Impuls März / April 2017

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5. PHILHARMONISCHES KONZERT

: KONZERT

lernen und spielen wollte. Ich hatte das Stück als Teenager im Radio gehört, mit dem Geiger der Uraufführung, Saschko Gawriloff. Ich war sofort in den Bann dieser großartigen Musik gezogen und wollte es seitdem immer spielen. Bizarrerweise musste ich erst 106 andere Violinkonzerte mit Orchester spielen, bis es nun endlich erstmals zu Ligeti kommt. Manchmal muss man an Träumen eben lange genug festhalten, bis sie in Erfüllung gehen. Wie schön, dass dies nun in Nürnberg der Fall ist! Oft zögern Orchester und Dirigenten auch, dieses Stück zu programmieren, weil Ligeti bekanntermaßen immer irrsinnig schwer ist.

Ligetis Konzert entstand zwischen 1990 und 1992. Eine Frage an Sie als Expertin für zeitgenössische Musik: Wie „avantgardistisch“ klingt Ligetis Musik 25 Jahre später für Sie? C. W.: Um diese Frage zu beantworten, stelle ich mir vor, was meine Reaktion wäre, wenn ich die Partitur des Ligeti-Konzertes 2017 auf dem Notenständer hätte, ohne dass ich wüsste, wer es wann geschrieben hat. Ich bin mir sicher, ich hielte es auf Anhieb für ein geniales und visionäres Stück. Es ist heute so aktuell wie 1992 oder zu jeder anderen Zeit. Für mich ist diese Tatsache vielleicht das einzige verlässliche Merkmal für wirklich große Kunst. Und sie gilt für die Matthäus-Passion genauso wie für Velázquez, Rembrandt, Beethovens Fünfte Sinfonie, für „Macbeth“ oder „Faust“. Diese Werke sind immer und überall aktuell – weil wir Menschen waren, sind und bleiben.

» AN TRÄUMEN FESTHALTEN, BIS SIE IN ERFÜLLUNG GEHEN« Ligeti hat sich mit seinem Trio für Violine, Horn und Klavier ja bewusst an Brahms angelehnt. Spüren Sie bei dem Violinkonzert ebenfalls eine Verbindung zu Brahms? C. W.: Das Horntrio von Ligeti war das erste Stück, das ich von ihm gespielt habe. Ein weiteres absolutes Juwel! Und wiederum: Ligeti lehnt sich einerseits an Brahms an in Besetzung und Titel, schreibt aber dann eine nie dagewesene Musik, die nicht einmal ansatzweise an andere Stücke erinnert. Meine Überzeugung ist, dass ein Komponist natürlich die Violinkonzerte von Beethoven und Brahms im „kollektiven Gedächtnis“ hat, wenn er ein Violinkonzert schreibt. Diese Stücke sind in unsere Vorleben eingebrannt. Und trotzdem ist Ligetis Sprache so original und originell, dass sich niemals eine Anlehnung an einen anderen Komponisten aufdrängt. Ligeti kannte die Musikgeschichte immens gut, auch das trug dazu bei, dass er meines Erachtens das größte Genie seiner Zeit war.

21. APRIL 2017, 20.00 UHR, MEISTERSINGERHALLE

TIEFENSICHT

5. PHILHARMONISCHES KONZERT

Richard Wagner „SIEGFRIED-IDYLL“ E-DUR WWV 103 György Ligeti KONZERT FÜR VIOLINE UND ORCHESTER Johannes Brahms SINFONIE NR. 4 E-MOLL OP. 98 Solistin: Carolin Widmann (Violine)  Musikalische Leitung: Marcus Bosch Staatsphilharmonie Nürnberg KONZERTFÜHRER LIVE UM 19.15 UHR

Anschließend: Philharmonische Lounge Lassen Sie den Konzertabend in der Lounge im Foyer bei Musik und Gesprächen ausklingen.

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