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Fertig mit der Covid-Pause
FERTIG MIT D ER COVID - P AU SE
von Cornelia Thomann, Fagott
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Nach acht Monaten Pause darf die Stadtmusik am Mittwoch, 2. Juni, wieder in der ganzen Formation proben. Diese Nachricht erreicht uns zwei Tage vor dem Seeländischen Solisten- und Ensemblewettbewerb in Ins, wo wir in kleinen Registerensembles spielen werden. Unser Trio feilt gerade an Details, bespricht Stellen, die noch anders klingen könnten. Ich bin von der Nachricht etwas überrumpelt, da ich mit einer so plötzlichen Öffnung nach der langen Zwangspause nicht gerechnet hätte. So stellt Pascal Schafer innerhalb zweier Tage ein Musikprogramm zusammen, das fürs vorgesehene Openairkonzert vom 1. Juli passend ist und uns Musizierende, für Stadtmusikverhältnisse sanft, auf das Zusammenspiel in der grossen Formation vorbereitet, da die Stücke eher kurz und eingängig sind. Fürs Einstudieren der neuen Literatur verbleibt nun nicht mehr als ein Monat Zeit.
Viele helfende Hände sind vor der ersten Probe früh vor Ort, damit genügend Zeit bleibt, den Saal einzurichten. Wie immer mit Schutzmaske und desinfizierten Händen werden Stühle, Podest und Schlagzeug aufgestellt und darauf geachtet, dass die vorgeschriebenen 10 Quadratmeter pro Person eingehalten werden. Dadurch sind die Abstände bei 50 Musizierenden selbsterklärend enorm gross. Die Verantwortlichen in Studen zeigen sich einmal mehr sehr zuvorkommend und mitdenkend. Wir dürfen nebst der grossen Aula auch den kleineren Mehrzweckraum dazu mieten. Die beiden Räume lassen sich durch eine Schiebewand miteinander verbinden. 19.30 Uhr: «Ich freue mich wahnsinnig, euch alle wieder zu sehen. Es ist endlich Zeit geworden, dass wir wieder gemeinsam musizieren dürfen. Sicherlich werden wir auch weiterhin spontan sein müssen. Ich hoffe deshalb auf euer Verständnis, wenn es kurzfristige Änderungen gibt», begrüsst uns Präsident Lukas Baschung mit einem breiten Grinsen. Also so genau weiss ich das mit dem Grinsen nicht, denn das Gesicht ist während seiner Begrüssung durch die Schutzmaske
verdeckt, aber die Augenpartie verrät es mir. Wir beginnen mit der Probearbeit. Ein Fotograf des Journal du Jura hält das Geschehen, stellvertretend für alle Musikvereine der Region, mit der Kamera fest. Ich glaube eine gewisse Anspannung und Vorfreude zu spüren. Wie wird es klingen nach dieser langen Zeit? Unser Dirigent Pascal, ebenfalls mit Gesichtsmaske ausgerüstet, hebt den Taktstock und los geht es. Sein ansonsten differenzierter Gesichtsausdruck fällt weg und die Erklärungen, die er zu den Stücken und zur Art der Interpretation macht, hören nur die vorderen zirka drei Reihen. Also begnügt Pascal sich fortan mit grossen Zeichen mit dem Taktstock, damit die ganze Band wenigstens die Chance hat, im gleichen Tempo zu spielen, was vielleicht zeitverzögert auch so ist, ich weiss es nicht so genau. Die Aussage des Bassposaunisten nach der Probe verdeutlicht die Situation: « Ich habe euch Fagotte gut gehört, weshalb ich mit euch gespielt habe, und wenn mir die Stelle sehr gut gefallen hat, habe ich sie nochmals mit den Musizierenden der hinteren Hallenhälfte gespielt.» Die Ansprüche werden nach unten korrigiert. Aber in nur einem Monat haben wir voraussichtlich ein Konzert, also muss eine zielbringende Lösung gesucht werden. Glücklicherweise spielt das Wetter im Juni mit, und wir dürfen draussen auf dem grossen Pausenplatz vor der Aula proben. An der Frischluft sind die vorgeschriebenen Abstände kleiner, und so ist an ein Erarbeiten der Stücke wieder zu denken. Gegenüber letzter Probe fühlt sich die zweite Probe schon fast wieder normal an. Die Schlagzeuger sind nahe dem Unterstand platziert, sodass bei plötzlichem Regen ein rasches in Sicherheit bringen der Instrumente möglich wäre. Viele Musizierende finden es angenehm, sich hier draussen selber viel besser zu hören, was im Lokal in Biel wegen der engen Platzverhältnisse nicht der Fall ist. Das Überbrücken und Abschleppen eines Autos direkt hinter dem Orchester lenkt dann doch ein wenig von der Probearbeit ab, ist aber eine weitere lustige Anekdote. An der dritten Probe scheint den Klarinettenspielern die Sonne heiss auf den Kopf und das Gesicht, sodass sie sich umsetzen. Ich habe diese neue Sitzordnung toll
gefunden, so konnte ich ganz unmittelbar die Melodiestimme begleiten, das Mitgehen in Lautstärke und Tempo war für mich als Begleitinstrumentalistin nun ganz selbstverständlich und einfach. Heute ist es eine Ameisenkolonie, welche genau unter meinem Stuhl durchmarschiert und meine Konzentration etwas ablenkt. Ich setze mich um. Nun ist der Abstand zu meinem Nachbarn wieder gross, aber machbar. In der letzten Woche vor dem Konzert ist leider Regen angesagt. Weil eine Probe in der Gesamtformation im Innenraum wenig Sinn macht, teilen wir das Corps. Die Tenor- und Bassinstrumente proben intensiv von 19.00 bis 20.30, die Alt- und Sopraninstrumente danach. Weil jede Person den eigenen Notenständer mitbringt, ist das Desinfizieren nicht nötig, und wir verlieren nicht wertvolle Wechselzeit. Persönlich freue ich mich enorm, dass ich all die vertrauten Gesichter wieder sehen darf, wir gemeinsam musizieren können und so ein Stück Normalität in unser Hobby zurückgekehrt.
