Aristarchos von Samos

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Aristarchos von Samos Von Stefan Grell

Ausarbeitung im Rahmen eines Seminars zur Geschichte der Mathematik.


Aristarchos der Mathematiker Aristarchos von Samos wurde ca. 320 vor Christus geboren. Das genaue Geburtsjahr ist heute nicht mehr bekannt. Überliefert ist, wie dem Beinamen zu entnehmen ist, allerdings der Geburtsort, die in der östlichen Ägäis gelegene Insel Samos. Seit ca. 3000 vor Christus bewohnt, erlangte sie im 6. Jahrhundert v. Chr. unter Polykrates bedeutende Seeherrschaft. Ständig umkämpft von den beiden damaligen Großmächten Athen und Persien und im 4.Jh. v. Chr. zeitweilig attische Kleruchie ist Samos die Heimat einiger der größten antiken griechischen Denker wie Pythagoras, Epikur oder Herodot. Aristarchos ist einer der ersten Männer, den man einen Astronomen nennen könnte. Natürlich haben sich die Griechen und auch anderen Kulturen seit frühesten Zeiten mit den Sternen beschäftigt, allerdings meist in einem größeren philosophischen oder religiösen Zusammenhang. Aristarchos hingegen scheint sich auf die Himmelskunde spezialisiert zu haben. Ein Großteil seiner Arbeit ist den Bewegungen, Größen und Entfernungen der sichtbaren Himmelskörper gewidmet. Es ist überliefert, dass er bei seinen griechischen Zeitgenossen auch den Beinamen „der Mathematiker“ trug. Dies ist zweifellos auf seine Fertigkeiten und Leistungen in der Geometrie zurückzuführen. Besonders deutlich treten diese in seinem bis heute vollständig erhaltenen Werk „Von den Größen und Entfernungen der Sonne und des Mondes“ zutage. Von Aristarchos sonstigem Schaffen ist allerdings sehr wenig überliefert. Auch die eben enwähnte Arbeit ist wohl nur dank einer Übersetzung aus dem Jahre 1913 von Sir Thomas Heath heute noch bekannt. Dieser gibt als älteste ihm zu Verfügung stehende Quelle ein Manuskript aus dem 10. Jahrhundert an, also aus einer Zeit die näher zu unseren als zu Aristarchos Lebzeiten liegt. Wir wissen von Aristarchos vor allem durch Berichte von Zeitgenossen und Chronisten der Antike. In diesen Berichten wird zum Beispiel von ihm gesagt, er habe den Durchmesser des Mondes, wie er von der Erde aus erscheint, in Winkelgrad sehr genau gemessen. Unter anderem wird ihm die Entwicklung einer neuen Art von Sonnenuhren nachgesagt, die statt einer flachen Hemisphäre eine konkav gewölbte nutzte und wesentlich genauere Messungen erlaubte. Es wird angenommen, dass es ihm mit diesem Gerät auch möglich war den Sonnendurchmesser in Winkelgrad sehr akkurat mit 0,5 Grad zu bestimmen. Aristarchos galt zu seiner Zeit wohl aber auch als Universalgelehrter. So reiht Vitruv ihn ein in die Gruppe weniger Männer, die in allen Bereichen der Wissenschaft profunde Kenntnisse haben. Aristarchos schrieb auch über das Sehen, Licht und Farben. Seine Arbeiten zu diesem Thema waren stark beeinflusst von seinem Lehrer Straton von Lampsakos. lm Jahre 281 vor Christus hat Aristarchos ‚die Sommersonnenwende vorhergesagt. Dies und die Tatsache, dass in Archimedes Buch „Die Sandzahl“, welches im Jahr 216 vor Christus geschrieben wurde, auf ein Werk Aristarchos verwiesen wird, legt den Schluss nahe, dass Aristarchos ca. 310-230 vor Chr. gelebt haben muss. Somit war er ein Zeitgenosse Archimedes und ca. 25 Jahre älter als dieser. Die griechische Regierung bestimmte das Jahr 1980 zu seinem 2300. Geburtstag und brachte zwei Gedenkbriefmarken zu seinen Ehren heraus. Auch ein Mondkrater wurde nach Aristarchos benannt. Der Krater „Aristarchus“ ist der hellste und größte Krater des Mondes.

Die heliozentrische Hypothese Von Archimedes erfahren wir, dass Aristarchos als einer der ersten die These vertrat, dass nicht die Sonne sich um die Erde dreht, sondern im Gegenteil die Sonne und die Fixsterne unbewegt bleiben, während die Erde sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne bewegt. Im Gegensatz zur damals von den meisten Astronomen vertretenen Position, dass das Universum jene Sphäre sei, in dessen Zentrum die Erde läge und deren Durchmesser die Entfernung zwischen Sonne und Erde entspräche, habe 2


Aristarchos ein Buch veröffentlicht, das andere Hypothesen erläutere. Konsequenz dieser Hypothesen sei es‚ dass das Universum deutlich größer sei. Nicht nur, dass die Erde sich um die Sonne drehe, sei eine der Hypothesen des Buches, sondern auch‚ dass sich die Sonne zusammen mit den Fixsternen um einen Punkt drehe, der unendlich weit entfernt sei im Vergleich zur Größe des Orbits der Erde. Auch wenn Aristarchos offenbar früh und lange vor Kopernikus die These eines heliozentrischen Weltbildes vertrat, so hatte auch er Vorgänger die ähnliche Theorien äußerten. So weiß man beispielsweise von der Feststellung Herakleides Pontikos, dass sich die Erde alle 24 Stunden einmal um sich selbst dreht. Auch wenn dies noch lange nicht bedeutet, dass Herakleides die Erde- aus dem Zentrum der Welt nahm und man heute auch nicht mehr annimmt, dass er das Weltbild des Tycho Brahe, in dem sich zwar sämtliche Planeten um die Sonne drehten, diese sich aber in einem Orbit um die Erde befand, vorwegnahm, sollte dies jedoch deutlich machen das schon früher Zweifel an der Unbewegtheit der Erde bestanden. Trotzdem fand Aristarchos nur wenige Anhänger seiner Hypothese. Unter ihnen der berühmteste ist Seleukos von Seleukia, der in einem Werk, in dem er das heliozentrische Weltbild Aristarchos verteidigt, auch feststellt, dass die Gezeiten durch den Mond ausgelöst werden. Aber schon unter seinen Zeitgenossen, so erfahren wir von Plutarch, gab es welche, die es als die Pflicht eines Griechen ansahen, die Respektlosigkeit des Aristarchos anzuklagen. Der Autorität des Hipparchos, der berühmteste Astronom seiner Zeit (ca. 190-120 v.Chr.) und ein überzeugter Anhänger des geozentrischen Weltbildes, ist es wohl zu zuschreiben, dass Aristarchos Theorien weitgehend auf Ablehnung trafen und in Vergessenheit gerieten. Kopernikus selbst gibt zu, dass seine Theorie zurück zu führen ist auf die Arbeit von Aristarchos. Kopernikus verweist an zwei Stellen in seinem Werk „De revolutionibus caelestibus" auf die antiken Ansichten zur Bewegung der Erde. In einem Brief an Papst Paul III verweist er auf Cicero und Plutarch, die von Denkern der Antike berichten, die von der Bewegung der Erde überzeugt waren. Insbesondere verweist er in seinem Werk auch auf Herakleides und andere, die der Erde eine Rotation um die eigene Achse zuwiesen, und hält es von diesem Standpunkt aus für nahe liegend, dass dann auch eine Bewegung in einem Orbit nicht mehr ausgeschlossen sei.

„Von den Größen und Entfernungen der Sonne und des Mondes" In der einzigen uns erhaltenen Abhandlung von Aristarchos „Von den Größen und Entfernungen der Sonne und des Mondes" ist leider kein Hinweis auf die heliozentrischen Thesen zu finden. Auch benutzt Aristarchos in diesem Werk für seine Berechnungen nicht, den recht genauen Wert für den augenscheinlichen Monddurchmesser auf der Erde von 0,5°, sondern die viel schlechteren Näherung von 2°. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die erhaltene Abhandlung ein sehr frühes Werk des Aristarchos ist. Geschrieben zu einer Zeit zu der die Thesen, von den Archimedes berichtet, noch nicht ausformuliert waren. .

Obwohl auch die errechneten Werte für Größen und Entfernungen in der Abhandlung noch recht ungenau sind, zeigt sich doch auch hier die Genialität des Aristarchos. Zum ersten Mal wird hier tatsächlich wissenschaftlich versucht, sich ein Bild von den Dimensionen der Himmelskörper und letztlich des Universums zu machen, während Aristarchos Vorgänger ihre Angaben zu Größen meist nur durch mystische Zahlenverhältnisse begründen konnten. Die Auffassung das bestimmte Zahlen wie die 9 oder 12 sich im Universum wiederfinden lassen müssten, war für viele Philosophen der damalige Zeit sozusagen ein Naturgesetz Aristarchos gibt für seine These, der Durchmesser der Sonne sei größer als das 18fache des Durchmessers des Mondes aber kleiner als das 20fache, in dieser Abhandlung eine nachvollziehbare Begründung. .

.

,

Ebenso erstaunlich aus heutiger Sicht sind die mathematischen Methoden mit denen Aristarchos seine Thesen herleitet. Der Stil seiner Beweisführung ist zwischen Euklid und Archimedes einzuordnen. Euklids „Die Elemente" war ihm natürlich bekannt und wurde mit aller Exaktheit angewandt, doch lässt sich aus den Ausführungen auch auf andere Gesetzmäßigkeiten schließen, die zu Aristarchos Zeiten scheinbar ,

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allgemein angenommen wurden. So sind die Berechnungen in der Abhandlung meist Folge Trigonometrischer Ăœberlegungen, obwohl ihm zur damaligen Zeit die Hilfsmittel der Trigonometrie noch fehlten. Eine angemessene Näherung zur Kreiszahl đ?œ‹ war Aristarchos nicht bekannt. Exakte Werte fĂźr die trigonometrischen Verhältnisse kann Aristarchos daher nicht angeben, vielmehr gibt er Näherungen durch die Bestimmung von oberen und unteren Schranken. Er benutzt dabei gewisse Sätze ohne einen Beweis fĂźr sie anzugeben. Es ist daher anzunehmen, dass ihre GĂźltigkeit weitestgehend unumstritten war. Diese Sätze sind äquivalent zu den folgenden beiden Aussagen. đ?œ‹

(i.) Ist đ?›ź ein im BogenmaĂ&#x; gemessener Winkel und kleiner als 2 , dann nimmt der Wert von ab und der Wert von

tan(�) �

sin(�) �

đ?œ‹

zu, während đ?›ź von 0 bis 2 steigt. đ?œ‹

(ii.) Und wenn Ă&#x; ein weiterer Winkel kleiner als 2 und đ?›ź > Ă&#x; , dann gilt tan(đ?›ź) đ?›ź sin(đ?›ź) > > . tan(đ?›˝) đ?›˝ sin(đ?›˝)

NatĂźrlich arbeitet Aristarchos weder mit dem BogenmaĂ&#x; noch dem Sinus oder Tangens, aber mit Winkeln, die als Teile vom rechten Winkel gemessen werden, und BĂśgen von Kreisen und deren Sehnen. Insbesondere die Sätze 7, 11, 12, 13 enthalten solche „trigonometrischen" Ergebnisse. Im Laufe seiner Berechnungen muss Aristarchos auch häufig mit sehr groĂ&#x;en Zahlen in Verhältnissen, also BrĂźchen mit groĂ&#x;em Nenner und Zähler, fertig werden. Er entwickelt die BrĂźche hierfĂźr offenbar aus KettenbrĂźchen und kommt so zu sehr guten Approximationen. Dies ist eine Technik die erst im 17.Jahrhundert in LehrbĂźchern auftaucht, unter anderen bei Pietro Cataldi und John Wallis. Auch wenn man damals sicher nicht in der Lage war jeden Bruch durch einen Kettenbruch zu approximieren, so war man anscheinend doch zumindest in den einfachsten Fällen im Stande dazu. Aristarchos beginnt seine Abhandlung mit der Darlegung von sechs Grundannahmen, die er selbst „Hypothesen" nennt. 1. Die erste Hypothese besagt, der Mond erhalte sein Licht von der Sonne. Dies war schon seit längerem bekannt und ist eine Entdeckung die Anaxagoras zugeschrieben wird. 2. In der zweiten Hypothese vereinfacht Aristarchos und legt fest, dass im Weiteren die Erde als der Mittelpunkt einer Sphäre zu betrachten ist, auf welcher sich der Mond bewegt. Diese Vereinfachung erspart ihm die Tatsache, dass ein Beobachter auf der Erdoberfläche sich selbst in Bewegung befindet, in seine Berechnungen mit ein zu beziehen. Die Parallaxe muss also nicht berĂźcksichtigt werden. 3. Die dritte Hypothese besagt, dass der Kreis, der bei Halbmond die beleuchtete von der verdunkelten Seite des Mondes trennt, in Richtung des Beobachters zeigt. Dies ist wohl die wichtigste Hypothese, da sie am, ergiebigsten fĂźr die folgenden Untersuchungen ist. Es ist sozusagen die Kernidee der Abhandlung. 4. In der vierten Hypothese behauptet Aristarchos, zum Zeitpunkt eines Halbmondes erscheine einem Beobachter auf der Erde die Distanz zwischen Sonne und Mond gemessen in Winkelgrad mit 87°. Zum exakten Zeitpunkt eines Halbmondes bilden also Sonne, Mond und Erde ein Dreieck, welches in der Ecke, die der Mond bildet, einen rechten Winkel (Hypothese 3) und in der Ecke, die die Sonne bildet, einen spitzen Winkel von 3° hat. Dieser Wert weicht erheblich von dem korrekten Wert ab. Der korrekte Wert fĂźr den Winkel des Dreiecks an der Ecke, die 4


die Erde bildet, ist 89°50'. Auch für die damaligen Verhältnisse ist eine solche Abweichung bemerkenswert und Aristarchos erklärt auch nicht, wie er zu einer so ungenauen Messung kommt. Die Schwachstelle seiner Methode tritt hier offensichtlich zu Tage. Die exakte Bestimmung des Zeitpunktes des halben Mondes ist schwierig. Die Abweichung in der Bestimmung des Winkels, lassen darauf schließen, dass bei der Bestimmung des exakten Zeitpunktes, an dem der Mond halbiert erscheint, ein Fehler von ca. 6 Stunden begangen worden ist. 5. In Hypothese 5 behauptet Aristarchos, die Breite des Schattens, den die Erde auf die Sphäre wirft, auf der sich der Mond bewegt, entspricht zwei Breiten des Mondes. Auch diese Vermutung war inkorrekt. Bereits Hipparchos berichtigte diesen Wert auf zweieinhalb Mondbreiten. Und Ptolemäus stellte eine Größe des Erdschattens von unwesentlich weniger als 2,6 Mondbreiten bei maximaler Distanz der Himmelskörper fest. 6. Hypothese 6 schließlich besagt das die augenscheinliche Größe des Mondes ein Fünfzehntel eines Tierkreiszeichens beträgt. Wie oben bereits beschrieben entspricht dies der überraschend ungenauen Größe von 2°, die offensichtlich in späteren Werken berichtigt wurde, da Archimedes von einer sehr viel besseren Näherung berichtet. Archimedes berichtet auch von eigenen Messungen, bei denen er auf einen Wert zwischen 27' und 33‘ kam. Selbst die Babylonier hunderte Jahre früher erlangten eine bessere Näherung von 1°. Es ist also völlig unverständlich, warum Aristarchos mit so ungenauen Werten rechnet. Es liegt der Verdacht. nahe, dass die vorliegende Abhandlung eher als eine Art Anleitung zur Messung zu verstehen ist und nicht den Anspruch erhebt korrekte Werte zu erlangen. Vielleicht hat Aristarchos auf präzise Werte in seiner Rechnung verzichtet, um sein Vorgehen deutlicher zu machen. Sicher ist nur seine Methode ist völlig korrekt. Mit Hilfe dieser Hypothesen zeigt Aristarchos nun unter anderem die folgenden drei Aussagen. Zunächst zeigt er, dass die Entfernung zwischen Sonne und Erde größer als das 18 und kleiner als das 20fache der Entfernung- zwischen Erde und Mond ist. Und weiter zeigt er, dass auch der Durchmesser der Sonne dasselbe Verhältnis zum Durchmesser des Mondes hat. Und er zeigt‚ dass der Durchmesser der Sonne zum Durchmesser der Erde ein Verhältnis größer als 19:3 aber kleiner als 43:6 hat. Insgesamt enthält das Buch allerdings 18 Aussagen die gezeigt werden, die soeben beschriebenen sind die Aussagen 7, 9 und 15. Die übrigen besagen folgendes. In Satz 1 wird gezeigt, dass zwei große Kugeln von einem Zylinder unischlossen werden können, und zwei verschieden große Kugeln von einem Kegel, dessen Spitze in Richtung der kleineren Kugel zeigt. Die Flächen der Kreise, die die Berührungspunkte von Kugeln und Zylinder oder Kegel umschreiben, sind orthogonal zur Mittelachse des Zylinders oder Kegel. Satz 2 besagt, dass der Teil einer Kugel, der von einer größeren Kugel beleuchtet wird, größer ist als der unbeleuchtete Teil, also größer als eine Halbkugel. In Satz 3 wird bewiesen, dass der Kreis, der die dunkle von der beleuchteten Seite des Mondes trennt, am kleinsten ist, wenn die Spitze, des Kegels der Sonne und Mond umfasst, sich genau auf dem Auge- des Beobachters befindet. Von hieran wird fortlaufend weiter angenommen, dass der Durchmesser des Mondes und der Sonne einem Beobachter auf der Erde unter demselben Winkel erscheint. Nur so kann sich die Spitze des Kegels im Auge des Betrachters befinden. Bewegt sich der Mond weiter auf seiner kreisförmigen Umlaufbahn um den Betrachter (Hypothese 2), bewegt sich die Spitze des Kegels auf eine Position hinter den Betrachter, der Kegel wird also spitzer. Also rutscht auch der Kreis, an dem der Kegel auf dem Mond auf liegt, näher in Richtung des Großkreises, der den Mond halbiert. Er wird folglich größer. 5


Satz 4 wiederum zeigt, dass dieser teilende Kreis, von dem in Hypothese 3 ja gesagt wurde, er halbiere den Mond, tatsächlich unmerklich kleiner sei als der halbierende Großkreis. Satz 5 ist nun eine direkte Konsequenz von Satz 4. Er besagt, wenn der Mond uns halbiert erscheint, dann können wir auch die Fläche des Großkreises, der den Mond, halbiert, als auf - den Beobachter gerichtet betrachten, obwohl er parallel ist zu dem Kreis, der beleuchteten und unbeleuchteten Teil des Mondes trennt. In Satz 4 wurde ja gesagt dass die beiden Kreise sich nur unmerklich voneinander unterscheiden. In Satz 6 zeigt Aristarchos, dass der Mond sich auf einem niedrigeren Orbit befinden muss als die Sonne, und dass er, wenn er uns halbiert erscheint eine kleineren Abstand zur Sonne (für einen Betrachter auf der Erde) als 90° haben muss. Wenn man davon ausgeht, dass Sonne, Mond und Erde ein Dreieck bilden, und bedenkt, dass aus den vorangegangenen Sätzen hervorgeht, zum Zeitpunkt des Halbmondes, habe dieses Dreieck in der Ecke des Mondes einen Winkel von 90°, ist dies leicht nachzuvollziehen. Satz 7 ist wohl der wichtigste Satz der Abhandlung, hier stellt Aristarchos basierend auf seinen Annahmen fest, dass die Entfernung, zur Sonne mehr als dem 18fache aber weniger als dem 20fache der Entfernung zum Mond entspricht. Die trigonometrisch äquivalente Aussage hierzu ist 1 1 > sin(3°) > . 18 20 Satz 8 besagt, während einer totalen Sonnenfinsternis, werden Sonne und Mond von einem Kegel umschlossen, dessen Spitze genau im Auge des Betrachters liegt. Er schließt sowohl aus, dass die Sonne den Mond überlappen könnte, in einem solchen Fall könne es sich nicht um eine totale Finsternis handeln, ebenfalls sei durch Beobachter belegt, dass eine totale Finsternis nur sehr kurzweilig sei, somit auch nicht der Mond die Sonne überlappen würde. Aus den Aussagen wird klar, dass er selbst nie eine totale (ringförmige) Sonnenfinsternis erlebt hat. Aus dem Satz 8 folgert er wiederum direkt Satz 9 nämlich, dass die Durchmesser der Himmelkörper im gleichen Verhältnis zueinander stehen wie deren Abstände zur Erde. Also ergibt sich zusammen mit Satz 7, dass der Durchmesser der Sonne mehr als das 18fache und weniger als das 20fache des Durchmessers des Mondes sei. Dementsprechend folgert er im 10. Satz, dass das Volumen der Sonne mehr als das 5832fache und weniger als das 8000fache des Volumens des Mondes ist. In Satz 11 benutzt Aristarchos ähnliche Methoden wie in Satz 7, um die Trigonometrie zu umgehen, und zeigt, dass der Durchmesser des Mondes zur Distanz zwischen Beobachter und Mondmittelpunkt im Verhältnis zwischen 2:45 und 1:30 liegen muss. Diese Berechnungen beruhen ja auf der Annahme, der augenscheinliche Monddurchmesser betrage für einen Beobachter auf der Erde 2°. Der Satz ist also äquivalent zu der trigonometrischen Formulierung 1 1 > sin(1°) > . 45 60 Während Aristarchos in Satz 4 bewiesen hatte, dass der Unterschied zwischen dem halbierenden Großkreis des Mondes und dem Kreis, der die Tag- und die Nachtseite des Mondes trennt, nur marginal ist. Beweist er in Satz 12 wieder mit seinen Methoden, dass der Durchmesser des trennenden Kreises weniger als der Durchmesser des Mondes ist aber mehr als 89/90 von ihm. Trigonometrisch entspricht dieser Satz 6


1 > cos(1°) >

89 . 90

Nun kommen wir zu den Aussagen, die auf der Hypothese 5 basieren, die Breite des Schattens der Erde sei doppelt so groĂ&#x; wie der Durchmesser des Mondes. In Satz 13 wird gezeigt, dass der Abstand zwischen dem Punkt, an dem der Mond in den Erdschatten eintritt, und dem Punkt, an dem er wieder aus ihm heraustritt, kleiner ist als das Zweifache des Monddurchmessers aber grĂśĂ&#x;er als 88/45 des Monddurchmessers. Und aus. Satz 7 folgt demnach auch, dass diese Strecke mindestens 9-mal so groĂ&#x; ist wie der Durchmesser der Sonne aber kleiner als 22/225 von diesem. Satz 14 ist ein Hilfssatz fĂźr Satz 15. Die Strecke aus Satz 13 teilt eine andere Strecke zwischen dem Mittelpunkt des Mondes und dem der Erde in zwei Teile. Satz 14 besagt nun, dass diese Strecke 675-mal so groĂ&#x; ist, wie jener Teil der Strecke der im Mond endet. Unter Benutzung von Satz 7, 13 und 14 kann Aristarchos nun eine weitere seiner Hauptthesen zeigen. Nämlich Satz 15, nach dem der Durchmesser der Sonne zu dem der Erde in einem Verhältnis grĂśĂ&#x;er als 19: 3 aber geringer als 43: 6 steht. Die nachfolgenden drei Sätze enthalten lediglich Arithmetische Folgerungen. So besagt Satz 16 nicht mehr als, dass das Volumen der Sonne zu dem der Erde in einem Verhältnis grĂśĂ&#x;er als 6859:27 aber kleiner als 79507:216 steht. In Satz 17 wird das Verhältnis zwischen: dem Erddurchmesser und dem, des Mondes gefolgert (grĂśĂ&#x;er als 108: 43 aber kleiner als 60: 19), um schlieĂ&#x;lich in Satz 18 auch das Verhältnis des Volumen der Erde zu dem des Mondes zu berechnen (grĂśĂ&#x;er als 1259712: 79507 aber kleiner als 216000: 6859). Um die Art der BeweisfĂźhrung zu demonstrieren, sollen zwei Beweise hier angegeben werden. Zunächst der Beweis von Satz 4 der typisch ist fĂźr die gesamte Abhandlung: Zu zeigen ist, der GroĂ&#x;kreis, der den Mond halbiert, ist fĂźr einen Beobachter ununterscheidbar von- jenem Kreis, der zum Zeitpunkt des Halbmondes die beleuchtete Seite von der unbeleuchteten trennt.

HierfĂźr sei đ??ľ der Mittelpunkt des Mondes, đ??´ der Mittelpunkt der Erde, đ??śđ??ˇ der Durchmesser des trennenden Kreises (beleuchtete, dunkle Seite) und đ??¸đ??š der dazu parallele Durchmesser des 7


Mondes. Die Strecke đ??ľđ??´ trifft auf den Kreisquerschnitt von đ??¸đ??š in Richtung đ??´ im Punkt đ??ş und schneidet den Durchmesser đ??śđ??ˇ in đ??ż. đ??şđ??ť und đ??şđ??ž seien BĂśgen und jeder ist der Länge nach halb so groĂ&#x; wie der Bogen zwischen đ??śđ??¸. Nach Hypothese 6 ist der Winkel đ??śđ??´đ??ˇ 2° und demnach der Winkel đ??ľđ??´đ??ˇ 1°. Unter Benutzung, der nicht bewiesenen aber wohl allgemein anerkannten Methoden, schreibt Aristarchos nun 1°: 45° > đ??ľđ??ˇ: đ??ˇđ??´ (45°: 1° < đ?‘Ąđ?‘Žđ?‘›45° âˆś đ?‘Ąđ?‘Žđ?‘›1° , đ?‘Ąđ?‘Žđ?‘›45° = 1, đ?‘Ąđ?‘Žđ?‘›1° < đ??ľđ??ˇ: đ??ˇđ??´, siehe oben(ii.)). Weiter gilt dann đ??ľđ??ˇ: đ??ˇđ??´ < 1: 45 (đ?‘ đ?‘–đ?‘›45° âˆś đ?‘ đ?‘–đ?‘›1 ° < 45: 1, đ?‘ đ?‘–đ?‘›45°: 45 < đ?‘ đ?‘–đ?‘›1°, đ?‘ đ?‘–đ?‘›45° < 1, siehe oben (ii.)) und ebenso đ??ľđ??ş: đ??ľđ??´ < 1: 45. Somit ist đ??ľđ??ş < đ??ľđ??´: 45 und daher đ??ľđ??ş < đ??şđ??´ âˆś 44 44 45

(đ??şđ??´ > đ??ľđ??´ − đ??ľđ??´: 45, đ??şđ??´ > ( ) đ??ľđ??´, đ??şđ??´: 44 > đ??ľđ??´: 45) Daher ist insbesondere auch đ??ľđ??ť > đ??ťđ??´: 44 (HA ist ja grĂśĂ&#x;er als GA, während BH und BG gleiche Länge haben) Weiter gilt đ??ľđ??ť: đ??ťđ??´ [= đ?‘Ąđ?‘Žđ?‘›(âˆ˘ đ??ťđ??´đ??ľ) = đ?‘ đ?‘–đ?‘›( âˆ˘ đ??ťđ??´đ??ľ)â „sin(âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??´)] > âˆ˘ đ??ťđ??´đ??ľâ „âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??´, woraus folgt, dass âˆ˘ đ??ťđ??´đ??ľ < âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??´â „44 und durch verdoppeln âˆ˘ đ??ťđ??´đ??ž < âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??žâ „44 . Nun ist aber âˆ˘đ??ťđ??ľđ??ž = âˆ˘đ??šđ??ľđ??ˇ (da sie auf dem Kreis denselben Bogen umschreiben) und (wegen âˆ˘ đ??ľđ??´đ??ˇ = 1° ist âˆ˘ đ??´đ?‘…đ??ˇ = 89° ) đ??šđ??ľđ??ˇ = 1° , also der 90ste Teil eines rechten Winkels R. Also ist

âˆ˘ đ??ťđ??´đ??ž = đ?‘…â „3960 .

Aristarchos schlieĂ&#x;t nun, dass das BogenstĂźck eines so kleinen Winkels (Bogen zwischen H und K) nicht wahrnehmbar ist fĂźr einen Beobachter. Daher sind auch insbesondere die BogenstĂźcke zwischen EC und FD nicht wahrnehmbar, was zu zeigen war. Auch soll hier noch ein Blick auf den Beweis des bedeutendsten Satzes der Abhandlung gegeben werden. In Satz 7 soll gezeigt werden, dass die Distanz zur Sonne grĂśĂ&#x;er als 18-mal aber kleiner als 20-mal 8


der Distanz zum Mond ist. Der Beweis ist aufgeteilt in zwei Teile. Im ersten Teil wird die untere Schranke gesucht. đ??´ sei der Mittelpunkt der Sonne, đ??ľ der der Erde und đ??ś der Mittelpunkt des Mondes. Zum Zeitpunkeines Halbmondes sei nun der Winkel đ??´đ??śđ??ľ ein rechter. đ??´đ??ľđ??¸đ??š bilden ein Quadrat, wobei das BogenstĂźck zwischen đ??´ und đ??¸ ein Viertel einer Sonnenbahn beschreibt. Man verbinde nun đ??ľ und đ??š und halbiere den Winkel đ??¸đ??ľđ??š durch eine Strecke đ??ľđ??ş. Der Winkel đ??şđ??ľđ??¸ ist nun so groĂ&#x; wie der vierte Teil eines rechten Winkels.

Hypothese 4 besagt nun, dass

âˆ˘ đ??´đ??ľđ??ś = 87° ,

so dass

âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??¸ = âˆ˘ đ??ľđ??´đ??ś = 3° .

Daher ist

22,5â „ = 15â „ . âˆ˘ đ??şđ??ľđ??¸ â „ âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??¸ = 3 2

Sei nun H der Punkt, wo die Verlängerung der Strecke BC auf das Quadrat ABEF trifft. Dann ergibt đ??şđ??¸â „ âˆ˘đ??şđ??ľđ??¸â „ sich fĂźr đ??ťđ??¸ > âˆ˘đ??ťđ??ľđ??¸ tan(âˆ˘đ??şđ??ľđ??¸) (denn: đ??şđ??¸â „ đ??ťđ??¸ > đ??şđ??¸â „đ??ľđ??¸ âˆś đ??ľđ??¸â „đ??şđ??¸ = â „tan(âˆ˘đ??ťđ??ľđ??¸) und (ii.) 9


Also gilt

đ??şđ??¸â „ 15 đ??ťđ??¸ > â „2 .

Weil BE nun gleich EF ist, und der Winkel in E ein rechter ist, ist das Quadrat Ăźber FB das Doppelte des Quadrats Ăźber BE. Aber, weil sich das Quadrat Ăźber FB zum Quadrat Ăźber BE verhält wie das Quadrat Ăźber FG zum Quadrat Ăźber GE (GB war ja eine Winkelhalbierende also ist GE gleich der Strecke zwischen F und dem Punkt, an dem der Sonnenorbit die Strecke FB schneidet) Es gilt also đ??šđ??şÂ˛â „ = đ??šđ??ľÂ˛â „ = 2 đ??şđ??¸Â˛ đ??ľđ??¸Â˛ und somit đ??šđ??şâ „ > 7 . đ??şđ??¸ 5 7

(unter Benutzung der pythagoreischen Approximation von 5 fĂźr √2 ) und đ??šđ??¸â „ > 12 . đ??¸đ??ş 5 Zusammen mit đ??şđ??¸â „ đ??ťđ??¸ > 15â „2 erhalten wir also đ??šđ??¸â „đ??¸đ??ť > 18 und es gilt daher auch đ??ľđ??¸â „ đ??ťđ??¸ > 18 . Mit âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??¸ = âˆ˘ đ??ľđ??´đ??ś folgt hieraus đ??´đ??ľâ „ > 18 . đ??ľđ??ś Im zweiten Teil wird die obere Schranke gezeigt, zu zeigen ist also đ??ľđ??´ < 20 đ??ľđ??ś. Es schneide nun die Strecke đ??ľđ??ť den Kreis der Sonnenumlaufbahn in đ??ˇ. Weiter sei đ??ˇđ??ž eine Parallele zu đ??ľđ??¸, die im Punkt đ??ž das Quadrat đ??´đ??ľđ??¸đ??š schneidet. Das Dreieck đ??ľđ??žđ??ˇ sei von einem Kreis umschlossen, und die Sehne đ??ľđ??ż habe die Länge des Radius đ?‘&#x; dieses Kreises. Dann gilt âˆ˘ đ??ľđ??ˇđ??ž = âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??¸ = âˆ˘ đ??ˇđ??ľđ??¸ = 3°. Hieraus folgt, dass das BogenstĂźck zwischen đ??ľ und đ??ž den 60sten Teil des Kreisumfangs beträgt. Das BogenstĂźck zwischen đ??ľ und đ??ż hat die Länge vom 6. Teil des Kreises. Somit

(Bogen BK) (Bogen BL)

=

1 10

.

AuĂ&#x;erdem gilt (Bogen BK) đ??ľđ??ž < (Bogen BL) đ?‘&#x; tan (a)

sin oc)

(Denn es gilt ja

tan(đ?›ź) tan(Ă&#x;)

>

đ?›ź Ă&#x;

>

sin(đ?›ź) sin(Ă&#x;)

, und in diesem Fall ist đ?›ź = (đ??ľđ?‘œđ?‘”đ?‘’đ?‘› đ??ľđ??ż) und

Ă&#x; = (đ??ľđ?‘œđ?‘”đ?‘’đ?‘› đ??ľđ??ž) und đ??ľđ??ż war so gewählt, dass die Länge dem Radius đ?‘&#x; entspricht.) so ergibt sich đ?‘&#x; < 10 đ??ľđ??ž und 10


đ??ľđ??ˇ < 20 đ??ľđ??ž (đ??ľđ??ˇ ist ja Durchmesser des Kreises). Wegen

âˆ˘ đ??ľđ??´đ??ś = âˆ˘ đ??ťđ??ľđ??¸ = âˆ˘ đ??ˇđ??ľđ??¸ folgt weiter đ??ľđ??ˇ âˆś đ??ľđ??ž = đ??´đ??ľ âˆś đ??ľđ??ś

und deswegen đ??´đ??ľ < 20 đ??ľđ??ś, was zu zeigen war. Dies soll als kleiner Einblick in die Methoden des Aristarchos genĂźgen. Wie bereits gesagt finden sich im gesamten Text keine Hinweise auf ein heliozentrisches Weltbild des Aristarchos. Im Gegenteil wird im Text häufig von der Umlaufbahn der Sonne gesprochen. Einzig die vĂśllig neue Vorstellung von der GrĂśĂ&#x;e der Sonne kĂśnnte auf ein erstes Umdenken hinweisen. Gehen wir davon aus, dass Aristarchos seine Berechnungen später noch Ăźberarbeitet hat, bzw. hinsichtlich der sehr ungenauen Messwerte verbessert hat, so muss er allein durch das Korrigieren der Entfernung Sonne Mond auf 87°50' das Verhältnis der Entfernungen zur Sonne und zum Mond noch besser mit einem Faktor von ungefähr 400 approximiert haben. Und er wäre zu dem Schluss gekommen, dass der Sonnendurchmesser nicht nur ca. 7-mal so groĂ&#x; ist wie der der Erde sondern ca. 140fach, womit ihr Volumen tatsächlich auf das Millionenfache des Erdvolumens ansteigt. Sollten ihm diese Dimensionen noch zu Lebzeiten klar geworden sein, so liegt ein Umdenken nahe. Selbst in der Antike kĂśnnte es den Menschen absurd vorgekommen sein, dass ein so viel grĂśĂ&#x;erer KĂśrper um einen solch winzigen KrĂźmel kreisen soll.

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Quellenverzeichnis -

T. L. Health, Aristarchus of Samos, The Ancient Copernicus, Nachdruck des Originals von 1913, New York 1920

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T. L. Health, A History of Greek Mathematics – Volume II, Oxford: Clarendon Press 1921

-

Allan H. Batten, Aristarchos of Samos, Victoria B. C., 1980

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