Vom Gottesleugner zum Evangelisten

Page 1

HEUKELBACH KLASSIKER DIE BIBEL VERSTEHEN – GOTT ERFAHREN – DAS LEBEN MEISTERN

Vom Gottesleugner zum Evangelisten


Die Stiftung Missionswerk Werner Heukelbach arbeitet überkonfessionell und möchte zum vorurteilsfreien Lesen der Bibel als dem gültigen Wort Gottes ermutigen. Damit leistet sie einen Beitrag zur Weitergabe des Evangeliums, der guten Botschaft von Jesus Christus. Die Stiftung distanziert sich von Sekten jeder Art. Die Publikationen der Stiftung sind unverkäuflich und dürfen nur kostenfrei weitergegeben werden. Die Weitergabe erfolgt in Eigenverantwortung der verteilenden Privatperson, Einrichtung oder Gemeinde.

IMPRESSUM Herausgeber und Copyright: Stiftung Missionswerk Heukelbach, 51700 Bergneustadt, Deutschland Text: Werner Heukelbach Druck: Druckhaus Gummersbach PP GmbH, 51645 Gummersbach Auflage-Nr.: SK02 5 1411 7


1

Vom Gottesleugner zum Evangelisten


2

Geleitwort Jeder Christ ist ein Wunder der Gnade Gottes. Nur wer die Gnade erlebt hat, besitzt Ewigkeit in der Zeit. Nur der ist auch ein Zeuge des empfangenen neuen Lebens. Das hat Werner Heukelbach erfahren. So durfte er ein Werkzeug zur Verkündigung der Heilsbotschaft werden. Jahre hindurch habe ich seine Entwicklung miterlebt. Zunächst ein rau angelegter junger Mann der Wiedenester Dorfjugend, so hat er die Gläubigen – auch unsere Bibelschule, die gerade damals nach Wiedenest kam – verhöhnt und verspottet und ist manche Wege der Sünde gegangen. Doch dann kam es zum Durchbruch Gottes in seinem Leben, und dieselbe Energie, mit der er früher sich selbst, der Welt und der Sünde gelebt hat, durfte er nun in den Dienst seines Erlösers stellen. Ich weiß noch die ersten Anfänge seines Zeugens in der näheren Umgebung, sein inneres Erwachen für den Dienst des Evangeliums unter der Beschäftigung mit dem göttlichen Wort, die wachsende Ausdehnung seiner Evangeliumsarbeit vom Besuch zunächst kleiner Gemeinden, zum Dienst in einem mittelgroßen Zelt und schließlich zur Wirksamkeit in weit größerem Rahmen. Von all diesen Wundern will diese Schrift zeugen. Inneres Wach-


3

sen für den Herrn, lebendiges Gebetsleben, praktische Hingabe, mutiger Zeugendienst, Ausnutzung aller Gelegenheiten zur Gewinnung von Menschenseelen, innere Verpflichtung, das Evangelium möglichst vielen zu sagen. Zusammenarbeit mit allen wahren Gläubigen, Eifer für Gottes Werk – das alles sind Wahrheiten, die unser Bruder Werner Heukelbach immer wieder betont hat. Und in diesem Sinne möge auch diese Schrift, die aus dem Leben für das Leben geschrieben ist, von Christus, dem Herrn unseres Dienstes, gebraucht werden. Sie möge ein Zeugnis seiner Wundermacht sein, ein Weckruf an noch nicht Errettete, ein Aufruf an Kinder Gottes zur Hingabe und inneren Lebendigkeit, zur Liebe und praktischen Zusammenarbeit, zum Zeugen und Seelengewinnen, kurz, zu allem, was eine wahrhaft innere Erweckung für eine Menschenseele bedeutet. In dem allem aber soll nur einer geschaut werden: Der Herr und seine Rettermacht. Nur er hat alles vollbracht. Nur ihm gebührt darum aller Ruhm. Erich Sauer Wiedenest, im Dezember 1945


4

Vorwort Es war mein Leben in der Gottesferne, das mich so unglücklich machte und mich auf Wegen der Sünde und des Vergnügens gehen ließ. Es ist das Leben mit Jesus Christus, das meinem Leben Inhalt und Freude schenkt. Ihm, dem Heiland der Welt, habe ich mein Leben ausgeliefert. In ihm, dem Welterlöser, bin ich glücklich und froh geworden. Er ist der Inhalt meines Lebens. Es soll so bleiben, dass ich mein Leben für den Herrn Jesus leben möchte. Nun habe ich an alle Leser dieser Schrift die herzliche Bitte: Wenn du schon ein Eigentum des Herrn Jesus geworden bist, dann gib dich deinem Erlöser ganz hin. Je tiefer die Hingabe an den Herrn Jesus erfolgt, desto mehr verharrst du im Gebet. Umso mehr wirst du Herrlichkeit Gottes erleben! Je treuer wir unseren Heiland und Herrn vor Menschen bekennen, umso fröhlicher werden wir. Wir werden das Wort Gottes mehr verstehen. Der Geist Gottes wird sich dann mächtiger und stärker in uns und durch uns offenbaren. Wenn du noch nicht zur Heilsgewissheit, ja, zur Bekehrung gekommen bist, dann wende dich betend an den Heiland der Sünder, und du wirst bald ein Kind Gottes werden. Stelle dich ganz in das Licht des Herrn Jesus, und du wirst erfahren, wie sehr er dich liebt. Am Schluss dieser Schrift ist für solche eine kurze Wegweisung zu dem Herrn Jesus hin, die jetzt die Übergabe an ihn vollziehen wollen. Betend gedenke ich der Leser dieser Schrift! Möge der Segen Gottes über jeden kommen, der das einfache Zeugnis dieser Schrift auf sich wirken lässt. Und möge alles dazu ausklingen, dass Jesus Christus verherrlicht und von vielen, vielen gepriesen wird! Werner Heukelbach


5

Wie war einst mein Leben in der Gottesferne? Wenn in den folgenden Zeilen ein schlichtes Zeugnis von den Führungen Gottes in meinem Leben und von meinen Erfahrungen im Werk des Herrn abgelegt wird, so geschieht das einzig und allein zum Preis dessen, der sich zu mir verirrtem und verlorenem Menschen so gnädig geneigt und mich mit dem Glanz seiner göttlichen Gnade umleuchtet hat. Mein Dank und alle Ehre gebühren dem Herrn. Von mir selbst habe ich nichts zu rühmen, es sei denn, dass ich mich, um mit Paulus zu sprechen, „meiner Schwachheit rühmen“ wollte. Denn: An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erd‘, was Christus mir gegeben, das ist der Liebe wert. Mein Lebensgang wird darum nur bruchstückhaft, nur skizzenhaft zur Darstellung kommen. Eigentlich nur insoweit, als er zur Erläuterung, zur ungekünstelten lllustration von Heilswahrheiten dienen kann. Und in diesem Zusammenhang denke ich wieder an ein Wort des großen Apostels: „Aber darum ist mir Erbarmung widerfahren, damit an mir zuerst Jesus Christus alle Langmut erzeige, zum Vorbild für die, die künftig an ihn glauben würden zum ewigen Leben“ (1. Tim. 1,16). Literarisch verwöhnte und anspruchsvolle Leser wird der Stil dieses Buches enttäuschen. Gereifte Christen wissen jedoch, dass der gekreuzigte Christus auch „auf eine gekreuzigte“ Weise verherrlicht werden kann. Mit vierzehn, fünfzehn Jahren bin ich viel im Walde herumgestreift. Ich wollte

die Natur besser kennenlernen. Das Wild beobachtete ich an Plätzen, wo es zu äsen pflegte. Ich hatte großes Interesse an der Vogelwelt, kannte die einzelnen Vögel an ihrer Stimme und habe sie oft belauscht. So liebte ich die Tiere, aber nicht nur sie, sondern auch die freie Natur überhaupt, mit Feld, Wald, Berg und Tal. Aber schon als Junge war ich dadurch weder befriedigt noch glücklich. Bei meinen Streifzügen sonntags durch die Fluren, allein oder mit Kameraden zusammen, suchte ich bisweilen weidende Schafherden auf. Es fiel mir dabei auf, wie sorgsam und hingebend der Hirte sich seiner Herde annahm, um keine kranken Schafe darin zu haben. Oft habe ich als Junge auch in den Gebirgsbächen unseres oberbergischen Landes gefischt. Aber es blieb nicht bei diesen harmlosen Dingen. Schon mit fünfzehn Jahren fing ich an zu rauchen. Allmählich wurde ich dann ein leidenschaftlicher Raucher. Ja, auch mein Äußeres vernachlässigte ich, und Krawatten waren mir ein Gräuel. Mit achtzehn Jahren kam ich zum Militär. Wenn ich als junger Soldat in meiner Garnisonstadt Ausgang hatte, wurde das ungebundene Leben, wie ich es bisher gelebt hatte, mehr oder weniger fortgesetzt. Im Kriege kam ich nach Frankreich, später nach Russland, dann nach Galizien, lernte die Schrecken der Front kennen und erkrankte an einer Herzmuskelschwäche, Zunächst wurde ich in ein Feldlazarett geschafft. Es lag an einer Landstraße, die zur Front führte. In besonderer Erinnerung habe ich einen Feldgeistlichen, der sich sehr um mich bemühte, aber er hat bei mir kein Echo gefunden, weil mein Herz sich nach Welt und Sünde gesehnt hat.


6

In einem Kriegslazarett, in dem ich Monate zubringen musste, begann Gott an meiner Seele zu arbeiten. Ich versuchte aber, mich für jedes göttliche Wirken zu verschließen und war todunglücklich. In jener Zeit hatte ich viel Heimweh und wünschte sehnlich, in die Heimat und ins zivile Leben zurückkehren zu können. Von dort kam ich nach Berlin in ein Lazarett. Und wieder begann bei meinen Ausgängen am Sonntag das alte Leben. Gastwirtschaften und Vergnügungsstätten wurden besucht, und alles wurde genossen, was eben das Großstadtleben einem Soldaten zu bieten hat. Aber in meinem Inneren spürte ich eine immer größere Unruhe, ein quälendes Unbefriedigtsein. Nach meiner Genesung kam ich in eine Garnisonstadt und tat dort Dienst. In dieser Zeit warf ich, wie so mancher meiner Kameraden, den letzten Rest meines Kinderglaubens über Bord. Ich sagte mir: Es kann keinen Gott geben. Die schöne Jugend ist dahin! Gesundheitlich bin ich ein Wrack. Die Zukunft ist alles andere als licht. Wenn es einen gerechten Gott gäbe, könnte er dieses Morden, dieses Dahinschlachten von Menschen, all dies Furchtbare nicht zulassen. Warum muss das alles so sein - warum? Diese Frage bewegte mich immer wieder. Ich wurde zum Gottesleugner und versuchte, mein Gewissen zum Schweigen zu bringen, indem ich sagte: Es gibt keinen Gott! Irgendwelche alten Leute, Menschen, die das Schwere im Leben nicht kennen, die in ihrem gemütlichen Zimmer sitzen, denen es Tag für Tag gut geht, die glauben vielleicht an „einen lieben Gott“! Aber für uns, die wir so rau von der Zeit angefasst werden, bleibt nur die traurige Gewissheit: Gott existiert nicht! In meiner Auflehnung und inneren Verbitterung wurde

ich nicht nur zum Gottesleugner, sondern auch zum Christusfeind. Vor vielen habe ich damals den Namen des Herrn Jesus, den ich heute über alles liebe, verspottet und gelästert. Mit 21 Jahren kehrte ich nach zweieinhalbjähriger Militärzeit in die Heimat zurück. Das Hauptvergnügen wurde nun der Tanzboden. Bis tief in die Nächte habe ich dort meine Zeit zugebracht. Ja, auf dem Tanzboden und in der Gastwirtschaft, da war ich so richtig zu Hause. Hinzu kam dann noch das Kartenspielen. Ganze Sonntagnachmittage, ja, oft halbe Nächte verbrachte ich am Skattisch. Ich weiß noch sehr gut, an besonderen kirchlichen Feiertagen, wie Karfreitag oder Ostern, reizte es mich, ostentativ im Wirtshaus zu sitzen und damit zu bekunden: Ich bin frei von jeder religiösen Empfindung, los von Gott, los von Jesus Christus! Ich erinnere mich, wie ich eine Silvesternacht mit meinen Freunden in der Wirtschaft zubrachte, wo ein Glas Bier nach dem anderen ausgeknobelt wurde und es an Ausgelassenheit und Sünde nicht fehlte. In meiner Heimat gab es eine Bibelschule. Lehrer wie Schüler, die wir – meine Kameraden und ich – als Drückeberger und Faulenzer bezeichneten, mochten wir gar nicht leiden. Ich habe oft mit Steinen nach ihnen geworfen und sie beschimpft. Sie konnten machen, was sie wollten, ich hielt nichts von ihnen, weil sie an Gott glaubten und Jesus als ihren Heiland und Herrn bekannten, weil ihr Leben mich in meiner Sünde strafte. In einer Samstagnacht, als ich von einem Gelage nach Hause ging, konnte ich auf einmal nicht mehr weiter. Ich blieb gerade am Tor dieser Bibelschule liegen, habe wohl Stunden dagelegen, bis mir


7

jemand half, dass ich wieder aufkam und nach Hause fand. Aus meiner weltlichen Umgebung heraus lernte ich auch meine Frau kennen. Sie stammte aus einer Gastwirtschaft. Dort habe ich dann des Öfteren hinter der Schänke gestanden, habe Bier gezapft und bei Festlichkeiten auch die Gäste bedient. Doch dabei war mein Herz im tiefsten Grund unglücklich und verdrossen. Wenn irgendwelche Schwierigkeiten auftraten, dann habe ich aufbegehrt und mit Gott gehadert, obwohl ich kundtat, an sein Dasein nicht zu glauben. Ich heiratete, meine Frau war katholisch. Wenngleich ich an keinen Gott glaubte, ließ ich mich doch katholisch trauen. Ich versprach auch, meine Kinder katholisch zu erziehen, was ich auch gehalten habe. All dies konnte aber meinem Leben, mit dem es immer tiefer bergab ging, keinen Halt mehr geben. Gott ließ mich nicht in meinem Elend und in meinem Jammer. Er verzieh mir mein Spotten, Lästern und den Hass, den ich gegen ihn und seinen Sohn Jesus Christus im Herzen hegte. Er begann damit, meinen Herzensboden durch Krankheit aufzulockern und urbar zu machen. Das war ein Roden, als Gott anfing, das viele Unkraut, das in mir wucherte, hart anzupacken. Er durchpflügte mein Inneres und gebrauchte die Egge und den Kultivator, sodass die Tiefen meiner Seele erschüttert und aufgerührt wurden. Das ist für den alten Menschen eine sehr schmerzhafte Prozedur. Wie viel Arbeit des Geistes Gottes war nötig, um mein hartes Herz für das Samenkorn seines Wortes, gestreut durch treue Zeugen, empfänglich zu machen! Wie viel Leid, wie viel Kummer, wie viele Tränen hätte ich mir ersparen können,

wenn ich die Jugendzeit dem Herrn geweiht hätte!

Die große Wende meines Lebens Ein alter, treuer Gottesmann in meiner Heimat, der heute schon beim Herrn ist, fragte mich einmal, als ich als Soldat auf Urlaub war: „Wenn du nicht aus dem Kriege zurückkehrst, wo wirst du dann die Ewigkeit zubringen?“ Ich versuchte auf alle mögliche Weise, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. Dieser treue Zeuge Jesu ließ aber nicht locker, sondern versuchte vielmehr, das Gespräch auf mein Sündenleben zu lenken. Er deckte so manches auf und berührte manchen heiklen Punkt. Am liebsten wäre ich fortgelaufen, wollte jedoch nicht feige sein. Und obwohl ich auswich, fiel doch ein Körnchen des göttlichen Samens in mein Herz. Später, in meiner Garnisonstadt, führte Gott es wieder so, dass ein anderer Zeuge Jesu sich um mich mühte und alles daransetzte, mich einmal in eine Gemeinde mitzunehmen. Ich weiß nicht mehr, was dort geredet und gesungen wurde; aber der Liebeseifer und der Mut dieses Zeugen haben sicherlich dazu gedient, ein winziges Körnchen des Wortes in mein Herz zu legen. Meine Mutter las zu Hause oft ein Blaukreuzblättchen. Als Junge hatte ich das Blättchen, wenn ich Langeweile hatte, auch gelesen. Und auch davon war, das habe ich später gemerkt, etwas in mir haften geblieben. Ich hatte gelesen, wie viel Elend und Not ein Trinker seiner Familie bereiten kann und wie kostbar und herrlich es andererseits ist, wenn in einem


8

Haus das Wort Gottes gelebt und Jesus Christus anerkannt und geehrt wird. Meine älteste Tochter besuchte die katholische Schule. Ihre Lehrerin, die Freundin meiner Frau, war sehr religiös eingestellt. Oft hat sie mit den Kindern der ersten und zweiten Klasse über göttliche Dinge, über Ewigkeit und Gericht gesprochen. Eines Tages kam meine Tochter nach Hause und berichtete, die Lehrerin habe etwa Folgendes gesagt: „ln der Hölle, in der ewigen Verdammnis, hängt eine Uhr, die tickt etwa so: Immer bleibste hier, nimmer kommste raus, immer bleibste hier, nimmer kommste raus!“ Das Wort traf mich. Etwas Licht fiel in mein Herz. Ich sah mein Leben in seiner erschreckenden Wirklichkeit. Mein Gewissen erwachte, und ich machte mir bittere Vorwürfe: Hättest du doch das Geld, das du für alles Mögliche leichtsinnig vertan hast, deiner Frau und deinen Kindern zugute kommen lassen! Ja, das wurde mir immer klarer: Gibt es einen Gott, einen gerechten und heiligen Gott, dann kannst du nicht vor ihm bestehen. Dann musst du dich vor ihm verkriechen, verbergen! Und gibt es eine ewige Verdammnis, dann bist du auf dem Weg dorthin! Und bei diesem Überlegen, bei diesem Fragen und Sinnen kam es eines Tages zu einer Begegnung mit meinem Vorgesetzten. Mein Oberinspektor, der Chef eines Bahnhofs in Westdeutschland, dem ich unterstellt war, hatte als Berufssoldat in seiner aktiven Militärzeit den Heiland gefunden. Wenn ich nicht irre, war es Generalleutnant v. Viebahn, der ihn zum Heiland geführt hatte. Mein Vorgesetzter hatte mein Leben in der Welt und Sünde beobachtet. Eines Tages sagte er zu mir: „Wodurch glauben Sie denn errettet zu

werden?“ Ich dachte, ihm kannst du ja nicht so antworten, wie du es anderen gegenüber tust. So sagte ich: „Dadurch, dass ich die Gebote halte, Gutes tue, nicht sündige, mich abmühe, ein anständiger Kerl zu sein.“ Ich dachte, nun wirst du es ja wohl richtig getroffen haben. Du hast das gesagt, was du als Junge im Religionsunterricht gelernt hast. Am liebsten hätte ich ihm erwidert: Tue recht und scheue niemand! Statt Anerkennung erhielt ich in kurzen militärischen Worten eine liebevolle, aber doch klare Zurechtweisung. Er sagte zu mir: „Dann sind Sie verloren. Es kann niemand die Gebote halten. Wer eine Sünde tut, ist so vor Gott schuldig, als habe er alle Gebote übertreten. Auf dem Weg werden Sie die Herrlichkeit Gottes nie erlangen. Ich will Ihnen aber einen anderen Weg zeigen: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht rein von jeder Sünde. Klammern Sie sich an das Werk der Erlösung, an das Kreuz von Golgatha, an das Blut des Heilandes, das auch für Sie geflossen ist. Kommen Sie so wie Sie sind zu dem Herrn Jesus, Sie selbst können nichts in Ordnung bringen. Er aber kann Ihnen alles vergeben, und er wird, wenn Sie sich schonungslos selbst verurteilen, Ihrer Sünde und Ihrer Übertretungen nicht mehr gedenken. Nun gehen Sie. Wenn Sie aufrichtig Gott suchen, wird er sich von Ihnen finden lassen!“ Aber dann war es mir, als hörte ich meinen Vater, der einmal zu mir gesagt hatte: „Junge, halte dich von diesen frommen Leuten fern, die wollen besser sein als andere: Es sind Menschen, die etwas verbrochen haben oder noch etwas verbrechen wollen.“ Mit den Worten des Oberinspektors wirst du fertig werden, dachte ich, die


9

gehen zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Aber ich wurde mit diesen Worten nicht fertig. Und wenn ich eine Maschine anfahren und puffen hörte, dann glaubte ich immer wieder aus dem Geräusch herauszuhören: Wenn aber nicht - dann sind Sie verloren. Und wenn ich an der Fahrkartenmaschine eine Fahrkarte drückte, dann klang es immer wieder: Wenn du aber nicht zum Blut Jesu Christi deine Zuflucht nimmst, dann bist du verloren! Da bin ich auf den Speicher gegangen und habe gerufen: O Gott, wenn du lebst, dann tue dich mir kund! Dann will ich dir dienen, dann sollst du mein Gott sein. Wenn du lebst und mir Liebe schenkst, dann will ich anderen von dir erzählen! Ich konnte meiner Frau kein Wort über meine inneren Kämpfe sagen, weil ich glaubte, sie könnte mich nicht verstehen. Ich hatte niemanden, mit dem ich mich einmal hätte aussprechen können. Meine Kameraden beschäftigten sich nicht mit solchen Sachen. Ich bin in den Keller gegangen und habe die gleichen Worte wie auf dem Speicher gerufen: Gott, wenn du lebst, dann nimm die Unruhe aus meinem Herzen! Gott, wenn du lebst, dann gib meinem Herzen Ruhe und Frieden. Du siehst, ich kann so nicht weiterleben! Ich muss gestehen, in diesen Stunden habe ich oft gedacht: Sollst du deinem Leben ein Ende machen? Sollst du ins Wasser gehen oder dich vor die Lokomotive werfen? Aber die Liebe zu meiner Frau und zu meinen Kindern hielt mich davon zurück. Dann bin ich in den Wald gegangen, wo ich Rehe, Hasen und die Vögel sah und das Rauschen des Waldes vernahm. Das alles hat mich sonst sehr erfreut. Aber jetzt war es mir, als sei überall nur die Stimme zu

hören: Dann bist du verloren! Furchtbar war diese Höllenfahrt, die ich innerlich erlebte! Und doch freue ich mich heute, durch diese Not gegangen zu sein. Hätte ich diese Verzweiflung, dieses Weh nicht so gründlich kennengelernt, dann könnte ich nicht mit denen fühlen, die in heißem Ringen und in quälender Angst das empfinden, wovon der Liedervers spricht: Fraget doch nicht, was mir fehle, forschet nicht nach meinem Schmerz; Durst nach Gott füllt meine Seele, Drang nach Gott verzehrt mein Herz. Gebt mir alles, und ich bleibe ohne Gott doch arm und leer, unbefriedigt, dürstend treibe in der Welt ich mich umher. Einer meiner Kollegen war ein Jünger Jesu. Ich wusste es aber nicht. Ich war noch nicht lange auf dieser neuen Dienststelle, da merkte ich, dieser Kollege ist ganz anders als die anderen Beamten. Er ist so freundlich. Immer zuvorkommend und lieb. Er regt sich nicht auf. Kurz, er hat so etwas Sympathisches in seinem Wesen. Eines Tages kam ich mit ihm in ein Gespräch, und wie erstaunt war er, als ich ihm sagte: „Ich ringe nach Klarheit, ob es einen Gott gibt oder nicht. Ich bin eine suchende Seele, die nach Wahrheit schreit.“ „Von dir hätte ich das nicht erwartet“, meinte er. Und dann erzählte er, wie auch er einmal nach ewigen Quellen gesucht hat, wie auch er in schweren inneren Kämpfen gerungen hat, bis er, aus der Grube des Verderbens, aus Zweifel und Sündenleid herausgehoben, seine Füße auf den Felsen stellen konnte: Jesus ist mein Herr und mein Heiland! Und dann versicherte er mir: „Wenn keiner mit dir


10

empfindet, ich empfinde mit dir, und du darfst wissen, ich bete für dich.“ Gelegentlich gab er mir dann noch ein Buch, in dem von dem Zustand des Menschen ohne Gott, von dem Sehnen der unerretteten Seele nach etwas Höherem, Bleibendem und von dem Weg zum ewigen, völligen Heil die Rede war. Es handelte aber auch von den letzten Dingen, dem Tag des Gerichts, an dem die Bücher unserer Taten geöffnet werden, auf dass ein jeglicher gerichtet werde nach der Schrift in den Büchern. Und es wies zuletzt hin auf den wiederkommenden Herrn, der die Seinen in die Herrlichkeit heimholen wird. Und dabei stellte es immer wieder die Frage an den Leser: Wirst du dabei sein? Ich habe das Buch gelesen und wieder gelesen. Gern hätte ich die Bibelstellen nachgeschlagen, die darin angeführt waren, aber ich besaß keine Bibel. Wie gern hätte ich jetzt das Buch der Bücher besessen! Bisher hatte ich es nicht geduldet, dass irgendjemand, der dieses Buch liebte, die Schwelle meiner Wohnung betrat! Als Fahrkartenausgeber war ich auf einem Bahnhof tätig. Am Nachbarschalter arbeitete ein guter Freund von mir, ein Mann in meinem Alter. Auch in der Welt gibt‘s treue Freundschaften, und wir waren treue Freunde. Mein Kollege hatte den Weltkrieg mitgemacht, war in Kriegsgefangenschaft gewesen, und hatte auch sonst viel Leid erfahren. Denn die Stürme der Zeit waren auch über sein Leben dahingebraust. Aber Gott hatte immer wieder, so bekannte er mir, seine schützenden Hände über ihn ausgebreitet. Er hatte gläubige Eltern und eine gläubige Schwester, die alle dem Herrn Jesus ihr Herz geschenkt hatten und ihm nachfolgten. Eines Tages sagte mein Freund zu mir: „Würdest du mich nicht einmal zu einer

Evangelisationsversammlung begleiten?“ „Evangelisationsversammlung, was ist das?“ „Ja“, sagte er, „gehe doch einmal mit. Ich persönlich gehöre auch nicht zu diesen Leuten, aber meine Eltern und meine Schwester.“ Ich erwiderte: „Was werden aber unsere Freunde und Kollegen sagen? Die werden uns verspotten, werden uns zur Rede stellen und auslachen, wenn wir zu diesen Muckern, zu diesen Feinen gehen.“ Mein Freund aber meinte: „Die Versammlung ist abends, da ist es schon dunkel, und wir gehen so spät hin, dass schon alle drin sind. Wir bleiben ganz hinten, damit niemand auf uns aufmerksam wird.“ Nun ja, meinem Freunde zuliebe und unter diesen Umständen wollte ich es wagen. Wir kamen in den Versammlungsraum, wurden herzlich begrüßt, man nahm uns die Garderobe ab, wies uns freundlich einen Platz an, gab uns ein Liederbuch in die Hand, ja, man schlug uns sogar das angesagte Lied auf. Alles in einer so feinen und nicht aufdringlichen Weise, dass ich mich fragte: Was ist das? Was steckt dahinter? Du verzehrst hier doch nichts. Was ist die Triebfeder ihres Handelns? Später wusste ich es: Sie wurden gedrängt von der Liebe Jesu, die ausgegossen war in ihre Herzen. Ich hörte den Gesang, auch den des Chores. Es war alles so neuartig, so gänzlich verschieden von allem, was ich gewohnt war. Ich hörte die Ansprache, ich weiß nicht mehr, was geredet wurde, ich weiß nur eins von dem Abend: Diese Leute hatten ein strahlendes Angesicht, leuchtende Augen, sie hatten etwas, was ich suchte. Wir verließen den Saal. Ich sagte zu meinem Freund: „Da gehe ich noch einmal hin.“


11

„Nein“, sagte er, „ich gehe nicht wieder hin. Die letzte Entscheidung, wie diese Leute sie fordern, kann ich nicht treffen. Man würde verachtet werden, wenn man in der Gemeinschaft der Frommen durchs Leben gehen wollte. Und das fällt mir zu schwer.“ Und dieser Freund verunglückte später tödlich mit seinem Motorrad. Am nächsten Abend regnete es in Strömen. Meiner Frau konnte ich nicht sagen, wohin ich wollte, ich ging aber wieder in die Versammlung. Wieder war‘s dasselbe Bild, dieselbe Liebe, dieselbe Freundlichkeit. Meine Verkrampfung Gott gegenüber begann mehr und mehr zu schwinden. Mein verschlossenes Herz begann sich zu öffnen. Es war der letzte Abend der Evangelisation. Zwei Versammlungen hatten nicht genügt, um mir zum völligen Durchbruch zu verhelfen. Aber das Sehnen nach Gott, nach Frieden in Christus Jesus war nun so stark geworden, dass es unbedingt zu einer Entscheidung kommen musste. Entweder kam ich zur Ruhe und zur Gewissheit, oder ich kehrte wieder in mein altes Leben zurück. Noch einmal ging ich mit meiner Frau auf den Tanzboden. Es wurde Mitternacht. Die Tänze, die ganze Umgebung, alles ließ mich kalt. Ich sprang auf und sagte zu meiner Frau: „Bleib, wenn du willst, ich kann‘s nicht mehr. Meine Seele schreit nach Gott, nach dem lebendigen Gott!“ Wir gingen nach Hause. Keiner sagte ein Wort. Wir waren ja nicht gewohnt, über solche Dinge zu sprechen. Bald danach fuhren wir in meine Heimat zu meiner Mutter und meinen Geschwistern. Dort lebte eine meiner Schwestern, die denselben Kampf, dieselbe Not durchlebt und durchlitten hatte und dann zum Glauben gekommen war. Oft hatten wir uns über diese Fragen unterhalten, und

immer wieder hatte sie mein Lästern, mein Spotten, mein Höhnen hinnehmen müssen. Nun kam ich als Suchender, und sie wusste es nicht. Ich sagte zu ihr: „Gibt es hier auch schon mal eine Evangelisationsversammlung?“ Sie erwiderte: „Gott wird bald mit dir fertig werden, du hast bald ausgespottet, ich bete für dich, dass Gott sich dir offenbaren möge. Hier ist im Herbst eine Evangelisationswoche, wenn die Kartoffelernte vorbei ist. Dann kommt ein einfacher Mann, der den Herrn Jesus persönlich erlebt hat, und verkündet die frohe Botschaft.“ „Bis zum Herbst kann ich es unmöglich aushalten“, sagte ich, denn es war erst Februar. Meine Schwester ging ins Dorf und kam mit der Kunde zurück: „Morgen beginnt hier eine Evangelisation!“ Ich wusste sofort: Die war für mich von Gott eingelegt worden. Er, der große Gott, suchte mich in meinem Elend und wollte sich mir offenbaren. Ich ging mit in die Evangelisationsversammlung. Auch hier waren die Geschwister aufmerksam und freundlich. Sie begrüßten mich schon an der Tür. Ich hörte die Ausführungen des schlichten Gottesmannes. Das Wort packte mich, und es wurde mir klar: Nur das Kreuz von Golgatha befreit dich von dem ewigen Gericht. Dann sang der Chor. Ich merkte etwas von der Kraft des Evangeliums, das im Lied verkündigt wurde. Es war mir klar, jetzt geht es um eine ganze und endgültige Entscheidung. Wie soll ich meinen damaligen Zustand beschreiben? Ich sah im Licht Gottes mein Leben so in Sünde getaucht, wie einen mit Wasser vollgesogenen Schwamm. Lieber Leser, wenn du noch kein Licht


12

über das tiefe Verderben der menschlichen Natur, über deinen eigenen Zustand hast, dann höre jetzt auf zu lesen und bitte den Herrn Jesus, dass er dir dein ganzes Leben in seinem Lichte zeigen möchte. Er ist das wahrhaftige Licht, welches in die Welt gekommen ist und jeden Menschen erleuchtet. Natürlich muss man sich in das Licht rücken lassen. Dann wird es dir gehen wie jenem alttestamentlichen Propheten, der, von dem Lichtglanz göttlicher Herrlichkeit geblendet, ausrief: Wehe mir, ich vergehe! So habe ich mich erkannt. So musst auch du dich erkennen, dann wird Gott dir helfen. Wer noch glaubt, vor Gott sein wahres Wesen verhüllen zu können, der ist noch nicht reif für die große Offenbarung Gottes, für gottgewirkte Buße und für die Rettung seiner Seele. Je tiefer die Selbsterkenntnis, desto stärker und lebendiger ist dann auch die Einsicht, dass du einen Heiland brauchst. Und je tiefer du in Buße und Beugung hinabsteigst, desto höher wirst du zur Freude und Glückseligkeit aufsteigen. Was mich betrifft, so war ich in jenen Tagen innerer Zerknirschung fest davon überzeugt: Gott wird dein ganzes Leben restlos reinigen, durchläutern und entschlacken. Denn werden die Fundamente deines Lebens nicht ganz festgelegt, dann kommt es nie zu einem wirklichen, bleibenden Aufbau. Ich wollte nichts haben, was eines Tages doch wieder zusammenbrach. Darum sage ich heute jedem, der zu Jesus kommen will: Lass den Geist Gottes ein ganzes Werk an dir tun, dann wird es auch etwas Bleibendes sein! Bei mir gab es noch einen heftigen Vorstoß der alten Natur. Mich, den leidenschaftlichen Kartenspieler, der im Freundeskreis wohl mit die erste Rolle spielte,

überfiel plötzlich die Frage: Darfst du noch, wenn du ein Eigentum des Herrn Jesus geworden bist, Samstagabends zum Kartenspielen gehen? Ich fragte einen christlichen Mann, der sagte: „Das darfst du dann nicht mehr!“ Ich erwiderte darauf: „lch kann es aber nicht lassen, dann kann ich nicht zu Jesus kommen. Ich finde die Kraft nicht, um frei zu werden.“ Ich wandte mich an meine Schwester: „Sag, wenn ich nun zum Herrn Jesus komme, darf ich dann noch diese Vergnügungstouren, die mit Trinken und manchem anderen zusammenhängen, mitmachen?“ Darauf gab sie mir die schöne Antwort: „Wenn du noch ein Bedürfnis hast – du wirst aber kein Bedürfnis mehr haben, du wirst befriedigt sein. Wer sich dem Herrn Jesus ganz übergibt, der hat Frieden, der höher ist als alle Vernunft.“ Am nächsten Abend sprach der Evangelist über das Kreuz von Golgatha, über das vollgültige Werk Christi, das sich in dem Wort des sterbenden Erlösers ausdrückt: „Es ist vollbracht!“ Die Sänger sangen das Lied: Wir sind ein Volk, vom Strom der Zeit gespült ans Erdeneiland, voll Unruh und voll Herzeleid, bis heim uns holt der Heiland. Das Vaterhaus ist immer nah, wie wechselnd auch die Lose; es ist das Kreuz von Golgatha, Heimat für Heimatlose. Das Lied war beendet. Ich wusste, jetzt ist die Krise da, jetzt fällt die Entscheidung. Aber wie? War jemand da, der mir aus der letzten Not heraushelfen konnte, der mir die Hand reichte? Schon wollte ich hinausgehen.


13

Eine gläubige Frau aber sprach mich an und stellte mir die Frage: „Haben Sie auch den Herrn Jesus?“ Ich sagte: „Nein.“ Die zweite Frage war: „Möchten Sie ihn nicht haben?“ Ich erwiderte: „Ja, sehr gern.“ Und wieder kam eine Frage der Frau: „Wann möchten Sie ihn denn haben?“ Ich gab keine Antwort. Sie sah wohl, dass es mir schwer fiel, und fragte weiter: „Möchten Sie den Herrn Jesus nicht gern heute haben?“ Ich sagte: „Ja, heute.“ Darauf bemerkte sie: „Kommen Sie, bleiben Sie einmal zurück, der Bruder, der Ihnen das Evangelium angeboten hat, wird gern bereit sein, sich mit Ihnen noch über alles ausführlicher zu unterhalten.“ Ich blieb zurück. Der Evangelist kam. Wir beugten zusammen die Knie. Der liebe Bruder bat den Herrn, dass er mich jetzt annehmen und retten möchte. Ich rief zum Herrn Jesus, wohl zum ersten Mal in meinem Leben: „Herr Jesus, vergib mir meine ganze Schuld und alle meine Sünden. Du weißt, sie sind wie Bergeslasten schwer. Lass dein Blut über mein Leben kommen, rette mich aus dieser Not und gib mir den Glauben an dich!“ Wir standen auf. Der Evangelist versuchte, mir das Erlösungswerk klar zu machen und vorzustellen. Nach wenigen Augenblicken konnte ich es im Glauben fassen: „wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1. Joh.1,7). „Und nun, so spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein“ (Jes. 43,1).

„Sie aber sprachen: Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du gerettet werden, du und dein Haus!“ (Apg. 16, 31). Während selige Freude mein Inneres erfasst hatte, kam mir auf einmal der Gedanke: Was wird deine Frau sagen? Wird sie dich verspotten und auslachen? Ja, wird sie überhaupt bei dir bleiben, wird sie mit einem solchen Mann weiter durchs Leben gehen wollen, sie, die von Haus aus fromme Katholikin? Ich bat den Herrn Jesus: Gib mir doch Gelegenheit, mit meiner Frau in einer ruhigen Stunde alles zu besprechen. Wenn ich allein war, habe ich immer nur danken können: O Heiland, mein Heiland! Ich habe es wohl fünfzigmal gesagt. Es war mir so groß und fast unfassbar: Jetzt ist dieser Heiland der Welt dein Heiland! Am nächsten Tag schüttete ich meiner Frau das Herz aus: „Hör einmal zu, ich habe dir etwas zu sagen. Bitte, lach mich nicht aus, unterbrich mich nicht, am Schluss meiner Ausführungen kannst du dir ein Urteil erlauben.“ Und ich erzählte ihr von meiner Bekehrung. Da sagte sie zu meiner großen, freudigen Überraschung: „Gibt es so etwas auch für mich? Auch ich sehne mich danach, dies zu bekommen.“ Ich erinnerte mich an das Wort: „Du und dein Haus“ sollen errettet werden. Es vergingen drei oder vier Tage. Ich blieb im Gebet, ich habe Stunden der Nacht durchgebetet: Herr, rette meine Frau! Ich habe mich an die Verheißung geklammert, und nach etwa vier Tagen kam meine Frau und sagte zu mir: „Jetzt bin ich aus der inneren Not heraus. Jetzt kann auch ich es fassen, dass der Herr Jesus mein Heiland geworden ist.“ Oh, wie wunderbar ist es, wenn man mit Philipp Spitta von ganzem Herzen singen kann:


14

O selig Haus, wo man dich aufgenommen, du wahrer Seelenfreund, Herr Jesus Christ! Wo unter allen Gästen, die da kommen, du der gefeiertste und liebste bist! „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet, du und dein Haus!“ Ich habe mich an dieses Wort gehalten, und der Herr stand auch weiterhin zu seinem Wort. Jahre vergingen. Dann kam meine älteste Tochter und sagte: „Auch ich möchte dem Heiland mein Herz schenken.“ Damals war eine Erweckung unter den Kindern unseres Dorfes. Die Heilsarmee, die in einem großen Saal Versammlungen hielt, wurde vom Herrn als ein Werkzeug in seiner Hand gebraucht. Oh, wie bewegt und dankbar war ich, als meine Tochter mit einem neuen Herzen nach Hause kam! Wieder vergingen einige Jahre. Ich stand mit einem Evangeliumszelt in einer Stadt Westdeutschlands. Mein Sohn war zu Besuch gekommen. Er nahm an Kinderstunden teil, kam auch in diesen inneren Kampf hinein und entschied sich in seinen jungen Jahren für den Herrn Jesus. Ich habe mit meinen bekehrten Kindern manch schöne Gebetsgemeinschaft gehabt, manches Lied gesungen; sie haben den Heiland persönlich immer mehr schätzen gelernt, haben ihn in schweren Tagen erprobt und freuen sich noch heute, sein Eigentum zu sein. Einige Zeit danach betrat wieder eine Tochter den schmalen Weg, indem sie sagte: „lch habe bei euch, Vater und Mutter, und bei meinen älteren Geschwistern gesehen, dass dieser Weg Freude und

Glück in sich birgt und einst zur Herrlichkeit führt.“ Schließlich durfte ich erleben, dass eines Tages auch die Jüngste kam und sagte: „lch möchte auch mit dem Herrn Jesus ziehen.“ Wie die anderen drei, so rief auch sie zum Herrn, und er nahm sie an. O selig Haus, wo man die lieben Kleinen mit Händen des Gebets ans Herz dir legt, du Freund der Kinder, der sie als die Seinen mit mehr als Mutterliebe hegt und pflegt. Wo sie zu deinen Füßen gern sich sammeln und horchen deiner süßen Rede zu und lernen früh dein Lob mit Freuden stammeln, sich deiner freun, du lieber Heiland, du! Ja, es ist wunderbar, geschlossen als Familie diesem Herrn folgen zu dürfen!

Der Anfang meines Lebens mit Jesus! Am Abend hatte ich den Herrn Jesus als meinen Heiland gefunden. Ich war froh und glücklich über dieses unschätzbar kostbare Geschenk Gottes. Am Morgen fuhr ich mit dem Frühzug zu meinem Dienstort. Ich stand bei einem meiner Jugendfreunde. Etwas entfernt von mir stand meine Schwester mit dem gläubigen Mann, der mich schon einige Jahre vorher auf den Herrn Jesus hingewiesen


15

hatte. Die beiden unterhielten sich darüber, dass ich nun auch errettet sei. Ich sah die Freude im Gesicht dieses gläubigen Mannes. Innerlich wurde ich gedrängt, zu den beiden hinzugehen. Die Menschenfurcht war aber so stark, dass ich diesen Schritt nicht wagte. Sofort schwand etwas von der Freude, die ich im Herzen hatte. Es kam aber bald der Ausgleich. An meinem Dienstort angekommen, sah mich mein Oberinspektor, der mir das Samenkorn der Wiedergeburt ins Herz gelegt hatte. Schon von Weitem rief er: „Der Herr hat mein Gebet erhört, Ihr Gesichtsausdruck ist anders geworden. Sie haben den Herrn Jesus gefunden!“ Ich berichtete ihm nun in kurzen Worten mein inneres Erlebnis und bekannte mein großes Glück. Auf beiden Seiten herrschte große Freude. Am Sonntag hatte ich Dienst an der Fahrkartenausgabe. Die Frühlingssonne sandte ihre ersten Strahlen in unsere sonst so düsteren Räume. Reger Reiseverkehr setzte ein. Mein Kollege am Nachbarschalter fing an zu wettern und zu fluchen, dass die Leute nun reisen und Ausflüge machen könnten, wir jedoch verurteilt wären, sie zu bedienen. Das „Wettern“ nahm immer heftigere Formen an. Ich hätte etwas sagen und von meiner inneren Freude erzählen sollen, schwieg aber still. Immerhin staunte mein Kollege darüber, dass ich nicht mitschimpfte oder gar fluchte, wie ich es sonst getan hatte. Die Züge waren weg, der Hauptbetrieb war vorbei. Nun ging es in den Wartesaal, um ein Glas Bier zu trinken. Ich schloss mich nicht an, sondern blieb im Dienstraum, ging auch mal in die große Bahnhofshalle. Mein Herz war nicht mehr von dem überströmenden Glücksgefühl

erfüllt, ich hatte ja den Heiland nicht bekannt. Mancher Seufzer stieg aus meiner Brust zum Herrn empor. Ich bat ihn um Vergebung für meine Feigheit. Bald darauf kam der Kollege in den Dienstraum zurück. Da fasste ich Mut und erzählte ihm meine Bekehrungsgeschichte. Eigenartig, was man empfindet, wenn zwei Menschen, die bisher immer eins waren, sich nun wie durch eine unsichtbare Scheidewand getrennt wissen. Nun galt es, auch im „Stenographenverein,“ mit dem ich so manche Stunde in der Gaststätte zugebracht hatte, den Herrn Jesus zu bekennen. Ich tat es mit klopfendem Herzen, wagte es aber, den alten Freunden von meiner Freude, von meinem Geborgensein in Jesu, von meiner himmlischen Heimat und von meinen neuen Zielen und Idealen zu erzählen. Einige sagten: „Er ist übergeschnappt!“ Andere meinten: „Lasst ihn, es ist nur ein Rausch, er wird schon wieder nüchtern werden!“ Sie konnten reden und denken, was sie wollten, mein Herz war voller Freude und Glückseligkeit. Und so war es immer, wenn ich den Mut fasste, den Herrn Jesus als meinen Retter zu bekennen. Ja, es gehört viel Mut und Kraft dazu, sich als Mann auf die Seite dieses von vielen so verachteten Herrn zu stellen. Wer aber dem Herrn Jesus das ganze Vertrauen und den vollen Glauben schenkt, ja, wer sich ihm restlos übergibt, wird nie zuschanden werden. Jesus spricht: „Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ (Joh. 11, 40). Auf der Straße, wenn ich nach Hause ging oder auf dem Weg zu meiner Dienststelle traf ich Menschen, die ich schon lange kannte. Hier erfuhr ich je länger je mehr: Wes das Herz voll ist, des geht der


16

Mund über. So musste ich immer wieder davon erzählen, was der Herr an meiner Seele getan hatte. In kürzeren oder längeren Unterredungen sprach ich von meiner früheren Not, meinem unbefriedigten Leben in der Gottesferne, meinem verborgenen Sehnen nach Frieden und Ruhe und der entscheidenden Wende, der großen herrlichen Damaskusstunde, die ich durch die Gnade meines Erlösers erleben durfte. Mit dem Apostel Paulus konnte ich in Demut und Dankbarkeit bezeugen: „Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten, von denen ich der größte bin“ (1.Tim. 1,15). Manche lachten mich aus, manche hänselten mich, andere aber sagten: „Ich wünschte, dass ich das auch hätte! Aber wie soll ich es bekommen?“ Oft hatte ich das große Verlangen, einmal vor einer größeren Anzahl meiner Kollegen und Vorgesetzten mein Glück bezeugen zu können. Dann geschah, wie schon im vorigen Abschnitt angedeutet, etwas ganz Erschütterndes. Ein früherer Freund und Kollege, der mich zum ersten Mal mit in die Versammlung genommen hatte, war mit dem Motorrad tödlich verunglückt. Ich besuchte seine Frau. Ich fühlte tief mit ihr. Sollte ich angesichts ihres großen Schmerzes schweigen? Es bei den üblichen Beileidsäußerungen bewenden lassen? Nein, ich durfte es nicht. Als ich der traurigen Frau erzählte, was Jesus mir geworden war, kam es über ihre zuckenden Lippen: „Hätte ich dies doch auch, dann würde ich mit dem Verlust meines Mannes eher fertig werden!“ Es kam zu einer gesegneten Aussprache, zuletzt knieten wir beide am offenen Sarge ihres Mannes nieder. Die Frau schüttete ihr Herz aus, rief den Namen

des Herrn an und übergab ihm ihr Leben. Dann kam der Tag der Beerdigung. Und da bat mich die Frau des Verstorbenen, doch vor dem Haus, wo viele Kollegen, Vorgesetzte und Freunde versammelt waren, etwas über meinen Freund zu sagen. Das war die Gelegenheit für mich, in den Mittelpunkt meiner kurzen Ansprache mein Christuserleben zu stellen. Manches Auge wurde feucht. Mein höchster Vorgesetzter sagte im Gespräch mit einem Beamten: „Unser Heukelbach hat doch ein starkes Erleben gehabt, man sieht es ihm an. Er ist glücklich geworden.“ Es war mir klar, mein Zeugnis musste bis in das Herz meines letzten Freundes, bis in die letzte Verbindung meines früheren Lebens hineingetragen werden. Einst war ich in der Gastwirtschaft ein und aus gegangen, war dort zu Hause, liebte den Besitzer, liebte die Familie, doch nun musste ich Gelegenheit finden, ihnen allen den Herrn Jesus zu verkünden. Das tat ich bei der ersten Gelegenheit. Mein Herz wurde immer froher. Ein treuer Mann Gottes sah mich einmal, wie ich mit christlichen Schriften in der Hand hin und her den Herrn bekannte, und sagte dann zu mir: „Mach nur so weiter, das gibt starke Flügel, dann wirst du nicht so viel am Boden liegen, sondern höher auf die Berge kommen.“ Die Folge meines Bekennermutes war, dass ich viele meiner Freunde verlor. Ich brauchte mich nicht von ihnen zu trennen, sie trennten sich von mir. Dieser Schmerz muss überwunden werden, denn auch in der Welt gibt es manche treue Freunde. Doch der Herr gab mir viel mehr, als ich seinetwegen einbüßte. Ich kam in die Gemeinschaft der Gotteskinder, sang mit ihnen die herrlichen


17

Lieder, betete mit ihnen und lauschte dem Wort Gottes. Oh, es ist ein Vorgeschmack des Himmels, Gemeinschaft mit solchen haben zu dürfen, die den Herrn Jesus lieben! Wie gern bin ich dort ein- und aus gegangen, wo zwei oder drei in Jesu Namen versammelt waren! Wie zog es mich immer wieder dort hin! Wie fühlte ich mich da zu Hause! Die herrlichen Lieder waren für mich kostbar und erquickend! Ich vergesse nie, wie man mir einmal den Vers sang: „Christen sehen sich nie zum letzten Mal!“ Immer wieder hörte ich aber auch, wie hier und dort jemand sagte: „Wenn wir den noch einmal mit in die Gastwirtschaft kriegen, dann kippt er um. Er hat dies alles viel zu sehr geliebt, um damit restlos fertig zu sein.“ Ich ging zu einem der Wirtshaushelden und sprach von meiner Bekehrung, von meinem Glück, wie ich es früher auch schon getan hatte. Da sagte er zu mir: „Du hast mir das alles doch schon vorher erzählt.“ „Ja“, antwortete ich, „aber du glaubst nicht, wie tief es im Herzen verwurzelt ist. Für mich gibt es nur eins; Die Brücken abzubrechen und den Bruch mit der Welt zu vollziehen, um ganz dem Herrn Jesus zu folgen.“ Ich las das Wort Gottes, viele Kapitel täglich. Was mir wichtig war, wurde angestrichen. Oft hatte ich fast alles angestrichen, weil mir alles so wichtig war. Der Bruch mit der von Gott losgelösten Welt zog aber auch den Bruch mit der religiösen Welt nach sich. Mir wurde klar: Du bist mit Christus gestorben, nun willst du dies auch nach Römer 6 und anderen Bibelstellen bezeugen. Ich habe genau wie ein Heide ganz in der Welt gelebt. Jetzt will ich auch meine Zugehörigkeit zum Volk des Herrn dadurch bekennen, dass

ich mich öffentlich taufen lasse. Ich will bekennen, dass ich mit Christus nicht nur gestorben, sondern auch begraben bin. Ich wurde in einem Bach an der Landstraße getauft. Das Wasser wurde gestaut; jeder hatte Gelegenheit, zuzusehen. Der Bruch mit der Welt war dadurch völlig und endgültig geworden. Und als ich dann enger mit der Gemeinschaft der Gotteskinder verwuchs, mit ihnen das Brot brach, mit ihnen die letzte Gemeinschaft aufnahm, da zweifelte keiner mehr daran, dass mich die Welt verloren hatte und dass mich die Kinder Gottes und der, den sie lieben, ganz gewonnen hatten. Immer gewisser wurde mir: Ich muss den Herrn von Herzen bezeugen, ich muss mehr unternehmen. Ich muss Größeres für ihn tun, der alles, sein ganzes Leben für mich dahingegeben hat. Ich bezog wöchentlich hundert kleine, christliche Verteilschriften. Und wenn ich Früh- oder Spätdienst hatte, dann ging ich in meinen freien Stunden über die Berge des Oberbergischen Landes von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus und verteilte diese Schriften. Sie enthielten Bekehrungsgeschichten oder hatten sonst einen evangelistischen Inhalt. Es war mein sehnlichster Wunsch, Seelen für Jesus zu gewinnen. Wie freute ich mich, als ich nach Jahren eine Frucht dieser Arbeit vorfand! Ich traf ein gläubiges Ehepaar, und Mann und Frau bekannten, durch die von mir verteilten Schriften den Herrn Jesus gefunden zu haben. Ich entsinne mich, dass ich in einem Ort auch wieder von Haus zu Haus zog. Ob Lehrer, Pfarrer, Gendarm oder Bauer, ob katholische oder evangelische oder freikirchliche, jeder bekam ein christliches Schriftchen. Mein Ziel war, allen ein Zeugnis von Jesus zu geben. Ich führte Buch


18

darüber, führte die einzelnen Familien namentlich auf und vermerkte genau, wem ich meine Bekehrungsgeschichte erzählt hatte. Eines Tages kam ich bei solch einem Spaziergang, der für mich immer eine Erholung war, in eine Gastwirtschaft. Die Frau war katholisch. Ich erzählte ihr, was der Herr an meiner Seele getan hatte. Als ich erwähnte, dass auch meine Frau den Heiland gefunden hätte, sagte sie: „Raus, raus!“ Ich ging um das Haus herum und durch eine Nebentür wieder hinein. Ich dachte: Sie hat mir nicht gestattet, mein Zeugnis zu beenden. So versuche ich es noch einmal in Liebe, ihr dieses Letzte, dieses Erfassen des Herrn Jesus im Glauben zu erklären. Ich stand wieder vor ihr im gleichen Raum. Und nun hörte sie mir ruhig zu, vielleicht von einem Hauch des Geistes berührt, der mein Herz erfüllte. Es war Winter. Und wenn ich, mit einem Spazierstock in der Hand, über die Berge ging, habe ich oft in den frisch gefallenen Schnee mit großer Schrift geschrieben: „Jesus macht glücklich! Hast du schon den Herrn Jesus als deinen Retter? Komm zu ihm!“ Ganze Flächen habe ich so beschrieben. Ohne innere Kämpfe und Anfechtungen ging es dabei nicht ab. Oft bedrückte mich die Macht der Finsternis derart, dass ich nicht den Mut aufbrachte, ins nächste Dorf zu gehen. Wie oft habe ich unter einer Tanne im Schnee den Herrn angerufen, ihn um Kraft und um Zufluss gebeten, um ein brennendes Herz, um Mut! Oft habe ich meinen Hut abgenommen und den Herrn für sein wunderbares, herrliches Erlösungswerk gelobt und gepriesen. Es war mir damals so groß, dass ich

manchmal sprach: Herr, so viel Lob und Dank gebührt dir, wie Schneeflocken herunterfallen, dass du einen so unglücklichen Mann so glücklich gemacht hast! Und wenn die Frühlingssonne schien, dann habe ich auf diesen Gängen den Herrn gelobt und gepriesen und gesagt: Herr, dir gebührt so viel Lob und Dank, wie Blumen auf den Feldern sprießen, dass du es auch in mir hast Frühling werden lassen! Es waren Stunden, in denen die Seele gesunden konnte und frische Himmelsluft sie umwehte. Einmal kam ich an einem Hochsitz vorbei. Ich dachte: Wie kannst du diesen Jägern, die sich dort vielleicht heute Abend einfinden werden, das Evangelium nahebringen? Ich nahm ein Zettelchen und schrieb darauf die Frage: „Wo wirst du die Ewigkeit zubringen?“ Dieses heftete ich oben im Hochsitz an einen Ast. Die Leute wussten, wer das geschrieben hatte, und wussten auch, wer die auffallenden Ewigkeitsmahnungen dem weißen, vergänglichen Schnee anvertraut hatte. Etwas von unserer Wohnung entfernt wurde in einem Privathaus Sonntagsschule gehalten. Der Leiter, ein treuer Mann, gestattete mir, mich unter die Kinder zu setzen. Ich lernte die Kinderlieder kennen. Eines Sonntags sagte dieser Bruder: „Am nächsten Sonntag bin ich nicht hier, dann musst du die Sonntagschule übernehmen.“ Ich hatte dem Herrn gesagt: „Herr, du siehst, ich bin gewillt, jeden Dienst für dich zu tun. Mach du mich nur immer geschickt dazu.“ Wer ein Diener Gottes sein will, muss sich zwei Wahrheiten einprägen: 1. Geschickt sein – das schenkt der Herr. 2. Willig sein – das ist meine Aufgabe. Manche sind geschickt, aber nicht willig.


19

Manche sind willig, aber nicht geschickt, weil sie den Herrn nicht wirken lassen. Um mich nun für die Sonntagschulstunde vorzubereiten, nahm ich einen Zettel, führte die einzelnen Punkte auf und gliederte den Abschnitt, über den ich sprechen wollte. An den Anfang setzte ich ein Lied und vergaß auch das Schlusslied nicht. Alles beachtete ich, hielt schon im Geiste die Ansprache an die Kinder und bereitete mich, so gut ich‘s vermochte, auf diesen Sonntag vor. Da ich Frühdienst gehabt hatte, war ich müde und legte mich nach dem Essen etwas aufs Bett. Meine Jacke, in der sich meine Bibel mit dem Zettel steckte, legte ich ans Fußende des Bettes, merkte aber nicht, dass die Bibel herausfiel. Nachdem ich etwas geruht hatte, ging ich zur Sonntagschule, innerlich ganz mutig. Ich hatte ja meinen Zettel mit den Notizen. Als ich den SonntagschuIraum betrat, waren dort bereits ein junger Missionar mit seiner Frau, außerdem die Frau eines bekannten Gottesmannes und noch andere unerwartete Gäste. Sie wollten sehen, wie ein jungbekehrter Eisenbahner den Kindern das Evangelium erklärt. Zunächst war ich etwas erschrocken, fasste aber schnell wieder Mut und dachte: Ich habe ja meinen Zettel. Es wird schon alles klappen. Nun wollte ich die Bibel aus der Tasche ziehen. Ich suchte links, ich suchte rechts in den Taschen und fand keine Bibel, fand keinen Zettel. Ich kam in furchtbare Verlegenheit. Die Gäste merkten das und sagten: „Dürfen wir Ihnen unsere Bibel geben?“ Ich war aber so verwirrt, dass ich in der Bibel, die mir gereicht wurde, den Text nicht fand. Da half man mir, den Text zu finden. Was sollte ich nun sagen? Zuerst dachte ich: Würde sich doch jetzt der Fußboden

auftun und dich versinken lassen! Dann habe ich geseufzt: Herr, hilf mir dieses Mal, ich werde mich nie wieder auf einen Zettel verlassen, sondern stets auf dich! Am Bahnhof, wo ich Dienst tat, sammelten sich im Winter oft die Handwerksburschen, die sich damals auf der Landstraße herumtrieben, von Haus zu Haus gingen und bettelten. Wenn im Winter der Wartesaal gut geheizt war, kamen diese Männer und setzten sich um den warmen Ofen, um nachher mit einem Zug zum nächsten Bahnhof zu fahren. Ich dachte: In deiner kurzen Arbeitspause kannst du ihnen deine Bekehrungsgeschichte erzählen. Gedacht, getan. Ich ging in den Wartesaal und schüttete mein Herz vor ihnen aus. Nach einem solchen Zeugnis sah ich, wie ein alter Landstreicher sehr ergriffen war. Ich lud ihn ein, mittags unser Gast zu sein. Nach dem Mittagessen deckte er mir dann sein verpfuschtes Leben auf, dass er dem Schnapsteufel verfallen und seine Ehe zerrüttet sei. Dass es für ihn kein Heim und keine Heimat mehr gäbe. Dass er halt- und wurzellos umherstrolchen müsse, bis er irgendwo am Wegrand liegenbleiben würde. Wir beteten kniend. Er schüttete sein Herz vor dem Herrn Jesus aus und bekannte seine ganze Schuld und Sünde. Ich war aufs Tiefste ergriffen, als der alte, müde Tippelbruder bald darauf den Herrn Jesus als seinen Heiland annahm und ihm für seine Rettung auf den Knien dankte. Er ging dann mit einem anderen Herzen und einem anderen Gesicht wieder. Es gab damals die Vereinigung christlicher Eisenbahner. Sie gab das Evangeliumsschriftchen „Gute Fahrt“ heraus. Ich hatte mir vorgenommen, wenn die Züge im Bahnhof hielten, dem einen oder anderen ein solches Heftchen in die Hand zu


20

drücken. Doch auch einige kernige Worte des persönlichen Zeugnisses sollten nicht fehlen. Oft habe ich dann den Schrank im Dienstraum geöffnet, ihn als Gebetskämmerlein benutzt und einen kurzen Seufzer nach oben gesandt, ehe wieder ein Zug einlief. Es war mein Bestreben, den Eisenbahnern den Weg zum Heil und zum Frieden zu weisen. Ich versuchte auch, den Streckenläufern, die täglich die Strecke absuchten, den Heiland zu bezeugen. Mein Gedanke war: Wenn sie bei ihrem Zusammensein oft unnütze Reden führen, dann ist es nur recht und billig, wenn du einmal zu ihnen von dem Weg zum Leben sprichst. Auch bei Fahrgästen am Schalter gab‘s Gelegenheiten, vom Herrn zu zeugen. Auch wenn Einzelne, die meine Einstellung kannten, mich hänselten. Am schwersten war es immer, wenn ich mit äußerlich frommen Menschen ins Gespräch kam. Da fand das Evangelium gewöhnlich keinen zubereiteten Herzensboden. Die Selbstgerechtigkeit ist wie ein undurchdringlicher Panzer, an dem jedes noch so gut gezielte Wort abprallen muss. Ich hatte viele Freunde in der Gemeinschaft der Gotteskinder und dachte: Hier musst du bleiben, das musst du weiter genießen. Hier kannst du innerlich wachsen und gefördert werden. Der Herr aber hatte andere Wege für mich. Ich wurde in einen Ort versetzt, in dem fast alles katholisch war. Meine Frau war katholisch gewesen, meine Kinder hatten die katholische Schule besucht. Nun kamen wir in diesen Ort. Die Bewohner hatten von uns gehört. Sie sagten: „lm Bahnhof ist ein neuer Dienststellenleiter eingezogen, die Frau muss sehr unglücklich sein!“ Sie mussten aber bald ihr Urteil korrigieren. Am

Fenster zur Bahnsteigseite stand unser Harmonium. Oft, wenn die Züge einliefen und die Leute auf dem Bahnsteig standen, setzte sich meine Frau ans Harmonium und spielte Lieder. Eins hieß: Am Gnadenthron stand ich als ein verlorner Sohn; durchs Herz ging mir ein Stich, es war der Sünde Lohn. Mit Schrecken kam mir‘s an, es sei für mich zu spät, müsst‘ ewig draußen sein; da rang ich im Gebet. Bald hörten wir nichts mehr davon, dass wir unglücklich seien. Viele gewannen uns lieb und achteten uns, und wir lebten in guter Harmonie mit den Leuten. Jeder wusste, dass wir dem Herrn Jesus angehörten und uns nicht scheuten, seinen Namen zu bekennen. Wir erlebten Segenszeiten in dieser Gegend, ohne Gemeinschaft mit Kindern Gottes am Ort haben zu können. Eines Sonntags war strahlender Sonnenschein, ich hatte einen freien Nachmittag und dachte: Wo könntest du jetzt etwas für den Herrn Jesus tun? Nicht weit entfernt war eine Talsperre und auf dem Weg dahin eine Gastwirtschaft. Ich hatte evangelistische Hefte in die Tasche gesteckt, einige davon verteilt, auch hier und dort mit jemandem gesprochen und kam nun zur Gastwirtschaft. Drinnen war alles besetzt. Ich klopfte ans Fenster und fragte: „Würden Sie mir gestatten, einmal ganz kurz etwas zu erzählen?“ Manche kannten mich und sagten: „Das ist ja unser Bahnhofsvorsteher.“ Ich erzählte dann fröhlich, was der Herr an mir getan, wie er mich errettet, befreit und froh und glücklich gemacht hatte. Eine Frau rief aus dem


21

Fenster: „Für uns ist es nicht schlimm, so etwas zu hören, aber tut die Kinder weg, damit sie es nicht hören!“ Manche nahmen mich für nicht ganz voll. Andere aber sagten: „Es spricht doch eine Freude aus dem, was dieser Herr sagt.“ Eines Tages hatten wir Besuch. Ein katholischer Pfarrer fühlte innerlich den Auftrag, mit meiner Frau oder auch mit mir darüber zu sprechen, weshalb wir dem katholischen Glauben abgesagt hatten. Das Gespräch ging hin und her. lch sprach von meiner Bekehrung, meiner Freude, von der Bekehrung meiner Frau und sagte schließlich: „Herr Pfarrer, glauben Sie, dass wir auf Grund dieses Erlebens, auf Grund des gläubigen Erfassens des Blutes Jesu Christi in den Himmel kommen?“ „Ja“, sagte er. Darauf erwiderte ich: „Dann sagen Sie aber bitte nicht wieder, auch nicht zu Ihren Kindern, die Sie unterrichten, dass die katholische Kirche die allein seligmachende ist, dass es außerhalb derselben kein Heil gibt.“ Damit schieden wir voneinander. Er drückte mir die Hand und verzichtete auf jede weitere Auseinandersetzung. Es war die Zeit, in der in Deutschland Arbeitslager eingerichtet wurden. Männer, die arbeitslos waren, wurden zu Straßenarbeiten, zu Arbeiten in den Wäldern, zur Urbarmachung von Ödländereien und ähnlichen Aufgaben herangezogen. Ich dachte: Wenn du doch mit diesen Männern über den Herrn Jesus sprechen könntest! Aber wie sollte das geschehen? Ich hatte ein schönes Motorrad und fuhr damit vor ein Arbeitslager. Der Leiter des Lagers war draußen. Wir kamen ins Gespräch, und er meinte: „Nun, Sie haben eine schöne Ma­ schine!“

„Ja“, sagte ich, „fahren Sie auch Motorrad?“ „O ja, sehr gern“, erwiderte er. „Nun“, sagte ich, „geben Sie mir die Möglichkeit, zu ihren Männern zu sprechen; denn ich habe ein besonderes Erleben mit dem Herrn Jesus gehabt, dann können Sie während dieser Zeit auf meinem Motorrad fahren.“ Gesagt, getan! Wiederholt haben wir es so gemacht. Während ich versuchte, mit meiner Christusbotschaft die Herzen der Lagerinsassen zu erreichen, sauste er mit dem Motorrad davon. Allerdings war diese Art der Verkündigung anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte, wir singen den Choral: „Großer Gott, wir loben dich“, oder sonst ein bekanntes Lied. Ich spreche zu den Leuten, bete, dann singen wir noch einen Vers, und die Versammlung ist beendet. Aber so einfach ging das nicht. Da war keine andächtige Hörerschaft. So, wie die Männer von der Arbeit gekommen waren, saßen sie da mit gebräunter Brust und entblößtem Oberkörper. Die einen spielten Karten, die anderen unterhielten sich laut, und dort war wieder eine Gruppe, die flickte und stopfte. Ich trat zu ihnen. Als ich die Andeutung machte, ihnen etwas vom Herrn Jesus zu erzählen, lachten sie mich aus. Dann fing ich an, ihnen von meinen Erlebnissen im Weltkrieg und von den Führungen in meinem Leben zu erzählen, und allmählich bekam ich die innere Freiheit, auf meine Bekehrung und mein Jesuserleben näher einzugehen. Es wurde still um mich her. Die qualmenden Pfeifen gingen aus, die Fäuste schlugen nicht mehr auf den Kartentisch. Mancher hörte andächtig zu und dachte wohl ans Elternhaus, an die alte Mutter oder an Frau und Kind daheim, dachte vielleicht


22

an manches, was er in der Jugend von Jesus Christus gehört hatte. Das Ergebnis dieser eigenartigen Stunde war, dass einer dieser Männer zu mir kam und sagte: „Herr Pastor, ich muss beichten.“ Da ich einen schwarzen Anzug anhatte, machte ich vielleicht den Eindruck, ein Pfarrer zu sein. Ich nahm den Mann mit in meine Wohnung und sagte zu ihm: „Freund, tue das, was ich einmal getan habe, und lege deine Generalbeichte vor dem Herrn Jesus ab.“ Wir beteten zusammen, und nachher zog er fröhlich seine Straße. Immer wieder habe ich in dem Lager gesprochen. Manche wurden sogar meine Freunde, einige davon kamen zum Heiland. Etwa hundert Neue Testamente wurden in meiner Wohnung von solchen, die Interesse an Gottes Wort zeigten, abgeholt. Möchte auch von dieser Arbeit einmal viel Frucht in der Herrlichkeit gefunden werden! An einem Sonntag überlegte ich, wie ich wohl jetzt irgendwie dem Herrn dienen könnte. Durch meinen Dienst hatten sich schon Seelen für den Herrn entschieden. Diese begleiteten mich jeden Sonntag auf meinem Missionsweg. Wir haben uns an eine Straßenecke gestellt und ein Lied gesungen. Menschen blieben stehen und wir haben ihnen ein Wort vom Herrn Jesus gesagt. Es war eine schöne Zeit, die ich nie aus meinem Leben streichen möchte. Doch eins muss ich immer wieder sagen: Zu solchem Dienst gehört viel Mut, den nur der Herr Jesus schenken kann. Auf unseren Fahrten und Gängen kam es oft vor, dass ich im Kreis solcher, die den Herrn gefunden hatten, auf einer Dorfwiese unter einem Lindenbaum den dort versammelten Menschen das Evangelium verkündigte. Manche lehnten die

Botschaft rundweg ab, andere wieder bekundeten Interesse, einzelne aber kamen zur Entscheidung. So ging‘s immer weiter. Es kam dahin, dass ich in einem größeren Ort einen Saal in einem Gasthaus mietete. Damals - ich war jung bekehrt - sprach ich eine Woche lang über das Thema: „Der Antichrist.“ Heute würde es mir schwerfallen, einen Abend darüber zu sprechen. Man sagte: „Heukelbach redet fast immer dasselbe, er kommt immer wieder auf den einen Punkt, dass man sich bekehren muss.“ Und so war es auch, das Ziel war immer wieder das gleiche: Seelen für Jesus und nur für Jesus zu gewinnen. In jener Zeit habe ich viel und anhaltend gebetet, morgens, mittags, abends je eine halbe Stunde. So hatte ich mir die Zeit neben meinem Dienst eingeteilt. Ich dachte, wenn die Kollegen abends in den Gaststätten sitzen und die Zeit totschlagen, muss es mir auch möglich sein, für diesen wichtigen Dienst Zeit zu haben. Ich hielt mich nicht nur an die bestimmten Gebetszeiten, sondern versuchte auch, der Mahnung des Wortes Gottes nachzukommen: „Bete ohne Unterlass!“ Wenn der Geist Gottes mich daran erinnerte, jetzt für diesen oder jenen zu beten, so tat ich es mit großer Freude. Ermunternd war es dann, wenn ich hörte, dass Menschen, für die ich besonders betete, vom Herrn reich gesegnet wurden.

Wie formte Gottes Hand mein Leben neu? Als ich so aus der Welt herausgerissen wurde und ohne jede Gemeinschaft mit Gotteskindern war, keine Bibel im Hause


23

hatte, tat mir ein junges, gläubiges Mädchen einen großen Dienst. Sie schrieb an meine Frau und mich einen Brief und ermutigte uns darin, doch an dem festzuhalten, was wir gefunden hatten. Sie führte einige Schriftstellen an und nannte uns auch einige schöne, passende Liederverse. Die Gemeinschaft der Gotteskinder am Ort war für mich etwas Kostbares, etwas ungemein Wohltuendes. Die Wunden, die mir die Sünde geschlagen hatte, heilten. Das Wort Gottes und die Gesänge der Gotteskinder wirkten wie Balsam auf meine Seele. Ich versäumte wohl kaum eine Zusammenkunft der Gemeinschaft. Dann kam plötzlich - wie schon an anderer Stelle erwähnt - die Versetzung an einen anderen Ort. Ich musste die Leitung des dortigen Bahnhofs übernehmen und war von der Verbindung mit den Gläubigen abgeschnitten. Am neuen Ort war alles katholisch. Dort war kein Bruder, keine Gemeinschaft. Sollte das der Wille Gottes sein? Zunächst schien es, als könnte ich nicht damit fertig werden. Und doch wusste und empfand ich es auch damals: Es ist der rechte Weg. Es ist eine Schule Gottes. Ich werde Nachhilfestunden bekommen, um eine besondere Lektion zu lernen. Am Bahndamm machte ich mir aus alten Bohnenstangen eine Bank. Als ich sie notdürftig fertig hatte, begann ich dort das Johannesevangelium zu lesen und kam an die Stelle in Joh. 15,15: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich euch alles verkündet habe, was ich von meinem Vater gehört habe.“ Dieses Wort beeinflusste mein Glaubensleben und meinen Dienst sehr stark. (Ich diente schon hin und her

in den Dörfern und verkündigte das Evangelium.) Er hat mich Freund genannt! So klang es immer wieder in meiner Brust. Ja, Herr Jesus, so hieß es in meinem Herzen, wenn du mich Freund nennst, dann soll es dir gegenüber kein Geheimnis mehr geben, dann sollst du auch bis in die tiefsten und verborgensten Gründe meines Herzens hineinschauen, dann will ich dir restlos alles öffnen, weil du mich Freund genannt hast. Dann tue du aber auch mir, o Herr, als mein Freund, deine Liebe, dein Wesen kund! Offenbare mir dein Leben, dein Kommen, dein Gethsemane und Golgatha. Schließe mir dein vollbrachtes Erlösungswerk völlig auf! Auf jener Bohnenstangenbank hat der Herr sich mir in der Einsamkeit offenbart. Ich glaube, ich hätte nie unter die Massen gehen können, hätte mir der Vater in seiner Weisheit nicht vorher die Einsamkeit geschenkt. Ich hatte zwar keine Gemeinschaft mit Gotteskindern, aber ich pflegte Gemeinschaft mit Gott. Es waren Tage und Wochen und Monate, ohne die ich im Glaubensleben vielleicht nur vegetiert hätte. Es wurde mir aber auch eine besondere Ermutigung zuteil. Ich erfuhr, dass im Nachbarort eine gläubige Familie lebte, die allein stand, genau wie ich und meine Familie. Ich machte mich auf, um diese Geschwister zu besuchen, fand sie aber nicht vor. Bei meinem nächsten Besuch lernte ich die Lieben kennen. Und nun kamen wir zwei Familien jede Woche an einem Abend zusammen, lasen einen Abschnitt im Wort Gottes und beteten miteinander. Es war jedes Mal ein Vorgeschmack des Himmels. In der Wüste ist eine Oase etwas Kostbares und Herrliches. Das haben wir in jener Zeit empfunden, als uns eine geistliche Wüste umgab.


24

Und die gemeinsamen, schlichten Andachtsstunden waren wie das Ruhen an der Quelle im Schatten der Palmen. Wir waren mit den Geschwistern bald innig befreundet, und diese Freundschaft ist bis zum heutigen Tag geblieben.

Meine tiefe Herzenshinga­ be an Jesus! Herr, schenk mir in Zukunft zu dem Segen, den du mir zugedacht hast, auch noch den Segen, für den ich in der Vergangenheit nicht aufnahmefähig war und den ich deshalb verloren habe. Das, was mir der Herr bisher geschenkt und in mein Leben hineingelegt hatte, reichte vielleicht aus, um in Stuben und Sälen das Evangelium zu verkündigen, aber für den Dienst in der breitesten Öffentlichkeit genügte es nicht. Ich wusste auch, dass ich - soweit ich mich dem Herrn geöffnet hatte und von ihm gereinigt worden war - Gotteskraft, Freude und Glückseligkeit besaß, was sich auch besonders im Zeugnis für den Herrn kundtat. Aber da gab es noch gewisse Gebiete in meinem Leben, zu denen der Herr noch keinen Zugang hatte und die mir und den Mitmenschen nicht nur Kummer bereiteten, sondern mich auch im Dienst für den Herrn und im Zeugnis hemmten und eine Belastung für mich waren. Allen, die sich danach sehnen, dem Herrn mehr zu dienen, will ich durch dieses schlichte Zeugnis vier Punkte in Erinnerung bringen: 1. Das Lesen des Wortes Gottes. Das ist das Aufnehmen der Nahrung für den inneren Menschen. Man kann unmöglich

wachsen und zunehmen, wenn man dieses Grundgesetz vernachlässigt. Nach meiner Bekehrung bekam ich - wie schon erwähnt - eine Bibel geschenkt. Dieses Buch war mir aus der Kindheit und dem Religionsunterricht in etwa in Erinnerung geblieben. Es war für mich aber leblos. Ich verstand nicht, was dort geschrieben war. Schon als Kind erging es mir so: Wenn ich darin las, so sprach mich das Gelesene nicht an. Andere Bücher waren interessanter. Doch nun wurde sogar das, was ich in der Schulzeit auswendig gelernt hatte, lebendig. Ich las und Ias. Oft waren es bis zu 40 Kapitel, die ich täglich bei meinem zehnstündigen Dienst als Eisenbahner las. Jede freie Viertelstunde wurde ausgenutzt, um zu lesen. Was mir wichtig war - oder besonders wertvoll erschien und zu meinem Herzen redete - wurde rot unterstrichen. In meiner linken Rocktasche war der Rotstift immer greifbar. Am Rand wurde in Stichwörtern hier und da ein kurzer Wunsch geäußert. Es war ein Nehmen aus der Fülle, die mir Gott in seinem Wort gab. Ich las nicht nur mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen. Wenn ich einen besonders großen Reichtum entdeckte, den Gott für die Seinen bereithält, dann bat ich: Herr, gib mir diesen Reichtum in seiner ganzen Fülle. Fand ich wieder ein Wort, das wie ein Spiegel auf mich wirkte und mir meine Fehler zeigte, dann beugte ich mich – oft auch kniend – und bat den Herrn Jesus, mir diese Fehler doch abzunehmen. Einerseits sah ich immer mehr, wie durchseucht ich von der Sünde war, wie tief ich gefallen war, und die Unmöglichkeit der Selbstbesserung. Andererseits sah ich das vollbrachte Erlösungswerk, wie es in den herrlichen und leuchtenden Farben und Strahlen Gottes in mein Herz


25

hineinleuchtete. Es kamen Stunden, in denen ich meinte, nicht mehr auf dieser Erde zu sein. Das Wort Gottes schien mir ein Bergwerk zu sein, das Gott seinen Kindern aufgeschlossen hat. Je tiefer ich grub, desto mehr Schätze kamen hervor. Wenn ich dann wieder meine Knie beugte und in manchen Stunden dasselbe Wort las, dann merkte ich, wie mir dieses kostbare Metall – so will ich es einmal nennen – zu Münzen wurde, ja, zu einem Zahlungsmittel, das ich mitnehmen durfte. Wie freute ich mich dann, in dem Reichtum eines Kindes Gottes durchs Leben gehen zu können. Durch das Lesen des Wortes Gottes kommt aber auch immer stärker der Wunsch hervor, sich tiefer – und täglich mehr – der Reinigung zu unterziehen. 2. Die tägliche Reinigung. Die Freude über die Errettung meiner Seele erfüllte Tag und Nacht mein Herz. Ich war jungbekehrt, und alles war mir so groß und neu. Ich meinte, es jedem sagen zu müssen, dass der Herr Jesus mein Leben umgestaltet hat. Es dauerte aber nicht lange, da merkte ich, dass doch wieder etwas in mein Leben hineingekommen war, was dem Herrn Jesus nicht gefiel. Ich wusste, die große Wäsche und der generelle Hausputz in meinem Leben waren vollzogen. Das Werk der Erlösung hatte ich für mich angenommen. Es war mir klar, dass der Herr Jesus Recht hatte mit seinem Wort Johannes 13,10: „Jesus spricht zu ihm: Wer gebadet ist, hat es nicht nötig, gewaschen zu werden, ausgenommen die Füße, sondern er ist ganz rein.“ Dies war ein für alle Mal bei mir geschehen. Doch der nächste Satz – der eigentlich nur ein Nebensatz ist – lautet: „Ausgenommen die Füße.“ Ja, solange der Himmelsbürger seine Füße

noch auf dieser schmutzigen Erde hat, setzt sich täglich der Staub der Landstraße darauf. Wohl dem Kind Gottes, das es versteht, sich dieser täglichen Reinigung immer wieder zu unterziehen. Ein alter, väterlicher Freund sagte einmal zu mir: Es ist gut, dass für uns die Worte aus 1. Johannes 1,7 und 9 gelten: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ Und weiter: „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“ Es wird wohl bei dir und auch bei mir so sein, dass wir diesen Weg der Beugung und Demütigung vor dem Herrn täglich gehen müssen. Wer die Reinigung nicht täglich und nicht richtig vollzieht, ja, wer Reste von einem Tag in den anderen mitschleppt, ist innerlich arm, trotz des großen Reichtums in Jesus Christus. Ihm fehlt das klare Auge, um sich gründlicher und tiefer zu erkennen. Er sieht aber auch das Kreuz von Golgatha, und die so vollkommen vollbrachte Tat der Erlösung, von Tag zu Tag weniger. Es fehlt ihm das offene Ohr, um die Stimme Gottes zu hören. Ermahnungen und Ermutigungen des Herrn gehen an einem nicht täglich gereinigten Herzen vorbei. Man wird taub für das, was man hören soll. Aus dem Mund kommen keine Lobund Dankeslieder mehr. Die Anbetung verstummt. Statt dessen fließt der Mund über von Jammern, Stöhnen, Klagen und Seufzen. Man rutscht so recht in das „Armesündertum“ hinein und zappelt und zappelt, findet aber das Seil nicht, an dem man sich aufrichten kann. Du und ich, wir sollen wie ein Kanal sein, der von Gott gespeist wird und zu den Menschen hinführt. Für den Zufluss ist ein demütiges


26

Herz nötig, das in ganzer Abhängigkeit auf den Herrn Jesus gerichtet ist und von ihm Ströme des Segens empfängt. Für den Abfluss braucht man ein Herz voller Liebe zu den Menschen, um ihnen da weiterzugeben, was man von Jesus empfangen hat. Wichtig jedoch ist: Um Kanal Gottes sein zu können, hat man nichts nötiger als die tägliche Reinigung. Einmal kam ich, nachdem ich schon lange ein Eigentum des Herrn Jesus war, in eine große innere Not. Ich hatte das Wort gelesen: Vergesset nicht die Reinigung der vorigen Sünden (2. Petrus 1,9). Ich dachte nach und sagte mir: Dein Zustand gleicht eigentlich einem Kleid, das gründlich gewaschen wurde, an dem aber hier und da noch Flecken zu sehen sind. Der alte Schmutz und grobe Dreck hat da noch fester aIs an anderen Stellen gesessen, und deshalb müsste, so meinte ich, eine noch tiefer gehende Reinigung erfolgen. Dies schien mir auch das vorher erwähnte Wort sagen zu wollen. Als einfacher Mann, der nicht lange mit seinem Verstand nachgrübelt, handelte ich auch ganz einfach und kindlich. Ich ging in ein Zimmer, schloss die Tür hinter mir zu und nahm stundenlang weder Essen noch Trinken zu mir. Dann beugte ich meine Knie vor dem Herrn, nahm einen großen Zettel und schrieb alle Begebenheiten auf, die mir aus meinem Leben in Erinnerung waren und die, nach meiner Meinung, einen sehr starken Schmutz hinterlassen hatten. Ich ging dabei meine Gedankenwelt durch, blieb auch bei dem stehen, was mein Auge gesehen hatte, ging weiter zu dem, was die Ohren gehört und der Mund geredet hatte, überlegte, wohin mich meine Füße getragen und was meine Hände betastet hatten, ja, was mein Herz in sich aufgenommen hatte.

Bei diesem Aufzeichnen, das ich natürlich nur in Stichworten vollzog, begann ich bei der Jugend und ging bis in die Stunde, in der ich lebte. Einbezogen wurden die Tage und auch die Nächte, der Krieg und auch der Frieden, das Haus und auch die Fremde, Stunden des Alleinseins und auch der Gesellschaft. Ich bekam in starkem Maße den Eindruck, die Reinigung der vorigen Sünden muss so tief gehen, dass auch bei der Erinnerung an ihre Vielzahl und Größe das Bewusstsein der völligen Tilgung und Befreiung bleibt. Ich stand ja davor, mich dem Herrn Jesus zur Verfügung zu stellen, damit ER mich für sich gebrauchen könne. Ich kam dann zu einer tiefen Buße, ja, zu Stunden und Tagen tiefer Beugung und Demütigung vor dem Herrn Jesus. Dann kam ein Segen über mich, der mich ganz ergriff und erfüllte. Ich konnte nur noch rufen: Herr, höre auf mit deinem Segen, ich kann es nicht mehr ertragen. Mir war, als würde ich vergehen. Später habe ich oft gedacht: Wenn ich mich in jener Stunde doch immer mehr für die Segnungen Gottes und für die Ausrüstung für meinen Evangelistendienst geöffnet hätte! Wie man eine solche Erfahrung nennen mag, darüber kann man sich streiten. Jedenfalls war es eine besondere Ausrüstung für einen besonderen Dienst. Ohne diese Ausrüstung hätte ich nicht mit meinem Zelt unter die breite Masse gehen können, sie hätte mich entweder erdrückt oder ich hätte sie gar nicht erreicht. Dann erfüllte mich ein starkes Sehnen, Seelen zu gewinnen: Herr, gib mir Seelen! Ich vergoss Tränen um der Verlorenen willen und wurde getröstet durch das Verheißungswort: Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten! Leider gibt es auch Verstandesmenschen, die der Meinung sind, Tränen sei-


27

en seelisch. Sie denken nicht daran, dass auch der Heiland über Jerusalem geweint hat. Oft habe ich gerufen und gefleht: Herr, gib mir ein brennendes Herz für Deutschland. Ich betete der Reihe nach für die Städte, in die ich mit dem Zelt ziehen wollte. Ich nahm mir viel Zeit dazu und schüttete kniend mit lauter Stimme mein Herz vor Gott aus. Als ich dann unter das Volk kam, erreichte ich auch die Masse. Gott gab Erweckungen und viele Errettungen. Aus der gründlichen und täglichen Reinigung kommt dann auch immer stärker die innige Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus, der selbst der Reine und Heilige ist. 3. Die Gemeinschaft. Sie besteht aus einer zarten Verbindung mit dem Sohn Gottes. Du und ich wollen gemeinsam sagen: Herr, werde du mehr mein Ein und Alles! Kostbar ist es zu wissen: Er ist der Hohepriester, der sich für mich verwendet. Er ist als Anwalt vor dem Vater, um die Seinen dort zu vertreten. Ja, welche Liebe! Jesus betet unaufhörlich für die Seinen. Er trägt sie auf seinem Herzen. Er hat Mitleid mit ihren Schwachheiten. Er verwendet sich für sie, damit sie Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe. Er ist der gute Hirte, der die Seinen wunderbar führt, auch dann wunderbar führt, wenn sie seine Wege nicht mehr verstehen. Es ist und bleibt so: „Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen“ (Psalm 23). Immer wieder hat er grüne Auen, und immer wieder führt er zu frischen Wassern. Würde man den Kindern Gottes die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus nehmen können, so gäbe es niemand auf dieser Welt, der ärmer wäre als sie. Die Gemeinschaft mit anderen Kindern Gottes ist für dich und für mich eine gro-

ße Notwendigkeit. Das alte Wort gilt immer noch: Eine Kohle mag noch so glühend sein, wenn man sie allein legt, wird sie bald erkalten. In dieser Gemeinschaft werden wir zur Erfüllung unserer Aufgaben in dieser Welt zubereitet. Wir sind ja errettet, um ihm zu dienen und ihn aus den Himmeln zu erwarten. Die große Umwandlung, nicht mehr herrschen, sondern dienen zu wollen, und das Einfügen in die Gemeinschaft, wird hier in einer Art und Weise praktiziert, die für die Förderung unseres inneren Lebens sehr nützlich ist. Es ist sehr gut, dass der barmherzige Samariter die Seinen in die Herberge geführt hat. Die, die er auf der Landstraße des Lebens gefunden hat, sollen nicht allein bleiben. Hier werden wir gepflegt und vor manchem bewahrt. Wer die Möglichkeit dieser Gemeinschaft hat, sollte sie nicht versäumen. Aus inniger Gemeinschaft heraus wächst mehr und mehr der Drang zum Gebet. 4. Das Gebet. Es ist das Atmen der Seele. Wir sollten diesem Einatmen: Dem Flehen und Rufen, aber auch dem Ausatmen: Dem Loben und Danken, viel mehr Raum gewähren. Als ich das Wort Gottes mehr und mehr las und mich der täglichen Reinigung stärker öffnete, wurde bei mir durch die Gemeinschaft – besonders auch durch die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus – das Bedürfnis zu beten, immer stärker. Ich entdeckte, dass die Zeit, die ich auf den Knien im Gebet verbrachte, doch eigentlich sehr gering war. Es war für mich eine erschütternde Feststellung, dass mein Gebetsleben nur aus einigen Minuten am Tage bestand. So kam mir der Gedanke, mein Gebetsleben einmal einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Ich legte täglich am Morgen eine halbe


28

Stunde fest, in der ich kniend laut beten wollte, wenigstens so laut, dass ich die Worte im Mund formte, um abschweifende Gedanken auszuschalten. Wer den Herrn Jesus nur in Stunden der Not anruft, wird diese letzte, tiefe Freude, die ein Gotteskind haben soll, nicht als eine bleibende Freude verspüren. Es muss zu einem planmäßigen Gebetsleben kommen, sodass man nicht nur im Bett liegend, in Gedanken betet, sondern täglich, planmäßig und mit Ernst die Knie vor dem Herrn Jesus beugt. Zu einem solchen planmäßigen Gebetsleben muss man sich viel Zeit nehmen. Wenn du dir von mir einen besonderen Rat geben lassen willst, dann tue folgendes: Beachte die Uhr, wenn du betest, damit du täglich eine gewisse Zeit, die du festlegst, auf den Knien vor deinem Herrn zubringst. Beginne einmal mit einer Viertelstunde täglich. Besser wäre es, wenn du täglich eine halbe Stunde betend mit dem Herrn Jesus Gemeinschaft hättest – natürlich auf den Knien. Vor längerer Zeit besuchte mich eine Krankenschwester. Sie sagte mir, dass sie innerlich sehr zurückgegangen wäre. Ihre Freude am Herrn wäre nicht mehr so stark. Der Drang zum Lesen des Wortes Gottes wäre kaum noch vorhanden. Sie erzählte mir, dass es Tage gäbe, an denen sie sich nicht einmal mehr über die Errettung ihrer Seele freuen könnte. Ich machte ihr den Vorschlag, ab sofort täglich eine halbe Stunde zu beten – möglichst kniend – und zwar so, dass sie ihre eigene Stimme hören könnte. So bleibe sie besser vor Zwischengedanken bewahrt. Die Schwester machte den Einwand, dass sie unmöglich so viel Gebetsstoff hätte, um eine halbe Stunde im Gebet verharren zu können. Wir sprachen uns darüber aus.

Dann sagte ich ihr, wie etwa sie ihre Gebete gestalten könnte. Am Morgen solle sie zuerst ihr eigenes Leben täglich aufs Neue vor dem Herrn Jesus ausbreiten, ihn bitten, dass er das ganze Leben restlos beherrschen und alle Gebiete ihres Lebens ganz in Besitz nehmen soll. Alle Schwierigkeiten und Nöte sollte sie dem Herrn sagen, auch wenn sie am Abend sehen müsse, dass sie tagsüber doch anders gewandelt wäre, als sie es sich am Morgen vorgenommen hätte. Alles, was es auch sei, möge sie so vor dem Herrn ausbreiten. Weiter riet ich ihr, den ganzen Kreis ihrer Familienangehörigen dem Herrn Jesus zu nennen. Sicher gäbe es in ihrer Familie manches Glied, das sie besonders fürbittend dem Herrn hinlegen könnte. Der eine ist vielleicht noch nicht gerettet, der andere auf halbem Wege stehengeblieben, der dritte macht dem Herrn nicht so viel Freude, wie es sein sollte. Wenn man sich dazu Zeit nimmt, dann weckt der Geist Gottes so viel Ernst im Gebet und Verlangen zum Gebet in uns, dass immer neuer Stoff zum Gebet vorhanden ist. Darüber hinaus wartet die Gemeinde der Gotteskinder, zu der wir gehören, darauf, dass ihre Glieder Fürbitte füreinander üben. Da ist die Schwester Müller, die im Gebet mit ihren Nöten nicht allein fertig wird. Die Schwierigkeiten türmen sich hoch auf. Seelen, für die sie schon so lange betet, kommen nicht zum Herrn. Da ist die Familie Meier. Zwei Glieder dieser Familie sind errettet, drei gehen noch auf dem breiten Weg. Wenn man so die einzelnen Familien der Gemeinde der Gläubigen vor den Herrn bringt, wird man viel Stoff zum Beten finden. Dann denkt man an die Männer und Frauen, die im Werk des Herrn stehen. Manche von ihnen versuchen Seelenge-


29

winner zu sein. Andere fühlen sich besonders berufen und begabt, den Hirtendienst zu tun. Wieder andere sind Lehrer des Volkes Gottes und versuchen, es in der Erkenntnis weiterzuführen. Sie alle kommen in Stunden hinein, in denen sie unter ihrer Schwachheit leiden. Sie sähen gern mehr Frucht ihrer Bemühungen. Und da bedarf es der Beter und ihrer Fürbitte. Treue Beter werden im Werk des Herrn gesucht. Wie freut es einen Evangelisten, wenn er weiß, dass seiner täglich von vielen, treuen Seelen vor dem Throne Gottes gedacht wird! Dort allein ist die Stelle, von welcher Arbeiter im Weinberg des Herrn Zuflüsse erwarten können. Dann kann man mit seinen Gebeten bis an die Enden der Erde gehen. Alle Gebiete, von denen man weiß, dass dort das Evangelium verkündigt wird, kann man dem Herrn nennen. Da unterbrach mich die Schwester und rief: „Hören Sie auf, sonst komme ich mit einer halben Stunde nicht aus!“ Wir unterhielten uns dann darüber, dass es schließlich zu einem Beten ohne Unterlass – so sagt es das Wort Gottes – kommen müsste. Ich erzählte ihr, dass ich schon damals als Eisenbahner, nachdem ich erst kurz den Herrn gefunden hatte, jeden Gegenstand, den er mir auf das Herz legte, ihm sofort in einem oder zwei Sätzen im Gebet genannt hätte. Es war dies eine schöne Zeit in meinem jungen Glaubensleben.

Von Gott zum Evangelisten­ dienst berufen! Meine Mutter schätze und liebe ich, wie kaum eine andere Person auf dieser

Erde. Sie ist weise und klug, spricht nicht viel, was sie aber spricht, hat Wert und Wucht. Meine älteste Schwester sagte einmal: „Unsere Mutter kann in besonders schwierigen Situationen schweigen, und das müssen wir Kinder mehr von ihr lernen.“ Wir waren neun Kinder, sieben davon leben noch; und in solch einer großen Familie geht es nicht immer sanft und lieblich zu, wie man sich denken kann. Manchmal standen wir Kinder uns wie Hund und Katze gegenüber. Und da war Mutter immer wieder der stille, ruhende Pol in aller Unruhe und die stets ausgleichende Gerechtigkeit. Diese Eigenschaften hat sie sich auch im Alter erhalten, ja, sie sind vielleicht noch stärker hervorgetreten. Mein Vater hatte ein kleines Fuhrgeschäft. Er war ein selten treuer Versorger seiner Familie. Kein Wetter hat er gescheut, um für die Seinen zu schaffen. Tag und Nacht war er darauf bedacht, die Seinen vor Mangel zu schützen. Er war ein herzensguter, dabei aber äußerlich rauer Mann. Auch ihn, der schon lange in der Ewigkeit ist, ehre ich und schätze ihn hoch über sein Grab hinaus. Er hatte einen guten Grundsatz, den er auch uns Kindern einprägte. Wiederholt sagte er: „Kinder, man darf keine Arbeit scheuen und man muss alles können.“ „Wer weiß“, wandte er sich an mich, „wie du dies und das im Leben einmal gebrauchen kannst. Und wenn du es nicht brauchst, so hast du auch nichts verloren.“ Als Junge war ich im Pferdestall zu Hause. Das Pferd musste abgerieben werden, wenn es nach Hause kam und geschwitzt hatte oder vom Regen durchnässt war. Die Fütterung übernahm ich gern. Beim An-


30

schirren morgens war ich oft dabei. Wenn das Pferd von der Arbeit zurückkam, hielt ich gern ein Stück Brot an der Haustreppe bereit. Dies alles hat eine starke Liebe zu den Pferden in mir wachgerufen und erhalten. Noch heute stehe ich still, um ein schönes Tier zu betrachten, das gerade vorbeikommt. Wenn ich aus der Schule kam, hatte ich täglich immer bestimmte Arbeiten. Im Keller musste ich die Rüben schneiden, musste Stroh kleinhacken, auf dem Speicher mit der Maschine Futter schneiden, ja, ich musste, wie man bei uns sagt, „feste ran“. Es gab auch leichtere und angenehmere Arbeiten. Wenn ich zum Beispiel die Kuh hüten musste, waren das für mich Stunden des Genusses, ja, Stunden der Freude. Wie manche schöne Erinnerung wird wach, wenn ich an meine Kinderzeit im Elternhause zurückdenke. Beim Pflügen, Eggen oder beim Einfahren der Ernte musste ich das Pferd führen. Oft war es nicht so einfach, den Wünschen meines Vaters gerecht zu werden. Aber am Ende klappte es doch immer wieder gut. Wenn im Herbst die großen Ferien kamen, wurde ich zu einem Bauern geschickt. Dort half ich bei der Ernte, beim Einbringen der Hackfrüchte und hatte die Kühe zu hüten. Mein Lohn bestand in freier Verpflegung. Außerdem erhielt ich am Ende der Ferienzeit noch ein paar Schuhe. Als ich zwölf Jahre alt war, zog sich mein Vater beim Fahren von Weihnachtsbäumen eine Augenverletzung zu. Sie erwies sich als so schwer, dass er in einer Augenklinik untergebracht werden musste. Wir hatten wohl einen Knecht, aber mein Vater legte Wert darauf, dass ich für die Zeit seiner Abwesenheit von der Schule beur-

laubt wurde und mich nun Tag für Tag an den einzelnen Arbeiten beteiligte. In der Hauptsache wurde aus den Wäldern unserer Heimat Holz gefahren. Dabei versank ich kleiner Kerl zuweilen bis an die Knie im aufgeweichten Boden. Außerdem mussten wir Pflastersteine aus dem Grauwackenbruch zur Bahnstation fahren. Da galt es schon kräftig zuzupacken. Wie stolz war ich, als ich zum ersten Mal einen Pflug selbst halten und Scholle um Scholle umlegen konnte! Auch beim Eggen sowie bei allen Feldarbeiten hatte ich viel Freude. Mit dreizehn Jahren musste ich, weil der Lohn meines Vaters nicht sehr hoch war, schon halbe Tage in einer Kunstwollefabrik arbeiten. Ganze Tage zu arbeiten, gestattete das Gesetz nicht. Wenn ich dann mittags nach Hause kam, arbeitete ich nachmittags noch im Wald und half, junge Tannen zu setzen. Mit fünfzehn Jahren kam ich in einen Steinbruch und sollte dort lernen, Pflaster- und Mauersteine zu behauen, die aus der Grauwacke gewonnen wurden. Ich bin gern hingegangen, weil diese „Steinkipper“ – so wurden die Arbeiter genannt – viel Geld verdienten. Die Sache hat aber auch ihre dunkle Seite. Die Leute waren rau, oft so rau wie die Steine selbst. Es wurde dort viel Schnaps getrunken, und unter dem Einfluss des Alkohols vergaß sich mein Lehrmeister schon hin und wieder. Einmal, als ich das, was er mir beibringen wollte, nicht so ganz begriffen hatte, warf er einen Hammer nach mir. Als er es bei einer anderen Gelegenheit wieder so machen wollte, bin ich davongelaufen und nicht wieder zurückgekehrt. Es war mir aber sehr unangenehm, nach Hause gehen zu müssen und keine Beschäftigung mehr zu haben. Der


31

Weg führte mich an einer Fabrik vorbei. Ich ging kurz entschlossen hinein, stellte mich dem Chef vor, erzählte ihm mein Erlebnis und bat ihn, mich in seinem Betrieb einzustellen. Er gewährte mir die Bitte, und ich wurde als Spuler beschäftigt. Von Garnsträngen wurde der Faden mittels besonderer Maschinen auf Spulen gewickelt. Und darauf hatte ich Acht zu geben. So bahnte mir Gott schon damals den Weg in den Beruf und ins Leben. Ich hatte immer eine besondere Freude, wenn ich einen Mann in schmucker Uniform sah, und nur den einen Wunsch, auch einmal eine solche zu besitzen. Wie sollte ich das aber anfangen? Ich hatte ja nur Volksschulbildung. Mit sechzehn Jahren ging ich mit Genehmigung meiner Eltern zur Reichsbahn. Ich wurde als Laufjunge eingestellt, musste Kaffee kochen, Essen wärmen, und das manchmal draußen auf freier Strecke, wo ich mir den Ofen aus Steinen selbst baute. Es musste immer klappen, dass zu den einzelnen Mahlzeiten alles auf dem Tisch stand. Oft kam ich dabei in große Not. Mein Ziel war, einmal die „rote Mütze“ tragen zu können. Aus dem Krieg hatte ich meinem Bahnmeister geschrieben und ihn gefragt, ob ich dieses Ziel wohl erreichen könnte und ob er mir bei meiner Rückkehr wohl behilflich wäre. Ich erhielt aber die Antwort: Leute mit solch geringer Bildung, die nicht einmal richtig deutsch schreiben könnten, hätten keine Aussicht, eine solche Stelle zu bekleiden. Ich war ziemlich enttäuscht, ließ aber mein Ziel keineswegs aus den Augen und war nur noch mehr bestrebt, Lücken in meinem Wissen zu füllen. Ich kam dann auch zur Ausbildung als Aufsichtsbeamter und trug zeitweise die

rote Mütze. Der Dienst war sehr verantwortungsvoll. Man musste genau disponieren und klare Befehle an die Rangierabteilungen und andere Stellen geben können. Es führte allerdings auch dazu, dass man sehr stur wurde und nicht gut nachgeben konnte. Ich wurde auch zum Fahrdienstleiter ausgebildet und arbeitete später - nach abgelegter Prüfung - in diesem Dienst. Ich habe ihn Jahre hindurch getan. Zwischendurch arbeitete ich in einer Stationskasse, die die Gehälter für einige hundert Beamte und Arbeiter auszahlte. In diese Zeit fiel meine Bekehrung. Später wurde ich Dienststellenleiter eines Bahnhofs, wohnte mit meiner Familie im Bahnhof und genoss das Vertrauen der Bevölkerung, meiner Vorgesetzten und meiner Kollegen. Es war ein schöner Dienst, den ich wirklich liebte. Gott aber hatte bestimmt, dass ich mich von allem, was mir lieb war, lösen sollte. Der Herr muss unsere Pläne oft durchkreuzen, weil seine Pläne weit besser sind. „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber danach erkennen“ (Joh. 13, 7). Als ich den ersten Evangelisten nach meiner Bekehrung hörte, hatte ich nur den einen Wunsch: Herr, lass mich doch Evangelist werden! Aber wie sollte das möglich sein? Darüber machte ich mir keine Gedanken. Ich hatte zunächst nur ganz bescheidene Wirkungsmöglichkeiten im Auge. Vielleicht konnte ich in einer Bauernstube oder in einem kleinen Gemeinschaftssaal aushilfsweise Stunden halten, weitergehende Pläne hatte ich nicht. Aber selbst das versuchten liebe, gläubige Menschen mir auszureden. Sie sagten: „Die Stundenhalter müssen mindestens ein Lied anstimmen können, und


32

du weißt ja selbst, du singst vier Stimmen auf einmal.“ Also, menschlich gesehen wieder keine Aussicht! Aber Gott kennt doch das Sehnen und merkt auch das Verlangen, sieht die Willigkeit und hilft über Mängel und Schwierigkeiten hinweg. So habe ich selbst in all den Jahren, in denen ich das Wort Gottes verkündigt habe, noch nie ein Lied angestimmt. Wie sollte ich aber für den Dienst des Herrn frei werden? Darüber machte ich mir Gedanken. Eins stand bei mir fest: Selbst mache ich mich nicht frei. Meine Familie, die kleinen Kinder mussten doch versorgt werden. Darin stimmte meine Frau ganz mit mir überein und sagte: „Wenn dich der Herr gebrauchen will, wird er dich auch freimachen! Mache du dich nicht selbst frei!“ Ich hatte hin und her das Evangelium verkündigt, sonntags, nach Feierabend und auch in meiner Urlaubszeit. Und dann musste ich zum Arzt, mein Herz versagte. Nachdem mich der Vertrauensarzt der Reichsbahn untersucht hatte, sagte er: „Sie können ja unmöglich Dienst machen. Auf einer verantwortlichen Stelle kann man Sie nicht beschäftigen. Sie wissen ja selbst nicht, wie krank Sie sind.“ Meiner vorgesetzten Dienststelle berichtete er, dass ich ein Mann wäre, der stündlich einen Herzschlag bekommen könnte. Meine Füße waren dick geschwollen, bisweilen konnte ich beim Gehen kaum Luft kriegen. Ich wurde noch einem anderen Arzt vorgestellt, der dasselbe Urteil abgab. Meine Vorgesetzten kamen nach vielem Hin und Her zu dem Entschluss: „Wir wollen Ihnen noch ein Jahr das Gehalt voll zahlen. Bauen Sie sich ein Häuschen. Was Ihnen an Geldmitteln fehlt, wird Ih-

nen die Reichsbahn als Hypothek geben. Und wenn Sie das Häuschen fertig haben, dann ziehen Sie aus dem Bahnhof aus, damit wir die Dienststelle neu besetzen können.“ Dieses Haus war dann in etwa zwölf Wochen fertiggestellt. Dabei erlebte ich Wunder über Wunder. Man müsste ein besonderes Büchlein schreiben, wenn man ausführlich berichten wollte, wie Gott in dieser Sache gnädig geholfen und alles zu einem guten Ende geführt hat. Wie Gott in so freundlicher Weise meine äußeren Angelegenheiten geordnet hatte, so sorgte er auch dafür, dass mir die innere Ausrüstung zum Dienst eines Evangelisten zuteil wurde. Mit bloßem Reden und Vorträgehalten ist es nicht getan, und selbst das Gewählte und Geschliffene der Darbietung hat wenig Wert, wenn die Persönlichkeit nicht dahintersteht. Von Jesus reden kann jeder bald, von Jesus zeugen, das gibt Gewalt! Aus dem Erleben heraus die Wahrheit bezeugen, das zieht Leute an. So hatte ich es erfahren. Ich hatte hier und da in der Sonntagschule geholfen, das war eine gute Vorschule. Man wurde schon etwas frei von Menschenfurcht und war gezwungen, sich gründlicher mit dem Wort Gottes zu beschäftigen. Auch habe ich herausgefunden: Wer zu Kindern anschaulich und packend sprechen kann, der wird auch die Erwachsenen mit seinen Worten fesseln. Es wäre gut, wenn mancher angehende Reichgottesarbeiter zuvor Helfer in der Sonntagschule gewesen wäre. Hin und her in den Häusern, vor ganz wenigen Zuhörern, vor zwei oder drei Leuten, aber auch in dichtgefüllten Stuben tat ich meinen ersten Zeugendienst. Diese Anfangsversuche waren in mehr als einer Hinsicht lehrreich für mich. Sie boten mir


33

nicht nur willkommene Gelegenheit, mich im Reden zu üben und Befangenheit und natürliche Scheu zu überwinden, sondern sie führten mir auch deutlich vor Augen: Du musst das Herz darauf richten, Weisungen von oben zu empfangen, und dich vor deinem Gott demütigen. Herzensdemut ist die Voraussetzung für Gottes Segnungen, weil der Herr dem Hoffärtigen widersteht und nur dem Demütigen Gnade gibt. Weil mir natürliche Gaben und Schulkenntnisse fehlten, war ich – ob ich wollte oder nicht – darauf angewiesen, viel zu beten. Immer wieder habe ich vor Gott gelegen und in meinen Gebeten ausgesprochen: Herr, gib mir mehr! Sieh, dein Bote ist arm und ungeschickt, hilf mir doch, lege deine Worte in meinen Mund! Und dann erquickte mich die göttliche Zusicherung: Der Herr hat noch mehr, das er dir geben kann als dies. Verkehrt wäre es natürlich, wenn jemand immer nur nehmen wollte. Nur Zufluss von oben führt eines Tages zur Stockung und Übersättigung. Nur Austeilen und Weitergeben führt zum geistlichen Bankrott; man wird leer, dürr und erbärmlich. Einnahme und Ausgabe müssen sich die Waage halten. Zum heiligen Dienst braucht man viel Liebe! Liebe zum Herrn, Liebe zu den Erretteten und Liebe zu den Verlorenen. Man braucht ein glühendes Herz, göttliches Feuer, um andere für Jesus entzünden zu können. Ich war noch jung im Glauben, als der Herr mir wichtig machte: Du musst alle Kinder Gottes gleich lieb haben, egal, zu welchem Kreis sie gehören, ob sie kirchlich oder freikirchlich sind, damit das Wort in Joh. 17,21 mehr und mehr erfüllt wird: „Auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir;

auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“ Meine Erfahrungen bei der Wortverkündigung zeigten mir klar, dass das Evangelium nicht rein verstandesmäßig nur als eine dogmatische Unterweisung dargeboten werden darf. Was aus dem Verstand kommt, erreicht den Verstand - und dort findet keine Wiedergeburt statt. Die Evangelisationsverkündigung muss in Vollmacht geschehen und den ganzen Menschen erfassen, bis zuletzt der Wille gebrochen wird und der Hörer dem Buß- und Gnadenruf Gottes willig Folge leistet. Durch schöngeistige oder interessante Ausführungen werden die Zuhörer wohl angeregt und gut unterhalten, aber niemals der Herrschaft Gottes unterworfen. Die Menschen lieben ihr eigenes „lch“, und ihre Selbstherrlichkeit wollen sie durchaus nicht aufgeben. Es dauert oft lange, bis sie erkennen: Hier ist der große Gott, der sich in Jesus Christus, seinem Sohn, geoffenbart hat. Er will die Herrschaft bei mir antreten! Der Bote des Herrn braucht viel Geduld und Glaubenskraft. Er braucht aber auch die Mitarbeit und Fürbitte der Gläubigen.

Erweckungen in Sälen Soll es zu einer rechten und tiefgehenden Erweckung an einem Ort kommen, dann müssen die nötigen Voraussetzungen dafür gegeben sein. Da muss vor allem der Geist des Gebets die Herzen der Gläubigen erfüllen. Vielleicht ist es zuerst ein einzelner Beter, den der Geist innerlich bewegt und treibt. Ich habe es erlebt, dass ein altes Mütterchen, das selbst nicht mehr zur Ver-


34

sammlung kommen konnte, die verborgene Trägerin einer Erweckung wurde. Und dieser Gebetsgeist muss in die ganze Gemeinde oder Gemeinschaft hineingetragen werden. Brennt dieses Feuer in den Herzen, so betet man im stillen Kämmerlein oder vor den Mahlzeiten der Familie, bringt seine Bitte um Neubelebung vor den Herrn, wann und wo immer der Geist mahnt. Ob wir auf dem Marktplatz oder auf dem Feld sind, im Büro arbeiten oder in der Ackerfurche hinter dem Pflug hergehen, überall können wir den Blick zu Gott erheben. Von der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem lesen wir: „Und als sie gebetet hatten, erbebte die Stätte, wo sie versammelt waren, und sie wurden alle mit Heiligem Geist erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimütigkeit“ (Apg. 4, 31). Gemeinsames Flehen ist auch heute noch eine gewaltige Macht. Der Evangelist spürt es, wenn an einem Ort solche wichtige Vorarbeit geschehen ist. Ich habe es längere Zeit hindurch so gehalten, dass ich den Ruf zu einer Evangelisation nur dann annahm, wenn der mich einladende Kreis gewillt war, die Versammlungen durch besondere Gebetsstunden vorzubereiten. Manche Erweckung kam in dem Augenblick zum Durchbruch, in dem die leitenden Persönlichkeiten sich vor Gott beugten, weil sie die erste Liebe verlassen hatten und lau und schläfrig geworden waren. Ich kam einmal im Winter von einer Reise nach Hause, und da ich den ganzen Tag in einem ungeheizten Abteil hatte fahren müssen, freute ich mich verständlicherweise auf ein warmes Zimmer. Aber kein warmes Zimmer wartete auf den Durchgefrorenen. Ich sagte nichts, hoffte aber im Stillen auf den nächsten Morgen.

Aber da war es nicht besser. „Liebe Frau“, sagte ich, „ich habe mich so sehr auf mein schönes, warmes Zimmer gefreut, aber mit der Heizung klappt es nicht.“ „Ja“, erwiderte sie, „ich habe schon heute morgen versucht, die Schlacken herauszubekommen, aber die richtige Glut ist nicht da. Ich kann auflegen, was ich will, es brennt nicht recht.“ Am nächsten Tage waren 20 Grad Kälte, aber wir hatten ein angenehm warmes Zimmer. „Jetzt ist es anders“, stellte meine Frau fest. „lch wusste bald nicht mehr, was Schlacken und was Kohlen waren; da habe ich alles herausgeworfen und ein ganz neues Feuer gemacht!“ Auch in unserem inneren Leben gibt es Rückstände, Schlacken. Und will das Feuer im Herzen nicht mehr recht brennen, so ist es das Einfachste und Beste, alles gründlich auszuräumen, was sich im Laufe der Jahre angehäuft hat. Und unser Herz wird wieder für den Herrn und für Verlorene schlagen. Während wir den Sommer hindurch mit dem Missionszelt durchs Land zogen und unter Mitarbeit aller kirchlichen und freikirchlichen Kreise eine gesegnete Arbeit tun durften, war dieser Dienst aus begreiflichen Gründen im Winter nicht möglich. So fassten wir den Entschluss, die Arbeit auch während der kalten Jahreszeit fortzusetzen, und zwar in neutralen Sälen. Eine Arbeit in Siegen in der Hammerhütte war besonders gesegnet. Wenn die Gläubigen aller Kreise sich zusammentun und gemeinsam das Netz auswerfen, geschehen große Gnadenwunder. Ein Beweis dafür ist Siegen. Was der Herr dort gewirkt hat, lässt sich auf Papier nicht schildern. Ich glaube, dass diese Segnungen alle bisherigen Erfolge unserer Arbeit über-


35

troffen haben. Es war ein überaus herrlicher Sieg des Evangeliums! Der Saal in der Hammerhütte fasst etwa eintausendfünfhundert Personen und war nach einigen Tagen Abend für Abend überfüllt. Etwa zwei Stunden vor Beginn der Abendveranstaltung kamen schon Besucher, um sich einen Platz zu sichern; und drei Viertelstunden vorher war alles besetzt. Abend für Abend mussten Scharen umkehren, die in dem übervollen Saal kein Stehplätzchen mehr fanden. Auch Treppen und Fensterbänke waren dicht besetzt. Die SA fuhr mit einem Lastwagen durch die Stadt, an dem ein großes Plakat angebracht war: „Jene beten, wir aber vollbringen Taten!“ Wir hielten in einem anderen großen Saal zur selben Zeit Parallelversammlungen, doch der Massenandrang ließ nicht nach. Dann sprach ich zuletzt an beiden Stellen, zuerst in der Hammerhütte und anschließend in dem anderen Saal. Beide Säle waren überfüllt. Ich konnte nur mit großer Mühe zum Rednerpult gelangen. Der Herr wirkte wunderbar. An beiden Stellen durften wir erleben, welche Kraft sein Blut hat. Wie viele in Siegen um Gnade flehten, lässt sich nicht übersehen. Es waren Scharen und Menschen aller Stände und jeden Alters. Siegen ist eine Garnisonstadt. Was der Herr auch an Soldatenherzen wirkte, ist anbetungswürdig. Wer die Siegener Zeugnisversammlung am letzten Sonntag miterlebte, war überwältigt von der Kraft und der Rettermacht des Herrn. Dasselbe darf auch von der herrlichen Lob- und Dankversammlung am letzten Abend gesagt werden. Wir wollen gemeinsam den Herrn loben und preisen für die Wunder seiner Gnade! Eines Abends beobachtete ich, wie eine

mir bekannte, ältere Dame, die ein Herz für den Herrn und die Verlorenen hatte, am Bahnhof beim Eintreffen eines Zuges etwa hundert Menschen nicht nur einen Einladungszettel weitergab, sondern zu jedem noch etwa Folgendes sagte: „Kommen Sie doch einmal dahin, Sie werden nicht enttäuscht sein!“ Ähnlich warben viele Gotteskinder. Nach einer Versammlung befand sich unter denen, die den Herrn suchten, ein Waffenmeister, der die Waffen mehrerer Batterien verwaltete. Er war in tiefer, innerer Not und suchte Klarheit für sein Innenleben. Nachdem ein gläubiger Unteroffizier ihm den Weg zum Herrn Jesus gezeigt hatte, wurde er froh und glücklich. Ergreifend schilderte er in einer Zeugnisversammlung sein früheres Leben in der Finsternis und sein jetziges Glück. Manche wurden durch seine Worte tief bewegt. Seine Frau war auch in der Versammlung gewesen. Sie wollte dies gern miterleben, die Lieder hören und dem Evangelium lauschen, aber der letzte Schritt und das Miteinander der Gotteskinder waren ihr zu schwer. Sie sagte zu ihrem Mann: „Einen solchen Mann will ich nicht mehr haben.“ Von dieser Stunde an sprach sie nicht mehr mit ihm und ließ ihn links liegen. Ging er zum Dienst, gab es keinen Händedruck mehr, kam er zurück, begrüßte ihn seine Frau nicht mehr. Dieser junge, frische Zeuge Jesu kam dann zu uns. Ich sagte ihm: „Wir wollen zusammen beten. Der Herr hat schon Stärkere überwunden als Ihre Frau, davon sind wir beide das beste Zeugnis.“ Auf den Knien beteten wir miteinander, legten unser ganzes Herz hinein, und der Herr erhörte uns. Es dauerte noch zwei Tage, dann kam die Frau zu ihrem Mann und sagte: „Ich


36

muss kapitulieren, auch mir hat der Herr Jesus die Sünden in meinem Leben gezeigt. Ich kann so vor Gott nicht bestehen, auch ich muss den Herrn Jesus als meinen Retter haben.“ Sie kam wieder in die Versammlung, hatte eine seelsorgerliche Aussprache und wurde so glücklich wie ihr Mann. Wir blieben in regem Briefwechsel. Und als der Mann in eine andere Garnisonstadt versetzt wurde, versammelten sich in seiner Wohnung gläubige Soldaten und auch solche, die den Heiland suchten. Der Krieg kam. Längere Zeit hörte ich nichts mehr von dem Waffenmeister. Unser Haus bekam auch Einquartierung, nachdem der Feldzug in Polen beendet war und Truppen nach Westen zogen. Als einer der Soldaten unser Haus betrat, um bei uns Quartier zu nehmen, und Bibelverse an den Wänden sah, sagte er: „Ihr gehört doch wohl dem Herrn Jesus.“ Wir bejahten es. Darauf sagte er: „Wir haben einen Waffenmeister, der liebt auch den Herrn Jesus.“ „So, wo ist er denn?“ „Er ist in einem Nachbarort, weil die einzelnen Batterien verteilt liegen.“ Ich erkundigte mich nach ihm und fand ihn bald. Und siehe, es war derselbe Waffenmeister, der in Siegen den Herrn Jesus gefunden hatte. Er kam nun durch meine Vermittlung in das Haus eines gläubigen Fabrikanten am Ort, hatte dort schöne Gemeinschaft, besuchte auch uns, und wir erlebten manche schöne Stunde miteinander. Eines Tages erzählte er mir: „In unserer Batterie waren mehrere Gotteskinder, und wir haben oft an unserem Geschütz, ehe es wieder losging, eine kurze Gebetsgemeinschaft gehabt.“ Einmal kam während der Arbeit eine Frau zum Glauben an den Herrn Je-

sus. Sie war sehr glücklich. Als wir dem Herrn für ihre Errettung dankten, sagte ich im Gebet: „Herr, rette doch auch ihren Mann!“ „Mein Mann“, sagte die Frau nach dem Gebet zu mir, „hat gesagt, keine zehn Pferde brächten ihn in solch eine Versammlung.“ „Nun“, entgegnete ich, „der Herr Jesus ist stärker als zehn Pferde, wir wollen sehen, was er tun wird.“ Es dauerte einige Tage, wir beteten weiter für diesen Mann. Dann sah ich eines Abends, dass neben der Frau ein Mann saß. Ich dachte, das könnte wohl der Mann sein, für den wir besonders gebetet hatten. Und immer wieder sah ich an den Abenden dieses Paar, und es setzte sich immer weiter nach vorn. Eines Abends saßen sie fast vor dem Rednerpult. Nach meiner Ansprache hatte ich den inneren Drang, diesen Mann anzusprechen: „Mein Lieber, ich habe den Eindruck, Sie sollten sich heute Abend zum Herrn wenden, damit Sie auch so glücklich werden wie Ihre Frau.“ „So ist mir noch keiner gekommen“, erwiderte der Mann, „so etwas Unhöfliches, einem so die Pistole auf die Brust zu setzen!“ Er drehte sich auf dem Absatz herum und ging hinaus. Die Frau sagte zu mir: „Lieber Herr, wie konnten Sie auch so etwas machen?! Er kommt nie wieder, da kenne ich meinen Mann zu gut.“ Auch Brüder stellten mich zur Rede und betrachteten mein Verhalten als Entgleisung. Die Brüder, die als meine Gehilfen mit mir zogen, ermutigte ich, doch mit mir für diesen Mann besonders zu beten. Wiederum vergingen einige Tage - denn die Arbeit dauerte im ganzen zweiundzwanzig Tage -, da sah ich jenen Mann wieder im Saal. Nach der Ansprache blieb mancher


37

zurück, der den Herrn Jesus suchte, um ihm das Leben zu übergeben für Zeit und Ewigkeit. Darunter war nun auch dieser Mann. Er kam auf mich zugegangen, und ich sagte zu ihm: „Na, du kannst wohl nicht mehr?“ „Nein“, sagte er, „ich kann nicht mehr. Ich möchte nun gern, aber ganz und gar, auf die Seite des Herrn Jesus treten, um mit ihm und meiner Frau durchs Leben zu gehen.“ So durften wir erfahren, dass der Herr Jesus gerade aus Schwierigkeiten Herrlichkeiten macht. Eines Morgens – es war am Ende der Arbeit – hielt ein Auto vor dem Haus, in dem ich Quartier gefunden hatte. Ein Herr stieg aus und bat mich, im Wagen Platz zu nehmen und mit ihm zu fahren. Der Bruder, bei dem ich wohnte, sagte mir in wenigen Worten, dass der Herr in der Stadt sehr bekannt sei, viele Zeitungsartikel geschrieben und auch große Vorträge gehalten habe. Ich solle mich vorsehen. Als ich Platz genommen hatte, fuhr der Wagen durch die Stadt bis zu einer schönen Villa. Ich wurde ins Herrenzimmer geführt. Dann schloss der Herr die Tür ab und sagte „So, jetzt ist die Stunde gekommen, jetzt möchte ich mein Leben durch den Herrn Christus in Ordnung bringen lassen. Schon lange ist dieses Sehnen bei mir vorhanden, jetzt aber will ich Frieden!“ Es waren unvergessliche Augenblicke, als dieser große, stattliche Mann innerlich zusammenbrach und dem Herrn Jesus sein Leben übergab. Am Sonntagnachmittag war eine Zeugnisversammlung, und da legte er mit manchen anderen vor der großen Versammlung – es waren wohl zweitausend Menschen oder mehr anwesend – Zeugnis von der Rettermacht und HeiIandsliebe des Herrn ab.

Massenversammlungen in Zelten und unter freiem Himmel Als ich mich erneut dem Herrn hingegeben hatte und es zu einer inneren Durchreinigung gekommen war, erfüllte mich das starke Sehnen, Seelen für den Herrn zu gewinnen. Ich hatte nur noch einen Wunsch: Herr, gib mir Seelen! Gib mir mehr Seelen! Bahne mir den Weg zu der breiten Masse in unserem westdeutschen Industriegebiet und darüber hinaus! Es wurden aber auch andere Stimmen laut. Ältere Brüder kamen und sagten mir: „Sie kommen zu spät, die Zeit der Erweckung und die Zeit, in der den Massen das Evangelium angeboten wird, ist vorbei. Das Evangelium ist überall hingekommen. Wir können nur noch auf eins warten: Auf die Wiederkunft des Herrn Jesus. Wir müssen mehr Wert auf die Erbauung legen.“ Solche und ähnliche Gegenstimmen waren vorhanden. Ich klammerte mich aber an das Wort aus Offenb. 3,8: „Siehe, ich habe vor dir eine geöffnete Tür gegeben, und niemand kann sie schließen.“ Ich wusste: Sein Blut reicht aus für dich. „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“ Immer gewisser wurde mir: Nicht nur für mich reicht das Blut Jesu, sondern es reicht aus für jede Stadt, für jedes Gebiet, für jedes Volk, für die ganze Welt. Immer wieder baten wir den Herrn im Gebet: „Zeige du uns doch die Städte, in denen wir arbeiten sollen. Bestimme du doch unsere Wege. Sei du doch der Leiter!“ Wenn es uns klar war, wohin wir uns wenden sollten, fuhr einer meiner Mitarbeiter in die betreffende Stadt und mie-


38

tete einen geeigneten Platz. Es mussten große Plätze sein, weil viele Autos und Omnibusse kamen. Es kam vor, dass hundert Fahrzeuge von Geschwistern und Freunden dort standen. Jede Arbeit dauerte etwa zweiundzwanzig Tage. An einem Sonntag wurde begonnen, und drei Wochen später wurde die Arbeit an einem Sonntag geschlossen. Standen wir nun mit dem Zelt in der Stadt, so riefen wir zu allererst den Herrn an: Jetzt bringe uns die Kinder Gottes aller Kreise und mache du sie für die bevorstehende Arbeit mobil! Wie erquickend war es dann zu beobachten, wie einer den anderen einlud, abholte und mitbrachte, wie sich die einzelnen die Gebetsgegenstände aufs Herz legen ließen. Viele Brüder wurden wirkliche Mitarbeiter und fühlten sich für die Arbeit verantwortlich. Da saß der Pfarrer neben dem freikirchlichen Prediger, da waren schlichte Männer neben hochgestellten Persönlichkeiten, und alle verband das gemeinsame Missionsinteresse. Wir gingen in unseren Gebeten weiter und baten den Herrn: Herr, nun bringe die Welt! Jeder Besucher des Zeltes bekam am ersten Abend einen Einladungszettel und wurde gebeten, sich eine Person vom Herrn zeigen zu lassen, an die er diesen Zettel weitergeben solle. „Jeder bringe morgen jemanden mit!“, so lautete der eindringliche Appell an die ersten Zeltbesucher. Dann begann ein Einladen und Werben, oft im Wetteifer. Keiner wollte allein kommen. Vor Beginn der Versammlung, sobald eine Anzahl Besucher da war, wurden schon erweckliche Lieder gesungen, manchmal schon eine Stunde vorher. Jeder, der kam, erhielt ein Liederheft, entweder geschenkt oder gegen Bezahlung

von zehn Pfennigen. Und so wuchs die Arbeit. Nicht nur Gläubige luden die Unbekehrten ein, sondern Freunde bemühten sich um Freunde. Es kam sogar vor, dass Unbekehrte lau und träge gewordene Gläubige einluden oder solche Christen beschämten, die im Herzen dachten, die Zeit der Evangeliumsverkündigung für die Massen sei vorbei. Wenn sich dann die Zelte mehr und mehr füllten, wenn die Erweiterung aufgezogen werden musste, dann lautete unser Gebet: Herr, brich durch! Wirke jetzt tiefgehende, göttliche Buße, dieses Geschenk aus der oberen Welt. Gib Gnade, dass sich jetzt Seelen für dich entscheiden! Die erste Arbeit, die ich tun durfte, werde ich noch in einem anderen Abschnitt besonders erwähnen. Die zweite Arbeit war in Hamborn. In dieser Stadt waren damals viele Unruhen. Zunächst kamen etwa hundert Personen. Dann stieg die Besucherzahl von Abend zu Abend, bis das Zelt die Leute nicht mehr fassen konnte. Dabei muss man bedenken, dass hier, wie auch schon in Mülheim an der Ruhr, der höhere Prozentsatz aus Ungläubigen bestand. Auch gab es noch viele Zaungäste. Durch das machtvolle Wirken Gottes gab es nicht nur zahlreiche Bekehrungen, sondern auch die Gläubigen wurden von der reinigenden Kraft des Wortes erfasst, wie die vielen Aussprachen bekundeten. Es ist eben eine alte Erfahrung: Wo das Volk des Herrn sich unter das Wort beugt und reinigen lässt, da kann Gott Gnadenwunder tun. Mit Lob und Dank beendeten wir diese Arbeit. Der Herr tat mehr, als wir erwartet hatten. Er erhörte Gebete. Das ist die Macht, vor der Satan kapitulieren muss. Wie oft haben wir das erfahren!


39

Dann zogen wir nach Heiligenhaus (Niederrhein). Zuerst war der Besuch sehr gering. Von Tag zu Tag aber füllte sich das Zelt mehr und mehr. Suchende Menschen fanden in Christus Ruhe und Frieden, darunter auch sechs Ehepaare. Wir durften sehen, dass die Erweckung auch über Schwelm kam, wo wir mit dem Zelt in der Nähe des Bahnhofs standen. Vom ersten Tag an war das Zelt überfüllt und wurde erweitert. Aber auch die Erweiterung reichte bald nicht mehr aus. In Schwelm erlebten wir Tag für Tag das Wirken des Heiligen Geistes. Die Gotteskinder jubilierten, wir sahen Jesu Herrlichkeit und unsere eigene Erbärmlichkeit. An einem Sonntagnachmittag sah ich, wie sich eine größere Gruppe Zeltbesucher, Männer und Frauen, dem Zelt nahten und hörte sie das Lied singen: Auch ich war einst in Sündennot, da half mir Jesu Blut; drum jauchz‘ ich auch bis in den Tod ob dieser Gnadenflut. Es quillt für mich dies teure Blut, das glaub‘ und fasse ich, es macht auch meinen Schaden gut, denn Christus starb für mich! Das Herz wurde froh, wenn man abends noch eine halbe Stunde nach der Zeltversammlung hörte, wie die Evangeliumslieder gesungen wurden, und wie es von den Bergen in die Täler schallte. Beim Nach-Hause-Fahren aus dem Zelt wurde abends begeistert das Herrlichkeitslied gesungen: Wenn nach der Erde Leid, Arbeit und Pein ich in die goldenen Gassen zieh‘ ein, wird nur das Schau‘n

meines Heilands allein Grund meiner Freude und Anbetung sein. Das wird allein Herrlichkeit sein, wenn frei von Weh ich sein Angesicht seh‘! In der „frommen“ Stadt Barmen hatten wir stärkere Störungen. Junge Burschen glaubten, ihren Auftrag darin zu sehen, immer wieder, wenn ich den Namen Jesu nannte, dazwischenzurufen, wie etwa: „Der Judenjunge, der Lümmel!“ und ähnliche hässliche Ausdrücke. Auch wurden Knallkapseln geworfen. Nies- und Juckpulver gestreut, Streichhölzer angesteckt und Zigaretten geraucht. Solch lästige Störungen waren an der Tagesordnung. Brüder meinten, man müsse doch etwas dagegen tun und polizeilichen Schutz in Anspruch nehmen, weil ich auch persönlich beim Ausgang aus dem Zelt immer stark belästigt wurde. Wir lehnten es ab, diesen Weg zu gehen. Wir vertrauten auf den Herrn und erwarteten von ihm, dass er einschreiten werde. Inzwischen wurde der Besuch immer stärker. Die Zeltleinwand musste weit ins Gelände gezogen werden, sodass ein großer Teil der Hörer nur den offenen Himmel über sich hatte. In dieser Erweiterung wurden die Zwischenrufe fortgesetzt. Eines Abends kam ich wieder zum Zelt, und am Zelteingang stand ein Polizeimeister und sagte zu mir: „Halt! Das Zelt ist überfüllt, es geht niemand mehr hinein!“ Nachdem ich mich dann als Redner vorgestellt hatte, sagte er: „Ach, Bruder Heukelbach, ich bin auch ein Christ und habe in diesem Revier Dienst, und dieser hier“, dabei zeigte er auf seinen Nebenmann, einen großen, breiten Polizeibeamten, „der ist auch ein Christ. Sie wollten


40

uns nicht rufen, aber uns hat der gerufen, dem Sie dienen. Wir werden heute Abend, wenn sich irgendeine Störung bemerkbar macht, aufräumen!“ Fortan sah ich jeden Abend diese beiden uniformierten Schutzengel im Zelt. Niemand wagte mehr zu stören. Noch einmal bauten wir in diesem Jahr unser Zelt auf, und zwar in Düsseldorf. Vor und während dieser Arbeit war es immer wieder unser Flehen: Herr, lass doch die Arbeit an diesem letzten Ort die herrlichste, lass sie doch die Krone aller bisherigen Arbeiten werden! Anfangs schien es allerdings, als wollten uns die Schwierigkeiten erdrücken. Die Platzmiete betrug 1000 RM. Die Einladungszettel und Plakatsäulen konnten nicht, wie in anderen Städten, benutzt werden. Der Herr schenkte aber andere, gute Möglichkeiten, um an die Menschen heranzukommen. Durch anhaltenden Regen standen in den ersten zwei Tagen beide Zelte unter Wasser. Da durften wir die Liebe der Geschwister erfahren, die uns tatkräftig unterstützten. Auch freuten wir uns sehr, dass die führenden Brüder, die Pfarrer und Prediger, in der vordersten Front der Gebetskämpfer standen. Das war leider nicht überall so. Es waren gesegnete Augenblicke, wenn wir eine Dreiviertelstunde vor der Abendversammlung die Knie miteinander beugten. Da trennte uns nicht Stand oder Rang, sondern da verband uns die Liebe Jesu. Der Sieg war dann auch herrlich. Wir liehen uns noch ein drittes Zelt. Am Schluss der Arbeit reichte aber alles bei Weitem nicht aus. Die Schlussversammlung wird wohl die größte aller bisherigen Versammlungen gewesen sein. Wie viele der Herr durch unseren Dienst

erreicht hat, geht auch daraus hervor, dass wir in etwa zweieinhalb Jahren fünfzigtausend eigene Liederhefte brauchten. Die Lob- und Dankversammlung der Jungbekehrten war etwas Einzigartiges. Da saß eine große Schar Mädchen aus einem Heim, die dankte dem Herrn für ihre Errettung. Darunter waren solche, die durch die Sünde krank und elend geworden waren. Eines Abends sagte mir eine Diakonisse von der Mitternachtsmission: „Dort ringt gerade eine der schlimmsten Dirnen Düsseldorfs um Gnade.“ In Düsseldorf erlebten wir die besonderen Wirkungen des Herrn an gefallenen Mädchen. In einem Heim allein waren etwa hundertzwanzig untergebracht. Ein Bruder, der in der Stadt als treuer Gottesmann bekannt war, übernahm es, die Mädchen mit Autobussen zum Zelt fahren zu lassen. Abend für Abend saßen sie mit den sie begleitenden Diakonissen in der Versammlung. An einem Sonntagnachmittag kam der Geist Gottes über sie. Aus ihrem Herzen rang sich die Bitte: „Erlöse mich, Herr Jesu! Zieh mich aus dem furchtbaren Schlamm und Schmutz der Sünde!“ Gott schenkte ernste Reue und Buße. Als sie alle ihr Herz ausgeschüttet, siebzig bis achtzig den Herrn Jesus angerufen hatten, fassten es viele im Glauben, dass der Sünderheiland auch ihr Heiland ist. Schöner konnte der Abschluss des Jahres 1938 kaum sein. Wenn ich die Orte, an denen wir gearbeitet haben, im Geist noch einmal an mir vorüberziehen lasse, so fließt mein Herz von Lob und Dank über. Es war ein herrlicher Siegeszug, immer eine Offenbarung der Gotteskraft, die in den Schwachen mächtig ist. Unsere Empfindungen und Erfahrungen kommen darum so recht in den Psalmworten zum Ausdruck: „Er geht


41

hin unter Weinen und trägt den Samen der Saat und kommt heim mit Jubel und trägt seine Garben“ (Psalm 126, 6).

Wie übernahm Gott, der Vater, meine Versorgung? Die Eisenbahnerzeit lag hinter mir. Ich war frei geworden. Nun traten Brüder an mich heran und sagten, ein Dreimastenzelt läge brach, und man glaube, ich sei der Mann, der damit arbeiten solle. Ich sei auf so wunderbare Weise aus dem Volk herausgerettet worden und sollte nun auch wieder unter das Volk gehen und der breiten Masse das Evangelium verkünden. Man sagte mir auch, dass das Zelt unbenutzt liegen müsse, weil niemand für die Kosten aufkäme. Es war damals eine wirtschaftlich sehr schwere Zeit. Wie sollte ich aber die Kosten aufbringen? Ich verfügte als pensionierter Eisenbahner nur über die Mittel, die ich zur Erhaltung meiner Familie unbedingt brauchte. Da sagten die Brüder: „Der Herr hat in deinem Leben schon große Wunder getan. Er wird dir auch da den Weg zeigen.“ Es ging durch viel Gebet. Ich rang mich zu der Glaubensstellung durch: Ein unmündiges Kind hat das Recht, die Füße unter den Tisch des Vaters zu strecken und darf ganz selbstverständlich alles vom Vater erwarten. Ermutigt wurde ich noch durch die Erkenntnis, dass es ja das Werk des Vaters im Himmel ist, in das ich nun mehr als bisher eintreten soll. Eine Witwe, die ein Herz für das Werk des Herrn hatte, wurde Gottes Zahlmeisterin. Sie war die Inhaberin einer Fabrik und hörte davon, dass man mir ein Zelt

zur Verfügung gestellt habe, aber die Finanzfrage nicht geregelt sei. Sie erbot sich, die Kosten, die durch die erste Arbeit entstehen würden, zu übernehmen. Diese Kosten waren nicht gering. Das Zelt mit allem Drum und Dran musste zu der Stadt, die über 100 Kilometer entfernt war, transportiert werden. Platzmiete, Licht, Einladungszettel und Zeitungsanzeigen mussten bezahlt werden. Wir mussten sogar am ersten Ort zum Teil noch Verpflegungsgelder zahlen; denn es waren dort nur wenige und nicht besonders bemittelte Geschwister. Die Arbeit war nicht leicht. Der Platz lag mitten in einem Häuserblock. Es war der Stöckerplatz in Mülheim/Ruhr. Hier hatte man den Ärmsten der Armen in einem form- und schmucklosen Häuserviertel ein Obdach gegeben. Wer wundert sich, dass dort eine Hochburg Satans und der Gottesfeindschaft war. Mitten hinein stellten wir unser Zelt, natürlich Tag und Nacht von zwei Seiten bewacht. Trotzdem wurde noch mancher Ziegelstein auf das Zeltdach geworfen, auch während der Versammlung. Aber viele Menschen hörten das Evangelium, das Zelt war gut besetzt. Auch standen noch zahlreiche Zuhörer um das Zelt herum, andere lehnten sich aus den Fenstern der naheliegenden Häuser und konnten von einer kräftigen Stimme gut erreicht werden. Und dieses wichtige Evangelisationswerk durfte durchgeführt werden, weil Gott das Herz einer Witwe gelenkt hatte. Eine reich gesegnete Evangelisation durfte ich in Elberfeld halten. Der große Saal des Jugendhauses, in dem die Versammlungen stattfanden, fasste über 1500 Personen. Hier wurde zweiundzwanzig Tage lang das Evangelium gepredigt.


42

Tausende hörten das Wort vom Kreuz, viele kehrten von ihren Irrwegen um und fanden den Weg zum Vaterhaus. Als ich im Begriff stand, den Saal zu mieten, forderte der Verwalter des Hauses für die erste Woche an Miete einschließlich Licht und Heizung 550 RM. Das Geld hatte ich nicht. Der Verwalter betonte aber, dass ich den Betrag im Voraus zahlen müsse; denn ich sei ja ein unbekannter Mann. Ich fuhr nach Hause. Dort breitete ich mein Anliegen vor dem himmlischen Vater aus. Ich nannte ihm die Summe, die ich brauchte und sagte, er möge mir doch jetzt die Bestätigung dafür geben, dass ich auch nach seinem Willen gehandelt habe. Es dauerte einige Tage, da wurde der Betrag von 500 RM an meine Adresse geschickt. Der Absender war nicht genannt. Ich konnte noch nicht so recht dafür danken. Mein Gebet war: Vater, es waren aber keine 500 RM, es waren 550 RM. Du weißt, ich brauche für diesen Dienst eine Glaubensstärkung, bitte, zeige mir doch, dass du mir den Auftrag gegeben hast! Es dauerte wieder einige Tage, da kamen 50 RM, wieder von einem mir unbekannten Absender. Ich hatte vorher keinerlei Zuwendungen erhalten. Ich war ja ein unbekannter Mann. Diese Erfahrung gab mir neuen Mut und stärkte mein Vertrauen. Das erste Zelt, mit dem ich auszog, gehörte einem Kreis von Brüdern, die es mir zur Verfügung stellten, weil sie mir vertrauten. Und doch hätte ich gern ein eigenes Zelt gehabt. Als meine Frau mich einmal fragte: „Was wünschst du dir denn zum Geburtstag?“, da antwortete ich: „lch wünsche mir ein Zelt!“ „Ach“, sagte sie, „ein Zelt? Wie kann ich dir ein Zelt kaufen, und außerdem hat man

dir ja eins zur Verfügung gestellt!“ Nun schilderte ich ihr gewisse Schwierigkeiten, legte ihr meine Gründe dar, und dann war gerade sie es, die mit mir ernstlich um die Erfüllung meines Wunsches bat. In der Zeit verkündigte ich in einer Stadt des Bergischen Landes das Evangelium. Bei dieser Arbeit fand die Frau eines Grossisten mit ihrem Sohn und ihrer Tochter den Herrn Jesus. Der Mann war schon vorher als Kind gläubiger Eltern zum Glauben gekommen. Meine Arbeit ging weiter; ich sprach in einer anderen Stadt. Da erhielt ich von dieser Familie einen Anruf, ob sie mich nicht einmal mit ihrem Wagen zum Mittagessen abholen dürften. Sie würden mich auch wieder zurückfahren, sodass mein Dienst darunter nicht leiden solle. Ich sagte zu. Wir freuten uns miteinander darüber, dass diesem Haus Heil widerfahren war. Nach dem Essen sagte der Bruder zu mir: „Sie haben doch sicher Gelegenheit, einen besonderen Betrag für die Reichsgottesarbeit zu verwenden? Oder haben Sie persönlich einen Wunsch, den Sie gern erfüllt haben möchten?“ Einen besonderen Wunsch hatte ich ja, und so antwortete ich ohne langes Bedenken: „lch hätte gern ein Zelt!“ „Ein Zelt, wofür brauchen Sie denn ein Zelt!“ „Ja“, sagte ich, „zur Evangeliumsverkündigung. Ein Zelt ist neutraler Boden, und viele Leute kommen lieber dahin als in eine Kirche oder einen Gemeinschaftssaal.“ Weiter erklärte ich, dass ich zwar ein Zelt hätte, dass ich aber gern noch mehr Seelen für Jesus und nur für Jesus gewinnen möchte. Darauf bekam ich die Antwort: „Wir werden Ihnen sofort einen Scheck von 2500 RM ausstellen.“ Ein guter Freund von mir, ein Kaufmann,


43

dem ich das erzählte, setzte sich mit einer Zeltfirma in Verbindung. Trotz langer Verhandlungen mit dem Vertreter der Firma wurde ein höherer Betrag für die Zelthaut und die Seile gefordert. Es war eine Zeit wirtschaftlicher Depression, die Arbeitslosigkeit war sehr groß, und manche Firma freute sich, wenn sie überhaupt einen Auftrag bekam. Wir sagten dem Vertreter: „Wenn wir nun das neue Dreimastenzelt, die Leinwand und die Seile, sofort im Voraus bezahlen, wie hoch ist dann der Preis? Der Vertreter rechnete und rechnete. Dann sagte er: „2500 RM!“ Es war genau der Betrag, den mir der Vater im Himmel geschenkt hatte! Ja, wir können alles, aber auch alles von Gott erwarten, wenn unsere Bitte nach seinem Willen ist. Ein anderer Bruder hörte von unserem Kauf. Er war Besitzer eines Sägewerkes und teilte uns mit, dass er sämtliches Holz für die Masten, die vielen Rundstangen, das Holz für die Bänke (es waren damals etwa hundertzwanzig) und für das Rednerpult ohne Berechnung liefern würde. Wieder ein anderer Bruder sagte mir: „Jetzt gestatte mir bitte, dass ich die Bearbeitung des Holzes übernehme!“ Und dann meldete sich der Inhaber einer Eisenfabrik und stiftete sämtliche Eisenteile für das Zelt, hundertzwanzig Eisenpfähle, „Heringe“ und Haken. Die Brüder, deren Opferwilligkeit ich, nächst Gott, alles verdanke, kamen dann zu mir und übergaben mir das fertige Zelt. Da sagte ich zu ihnen: „Brüder, heute habe ich Geburtstag, und ich habe den himmlischen Vater gebeten: „Oh, schenke mir zum Geburtstag ein neues Zelt!“ – Ja, welch ein treuer Herr! Das Zelt wurde in Hückeswagen im Rheinland aufgebaut. Es fasste etwa neunhundert Personen. Wenn wir schon

bei dem Erwerb des Zeltes die gute Hand unseres Gottes sahen, so konnten wir nachher, als wir es in seinem Dienst gebrauchten, erst recht erleben, wie die Herrlichkeit des Herrn das Zelt erfüllte. Schon der erste Dienst in Hückeswagen war gesegnet. Alle Kreise beteiligten sich an der Arbeit. Brüder der Versammlung, der Freien Gemeinden, der Baptistengemeinde und anderer Kreise beugten neben dem gläubigen Pfarrer die Knie und flehten zum Herrn um Errettung von Sündern. In einer Nacht hatte man uns neunundzwanzig Seile durchgeschnitten. Der Feind war also auch am Werk. Aber so sonderbar es klingen mag, ich war nicht niedergeschlagen, sondern freute mich vielmehr, denn dieser feindliche Vorstoß war mir ein Ansporn auf kommende Gottessiege. Und so war es auch. An den folgenden Abenden blieb immer eine Schar suchender Menschen zurück, um dem Herrn ihr verlorenes Leben zu bekennen, darunter einige aus angesehenen Kreisen und mehrere Katholiken. Eine ältere, vornehme Dame bat eines Abends, dass der Herr sie doch erretten möge. In der Lob- und Dankversammlung erregte sie die Aufmerksamkeit ihrer Bekannten, als sie den Herrn für die Errettung ihrer Seele preisen konnte. Die Arbeit in Hückeswagen war beendet, und ich wollte am nächsten Morgen nach Hause fahren. Da fiel mir ein, dass am Abend vorher ein Mann schwankend aus dem Zelt gegangen war. Er war von seiner Frau geschieden, hatte gläubige Eltern und Geschwister, die viel für ihn beteten. Man hatte mir gesagt, es habe schon Mühe gekostet, ihn mit unter das Wort zu bringen, aber an eine Entscheidung wäre nicht zu denken. Innerlich wur-


44

de ich nun gedrängt, an den Fernsprecher zu gehen und diesen Mann anzurufen. Als ich mich vorgestellt hatte, sagte ich: „Lieber Herr, ich habe den inneren Auftrag, Ihnen zu sagen, dass Sie sich heute bekehren sollen. Ich lade Sie deshalb ein, mich möglichst sofort in meinem Quartier zu besuchen.“ Er, der bekannt war als einer, der auf keine guten Ratschläge hörte, sagte: „lch komme sofort!“ Als er herein trat, saß ich gerade am Kaffeetisch. Ich ließ alles stehen und liegen und ging mit ihm ins Nebenzimmer. Dort sagte er: „lch habe Vertrauen zu Ihnen. Ich hätte es aber nicht gehabt, wenn Ihnen meine Seele nicht wichtiger gewesen wäre als Ihr Frühstückstisch. Da Sie nun alles stehen ließen, um mich zu Christus zu führen, gibt mir das jetzt den letzten Stoß“. Er wurde frei und glücklich, ist jetzt ein treuer Nachfolger Jesu und freut sich eines guten Familienlebens. Ein älterer Evangelist, ein treuer Knecht des Herrn, der an das Leben wenig Ansprüche stellte, vielmehr sehr genügsam war, brachte ein besonderes Opfer. Er zog etwa fünfzehn Wochen mit uns und sammelte an jedem Ort einen Kreis von Betern, die jeden Abend während der Evangelisationsversammlung im Gebetswagen zusammenkamen. Dieser Bruder hatte die Leitung und spornte die anderen an. Nach langen Wochen sagte er zu mir: „Gestatte, dass ich heute Abend einmal mit ins Zelt gehe, ich habe noch nie eine Ansprache von dir gehört, ich möchte dich auch mal hören.“ Es gibt wirkliche treue Männer im Werk Gottes! Dieser Bruder hat mich in seiner hingebenden und selbstlosen Art beschämt. Wir waren auch fünfzehn Tage im Hafengebiet in Hamburg. Wir wussten, wenn hier etwas erreicht werden soll, kann es nur

durch ein Wunder geschehen. Vor einiger Zeit hatten wir von einem Bruder einen gebrauchten Opel gekauft, der im Sommer unseren Gebets- und Wohnwagen ziehen sollte. Wir fuhren nach Hamburg. Dort wurden im Hafengebiet und in St. Pauli fünfundvierzigtausend Handzettel verteilt. Große Plakate an den Anschlagsäulen mit der Aufschrift „Warum schuf Gott den Menschen?“ wiesen auf unsere Versammlungen hin. Die Tageszeitungen wurden zum Einladen benutzt. Unser PKW bekam einen Aufsatz aus Sperrholz, auf allen vier Seiten wurden Plakate angebracht, die auf unsere Versammlungen aufmerksam machten. So fuhren wir täglich langsam durch die Straßen. Nachmittags von vier bis sechs Uhr standen wir an einer Stelle am Hafen, wo täglich etwa 70000 Werftarbeiter vorbeikamen. Den Elbtunnel passierten in den zwei Stunden 14000 Menschen, auch dort verteilten wir unsere Handzettel. Es war unser Flehen: Herr, gib uns auch besonders solche Menschen, die sonst keine Kirche und keine Versammlung besuchen! Und der Herr erhörte uns. Tausend Personen fasste der Saal. Zunächst waren es dreihundert Besucher, dann vierhundert, fünfhundert und in der letzten Versammlung mussten wir die Gänge mit Stühlen voll stellen. Abends gingen die Aussprachen bis Mitternacht. Viele Bekehrungen erlebten wir. Noch am letzten Abend suchte eine arme Frau, die in der St.-Pauli-Gegend Tag und Nacht der Sünde dienen musste, Freiheit und Ruhe bei Jesus. Die Arbeit in Hamburg wurde eigentlich in Düsseldorf geboren. Dort war, wie schon berichtet, ein Kreis gefallener Mädchen. Bei seelsorgerlichen Aussprachen hörte man immer wieder, dass sich die Brutstätte dieses Lasters in Hamburg-St.


45

Pauli befand. Wir fassten daher den Entschluss, keine Schwierigkeiten zu scheuen und auch dieses verseuchte Gebiet planmäßig zu bearbeiten. Mit Einladungszetteln sind wir von Haus zu Haus gegangen und haben die einzelnen Lokale besucht, um die Mädchen einzuladen. Viele sind der Einladung gefolgt, manche sind frei geworden. Aber wie schrecklich bindet doch gerade diese Sünde! Aus dem Dreimastenzelt wurde ein Viermastenzelt. Hinzu kam ein kleines Einmastenzelt sowie eine große Erweiterung, die weit ins Gelände reichte und vielen Zuhörern Gelegenheit bot, das Evangelium zu hören.

Wie der Herr mir Mit­ arbeiter schenkte Wenn der Herr uns eine Arbeit in seinem Weinberg anvertraut, ist es nicht immer leicht, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Wenn wir sie suchen sollten, würden wir gewiss manchen Fehlgriff tun. Es ist gut, wenn wir sie uns vom Herrn schenken lassen. Er hat mir auch darin in seiner Freundlichkeit wunderbar geholfen. In dem Haus, in dem ich als Jungbekehrter gewohnt hatte, lebte ein junger Mann von neunzehn Jahren. Er war Kaufmann von Beruf und gehörte voll und ganz der Welt. Da ich in diesem Menschen Wesenszüge sah, die im Dienst des Herrn zu großem Werte kommen konnten, versuchte ich eines Tages, nachdem ich viel für ihn gebetet hatte, ihn zum Herrn Jesus zu führen. Es war an einem Sonntagabend, als ich ihm sagte: „Albert, ich habe den Eindruck, du solltest zum Herrn Jesus kommen.“

„Du mit deinem Zum-Herrn-JesusKommen“, antwortete er, „du willst alle Menschen bekehren, zudem habe ich jetzt keine Zeit, ich muss meine Tante zum Bahnhof bringen.“ Ich erwiderte: „Albert, und wenn du vom Bahnhof zurückkommst, komm doch wieder zu mir, wir wollen uns über diese Frage einmal näher unterhalten.“ Er sagte: „Da kannst du lange warten, ich werde nicht zurückkommen.“ Ich antwortete: „Das wird aber mein Gebet sein, dass der Herr dich bald rettet. Du sollst wissen, ich knie jetzt nieder und bete, bis du wieder in mein Zimmer zurückkommst.“ Wir verabschiedeten uns. Es dauerte lange – ich hatte eine schwere Probe zu bestehen. Endlich kam er zurück und sagte: „Entweder hört das Beten auf, oder ich halte es nicht mehr aus.“ Wir sprachen über die Herrlichkeit in der Nachfolge des Herrn Jesu, über manches, was in seinem Leben geordnet werden musste. Ich versuchte, ihn zu ermutigen, mit mir die Knie zu beugen. Wir gingen in ein kleines Zimmer und knieten nieder. Ich schüttete mein Herz vor dem Herrn aus und bat ihn um Alberts Errettung. Dann fing auch er an zu beten, und ich merkte, welch verborgenes Sehnen in der Brust dieses jungen Mannes war. Wir beteten nacheinander eine lange Zeit. Mir kam der Gedanke: So kann es nicht weitergehen. Auf diesem Weg wird er den Glauben an das Erlösungswerk wohl kaum bekommen. Da überlegte ich, wie es bei mir war, als ich den Heiland fand. Ja, da hatte man mir das Erlösungswerk groß gemacht, nachdem ich den Herrn angerufen hatte. Ich rief ihm Bibelworte zu, z.B.: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller


46

Sünde.“„Er selbst nahm unsere Sünden und trug sie an seinem Leibe an das Kreuz.“„Er will unserer Sünden und Übertretungen nie mehr gedenken.“ Auch Liederverse sagte ich ihm, zum Beispiel: Ruhe fand hier mein Gewissen, denn sein Blut, o reicher Quell, hat von allen meinen Sünden mich gewaschen rein und hell. Auf einmal ging in seiner Seele das göttliche Licht auf; er konnte es fassen und im Glauben nehmen: Der Herr Jesus ist auch für mich gestorben. Er ist auch mein Heiland. Glücklich sagte er: „Ich darf es glauben und wissen, die Schuld ist bedeckt!“ Und dann dankten wir dem Herrn für die Errettung seiner Seele. Es war die erste Seele, die ich zum Herrn führen durfte. Freude und Glück erfüllten mein Herz. Wir traten in das Zimmer, in dem die Eltern, Geschwister und einige Freunde, Christen und Nichtchristen, versammelt waren. Der Sohn ging zum Vater und sagte ihm ins Ohr: „Vater, ich habe den Herrn Jesus gefunden.“ Der Vater, ein altbewährter Christ, bat ihn, es doch laut zu sagen. Da erzählte er es laut allen Anwesenden, und seine Augen strahlten. Nun wird mancher denken: Ob der aber treu geblieben ist? Dieser junge Mann wurde später mein Mitarbeiter und erlebte manche Siege mit, von denen ich erzählt habe. Er ging als Soldat durch die schwere Zeit des Krieges, war im Westen und im Osten, kam als Schwerkriegsbeschädigter zurück, trat wieder in den Dienst und wurde ein brauchbarer Evangelist. Er durfte schon manche Seele zum Herrn führen. Später, als wir schon mit unserem Zelt zogen, schickte uns Gott wieder einen frischen, jungen Mitarbeiter. Wir hörten,

dass in jener Stadt, in der wir arbeiteten, unter anderen ein junger Mann zum Glauben gekommen war, der alle Pausen in seinem Beruf damit ausfüllte, zu beten und im Wort Gottes zu lesen. Wir erkundigten uns nach ihm, sprachen auch mit dem Vater des jungen Mannes und hörten, dass er oft lange in seinem Zimmer laut bete und sich sehne, dem Herrn näherzukommen und ihm sein junges Leben ganz zu übergeben. Wir grüßten diesen Sohn, und ich stellte ihm die Frage: „Willst du nicht mit uns ziehen?“ „Ja, sehr gern“, sagte er, „ich bete ja schon immer, der Herr möchte mich rufen. Wenn meine Eltern es gestatten, kann ich schon morgen kommen.“ Gern erlaubten es die Eltern, und so wurde er unser jüngster Mitarbeiter. Er schlief im Gebets- oder Wohnwagen, hielt mit einem anderen Bruder die Wache, auch in Nächten, in denen Störenfriede auftraten, und entwickelte sich zu einem kernigen, geraden jungen Mann. Er wurde nachher der Fahrer unseres Wagens, mit dem wir einluden. Als er einmal bei seinen Einladungsfahrten einen jungen Mann mitnahm, der durch das gehörte Evangelium dürstend nach Gott geworden war, erkannte unser Paul dessen hungernde Seele, machte kein langes Federlesen, sondern sagte zu ihm: „Komm, wir wollen zusammen den Herrn Jesus anrufen, so habe ich es einmal gemacht, so kannst du es auch machen, und der Herr wird dich erretten.“ Nie werde ich die strahlenden Augen unseres jungen Mitarbeiters vergessen, als er mit diesem Jungbekehrten zurückkam und es uns erzählte. Wenn er sonntags als Siebzehn- bis Achtzehnjähriger vor den Massen im Zelt ein Zeugnis ablegte, bekam man den Ein-


47

druck, hier wächst ein Evangelist heran, der einmal Seelen für Jesus gewinnen wird.

Das Menschenfischen oder das Seelengewinnen Niemand ist von Natur zu dieser hohen Aufgabe tüchtig. Wen der Meister zu diesem Dienste ruft, der hat nur eins zu tun: Zu Jesus zu kommen und ganz in seine Nachfolge zu treten. Man muss in seiner Nähe bleiben und das Auge auf ihn richten; die Verbindung mit ihm muss ganz innig sein, wenn man zu diesem Dienst tüchtig werden will. Möchten viele in unserer Zeit dem Wink des Herrn folgen und Menschenfischer werden! Es fehlt an Arbeitern im Werk des Herrn, die nichts suchen als seine Ehre und die Rettung freud- und friedeloser Seelen. Möchten doch auch manche Bibelschule und manches Seminar die jungen Männer mehr zu Seelengewinnern erziehen! Ein Fisch kommt nicht und sagt: „Hier, fang mich! Halt einmal deine Hand hin, ich möchte hineingleiten!“ Nein, das Fischefangen erfordert viel Mühe, Zeit und Geschicklichkeit. Man muss die Fische in ihren Schlupfwinkeln suchen, ihnen auf allerlei Weise nachspüren und bewährte Fischerregeln beachten, will man einen Fang tun. Und auf dem Gebiet des Seelengewinnens ist es ähnlich.

Das Fischen mit der Hand Dazu gehört Glaubensmut. Eines Tages wurde ich telefonisch angerufen und gebeten, wenn irgend möglich im Kran-

kenhaus einer nahen Stadt einen Mann zu besuchen, den ein schweres Geschick getroffen habe. Ich sagte zunächst: „Es ist mir nicht möglich, denn ich muss übermorgen wieder verreisen und habe bis morgen noch viel Post zu erledigen.“ „Nun“, sagte die Anruferin, „wenn Sie es doch tun, würde ich mich sehr freuen.“ Am nächsten Morgen hatte ich die meiste Post beantwortet. Nach dem Mittagessen legte ich mich hin. Als ich aber lag, kam eine innere Stimme: „Stehe auf und mache den Besuch im Krankenhaus!“ Ich gehorchte der Stimme und machte mich auf. In der Stadt fand ich auch bald das Krankenhaus, und die Stationsschwester wurde mir vorgestellt. Ich bat sie, mich zu dem Mann zu führen und mir einen Raum für ein seelsorgerliches Gespräch zu geben. „Ja“, meinte sie, „wissen Sie eigentlich mehr über den Mann?“ „Nein“, erwiderte ich. Sie sagte: „Dieser Mann lebte von seiner Frau getrennt und hatte ein Verhältnis mit einer anderen Frau. Eines Tages aber eröffnete diese ihm, dass er nicht mehr zu kommen brauche, da sie einen anderen Liebhaber gefunden habe, der ernstere Absichten mit ihr hätte. In seiner Eifersucht war der Mann so erregt, dass er seinen Revolver zog und einen Schuss auf sie abfeuerte. Als er sah, was er angerichtet hatte, richtete er den Revolver gegen seinen Kopf und drückte ab. Die schwerverletzte Frau wurde bei uns eingeliefert, starb aber bald. Der Mann blieb am Leben, wurde aber blind; und jetzt“, sagte die Schwester, „will ich ihn holen.“ Ich versuchte, das Vertrauen dieses Mannes zu gewinnen, und er erzählte mir dann dieselbe traurige Geschichte. Zum


48

Schluss bekannte er: „lch bin in einer tiefen inneren Not! Ich habe gläubige Angehörige, die für mich beten und ich möchte jetzt mein Leben ordnen. Ich weiß nicht, was mir von Seiten des weltlichen Richters bevorsteht, ich möchte aber vor dem himmlischen Richter bestehen können, wenn ich einmal vor ihm erscheinen muss.“ So schüttete er mir sein Herz aus. Als wir vor dem Herrn auf den Knien lagen, der über jeden Menschen einmal das letzte Urteil sprechen wird, löste sich allmählich die innere Verkrampfung bei ihm, die Verbitterung in seinen Zügen schwand. Ich habe mir Zeit genommen, mit ihm über das Erlösungswerk zu sprechen und wies ihn immer wieder auf die Liebe des Herrn Jesus hin, der für die Sünder gekommen ist. Und dann ergriff er im Glauben: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt mich von … „Von wie viel Sünde?“ fragte ich ihn. „Von aller Sünde!“ kam es aus seinem Mund. „Auch von der Sünde?“ fragte ich. „Von aller Sünde!“ wiederholte er. Und dann dankten wir miteinander auf den Knien dem Herrn, der sich auch eines reuigen Mörders erbarmt. Man hätte mit dem Mann auch über sein verpfuschtes Leben sprechen, ihm Vorhaltungen machen oder ihm mit leidigem Trost kommen können. Aber das wäre nutzlos gewesen. Es gab nur ein Heilmittel, und das musste glaubensmutig angewandt werden. Ich habe den von schwerer Schuld Befreiten mehrfach besucht. Einmal begleitete mich ein Freund. Nachdem wir ein Gotteswort gelesen hatten, beugten wir uns alle drei im Gebet. Es war ergreifend, wie der Blinde, in dessen Seele es licht geworden war, seinem Retter aus vol-

lem Herzen dankte. „Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, sollen sie weiß werden wie der Schnee; wenn sie rot sind wie Karmesin, sollen sie [weiß] wie Wolle werden“ (Jes.1,18), spricht der Herr. Eines Tages besuchte ich eine Familie. Die Frau war lange krank gewesen, dem Tode nahe, und sie sagte: „Der Herr hat mich geheilt.“ Und ihr Mann sagte: „Ja, es ist ein Wunder an ihr geschehen, die Ärzte halten es nicht für möglich.“ Mit diesem Mann kam ich in ein Gespräch, ging mit ihm über den Hof seines Hauses, und zuletzt kamen wir in den Geflügelstall, in dem die Enten, Gänse und Hühner waren. Unser Gespräch war auf dem Höhepunkt angelangt. Wir sprachen über die Übergabe des Lebens an Christus und knieten in dem Geflügelstall nieder, ohne auf den Schmutz zu achten. Und dieser Mann übergab sein Leben dem Herrn Jesus. Doch dann stockte er. Er hatte sich ein Horoskop stellen lassen, und versucht, sein Leben danach einzurichten. An einem bestimmten Tag war das und das zu tun, an einem anderen durfte kein Geschäft abgeschlossen werden, an einem dritten musste er sich hüten, besondere Entscheidungen zu treffen usw. Und auch das kam unter das Blut Jesu. „Geht nicht zu den Wahrsagern und Zeichendeutern. Die solches tun, sind dem Herrn ein Gräuel“, sagt das Wort Gottes. Danach wurde sein Herz froh und still. Heute suchen er und seine Frau die Gemeinschaft der Kinder Gottes und fühlen sich dort wohl. Er ist mein Freund geworden und hat mir manchen Liebesdienst erwiesen. Eines Tages, es war im zweiten Kriegsjahr, kam mein Junge zu mir gelaufen und sagte: „Vater, da kommt ein Unteroffizier, er hat das Eiserne Kreuz und andere Abzeichen.“


49

Ich erwiderte: „Lass ihn hereinkommen.“ Ein strammer Unteroffizier stand vor mir und sagte: „lch bin in dieser Nacht auf Urlaub gekommen. Ich komme von der Front. Meine Braut hat mir ein Heftchen gesandt, das schildert Ihre Bekehrung. Das hat mich gepackt und ich wollte Sie persönlich kennenlernen.“ Ich sagte: „Wie kommt denn Ihre Braut zu dem Heftchen?“ „Die ist bei einem gläubigen Fabrikanten als Haushilfe“, sagte er, „sie selbst kennt den Herrn Jesus auch noch nicht, sehnt sich aber danach, genau wie ich.“ Wir beteten zusammen, er übergab sein Leben dem Herrn Jesus und fuhr nachher froh und glücklich zu seiner Braut. Er berichtete mir später, dass auch sie den Heiland gefunden habe und sie wunderbare Tage verlebt hätten. „Es waren“, so schrieb er, „die schönsten Tage meines Lebens und die Anfänge zu einem noch schöneren.“ Irgendwo tat ich einen Dienst an Schwestern, die die Segnungen, die der Herr uns in diesen Tagen gemeinsam geschenkt hatte, weitertragen sollten. Im Nachbarhaus lagen einige hundert Soldaten im Lazarett, die von den Schwestern betreut wurden. Im Mutterhaus der Schwestern sollte der sonntägliche Gottesdienst stattfinden, morgens und auch nachmittags. Dazu waren die Soldaten eingeladen worden. In den Tagen wurde viel gebetet. Auf einmal kam die Nachricht: „Am Sonntag ist hier ein Musikfest, es kommt eine Militärkapelle aus der benachbarten Garnisonstadt.“ Wir liebten die Musik auch, aber noch lieber hätten wir gerade an dem Sonntag die Soldaten unter uns gesehen. Wir baten den Herrn, dass er hier doch

Rat schaffen und seinen Namen, der auch „Kraft“ heißt, kundtun möge. Der Sonntagmorgen nahte. Die Kapelle kam, und wir glaubten, nur eine kleine Versammlung zu haben. Aber das Gegenteil war der Fall. Der Saal war voll besetzt. Viele Soldaten waren anwesend. Nach dem Gottesdienst blieb mancher zurück und wünschte eine Aussprache . Ich sah einen jungen Oberleutnant stehen, der nur darauf wartete, angesprochen zu werden. Ich ging zu ihm hin und sagte: „Herr Oberleutnant, möchten Sie mich sprechen?“ „Ja“, antwortete er. Ich sagte dann: „Ich werde eine Schwester bitten, Sie auf mein Zimmer zu führen. Sobald ich hier frei bin, stehe ich Ihnen zur Verfügung.“ In meinem Zimmer hatten wir eine ernste Unterredung. Im Herzen dieses jungen Offiziers war ein Verlangen nach Gott wach geworden. Wir beugten gemeinsam die Knie, und er wurde froh und glücklich im Herrn Jesus. Auf meine Frage: „Herr Oberleutnant, wo ist denn Ihr Standort?“ sagte er: „Ich habe die Führung des Musikkorps. Wir kamen heute nach hier zum Musikfest. Aber wir haben Pech gehabt, unser Obergefreiter hatte die Noten vergessen, und wir konnten unser Programm bis jetzt noch nicht abwickeln.“ „Herr Oberleutnant, kann so etwas bei Soldaten vorkommen?“ „Nein“, sagte er, „eigentlich nicht. Ich weiß auch nicht, wie das möglich war. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich hierher kommen und den Heiland finden musste. Der Obergefreite wird bald zurück sein, und dann beginnen wir mit unserem Konzert.“ Ich habe dachte: Wie wunderbar ist doch der Herr in seinem Tun! In einem Dorf war eine Diakonisse tä-


50

tig. Der Lehrer im Ort stand nicht auf Jesu Seite. Die Schwester betete viel für ihn. Eines Tages dachte sie: Wie kannst du die Schwierigkeiten überwinden und diesen Mann unter den Einfluss des Evangeliums bringen? Dann nahm sie sich ein Herz, ging zu dem Lehrer und sagte: „Herr Lehrer, ich muss am Sonntag in unserer Gemeinschaft ein Lied singen, und ich hätte dieses Lied vorher noch gern einmal durchgesungen. Leider ist aber niemand da, der mich auf einem Instrument begleitet. Ich weiß nicht, ob ich es wagen darf, Sie um diesen Dienst zu bitten. Aber wenn Sie mir diesen Wunsch erfüllten, wäre ich Ihnen sehr, sehr dankbar!“ „Hm“, machte der Lehrer, „wie heißt denn das Lied?“ Die Schwester zeigte ihm die Noten. Es war das Lied: Am Gnadenthron stand ich als ein verlorner Sohn, durchs Herz ging mir ein Stich, das war der Sünde Lohn. Mit Schrecken kam‘s mir ein, es sei für mich zu spät, müsst‘ ewig draußen sein, da rang ich im Gebet. Die Woche verging. Die Schwester kam noch einmal mit der gleichen Bitte, und wieder wurde sie ihr gewährt. Dann war in dem Dorf eine Evangelisation. Die Schwester hätte sich gefreut, den Lehrer in die Versammlungen mitnehmen zu können. Allen bisherigen Einladungen hatte er nicht Folge geleistet. Jetzt kam die Schwester zu ihm und sagte: „Herr Lehrer, ich muss wieder singen, und zwar mehrere Lieder, bitte tun Sie mir noch einmal den Liebesdienst und begleiten Sie mich beim Üben.“ Nachdem sie die Lieder

durchgesungen hatte, fasste die Schwester Mut und sagte: „Herr Lehrer, ich habe etwas auf dem Herzen, es ist vielleicht ein Wunsch, den Sie mir nicht erfüllen. Wenn Sie es aber tun, dann weiß ich, dass es ein besonderes Entgegenkommen von Ihnen ist, und ich wäre zu jedem Gegendienst bereit.“ „Nun, Schwester, tun Sie nicht so geheimnisvoll, was haben Sie denn?“ „Herr Lehrer, können Sie nicht morgen einmal mit in die Versammlung kommen, um mich dort auf dem Harmonium zu begleiten? Dann klappt es wenigstens.“ „Ja, was soll man da sagen, wenn eine Schwester so herzlich bittet – gut, ich gehe mit. Aber glauben Sie ja nicht, dass ich mich bekehre. Machen Sie keine Bekehrungsversuche!“ Der Lehrer ging mit, hörte das Evangelium und wurde von der Macht des Wortes überwunden. Später trat er in das Schwesternwerk ein, wurde Direktor eines Mutterhauses und hat viele Seelen zum Herrn geführt. Die Seele muss bis zum Herrn geführt werden. Als Junge habe ich in den Bächen unserer Berge gefischt. Einst sagte mir ein erfahrener Fischer: „Wenn du Forellen mit der Hand fangen willst, dann musst du in dem richtigen Augenblick zugreifen.“ Mancher hat deshalb so wenige Fische für Jesus fangen können, weil er allgemeine religiöse Gespräche geführt hat, anstatt aufs Ganze zu gehen und die Seele zum Herrn zu führen.

Das Fischen mit der Angel „Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Geladenen waren nicht würdig. Darum geht hin an


51

die Kreuzungen der Straßen und ladet zur Hochzeit ein, so viele ihr findet! Und jene Knechte gingen hinaus auf die Straßen und brachten alle zusammen, so viele sie fanden, Böse und Gute, und der Hochzeitssaal wurde voll von Gästen“ (Matth. 22, 8-10). Man muss Geduld haben, das merke man sich zuerst. Nach einer Evangelisationsversammlung sah ich in einer Ecke des Saales, nachdem alle gegangen waren, einen Soldaten stehen. Ich ging zu ihm hin, beschäftigte mich mit ihm und merkte, dass er die Wahrheit suchte. Ich lud ihn in mein Zimmer ein, und wir sprachen miteinander über das, was der Inhalt meiner Ansprache gewesen war. Immer wieder kam dieser Mann mit schwierigen Fragen. Aber ich wusste, man muss beim Fischen viel Geduld haben. Endlich aber schmolz das Eis. Wir beteten miteinander, und er fand den Herrn Jesus, freute sich nachher so innig und dankte seinem Heiland für die Errettung. Dann erzählte er mir: „lch bin Lehrer von Beruf“. In meinem Dorf waren auf die Gebete vieler Kinder Gottes hin meine beiden Vorgänger ein Eigentum des Herrn Jesus geworden. Als ich nun in das Dorf kam, sagte ich zu den Dorfbewohnern: „lhr habt nun zwei Lehrer mit christlicher Einstellung gehabt, und lobt sie sehr. Ich werde nie ein Frommer werden, das versichere ich euch. Aber ich werde euch beweisen, dass ich auch ein brauchbarer Mensch bin. Und ihr könnt euch in jeder Lage an mich wenden. Und jetzt“, so schloss er, „muss ich vor das Dorf hintreten und sagen: Dieser Jesus Christus ist mir doch zu stark geworden, ich habe kapituliert!“ Man sagte mir später, dass dieser Lehrer gute Fortschritte mache, dass er schon mehrfach in einer kleinen Gemeinschaft ein Zeugnis abgelegt und

freudig den Herrn Jesus bekannt habe. In meinem Heimatort war ein Bauer, dessen Sohn wiederholt unter der Verkündigung des Evangeliums saß. Oft hatte ich gebetet, gerungen und gefleht für diesen jungen Mann. Er war ein feiner junger Mann, aber man muss viel Geduld haben, bis der Fisch an die Angel geht. Nach der Versammlung kam er zu mir und sagte: „lch werde das Wort nicht wieder los, kannst du nicht mal mit mir beten, dass ich auch den Heiland finde?“ Und er fand ihn und wurde ein glücklicher junger Mann. Manche Stunde froher Gemeinschaft haben wir mit ihm gehabt. Wenn er morgens die Milchkannen an die Straßen brachte, kam er schnell hereingesprungen. Es war immer ein Genuss, wenn wir einige Verse aus dem Wort Gottes lasen und auf den Knien unserem Herrn dankten. Es kam der Krieg. Auch seine Eltern erhielten die traurige Nachricht, dass ihr Sohn nicht wieder zurückkehren werde. Wie gut, dass er den Grund gefunden hatte, der seinen Anker ewig hält! An einem Sonntag ging ein junger Mann, der noch nicht lange dem Herrn Jesus angehörte, im Walde spazieren. Auf diesem Spaziergang kam er an einem Steinbruch vorbei, und hier traf er einen anderen jungen Menschen, der sich mit Pflanzen und Steinen beschäftigte. Die beiden kamen ins Gespräch, und es dauerte nicht lange, da waren sie bei dem Thema angelangt, das den Jungbekehrten am meisten interessierte. Lange hatten sie sich unterhalten. Dann knieten diese beiden jungen Männer unter dem freien Himmel nieder. Und der unbekehrte junge Mann, der Oskar hieß, kam zum Glauben an den Herrn Jesus. Er war ein Mensch, der wenig Freunde hatte und einsam seine Wege ging. Nun


52

aber brannte er für den Herrn. Die Gläubigen wurden auf ihn aufmerksam und manche sagten: „Dieser Oskar wird sich doch nicht taktlos an Höherstehende und Gebildete wagen! Er hat kein rechtes Gefühl dafür, was gestattet und was nicht gestattet ist.“ „Ach“, nahm ihn ein älterer Bruder in Schutz, „lass den Oskar, er wird nur mit seinesgleichen sprechen.“ Aber es kam anders. Oskar wagte sich zunächst an den Sohn eines Majors, und bald hörte man, dieser Offizierssohn hätte den Herrn Jesus gefunden. Oskar wurde dann mit den beiden Söhnen eines gläubigen Fabrikanten bekannt. Es waren Zwillingsbrüder, und sie besuchten beide die höhere Schule. Und wieder hörte man, die beiden haben auch den Herrn gefunden. Oskar fischte und fing einen nach dem anderen. Eines Tages wollte er einen gläubigen Freund besuchen. In dem Haus war ein Neffe des Hausvaters zu Besuch. Dieser Neffe hatte soeben sein Abitur mit Glanz bestanden. Oskar zog ihn ins Gespräch, die Worte gingen hin und her. Man hörte, wie der Neffe eine Behauptung Oskars abwehrte: „Erlauben Sie mal, Herr …, ich habe darüber etwas gehört und gelesen, ich denke über diese Sache so …“ „Ach“, entgegnete Oskar und duzte den gelehrten jungen Mann, nannte ihn sogar bei seinem Vornamen, „davon verstehe ich nichts, Siegfried, ich wollte dir nur den Weg zum Heiland zeigen.“ Und wieder setzte Siegfried an: „Erlauben Sie mal, Herr …, man ist darüber in gelehrten Kreisen anderer Meinung, und man glaubt, damit fertig zu sein.“ Was führte er alles ins Feld! Aber Oskar sagte nur: „Davon verstehe ich nichts, ich weiß nur eins, Siegfried, und das spüre

ich immer mehr in der Unterhaltung, dass du nicht glücklich bist, und ich wollte dir so gern den Weg zum Heiland zeigen.“ Es trat Stille ein, und nun betete Oskar, Gott möge Siegfried erleuchten und zu sich ziehen. Wieder wurde es still. Und dann betete Siegfried selbst und übergab sein Leben dem Herrn Jesus. Es dauerte nicht lange, da kamen die beiden aus dem Zimmer heraus, und Siegfried sagte: „Ich habe den Herrn Jesus gefunden, und Oskar konnte mir den Weg zeigen.“ Auf meinen Reisen hatte ich hier und da auch Diakonissen von dieser „Oskarmethode“ erzählt, auch bei einer Konferenz im Industriegebiet. Nach der Wortverkündigung hatte dort ein kleiner schlichter Chor ein schönes, erweckliches Lied gesungen. Nach der Stunde blieben manche zurück, die den Herrn suchten. Darunter war eine Sängerin und Tänzerin. Die Diakonisse, die mit ihr sprach, bekam immer wieder zu hören: „Ja, diese einfachen Sängerinnen haben mich überführt, sie haben mein Herz bewegt, ich möchte gern etwas von ihrem inneren Reichtum haben!“ Aber dann war sie wieder schwankend geworden und warf Musik- und Gesangfragen auf. Die Diakonisse aber hatte immer wieder gesagt: „Davon verstehe ich nichts, ich wollte Ihnen nur den Weg zum Heiland zeigen, dass Sie so glücklich würden wie ich!“ Sie hatte die „Oskarmethode“ verstanden und durfte die Sängerin zum Herrn Jesus führen. Eine große Freude war es für mich, als auch meine alte Mutter, die ich sehr schätze und ehre, eines Tages - nach einer Evangelisationswoche in unserem Dorf - zu mir sagte: „lch hätte gern den Evangelisten gesprochen.“ Als dieser Bruder sie besuchte, fand auch sie, diese feine, edle Frau, die immer fromm und religiös


53

gewesen war, den Herrn Jesus als ihren persönlichen Erretter. Auch eine meiner Schwestern folgte ihr bald und kam zur Heilsgewissheit.

Das Fischen mit dem Netz Das Auswerfen des Netzes. Es ist gut, wenn wir uns anziehende Themen schenken lassen, zum Beispiel: Warum schuf Gott den Menschen? Das wird viele interessieren, den einfachsten Menschen und auch den Denker. Oder: Wie ist das Fortleben nach dem Tod? Auch darüber denken viele nach, auch die, die es nicht zugeben. Oder: War Jesus Christus Gottes Sohn? Eine Frage, mit der sich unsere Zeit auseinandersetzen muss. Wichtig ist aber, dass wir das Wort Gottes so verkündigen, dass die Hörer von der Sünde überführt werden und gleichsam ihr Lebensbuch im Licht Gottes aufgeschlagen sehen. Dann sehen sie ein: Wenn ich so weiterlebe, mein Leben nicht göttlich ordnen lasse, werde ich einmal dem Gericht Gottes verfallen. Dann gibt es keine Gnade mehr für mich, weil ich sie hier auf Erden verscherzt habe! In diesem Zustand darf man jedoch keinen Zuhörer lassen, sondern man muss ihm das Erlösungswerk groß machen. Er muss davon überzeugt werden, dass die Botschaft vom Kreuz ein gewisses und aller Annahme wertes Wort ist. Wenn man die Menschen liebt, werden sie in der Verkündigung bald spüren, ob ich sie schlage oder locke, ob ich sie bedränge und treibe, oder ob ich liebend um sie werbe. Dann werden sie ohne seelisches Pressen und Schieben zur Entscheidung kommen. Es ist gut, diese Entschei-

dung dem Zuhörer zu überlassen. Gott will nicht, dass irgendjemand verloren gehe, sondern dass sich jedermann zur Buße wende, das heißt, so zu Gott zurückkehre, wie er ist. Der Evangelist sollte bei einer Evangelisation einen völligen Durchbruch erwarten. Er sollte nie kapitulieren, auch dann nicht, wenn nach einigen Versammlungen heftiger Widerstand einsetzt, der den Redner fast erdrückt. Dann ist es nötig, sich an die Verheißungen Gottes zu klammern. Herr, du hast gesagt: „Jeden Ort, auf den eure Fußsohlen treten, habe ich euch gegeben, wie ich es Mose verheißen habe“ (Jos. 1, 3). Oder: „Wer auf ihn traut, wird nicht zuschanden werden.“ Eins kann man nicht genug betonen: Der volkstümlichste Mann wird der beste Evangelist sein. Sein Ohr muss während der ganzen Verkündigung am Mund Jesu ruhen. Dazu braucht man viel Demut, viel Liebe. Aber dann ist für den Strom des Geistes ein Kanal da. Wer das versteht, wird das Netz des Evangeliums nicht vergeblich auswerfen. „Da winkten sie den Gefährten, die im anderen Schiff waren, dass sie kommen und ihnen helfen sollten; und sie kamen und füllten beide Schiffe, sodass sie zu sinken begannen“(Lukas 5,7). Die Helfer muss man heranziehen. Manche Kinder Gottes, die sich sehr zurückhalten, und die doch gut zu gebrauchen wären, muss man zur Mitarbeit ermutigen. Andere drängen gern nach vorn und müssen zurückgehalten werden. Die helfen wollen, am Netz zu ziehen, müssen ein brennendes Herz haben, ein Herz voller Liebe für den Herrn Jesus und für die Verlorenen. Begabung tritt dahinter zurück. Es müssen Leute sein, die einen guten Leumund haben und unter dem Volk Gottes bekannt


54

und geachtet sind. Sie müssen die Bibel kennen, um anderen Wegweiser sein zu können. Sie müssen Beter sein, die die Macht des Gebets kennen, die nicht nur Worte machen, sondern die ihre Gebete klar auf das Ziel richten. Es dürfen auch keine Schwätzer sein, die das Beichtgeheimnis verletzen, sonst verliert eine enttäuschte Seele fürs ganze Leben den Mut, sich noch einmal vor einem anderen auszusprechen. Die Helfer müssen innerlich klar zum Herrn und zu den Gläubigen stehen. Das Einziehen des Netzes muss nach einer Versammlung oder in einer Nachversammlung zügig gehen. Da wird von den Fischern das Geröll aussortiert. Wer mit dem Netz fischt, wird manches Tote und Faule mit herausziehen. Dem Angler und dem, der mit der Hand fischt, bleibt das erspart. Aber Gott schenkt auch Gnade zum Sortieren! Wir haben erlebt, dass sogar Feinde des Kreuzes Christi während großer Zeltarbeiten unter den suchenden Seelen Platz genommen hatten. Sie sahen das Ordnen des Lebens, das Zurechtbringen der Seele als eine Art Schauspiel an. Solche Leute muss man entfernen. Möge Gott ihnen gnädig sein! Wie herrlich ist es aber, wenn die Helfer kommen und sagen: „Diese Seele hat es klar erfasst!“ oder „Jene hat einen Anfang gemacht“ oder: „Hier hat der Herr sein Werk getan.“ Welche Freude ist es für betende Gotteskinder, wenn sie ihre Angehörigen oder ihre geladenen Gäste als junge Kinder in Christo mit nach Hause nehmen können! Da habe ich manche Freudenträne gesehen, wenn die verlorene Tochter in die Arme der für sie betenden Mutter gesunken und sie um Verzeihung gebeten hat. Nur eins muss im Auge behalten wer-

den: Die Frucht gehört dem Herrn und nie dem Knecht! Wer für sich und für seine Ehre sorgt, wird nicht viele Seelen werben! Der Herr muss ein und alles sein, sein Name muss verherrlicht und gepriesen werden.

Wenn du errettet bist, dann: Lege ab, was dich belastet, bedrückt und dir die Freude raubt. Lege ab, was bei dir die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus stört. Lege ab, was dir die Freude auf die Wiederkunft des Herrn Jesus nimmt. Lebe in ständiger Erwartung auf das Kommen deines Heilandes zur Entrückung der Kinder Gottes. Schaue mit einem Sehnen im Herzen nach ihm aus; denn Gottes Wort sagt: „…wie ihr euch von den Götzen zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen, und um seinen Sohn aus dem Himmel zu erwarten, den er aus den Toten auferweckt hat, Jesus, der uns errettet vor dem zukünftigen Zorn“ (1. Thess. 1, 9 und 10).

Wenn du noch nicht errettet bist, dann: Wage den Glaubensschritt in dieser Stunde; denn der Herr Jesus sagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (Johannes 6,37). Auch die Worte des Herrn in Psalm 50,15 haben noch ihre Gültigkeit: „Rufe mich an am Tag der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.“ Es gibt kein „Zuspät“ für dich, so lange du noch in diesem Le-


55

ben bist. Suche doch bitte jetzt einen Platz auf, wo du allein bist. Schreibe auf einen großen Bogen Papier alle deine Sünden auf, die du in deinem ganzen Leben, von der frühesten Jugend an bis jetzt, getan hast, soweit du sie noch weißt. Du wirst dabei auch auf Lieblingssünden und etwaige Gebundenheiten stoßen. Du brauchst alles nur in Stichworten aufzuschreiben, aber nimm dir viel Zeit dazu. Und wenn dir morgen oder übermorgen oder in der Nacht noch etwas einfällt, dann schreibe es dazu. Geh dann nach zwei oder drei Tagen mit diesem Zettel an einen Ort, wo du allein bist. Knie nieder und bitte den Herrn Jesus immer wieder: „Herr Jesus, hier ist ein kurzer Auszug meines Lebens. Vergib mir doch bitte alle meine Sünden und meine Schuld und nimm mich jetzt als dein Eigentum an.“ Nun erfülle mir die zweite Bitte und lies das Folgende dann, wenn du das Erste ausgiebig getan hast. Im Wort Gottes (1. Johannes 1, Verse 7 und 9) steht geschrieben: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit, wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“ Von wie viel Sünde? Von aller! Glaubst du, dass

das Wort Gottes dir etwas verspricht, was der Herr Jesus nicht hält? Du darfst es im Glauben annehmen, dass der Herr Jesus auf Golgatha auch deine Schuld und Sünde genauso gesühnt hat wie meine. Wenn du ihm alles gesagt hast und deine Sünden wirklich bereut hast, dann darfst du es glauben: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein“ (Jesaja 43,1 b). Hilf bitte mit, dass diese Schrift in die Hände aller Kinder Gottes kommt. Der Inhalt soll in dieser ernsten Zeit – die stark endgeschichtlichen Charakter trägt – sehr zur Verherrlichung des Herrn beitragen. Sie soll auch besonders zur Ausbreitung des Evangeliums beitragen. Diese Schrift gehört in jedes Haus. Darum der Aufruf an alle: Trage stark dazu bei, dass alle deine Verwandten, Freunde und Bekannten diese Schrift lesen. Denke dabei auch an die vielen Menschen, mit denen du im Beruf zusammenkommst – oder die du sonst triffst: Schenke ihnen ein Exemplar dieses Heftes! Nun trage auch du zur Verbreitung dieser Schrift bei, soviel du nur kannst. Gott segne jeden Leser und jeden, der sich für die Verbreitung dieses Heftes einsetzt! Werner Heukelbach


Weitere Hefte aus unserem Sortiment Weitere Hefte aus unserem Sortiment

Das Johannes-Evangelium Dieses Johannes-Evangelium stammt aus der Schlachter 2000-Bibelübersetzung der Schweizer Bibelgesellschaft. Der Bibeltext wird ergänzt durch hilfreiche Anmerkungen von Werner Heukelbach und ist gedacht für jeden, der Jesus Christus und die froh machende Botschaft von Gottes Liebe besser verstehen möchte. Taschenbuch, 144 Seiten, Artikel-Nr. SK01

Wozu brauchen wir Jesus? „Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinem Leben. Wozu sollte ich also Jesus brauchen?“ So oder ähnlich denken viele Menschen. Doch darum geht es nicht! Hier wird erklärt, wer Jesus Christus ist und dass jeder Mensch ihn unbedingt braucht. Broschüre, 48 Seiten, Artikel-Nr. IH18


So erreichen Sie uns:

Schreiben Sie uns. Wir sind gern für Sie da. Deutschland Stiftung Missionswerk Werner Heukelbach 51700 Bergneustadt Schweiz Stiftung Missionswerk Werner Heukelbach Postfach 650, 4800 Zofingen, heukelbach.org

Telefonandacht 3-Minuten-Andacht: Zuhören, Kraft schöpfen, Gott kennenlernen: Deutschland 0180 / 5 64 77 46 * Schweiz 0848 / 777 000 ** Österreich 01 / 503 88 83 oder 0 65 82 / 7 16 46 *0,14 €/Min. aus dem dt. Festnetz. Max. 0,42 €/Min. aus den dt. Mobilfunknetzen. ** Normaler Festnetz-Tarif

Radioandacht Radio am Telefon: 0931 / 6 63 99 13 07 * Radiosendungen hören, wann immer Sie möchten. Radio im Internet: radiohbr.de Heukelbach Bibel-Radio – Gottes Wort an jedem Tag * Die Rufnummer ist deutschlandweit zum normalen Festnetzttarif zu erreichen. Bei Flatrate ohne zusätzliche Kosten. Andernfalls bitte Telefonanbieter anfragen.


Vom Gottesleugner zum Evangelisten Werner Heukelbach, der Gründer des Missionswerkes, erzählt aus seinem Leben und wie ihn Jesus Christus gerufen und er­rettet hat. Er beschreibt, wie ihn das Leben in der Gottesferne nie glücklich gemacht hatte und dass er eigentlich immer auf der Suche nach Erfüllung war. Erst nachdem er durch Jesus Christus Frieden mit Gott gefunden hatte, erhielt sein Leben Sinn und Ziel. Ein spannender Lebenslauf eines Mannes, den Gott nach seiner Hinwendung zu Jesus Christus auf ganz wunderbare Weise gebrauchen konnte, um Millionen Menschen den Weg zum Heil zu zeigen.

Gerade du brauchst Jesus.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.