bringen. Wir werden immer auf die gleichen Fehler zurückgeworfen, bis wir bereit sind, unser Leben zu ändern.

28 INTERVIEW

Im reichen Deutschland wächst die Kinderarmut, droht Altersarmut. Derzeit fehlen mehr als eine Million bezahlbare Wohnungen. Soziale Missstände und Flüchtlingsprobleme werden politisch gegeneinander ausgespielt. Wie gespalten ist unsere Gesellschaft? Diese ungeheure Kluft zwischen Arm und Reich: Das ist doch die Folge, das Verbrechen einer neoliberalen Ideologie, die alles beherrscht, und fast alle Parteien machen da mit, leider auch die SPD seit Schröder. Man könnte verzweifeln, weil noch viel zu wenig Empörung herrscht gegen die Geld-Macht. Aber wer soll denn die Stimme der seitlich Umgeknickten, der Hartz IV-Empfänger und der Ausgegrenzten sein, wenn nicht die Künstler? Romantik – die Begegnung mit dem Wunderbaren, zieht sich durch Ihr Werk. Der Autor und Philosoph Rüdiger Safranski warnt, Romantik in der Politik sei gefährlich. Wie reimen sich für Sie Politik und Romantik? Ich habe Safranskis Buch gelesen. In diesem Punkt kann ich ihm nicht zustimmen. Der iranische Dichter Said hat mir erzählt, dass ein Poet in seinem Heimatland für zwölf Gedichte zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wurde: Ein Jahr Gefängnis für jedes Gedicht! Die Poesie macht den Mächtigen Angst. Deshalb hab ich das Motto „Poesie und Widerstand“ jetzt erweitert zu „Poesie ist Widerstand“. Das mag weltfremd-romantisch klingen. Aber unsere Träume, das spirituelle Innere und das politische Außen verbinden sich, entfalten Kräfte in jedem Einzelnen. Die Übel des Kapitalismus müssen durch einen revolutionären Geist überwunden werden. Aber Waffengewalt ist niemals ein mögliches Mittel. Gewalt schreckt sie nicht, sie haben die besseren Waffen. Wovor die Mächtigen Angst haben, das sind unsere Träume von einer besseren Welt, ist der gewaltlose Widerstand freier, selbstbestimmter Menschen. Ihr literarisches und musikalisches Werk umfasst Songs, Gedichte und Bücher, zahlreiche Bühnen- und Filmmusiken und allein 15 Musicals, wenn ich richtig gezählt habe. Was Sie nach eigener Aussage selbst noch vermissen, ist ein opus magnum, etwas von der Strahlkraft der von Ihnen hochgeschätzten Carmina Burana Carl Orffs. Was haben Sie vor? Wir arbeiten an einem Werk über die gewaltlose Bayerische Novemberrevolution und die Räterepublik vor genau 100 Jahren. Volker Weidermann hat darüber ein wunderbares Buch geschrieben: „Träumer – Als die Dichter die Macht übernahmen“. Auch wenn die nicht erfolgreich waren, wenn das blutig zerschlagen wurde, die Vision von einer besseren Welt wirkt weiter, und die heutigen Künstler müssen sie lebendig halten. Schaun mer mal! Interview: Manfred Schwab | Autor und Kolumnist; Foto: Thomas Karsten

INTERVIEW

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Für Stabilität und Zusammenhalt! Liebe Nürnbergerinnen und Nürnberger, Verantwortung für unser Land übernehmen, für politische Stabilität und sozialen Zusammenhalt sorgen! Das war schon immer die Losung der SPD. Und dem bleiben wir auch in Zukunft treu!

„...Wecha dem bissala Schimmel mindern?“

Kulturgut Wir empfehlen im Februar

Mängel, Mängelbeseitigung, Mietminderung? Wir helfen bei rechtlichen Fragen rund um das Mietverhältnis.

Mehr Informationen zur SPD und meiner Arbeit finden Sie auch auf meiner Homepage: www.martin-burkert.de Ihr Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordneter

Martin Burkert, MdB Sie können mir schreiben: www.facebook.de/martin.burkert.16 Martin.Burkert@wk.bundestag.de

Deutscher Mieterbund Nürnberg und Umgebung e.V. Schlehengasse 10 · 90402 Nürnberg Telefon 0911 22 0 29 Beratungsstellen auch in Erlangen und Schwabach (Beratung und Vertretung nur für Mitglieder)

SPD-Abgeordnetenbüro Karl-Bröger-Straße 9 90459 Nürnberg Telefon 0911 4389630

www.mieterbund-nuernberg.de

Wir bieten mehr als nur Immobilien! Wir machen Nürnberg lebenswert und schaffen Räume zum Wohnen und Leben.

Musical-Revue | Sahnetörtchen-Pyramide

Wir kümmern uns nicht nur um Immobilien und deren Umfeld, sondern auch um die Menschen. Durch soziale und innovative Projekte schaffen wir Lebens- und ArbeitsRäume, in denen sich unsere Kunden wohlfühlen.

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Wir gestalten LebensRäume.

Zwei Dutzend Musicals an einem einzigen Abend, wo gibt’s denn sowas? In Nürnberg, denn da geht es derzeit im gestreckten Galopp durch die Legende von Swinging New York: „The Lights of Broadway“. Dieses Show-Spektakel, das eine selbstironische Bilanz der Glamour-Nische im Opernhaus-Jahrzehnt des demnächst scheidenden Intendanten Peter Theiler sein sollte oder könnte (man erinnert sich etwa an „Silk Stockings“, „Funny Girl“, „Sweet Charity“), ist eher eine nostalgische Oldie-Gedenkfeier für umjubelt versinkende Zeiten. „Theater, Theater“ wird auch angestimmt, aber das war nie ein Musical – noch nicht mal, wie auf der Bühne behauptet, GrandPrix-Sieger. Immerhin, Ebstein gibt es immer wieder. Mit Spektakel-Initiator Gaines Hall, der einst mit viel Fred Astaire in der Kniekehle als Entwicklungshelfer für Show & Step aus den USA nach Deutschland kam, und den drei auf Bestseller-Endlosschleife reisenden Sparten-Stars Sophie Berner, Frederike Haas und Christian Alexander Müller wird am silbernen Lametta-Vorhang eine Sahnetörtchen-Pyramide gestapelt. Zur fälligen Tortenschlacht kommt es

leider nicht. Acht Azubis der Münchner Everding-Akademie, die sich den Abend vermutlich als Zwischenprüfung anrechnen lassen, wimmeln hochbegabt eifrig im Windschatten des Profi-Quartetts, das nahezu alle Kicks und Tricks der Branche beherrscht – nur ihre matte Moderation zwischen den Showblöcken, in der sie sich humorfrei gegenseitig mit Komplimenten überhäufen, bremst gewaltig. Aber man lernt Song-Proben aus zwölf Stücken kennen, die es nie auf den Nürnberger Spielplan geschafft haben. „Cabaret“ gehört auch dazu, es ist das wahre High-Light des Abends. „The Lights of Broadway“ in Doppelvorstellungen am 11. und 25. Februar, jeweils 15.30 Uhr und 19.30 Uhr im Opernhaus. Karten von 10 bis 62,80 Euro unter 0180-1-344.276 Dieter Stoll, Kulturjournalist und Theaterkritiker

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Netz-Tipp | So viel Heimat-Kunst

Ausstellung | Kathedralen der Technik Historisch wertvolle Gebäude, die keinen Erker haben, leben gefährlich in Nürnberg. Jüngstes Beispiel ist die Hauptpost am Bahnhof, die nun abgerissen wird. Viele erinnern sich auch voller Wehmut an den Milchhof, der 2008 gesichtsloser Architektur weichen musste. Das nächste Opfer könnten die ehemaligen Umladehallen der Bahn zwischen Münchener und Brunecker Straße werden. Dort soll der neue Stadtteil Lichtenreuth entstehen, und bisher sind die Planer noch nicht davon überzeugt, dass man die ungewöhnlichen, 250 Meter langen Industriebauten aus

der Weimarer Zeit in das neue Viertel integriert. Eine Ausstellung der Stadtbild-Initiative Nürnberg soll nun die Augen öffnen für diese „Kathedralen der Technik“. „Vergessen im Süden. Die Umladehallen am Nürnberger Südbahnhof“. Ausstellung vom 15.2. – 22.4.18 im Museum Industriekultur, Äußere Sulzbacher Str. 62. www.museum-industriekultur.de Eintritt: 6 Euro / erm. 1,50 Euro Wolfgang Gillitzer | Straßenkreuzer-Grafiker

Kunsthistoriker Alexander Racz hat das Blogzine kunstnuernberg.de vor vier Jahren ins Leben gerufen – und es ist tatsächlich sehr lebendig. Dabei ist der 33-Jährige derzeit noch mit seiner Doktorarbeit zur „Genese des christlichen Altars in Italien von der Spätantike bis zum frühen Mittelalter“ schwer beschäftigt. Umso frischer und moderner präsentieren er – und seit einigen Monaten ein Team aus Kunsthistorikern, Musikern und Theaterwissenschaftlern – Tipps und Hintergründe zur vielfältigen Nürnberger Kunst- und Kulturszene und dem, was es hier zu erleben gibt: Interviews (u.a. mit Produktdesigner Markus Bischof und Poetin Maren Kames), ein eigener Link zu Theater, Tanz- und Performance, jede Menge Musik(entdeckungen), dazu spezielle Artikel zu Sehenswürdigkeiten von der Kaiserburg bis zum Quelle-Areal. Klar, dass es einen umfangreichen Kalender gibt und für alle, die immer auf dem Laufenden bleiben wollen, einen Newsletter. Ein besonders feines Angebot sind die „Featured Artists“ – Porträts meist junger Künstler aus Nürnberg. Ein tolles ehrenamtliches Engagement – Applaus. www.kunstnuernberg.de Ilse Weiß | Straßenkreuzer-Redaktion

Theaterbuch | Mimenspiel mit Selbstporträts Die Schauspielerin Patricia Litten mit der Berliner Luft im Selbstbewusstsein lernte Nürnberg erst auf den dritten Blick schätzen. Ihre ähnlich resolute Kollegin Adeline Schebesch, fränkischstämmig mit Wiener Karriere-Intermezzo, wird wütend beim fahrlässigen Kritiker-Begriff „Provinz“. Die gelassener zurückblickende Jutta RichterHaaser aus der Dürerhaus-Nachbarschaft sieht es entspannt und schreibt einen Liebesbrief an die ganze Stadt. Klaus Kusenberg, 18 Jahre lang der leitende Direktor am Schauspielhaus, beschreibt das Staatstheater gar als „Falle“, aus der man kaum fliehen konnte – und meint das als Kompliment. Michaela Domes, die unter anderem Shakespeares Lady Macbeth in Nürnberg und (eben erst) Brechts „Mutter Courage“ in Fürth war, hat für das Buch „Die ganze Welt ist Bühne“ insgesamt 30 Akteure der fränkischen Kultur-Szene zu Selbstporträts versammelt. Was da formuliert wird, teils sogar unerschrocken in Gedichtform, dürfte unter Theaterfreunden von „herzergreifend“ bis „haarsträubend“ alle denkbaren Kommentare im ständigen Wechsel auslösen. Die Mimen, denen die Nachwelt allenfalls „Frankfurter Kränze“ zu flechten bereit ist, stehen aufrecht an der Rampe im gestaffelten 3 2   K U LT U R G U T

Autoren-Spalier. Lokale Legenden wie Erich Ude und Hannes Seebauer, moderne Kultfiguren wie Jutta Czurda und Thalias Kompagnons, Aufsteiger wie Marco Steeger und Philipp Weigand, Spezial-Größen wie Thomas Witte (Gostenhof) und Winni Wittkopp (Erlangen). Sie kitzeln an zwischengelagerten Erinnerungen. Dahinter reiht sich das Bühnen-Leben der Andern ein – Autoren (Fitzgerald Kusz, Helmut Haberkamm), Intendanten (Hansjörg Utzerath, Werner Müller, Rainer Lewandowski), Kulturpolitiker (Hermann Glaser, Georg Leipold, Julia Lehner), ja sogar die fleischgewordene Randerscheinung „Theaterkritiker“ (Herbert „halef“ Heinzelmann, Bernd Noack). Ein paar kleine Geheimnisse haben sie alle nachzutragen. Dass „die ganze Welt“ Bühne ist, wird in diesem Mosaik zur charmant hochgestapelten Behauptung. Abgefedert von der tröstlichen Erkenntnis, dass nicht jedes Drama gleich „Staatstheater“ ist. Michaela Domes (Hg): „Die ganze Welt ist Bühne – Theaterlandschaft Franken“, 170 Seiten, 14,80 Euro, Buchfranken-Reihe im Schrenk-Verlag. Das Buch wird im Februar vorgestellt von Michaela Domes, Hermann Glaser und dem Musiker Budde Thiem: 14. Februar, 20 Uhr, Loft im Gostner Hoftheater und 25. Februar, 11 Uhr, im NachtschwärmerFoyer des Stadttheaters Fürth. Dieter Stoll | Kulturjournalist und Theaterkritiker

Konzert | „Sag zum Abschied leise Servus …” Aber leise wird‘s nicht werden, wenn The Mergers ihr ServusZentralcafé-Konzert geben. Noch finden bis 15. Juli dort Veranstaltungen statt. Ab September wird im Zuge der Generalsanierung der hintere Teil des Künstlerhauses zweieinhalb Jahre umgebaut. Aber kein Grund für Tränen. Am 9. Februar gibt es „Beat with a captital B.“ von vier jungen Männern aus Liverpool, einem Vorort von Fürth. Hi-Energy Sixties Gitarren-Britpop, Mersey Beat. „Solche Kracher“ ist hier ein Adelstitel. Unterstützung bekommen sie von The Cisco Pikes. Die sind sich an einem heißen Sommertag in einem schattigen Biergarten zum ersten Mal begegnet. Fünf reife Lebemänner. Die Band, benannt nach einem 1970-Hollywood-Film, der die dunkle Seite des Musikgeschäfts zeigt, gewinnt immer. Mit ihrem unverwechselbaren, alterslos-zeitgenössischen, althergebrachten Contemporary-Rock-Glam-Beat-Geil-Punk-Sound! The Mergers + The Cisco Pikes, Zentralcafé, Künstlerhaus im KunstKulturQuartier, Königstraße 93, Nürnberg, Freitag, 9. Februar, 21 Uhr, Eintritt: 13 Euro Artur Engler | Straßenkreuzer-CD

Kino | Kassa blanko Kleine Kinos präsentieren zwar nicht das große, allumfassende Blockbuster-Programm, dafür aber Filme, die mit Bedacht und Liebe gewählt sind. Ein solches ist das „Casablanca“ in der Brosamerstraße 12. Unweit des wusligen Aufseßplatzes inmitten der ebenso quirligen Südstadt bietet das kleine Liebhaber-Kino, das fast schon eher ein Stadtteiltreff ist, eine ziemlich ruhige Oase – und eine montägliche Besonderheit: Zwischen 17 und 20 Uhr lautet das Motto hier nämlich „Kassa blanko – zahl so viel du kannst“, und das ist ganz wörtlich zu nehmen. „Wenn die, die es sich leisten können, etwas mehr zahlen, können sie damit einigen den Kinoeintritt ermöglichen, für die das Kinovergnügen sonst aus finanziellen Gründen ausfallen würde“, sagt das „Kino mit Courage“. Einen besonders guten Anlass, dem Casablanca einen Besuch abzustatten und dazu gleich die Kassa blanko auszuprobieren, bietet der 5. Februar, wenn um 17 Uhr der Film „Free Lunch Society“ gezeigt wird. Der Dokumentarfilm behandelt als eine Art Roadmovie das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, holt vielfältige und gegensätzliche Stimmen ein und liefert Hintergrundwissen. „Kassa blanko“, montags 17–20 Uhr (nicht bei Sonderveranstaltungen) Casablanca, Brosamerstraße 12, Nbürnberg, Tel. 0911 217 92 46, casablanca-nuernberg.de „Free Lunch Society“, 5. Februar, 17 Uhr Katharina Wasmeier | Straßenkreuzer-Redaktion; Foto: Casablanca

Hörbuch | Ein eiskalter Fall im zerstörten Dresden Alternative Weltgeschichten wie Robert Harris’ Roman „Vaterland“ (1992) sorgen für spannende Verfremdungseffekte. Der sächsische Maler- und Lackierermeister Frank Goldammer hingegen ließ seinen ersten Kriminalroman „Der Angstmann“ in Original-Nazideutschland spielen: In seiner Heimatstadt Dresden, mitten im Kriegswinter 1944, was der Geschichte ebenfalls einen verstörenden Dreh gab – vor allem, weil man als Leser wusste, dass der große Bombenangriff, der die Stadt in Schutt und Asche legen würde, ja noch bevorstünde … „Der Angstmann“ war 2016 ein veritabler Erfolg auf dem Buchmarkt und funk-

tionierte auch als Hörbuch. Jetzt liegt mit „Tausend Teufel“ der Nachfolger vor, der im nicht minder kalten Winter des Jahres 1947 spielt. Dresden ist jetzt Teil der sowjetischen Besatzungszone und nach wie vor eine Trümmerwüste. Held der Geschichte ist wieder der Polizist Max Heller, der nun für die neu gegründete Volkspolizei arbeitet. Eines kalten Morgens wird er an einen Tatort in der Dresdner Neustadt gerufen, doch bevor er mit den Ermittlungen beginnen kann, wird der dort tot aufgefundene Rotarmist vom Militär weggeschafft. Zurück bleiben eine gefrorene Blutlache und ein herrenloser Rucksack, in dem Heller eine grauenhafte Entdeckung macht.

Frank Goldammers Schreibe ist gehobener Krimi-Standard, bei dem frustrierte Kriminaler mit Hunger im Bauch die Krägen ihrer Mäntel hochschlagen ob des ständig miesen Wetters – eines von vielen Krimi-Klischees, die Goldammer nur zu gerne bedient. Doch Heikko Deutschmann liest den Text unaufgeregt und mit geübter Präzision, so dass man dranbleibt — bis zum bitteren Ende. „Tausend Teufel“, Hörbuch nach dem Roman von Frank Goldammer, Sprecher: Hekko Deutschmann, CD, 10 Stunden 32 Minuten, Der Audio Verlag, 13,99 Euro Stefan Gnad | Journalist

K U LT U R G U T

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Fotos: owikz - photocase.de und kallejipp - photocase.de

Das Februar-Rätsel Das Lösungswort setzt sich aus Buchstaben des Bilder- und Wörterrätsels zusammen.

Hefig, marmeladebefüllt und mit Zucker bestäubt kennt man hier den: 4

Was den Berliner verwirrt, heißt die Leckerei dort doch: 1

Den aber brät man in … kross und flach: Bilderrätsel:

5

3

Und erinnert damit heftig an den österreichischen: 2

Der wiederum überhaupt nichts mit der … zu tun hat: 6

Lösungswort: 1

2

3

4

5

6

Ä=AE, Ö=OE, Ü=UE, ß=SS Das Lösungswort bitte bis 28. Februar 2018 an: Straßenkreuzer, Wilhelm-Spaeth-Str. 65, 90461 Nürnberg. Mail: raten@strassenkreuzer.info Absender mit vollständiger Adresse nicht vergessen. Viel Glück! Lösungswort aus der Ausgabe 12/17: Lösungen: Aufkleber, Christkind, Frauenkirche, Holz und Tuch, Partnerstaedte, Spezialitaeten, Weihnachten Gewinner: Ole Bielawski (Nürnberg), Gudrun Brendgens (Schwabach), Grete Kuhn (Oberasbach)

Preis: Die Comödie Fürth bietet Monat für Monat ein abwechslungsreiches und vor allem unterhaltsames Programm zwischen Komödie und Kabarett, Boulevard und Prominenz. Gewissermaßen als die Hausherren oder besser: Hausdamen an der Theresienstraße 1 fungieren Waltraud und Mariechen. Hinter den schrillen Figuren stecken Martin Rassau und Volker Heißmann – und letzterer lädt Sie zu seinem „Abend mit Volker Heißmann“ ein, an dem er sich humorvoll und augenzwinkernd an die Anfänge seiner Karriere erinnert und gewohnt charmant mit dem Publikum plaudert. Besonderes Schmankerl: Für die Solo-Revue gibt sich der großartige Musiker Thilo Wolf mitsamt Bigband die Ehre, um mit zeitlosem Swing-Sound und deutschsprachigen Schlagerklassikern den Abend zu komplettieren. Wir schenken Ihnen 3x2 Karten für die Vorstellung am 13. März. Viel Erfolg!

Beratung zum Energiesparen, zu Fördermitteln und Tarifen telefonisch über unsere kostenfreie Servicenummer 0800 1008009 oder im N-ERGIE Centrum am Plärrer. Weitere Infos unter www.n-ergie.de

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Asia-Hähnchen in Knoblauch-Honig-Sauce Zutaten für 4 Personen: 2 Mal je 1 EL Öl 200 g Karotten 200 g Broccoli 450 g Hähnchenbrust 4 Zehen Knoblauch gehackt 1 Tasse Hühner- oder Gemüse­brühe (Fertigprodukt aus Pulver) etwas helle Sojasauce 3 EL Honig, 2-3 TL Stärke, Salz, Pfeffer 25 g Ingwer, geschält und gehackt

Gemüse waschen, putzen und in mundgerechte Stücke schneiden. 1 EL Öl stark erhitzen und Gemüse ca. 4 bis 5 Min. kräftig braten. Warm stellen. Honig, Sojasauce und Brühe in einer Tasse verrühren. In einer anderen Tasse Stärke mit wenig Wasser anrühren, Hähnchenbrust in dünne Scheiben schneiden und im restlichen Öl scharf anbraten, mit Salz und Pfeffer würzen. Knoblauch und Ingwer zugeben und kurz mitbraten. Mit dem Honig-Sojagemisch ablöschen und schnell aufkochen. Gemüse zugeben, aufkochen und mit der Stärke leicht binden. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Dazu schmeckt gebratener Reis mit Erbsen, Sprossen und Mais.

Pauschale für Porto und Versand: 6 €; Seifen-/Büchersendung: 3 €; Versand auf Rechnung. Marcus Pregler, Jahrgang 1962, ist Koch in Nürnberg. Jeden Monat verrät er eines seiner Rezepte.

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Guten Appetit wünscht Marcus Pregler

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