RunUp-Ausgabe Herbst/Winter 2021

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Jakob wird kein Simon, Amelie niemals Lisa Kinder wollen sich sehr früh inszenieren. Diese Selbstoptimierung bei jungen Menschen wird sehr kritisch gesehen und ist ein brennendes Thema, das nicht nur Eltern betrifft. Das Beste aus sich selber machen – wie geht das und wofür ist es gut? RunUp hat nachgefragt. TEXT_Roland Romanik//FOTOS_Envatoelements

Die Generation Z will ihre Entwicklung in vielen Bereichen in die eigene Hand nehmen.

Als im Jahr 2011 in den USA das Buch

Bereichen in die eigene Hand nehmen: in der Schule, in der Peer

„Die Mutter des Erfolgs. Wie ich meinen

Group, beim Hobby oder beim Sport. Diese Arbeit am Selbst birgt

Kindern das Siegen beibrachte“ erschien,

auch Gefahren. Social Media, Internet-Stars, Influencer, Pop-

entfachte es weltweit einen öffentlichen

Idole oder Sportgrößen zeigen, wie es geht, wenn es nach ihnen

Diskurs über Entwicklungsprozesse, der

geht, und prägen damit das Leben unserer Kinder.

bis heute anhält. Die chinesisch-amerikanische Autorin Amy Chua erzählt

Die Sportpsychologin und Kinder- und Jugendpsychotherapeu-

darin, wie sie mit autoritativen chinesi-

tin Andrea Engleder aus Wien steht dem Thema Selbstoptimie-

schen Methoden ihre beiden Töchter zu

rung bei jungen Menschen kritisch gegenüber, weist aber auch

musikalischen Wunderkindern formen

auf dessen Wichtigkeit hin. Zuerst die Begriffsbestimmung.

wollte. Bei einem Kind hatte sie Erfolg,

„Was ist Selbstoptimierung? Meint es, das Beste aus mir selbst zu

der zweite Spross widersetzte sich im

machen? Und wenn ja, woher weiß ich, wie die beste Version von

Laufe der Zeit dem Übungsregime seiner

mir selbst aussieht?“, fragt Engleder. „Wissen Eltern, Lehrkräfte,

Mutter und zwang sie damit zur Aufgabe.

Trainerinnen und Trainer, wie die beste Version ihrer Schütz-

Amy Chua kritisiert in ihrem Bestseller

linge aussieht, und wie kommen sie dort hin?“

am westlichen Erziehungsstil vor allem, dass Eltern ihren Kindern zu viel Frei-

Engleder empfiehlt, einen Schritt zurück zu machen. Vor dem

heit einräumen, deren oft selbst getrof-

Was und Wie sollte das Warum beantwortet werden: die Frage

fene Entscheidungen respektieren und

nach dem Ziel. „Was ist das Bedürfnis, sich selbst zu optimieren?

Leidenschaften der Kleinen selbst dann

Ist es die Botschaft, dass ich als Kind nicht gut genug bin? Habe

fördern, wenn die Selbstverwirklichung

ich das Ziel, glücklicher zu sein, wenn ich meine Ernährung,

offensichtlich in eine falsche Richtung

mein Aussehen oder meine kognitive oder sportliche Leistung

geht bzw. darin besteht, täglich stunden-

verbessere? Will ich schneller laufen können oder ausdauernder

lang mit Facebook oder YouTube an sich

sein? Oder will ich mich bedeutsamer fühlen?“ Wenn man sich

selbst zu arbeiten.

diesen Fragen nicht bewusst stellt, liege im Wunsch der Selbst­ optimierung eine riesengroße Gefahr, dass Kinder zu ihrem

Wie viel Selbstbestimmung darf ein

Objekt würden. „Und dann finden wir uns mit jungen Menschen

Kind haben? Der Begriff der Selbstopti-

schnell in Essstörungen, Sportsucht, Depressionen und Selbst-

mierung ist in der Generation Z domi-

wertstörungen wieder.“ Internet und Social Media im Besonde-

nierend geworden. Kinder und Jugend-

ren haben großen Einfluss auf Kinder und damit Macht über sie.

liche wollen ihre Entwicklung in vielen

Das spürt die Psychologin bei ihrer täglichen Arbeit. „Schon die

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