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Mi 28.09.2022 Renaud Capuçon & Nelson Goerner

Renaud Capuçon& Nelson Goerner

Debussy | Fauré | Strauss

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Mi 28. 09.

Dauer 90 Min. (inkl. Pause) Abo Konzert Preise 75|65|55

Renaud Capuçon, Violine Nelson Goerner, Klavier

Claude Debussy (1862–1918)

Sonate Nr. 3 für Violine und Klavier in g-Moll, L. 148 1. Allegro vivo 2. Intermède. Fantastique et léger 3. Finale. Très animé

Gabriel Fauré (1845–1924)

Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 in A-Dur, op. 13 1. Allegro molto 2. Andante 3. Scherzo. Allegro vivo 4. Finale. Allegro quasi presto

Richard Strauss (1864–1945)

Sonate Es-Dur für Violine und Klavier, op. 18 1. Allegro, ma non troppo 2. Improvisation. Andante cantabile 3. Finale. Andante–Allegro

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Europa 1915: Es tobt der Erste Weltkrieg und trotz modernster Waffen und dem Willen das eigene Land zu verteidigen, umtrieb die Menschen Angst. Eine nationale Identifikation mit der Heimat wurde wichtiger denn je – auch für den Komponisten Claude Debussy. Diesen musikalischen Nationalstolz vermisste Debussy schon lange. «Nichts kann entschuldigen, dass wir die Tradition der Werke eines Rameau vergessen haben, die in der Fülle ihrer genialen Einfälle fast einzigartig ist», schrieb er damals. Die musique français war verdrängt worden. Neu bestimmten Wagners monumentale Spätromantik, die italienischen Opern-Giganten und die österreichischen Walzer-Komponisten die Konzertprogramme. Nach Namen französischer Kollegen suchte man vergebens. Mit einem Zyklus von sechs Sonaten für verschiedene Instrumente plante Debussy der französischen Musik ein neues Denkmal zu setzen. Stolz betitelte er sich selbst dann auch «Claude Debussy. Musicien français» auf der Erstausgabe. Aufgrund seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung sollte es jedoch bei lediglich 3 Sonaten bleiben. Mit einer Rückbesinnung auf die klar und strukturierte, einfach und elegante Musik Philippe Rameaus und François Couperins, weicht Debussy vom zeitgenössischen Sonatenschaffen ab. Zusätzlich verzichtet er auf die Viersätzigkeit und die Sonatenhauptsatzform. Er nimmt sich freien Formen an, welche mit poetischen Spielanweisungen übertitelt sind. So entsteht für Violine und Klavier ein grosszügiger Raum, in dem sie als Kontrastpaar agieren, aber immer wieder zueinander finden. Obwohl die Sonate als nationalstiftender Moment verstanden werden möchte, erklingen bruchstückhaft Motive anderer Kulturen.

Ein halbes Jahrhundert zuvor befand sich Frankreich in einer ähnlichen Ausgangslage: Nach dem verlorenen Krieg gegen Preussen suchten die Franzosen nach einer nationalen Identifikation, die es auch in der Musik zu finden galt. Die 1871 gegründete Société nationale de Musique, der u.a. Saint-Saëns, Bizet und Franck angehörten, strebte nach einer typisch französischen Musik im Fin de Siècle, die von allen deutschen Vorbildern befreit sein sollte. Gabriel Faurés Violinsonate zeigt in der Tonwelt durchaus Parallelen zu deutschen Komponisten wie Schumann oder Brahms. Die Tonalität kommt aber in einer quasi impressionistischen Poesie ganz eigen daher: Eleganz und Jugendlichkeit durchdringen das Werk mit zarter Melancholie im zweiten Satz, Leichtigkeit und Sinnenfreude im Scherzo. Die beiden Ecksätze bieten Raum für virtuose und brillante Ausflüge. Bis heute gehört die 1877 vollendete Violinsonate zu Faurés bekanntestem Kammermusikwerk, das durch eine für Fauré typische Balance zwischen eleganter Zurückhaltung und romantischer Hingabe besticht. Bereits die von Fauré selbst am Klavier gespielte Uraufführung wurde heftig umjubelt und verhalf dem Komponisten so zum Durchbruch. Einer seiner treusten Freunde und Mentoren, Camille Saint-Saëns, begrüsste das kammermusikalische Erstlingswerk wie folgt: «Man findet in dieser Sonate alles, was verführen kann: Neuheit an Formen, Besonderheit der Modulationen, kuriose Klänge, einen gänzlich unvorhersehbaren Gebrauch der Rhythmen; und über all dem waltet ein Zauber, der das ganze Werk umhüllt und der die breite Masse der gewöhnlichen Zuhörer dazu bringt, ungeahnte Kühnheit als die natürlichste Sache der Welt hinzunehmen … Monsieur Fauré hat durch diese Sonate mit einem Satz auf dem Niveau der Meister Platz genommen.»

Richard Strauss schrieb eine einzige Violinsonate. Damit verfasste der junge Komponist mit gerade mal 23 Jahren einen dreisätzigen Geniestreich, der alle bis dahin geltenden Grenzen des Genres in Virtuosität und musikalischer Farbigkeit zu überwinden wusste. Das Werk wurde die deutsche Sonate des Fin de Siècle, die den Weg in die neue sinfonische Zukunft wies. «In der Freiheit der chromatischen Modulationen und der zuweilen orchestralen Attitüden distanziert sich die Violinsonate von den vorausgegangenen Kammermusikwerken. Sie weist eher auf Kommendes voraus – das Hauptthema des Finales sogar direkt auf den stürmischen Beginn des ‘Don Juan’.» (Fritz Schuh) Schon die Eröffnung des Allegro ist von einer ungewöhnlichen Breite und Tiefe. Statt je einem Haupt- und Seitenthema schrieb Strauss je zwei. Das erste Thema in Es im Vierertakt dehnt sich auf 20 Takte aus und ist von Tirolen-Arabesken bestimmt. Dem folgt ein lyrischer Nebengedanke mit absteigender Legatolinie. Nach einer kurzen Rückbesinnung auf das Kopfthema des Hauptmotivs folgt ein c-Moll-Gesang der Violine im Dreiertakt, der später in einem strahlenden Dreiklangsthema in Dur endet, nun wieder im Viertakt. Diese vier

Motive kombiniert Strauss auf unterschiedlichste Weise, schichtet sie übereinander, bis sie in der Coda nacheinander aufgelöst werden. Der zweite Satz lässt den musiktheatralen Komponisten erahnen. Zwei Themen ersteigen aus dem nichts: Nach «Lieder ohne Worte» für Violine und Klavier im Hauptteil, folgt ein leidenschaftlicher Mittelteil. Die zu Beginn noch düster-geheimnisvolle anmutende Klaviereinleitung zum Finale wechselt bald in eine Es-Dur-Fanfare. Klavier und Violine finden sich in einem Rausch zusammen, der in chromatischen Modulationen und Aufschwüngen nicht nur Passagen des «Rosenkavalier», sondern auch des «Don Juan» vorwegnimmt.

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