Magisterarbeit

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Antinationalsozialistische Dystopien

Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium (M.A.) an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft

Erstgutachter: Prof. Dr. Henning Ottmann Zweitgutachter: PD Dr. Lucian Kern

vorgelegt von:

Rudolf Thomas INDERST Hirschweg 9 D-85598 Baldham März 2005


danksagung

für die betreuung und anregung gilt mein dank prof. dr. henning ottmann und pd dr. lucian kern ebenso danke ich dr. dirk lüddeke und peter seyferth, m.a. für zahlreiche sinnvolle vorschläge und fruchtbare ideen für die verfeinerung und abrundung meines akademischen rüstzeugs danke ich dr. wolfgang piereth weiterhin danke ich meiner familie und freunden, besonders martin kalscheuer, m.a., katrin ostermeier, m.a., und reinhard prosch für rückhalt und ansporn; nicht nur während meines studiums zudem gilt mein dank lissy hege und hans hege besonderen dank möchte ich tabea spiess sagen

In omnibus requiem quaesivi et nusquam inveni nisi in angulo cum libro.


INHALTSVERZEICHNIS I.

Einleitung.......................................................................................................................... 5

II.

Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie ... 11

II.1. Historischer Ursprung des Begriffs „Utopie“ ................................................................. 12 II.2. Morus’ Utopia ................................................................................................................. 14 II.3. Das 18. Jahrhundert: Wandel der Intention von Utopien................................................ 15 II.4. Das 19. Jahrhundert: Frühsozialismus und Fortschrittsglaube........................................ 16 II.5. Das 20. Jahrhundert: Dominanz der Dystopie ................................................................ 19 II.6. Utopienkritik ................................................................................................................... 28 II.7. Gegenkritik...................................................................................................................... 30 II.8. Science Fiction – Zukunft der Utopie? ........................................................................... 34 III. Der Totalitarismus-Begriff ........................................................................................... 42 III.1. Geschichte der Totalitarismusforschung......................................................................... 43 III.2. Das Totalitarismusmodell Carl Joachim Friedrichs ........................................................ 48 III.3. Probleme und Kritik am Totalitarismusmodell Carl Joachim Friedrichs ....................... 53 III.4. Renaissance eines Begriffes ............................................................................................ 55 III.5. Die Islamismusproblematik in der Totalitarismusforschung .......................................... 59 IV. Totalitäre Elemente in den antinationalsozialistischen Dystopien............................ 63 IV.1. Vorstellung der Primärliteratur ....................................................................................... 65 IV.1.1.

„Nacht der braunen Schatten“ (1937) von Katharine Burdekin................. 66

IV.1.2.

„Hörnerschall“ (1952) von John William Wall.......................................... 66

IV.1.3.

„Das Orakel vom Berge“ (1962) von Philip K. Dick................................. 67

IV.1.4.

„Wenn das der Führer wüsste“ (1966) von Otto Basil............................... 68

IV.1.5.

„SS-GB“ (1978) von Len Deighton ........................................................... 69

IV.1.6.

„Vaterland“ (1992) von Robert Harris ....................................................... 69

IV.2. Einordnung der antinationalsozialistischen Dystopien in Friedrichs Totalitarismuskonzept ..................................................................................................... 70 IV.2.1.

Ideologie..................................................................................................... 70


IV.2.2.

Massenpartei und Führer............................................................................ 76

IV.2.3.

Terrorsystem............................................................................................... 80

IV.2.4.

Kommunikationsmonopol.......................................................................... 86

IV.2.5.

Waffenmonopol.......................................................................................... 88

IV.2.6.

Zentrale Wirtschaftslenkung und -überwachung ....................................... 89

IV.3. Zusammenfassung........................................................................................................... 91 V.

Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur ........ 92

V.1. Zum Begriff „Politische Religion“.................................................................................. 93 V.2. Karl-Josef Schipperges und Politische Religionen ......................................................... 95 V.3. Die Einordnung von „Nacht der braunen Schatten“ ....................................................... 97 V.4. Die Einordnung von „Wenn das der Führer wüsste“ .................................................... 101 V.5. Zusammenfassung......................................................................................................... 105 VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur .......................................................................................... 107 VII. Schlussbetrachtung...................................................................................................... 116 Anhang .................................................................................................................................. 120 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 122


5

I.

EINLEITUNG


I. Einleitung

6

„Wissen ist irreversibel, es kann sich nicht ins Dunkel einer süßen Unwissenheit zurückziehen.“1 Die

vorliegende

Magisterarbeit

beschäftigt

sich

mit

sogenannten

„antinationalsozialistischen Dystopien“. Es handelt sich hierbei um literarische Utopien, welche auf der Prämisse beruhen, das Dritte Reich unter Adolf Hitler habe den Zweiten Weltkrieg als siegreiche Nation für sich entscheiden können. Bei der politischen Ideengeschichte handelt es sich nicht lediglich um eine Literaturgeschichte politischer Theorien, sondern stets auch um die Darstellung in der Gesellschaft existenter Einstellungen und Überzeugungen. Die Wechselwirkung zwischen den beiden Bereichen der politischer Theorie und Ideengeschichte ist offensichtlich: Politische Theorie und Philosophie diskutierten stets, mit den gesellschaftlichen Organisationsformen ihres Zeitalters konfrontiert, die Bedingungen eines

guten

und

gerechten

oder

doch

zumindest

optimal

funktionierenden

Gemeinwesens. Dies geschah teils apologetisch, indem sie diese politischen Strukturen und Hierarchien als faktisch gegeben oder doch tendenziell gerecht, teils jedoch kritisch, indem sie sie als Hindernisse einer ausgewogenen Gesellschaftsordnung betrachteten. Daraus resultiert, dass erst die Analyse der Spannung zwischen dem in der Theorie intendierten Gesellschaftsmodell und der gesellschaftlichen und politischen Realität einer Epoche den historischen und dogmengeschichtlichen Stellenwert von Politischer Theorie und ihrer Schlüsselbegriffe zeigt.2 Das Lesen und Deuten von literarischen Utopien, aber auch das Entwickeln oder Negieren von Utopien stellt einen integralen Bestandteil der Politischen Theorie dar, sind es doch gerade Autoren wie Morus, Bacon oder Campanella, die sich mit dem der Frage von optimalen Staatsentwürfen beschäftigen. Im Zuge eines Utopie-Diskurses sind auch die Warn-Utopien des 20. Jahrhunderts zu nennen: Sie portraitieren das Misslingen utopischer Idealstaatsplanungen mit teils drastischen Konsequenzen. Die Forschungsliteratur hat sich bisher sehr auf die drei großen Autoren dieser schwarzen Utopien, Jewgenij Samjatin, Aldous Huxley und George Orwell, fokussiert. Besonders Orwells „1984“ gilt als idealtypische Negativ-Utopie. Jenseits der bekannten und

1 2

Stanislaw Lem: Die Stimme des Herrn. Frankfurt a. M., 1981. S. 30. Vgl.: Peter Thiery: Moderne politikwissenschaftliche Theorie. S. 209-249. In: Manfred Mols/ Hans-Joachim Lauth/ Christian Wagner (Hg.): Politikwissenschaft: Eine Einführung. Paderborn/ München/ Wien u.a., 4., aktualisierte und erweiterte Auflage, 2003. S. 209.


I. Einleitung

7

zweifellos sehr populären dystopischen3 Romane existieren jedoch zahlreiche weitere Negativ-Utopien. Das Subgenre der antinationalsozialistischen Dystopien gehört in diese bisher nur nicht hinreichend rezipierte und erforschte Gruppe. Es ist daher eines der Anliegen der vorliegenden Arbeit, diesen speziellen Utopientyp anhand von sechs Beispielen näher vorzustellen: Es handelt sich um „Nacht der braunen Schatten“ von Katharine Burdekin, „Das Orakel vom Berge“ von Philip K. Dick, „Hörnerschall“ von John William Wall, „Wenn das der Führer wüsste“ von Otto Basil, „SS-GB“ von Len Deighton und Richard Harris’ „Vaterland“. Die Primärliteratur deckt dabei, was die Erscheinungsjahre betrifft, einen erstaunlich großen Zeitraum ab – „Nacht der braunen Schatten“ erschien im Jahre 1937, wohingegen „Vaterland“ aus dem Jahre 1992 stammt. Der Kulturwissenschaftler Stephan Meyer vertritt in seinem umfassenden Werk über die anti-utopische Tradition die These, dass sich durch anti-utopische Romane viel über Theorie und Praxis des Totalitarismus erfahren lässt. Diese konstruierten Idealtypen möglicher totalitärer Gesellschaften, die aus den historischen Erfahrungen und zur Zeit ihrer Niederschrift aktuellen Problemfeldern ableitbar waren.4 In seiner Untersuchung zu dem Problemfeld Totalitarismus und Dystopie hält sich allerdings auch Meyer eng an den bekannten Literaturkanon von Negativ-Utopien. Antinationalsozialistische Dystopien finden in seine Analyse keinen Eingang. Die

Hauptfrage,

der

diese

Magisterarbeit

nachgeht,

lautet,

ob

die

Herrschaftsstrukturen, welche in der vorliegenden Primärliteratur geschildert werden, als totalitär bezeichnet werden können. Um aufzeigen zu können, dass totalitäre Strukturen innerhalb der antinationalsozialistischen Dystopien existieren, bedarf es eines Untersuchungsmodells. Mit dem Begriff des Totalitarismus, dessen Ursprung auf italienische Kritiker des Faschismus

zurückgeht,

Wissenschaftler

beschäftigten

unterschiedlichster

sich

im

20.

Fachrichtungen.

Jahrhundert Eines

der

zahlreiche bis

heute

einflussreichsten Totalitarismusmodelle stammt von dem Politikwissenschaftler Carl Joachim Friedrich, welches er 1956 zusammen mit seinem Kollegen Zbigniew Brzezinski in seinem Standardwerk „Totalitarian Dictatorship and Autocracy“ darlegte. 3

Die Begriffe „dystopisch“ und „Dystopie“ werden in dieser Arbeit als gleichwertig beziehungsweise gleichartig wie die Begriffe „anti-utopisch“ oder „Anti-Utopie“ beziehungsweise „Negativ-Utopie“ verstanden.


I. Einleitung

8

Friedrich entwickelte einen – in der Forschung viel diskutierten – Merkmals-Katalog mit der Intention, gemeinsame Kennzeichen von totalitären Systemen heraus zu arbeiten. Nach einer eingehenderen Betrachtung der Romaninhalte der Primärliteratur wird eine Einordnung dieser in den Totalitarismusmerkmals-Katalog Friedrichs erfolgen. Dies geschieht durch eine gewissenhafte inhaltliche Analyse der narrativen Texte auf Übereinstimmungen mit dem jeweiligen Katalogsmerkmal hin. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, zu bewerten, ob die portraitierten politischen Systeme der Primärliteratur einen totalitaristischen Charakter im Sinne des Modells von Friedrich aufweisen. Sollte es allerdings zu einer grundlegenden Übereinstimmung bezüglich der Romaninhalte und des Konzepts von Friedrich kommen, kann daraus zwar der Schluss gezogen werden, dass es sich um Totalitarismen im Sinne Friedrichs handelt, jedoch ist ein weiterer Schritt, eine weitere Untersuchung und Einordnung obligat, um das spezifisch Nationalsozialistisch-Totalitäre an der Primärliteratur herauszuarbeiten – schließlich handelt es sich explizit um „antinationalsozialistische Dystopien“. Für eine weiterführende Untersuchung soll das Modell der sogenannten „Politischen

Religionen“

dienen.

Das

Konzept,

das

nahe

mit

der

Totalitarismusforschung einhergeht, wurde von Eric Voegelin (1901 – 1985) im Jahre 1938 entwickelt und in seinem Grundlagenwerk „Die politischen Religionen“ niedergeschrieben. Er analysierte totalitäre Bewegungen als „politische Religionen“. Der Politologe Karl-Josef Schipperges beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem Konzept der Politischen Religionen. Sein Beitrag „Zur Instrumentalisierung der Religion in modernen Herrschaftssystemen“ soll als Grundlage für eine zweite Einordnung der Primärliteratur im Rahmen der vorliegenden Magisterarbeit dienen. Eine weitere Frage, die untersucht werden soll, besteht darin, inwiefern sich die Primärliteratur mit der tatsächlichen Geschichte des Dritten Reiches auseinandersetzt. Realgeschichtliche

Hintergründe

bilden

die

Grundlage

für

einen

dritten

Untersuchungsrahmen. Das Kapitel über nationalsozialistische Architektur, welche als Ausdruck einer NS-Ideologie interpretiert und verstanden werden kann, in der Abhandlung „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ des Autors Ralph Giordano wird

4

Stephan Meyer: Die anti-utopische Tradition. Eine ideen- und problemgeschichtliche Darstellung. Frankfurt a. M., 2001. S. 366.


I. Einleitung

9

als Vergleichsbasis dienen, auf welche Art und Weise die antinationalsozialistischen Romane

mit

den

realgeschichtlichen

Plänen

der

NS-„Baukunst“

umgehen,

beziehungsweise wie sie diese verarbeiten. Im ersten Kapitel wird eine historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie vorgenommen; neben einer Begriffsbestimmung wird das Kapitel sich mit dem Funktionswandel der Utopie durch die Jahrhunderte hindurch beschäftigen und mit einem Ausblick auf das Genre Science Fiction schließen. Den Schwerpunkt des Kapitels werden dabei die Anti-Utopien des 20. Jahrhunderts bilden. Das zweite Kapitel behandelt den komplexen Begriff des Totalitarismus. Es wird die Geschichte der Totalitarismusforschung darstellen, insbesondere den Streit um die Gültigkeit beziehungsweise Verwendbarkeit des Totalitarismusmodells als solches. Natürlich wird in diesem Kapitel auch die Totalitarismustheorie von Carl Joachim Friedrich vorgestellt, welche später als Haupteinordnungs-Modell für die Primärliteratur dienen soll. Das Kapitel schließt mit Überlegungen, ob und inwiefern der militante Islamismus eine neue Form des Totalitarismus darstellt. Die nächsten drei Kapitel beschäftigen sich ausschließlich mit den Einordnungen der antinationalsozialistischen Dystopien in die jeweiligen Untersuchungsrahmen: das Totalitarismusmodell von Friedrich, die Politischen Religionen nach Schipperges und der Vergleich mit dem Kapitel über NS-Architektur von Giordano. Die Schlussbetrachtung wird die gewonnenen Resultate des Hauptteils pointierend zusammenfassen. Dies wird mit einer Auswertung des Stellenwertes der Arbeit für die allgemeine Forschungslage verbunden sein und mit einem Ausblick, welche offenen Fragen für weitere Arbeiten von Interesse sind, beziehungsweise welche aktuellen Problemstellungen sich aus den erzielten Erkenntnissen ergeben. Ebenfalls wird eine eigene kritische Bewertung auf der Grundlage der Darstellung im Hauptteil abgegeben. Der Anhang wird diese Arbeit schließen. Er beinhaltet Abbildungen der Autoren und Buchumschläge der Primärliteratur. Die Literaturlage ist, besonders was die Utopienforschung betrifft, quantitativ und qualitativ als gut einzustufen. Besonders der Politikwissenschaftler Richard Saage ist an dieser Stelle als Herausgeber zahlreicher Publikationen zum Thema Utopien zu nennen.5 Auch der Bereich der Totalitarismusforschung ist gründlich in der Literatur aufgearbeitet. Es sei stellvertretend für die Forschungsliteratur auf den Sammelband


I. Einleitung

10

„Totalitarismus im 20. Jahrhundert“ des Politikwissenschaftlers Eckhard Jesse hingewiesen, der einen gelungenen Überblick über die internationale Forschung bietet.6 Leider ist der Bereich der Politischen Religionen erheblich weniger abgedeckt – die dreibändige

Edition

zum

Thema

Politische

Religion

des

Religion-

und

Kulturtheoretikers Hans Maier bildet jedoch eine gute Darstellung des aktuellen Forschungsstandes.7 Verglichen mit der umfassenden Menge an Literatur über das nationalsozialistische Deutschland zwischen den Jahren 1933 und 1945, beschränkt sich die Erforschung der Pläne der Nationalsozialisten für die Planungen der Zeit nach dem deutschen „Endsieg“ auf ein verhältnismäßig überschaubares Forschungskonglomerat. Unverzichtbar für die vorliegende Magisterarbeit war daher „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ des Journalisten Ralph Giordano.8 Die benutzte Primärliteratur, sprich der Kanon der antinationalsozialistischen Dystopien, liegt dem Verfasser dieser Arbeit in deutscher Übersetzung vor; dies war aus Gründen der Verfügbarkeit unumgänglich, die Originaltitel werden selbstverständlich im Literaturverzeichnis benannt.

5 6

7

8

Stellvertretend an dieser Stelle: Richard Saage: Utopieforschung. Eine Bilanz. Darmstadt, 1997. Eckhard Jesse (Hg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung. Bonn, 2., erweiterte Auflage, 1999. Hans Meier (Hg.): Totalitarismus und Politische Religionen. Konzepte des Diktaturvergleichs. Paderborn/ München/ Wien u.a., 1996 sowie zwei Folgebände (siehe Literaturverzeichnis). Ralph Giordano: Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Die Pläne der Nazis nach dem Endsieg. Köln, 2. Auflage, 2002.


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II. HISTORISCHE UND SYSTEMATISCHE

EINORDNUNG DER LITERARISCHEN POLITISCHEN UTOPIE


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

12

Das folgende Kapitel stellt eine Verlaufsgeschichte des Begriffes der literarischen Gattung „Utopie“ dar. Es beschäftigt sich zuerst mit der Historie des Terminus „Utopie“. Anschließend werden die literarischen Utopien der Renaissance, allen voran Morus’ „Utopia“, vorgestellt, da dieser Zeitpunkt quantitativ sowie qualitativ eine Zäsur der Utopiengeschichte darstellt. Daraufhin folgt ein zeitlicher – und wie sich herausstellen wird – auch ein funktionaler, bedeutsamer Sprung ins 18. Jahrhundert: Die „Raumutopie“ wird von der „Zeitutopie“ abgelöst. Gewichtig ist dies bezüglich der Verwirklichungsabsichten der Autoren von literarischen Utopien. Anschließend wird sich das Kapitel dem 19. Jahrhundert zuwenden. Dabei sind sowohl besonders der frühsozialistische Utopiediskurs zu berücksichtigen als auch Utopien, die sich besonders mit den Themen Industrie, Technik und Wissenschaft beschäftigen. Stellvertretend soll an dieser Stelle auf Herbert George Wells eingegangen werden, einen der prägendsten Utopie- und Proto-Science Fiction-9 Autoren jener Zeit. In einem nächsten Abschnitt folgt das 20. Jahrhundert – das Zeitalter der Negativutopien. Es wird das Verhältnis von Utopie zu Dystopie thematisiert und herausragende Vertreter der Anti-Utopie vorgestellt: Jewgenij Samjatins „Wir“, George Orwells „1984“ und Aldous Huxleys „Brave New World“. Die Utopienlandschaft der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird im Anschluss dargestellt: Sogenannte postmaterielle Utopien bestimmen das Bild. Unverzichtbar ist darüber hinaus eine einführende Darstellung der Utopienkritik und Gegenkritik, welche spätestens nach dem politischen wie staatlichen Zusammenbruch der Sowjetunion erneut hervorbrach. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Untersuchung des Verhältnisses von Utopie und Science Fiction. Dabei wird vor allem die Frage zu beantworten sein, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede vorliegen.

II.1. Historischer Ursprung des Begriffs „Utopie“ Der Begriff „Utopie“ leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet im eigentlichen Sinne „Nirgendsland“ oder abstrakter: „Nicht-Ort“ (ou, ‚nicht’ und topos, ‚Ort’).10 Die Frage danach, was Utopien darstellen oder wie diese zu definieren sind, liefert zahlreiche verschiedene Antworten.11 Aus der Fülle der Definitionsversuche wird der 9

Der Begriff Proto-Science Fiction bezeichnet frühe Werke der Science Fiction-Literatur. Als einer der Hauptvertreter gilt, neben H.G. Wells, der französische Autor Jules Verne (1828-1905).


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

13

grundlegende Utopiebegriff dieser Arbeit der des Politologen Richard Saages sein, ergänzt durch Aspekte aus der Arbeit des Autors Martin Schwanke. Nach Ansicht des Verfassers dieser Arbeit stellt dies eine vernünftige Kombination dar, welche die gängigen Aspekte des Utopischen gut zu fassen und abzudecken vermag. Utopien stellen nach Saage „Fiktionen innerweltlicher Gemeinwesen“12 in verdichteter Form von „Wunsch- oder Furchtbild[ern]“13 dar, welche inseparabel mit Sozialkritik verbunden sind. Weiterhin ist die politische Utopie „dechiffrierbar allein aus dem historischen Zusammenhang heraus, innerhalb dessen ihre verschiedenen Varianten entstanden.“14 Gerade letzteren Aspekt greift Schwanke konzis auf. Utopie und utopisches Denken sind historische Phänomene. Utopische Darstellungen sind nach Inhalt und Form variabel, ihre Gestalt und ihre Funktion können sich wandeln. Was sich konkret manifestiert, ist nie ‚die’ Utopie schlechthin, sondern nur ihre jeweilige historische Ausprägung. Die Utopie bleibt immer bezogen auf die gleichzeitig reale Situation, auf die zeitgenössische Denkweisen und stimulierenden Erfahrungen. Utopisches geht stets über die Wirklichkeit hinaus, bleibt aber von ihr abhängig und wandelt sich mit ihr.15

10

11

12 13 14

15

Vgl.: Hans Jörg Sandkühler (Hg.): Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften (hier: Band 4). Hamburg, 1999. S. 678. Vgl.: Gregor Matjan: After Liberalism, oder die Rückkehr des Politischen in der Utopie. Liberale Zukunftsvorstellungen und utopische Herrschaftskritik. S. 75–93. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. Nr. 29, 2000. Vgl.: Charles J. Rooney Jr.: Dreams and Visions. A study of American Utopias. Westport/ London, 1985. S. 19–41. „Angesichts dieser Fülle von Ansätzen und Texten wird deutlich, dass die Aufgabe, eine bindende, allgemein akzeptierte Definition zu finden, selbst auf dem Gebiet der literarischen Utopie als unlösbar angesehen werden muss. Methodisch bleibt also nur die Option, innerhalb einer eingegrenzten Aufgabenstellung einen praktikablen Ansatz zu wählen, der es ermöglicht, konkrete, als zentral erachtete Texte in das Genre einzubeziehen [...].“ Siehe: Dirk Otto: Platon und die politische Utopie. Zum Ursprung und Modellcharakter utopischen Denkens. S. 1–26. In: Monika Neugebauer-Wölk/ Richard Saage (Hg.): Die Politisierung des Utopischen im 18. Jahrhunderts. Tübingen, 1996. S.3. Richard Saage: Das Ende der politischen Utopien? Frankfurt a. M., 1990. S.14. Ebd. Ebd. Zum weiteren Utopienverständnis von Richard Saage: Vgl.: Richard Saage: Utopische Profile: Renaissance und Reformation. Münster, 2001. S. 7–21. Eine interessante Zusammenfassung zur Begrifflichkeit des Utopischen ist zu finden bei: Rolf Schwendter: Utopie. Überlegungen zu einem zeitlosen Begriff. Quelle: http://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/utopie/node3.html. Erstellungsdatum: Juli 1994. Letzter Zugriff am: 02.11.2004. Martin Schwanke: Vom Staatsroman zur Science Fiction. Eine Untersuchung über Geschichte und Funktion der naturwissenschaftlich-technischen Utopie. Stuttgart, 1957. S. 1. Der Philosoph Hermann Bauer ergänzt: „Utopia ist das Ideal des Zoon politikon. Die Utopie ist immer politisch [...].“ Siehe: Hermann Bauer: Kunst und Utopie. Berlin, 1965. S. 26.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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II.2. Morus’ Utopia Entscheidende Prägung erfuhr der Begriff der Utopie durch den Staatsroman „Utopia“16 („De optimo reipublicae statu, deque nova insula Utopia“, 1516) des Sir Thomas Morus. In diesem, in zwei Bücher gegliederten Werk, schildert Morus unter anderem (durch den Erzähler Raphael Hythlodeus) das Leben auf der Insel „Utopia“: Ein autoritär-etatistisches Gemeinwesen, welches das öffentliche und private Leben regelt und dessen einziges Ziel, ohne jeglichen Luxus, der Erhalt der friedlichen Existenz ist, wird vorgestellt. Das Primat der humanistischen Vernunft lenkt und inspiriert die „vita contemplativa“ der Insulaner. „Utopia“ kann, wenn nicht ausschließlich als „Humanistenscherz“ verstanden, auch als Kritik an der in England vorherrschenden Sozialstruktur gedeutet werden. Morus skizziert den sozialen Verfall, bedingt durch eine immer größer naszierende Kluft zwischen Arm und Reich. Essentielles Problem stellt das Privateigentum dar, weshalb Morus ein Modell des gesellschaftlichen Lebens ohne Kapital vorschlägt.17 Es gelingt Morus durch seine neologistische Titelwahl „Utopia“, einen Gattungsbegriff in der Literaturgeschichte zu schaffen. Zahlreiche andere Staatsromane im Stile von Reisedeskriptionen schließen sich in der Renaissance an.18 Zu nennen sind an dieser Stelle vor allem die Werke Francis Bacons („Nova Atlantis“, 1627)19 und Thomas Campanellas („Civitas solis“, 1602)20. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Idee des Utopischen viel weiter in der Vergangenheit wurzelt: Schon Platon (427-347 v. Chr.) entwarf in seinem Dialog „Politeia“ einen von Philosophen regierten Idealstaat.21 Reise- und Inselromane sind im Hellenismus nicht unbekannt. Zu den bekanntesten zählen: „Reise zu den

16 17

18

19 20 21

Thomas Morus: Utopia. Stuttgart, 1964. Das „Historische Wörterbuch der Philosophie“ merkt an, dass Morus’ „Utopia“ ein neues Weltverständnis repräsentiert: „[...] Das vollkommene menschliche Leben [wird] nicht mehr in der christlichen Heilsordnung [...], sondern innerweltlich gesucht [...].“ Siehe: Joachim Ritter/ Karlfried Gründer/ Gottfried Gabriel (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie (hier: Band 11). Basel, 2001. S. 510. Die „Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie“ ergänzt an dieser Stelle, dass die Geschichte des utopischen Denkens eng mit der Geschichte des menschlichen Selbstbewusstseins verknüpft ist. Siehe: Jürgen Mittelstraß: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie (hier: Band 4). Stuttgart/ Weimar, 1996. S. 463. Vgl.: Hermann Krings/ Hans Michael Baumgartner/ Christoph Wild (Hg.): Handbuch philosophischer Grundbegriffe (hier: Band 6). München, 1974. S. 1571. Francis Bacon: Nova Atlantis. Stuttgart, 1982. Tommaso Campanella: Der Sonnenstaat. München, 1998. Vgl.: Hiltrud Gnüg: Utopie und utopischer Roman. Stuttgart, 1999. S. 20–29.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

15

Sonneninseln“ von Jambulos und „Heilige Inschrift“ von Euhemeros.22 Noch weiter zurückgeführt werden kann das Utopische in den Geschichten um das „Goldene Zeitalter“, um chiliastische Heilserwartungen, Mythen oder religiöse Eschatologien: In these stories we generally find a hopeless nostalgia for a time, long in the past, when the gross evils of the real world were absent and an easy contentment marked human life. The harmony there was a natural harmony: simple men with few needs or desires led simple lives in which their needs and desires were easily satisfied. There were neither the complexities nor the anguishes of civilized existence.23

II.3. Das 18. Jahrhundert: Wandel der Intention von Utopien Ein wichtiger Aspekt in der Utopiendeutung ist die Frage nach der Intention und Funktion der literarischen Utopie. Diese verändert sich im 18. Jahrhundert: Obgleich den klassischen Staatsromanen von Morus, Bacon und Campanella an unterschiedlichen Stellen unterstellt wird, sie seien Korrektive und somit Kontrastprogramme zum damaligen Präsens24, tritt erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein tatsächlicher Paradigmenwechsel ein: Die Trennung zwischen „sein“ und „sollen“, das kontemplative Ideal, wird ausgehebelt. Dadurch, dass die utopische Größenordung „Raum“ („topos“) durch den Faktor „Zeit“ („chronos“25) ersetzt wird, sprich die literarischen Reisen der fiktiven Entdecker nicht länger zu isolierten Inseln, sondern ihn zu anderen Zeiten führen, liegt „die Prämisse zugrunde, dass die Utopie zum künftigen ‚Telos’ des

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23

24

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Beide Stücke stammen aus dem dritten Jahrhundert vor Christi Geburt. Glenn Negley und J. Max Patrick untersuchen in Kapitel 14 („Classical Utopias 900 B.C.-200 B.C.“) ihrer Studie „The Quest for Utopia“ antike Utopien. Siehe: Glenn Negley/ J. Max Patrick: The Quest for Utopia. An Anthology of Imaginary Societies. New York, 1952. S. 252–261. George Kateb: Utopias and Utopianism. S. 267–271. In: David L. Sills (Hg.): International Encyclopedia of Social Science (hier: Band 16). o. O., 1968. S. 267. Zur Unterscheidung zwischen Utopie und Eschatologie: Vgl.: Wilhelm Kamlah: Utopie, Eschatologie, Geschichtsteleologie. Kritische Untersuchung zum Ursprung und zum futuristischen Denken der Neuzeit. Mannheim/ Wien/ Zürich, 1969. S. 15–35. Vgl.: Günther List: Chiliastische Utopie. München, 1973. S. 50–77. Vgl.: [-]: Staatslexikon. Recht. Wirtschaft. Gesellschaft (hier: Band 5). Freiburg, 1995. S. 577. „Die klassischen Utopien sind i.d.R. Gesamtentwürfe für eine [...] Gesellschaftsordnung, die ein in kritischer Absicht entwickeltes Kontrastprogramm [...] zu bestehenden Verhältnissen abgeben soll.“ Herfried Münkler spricht von sogenannten „U-chronien“, welche den Platz der Utopien einnehmen. Siehe: Herfried Münkler: Das Ende des Utopiemonopols und die Zukunft des Utopischen. S. 207-214. In: Richard Saage (Hg.): Hat die politische Utopie eine Zukunft? Darmstadt, 1992. S. 212. Vgl.: Hans Esselborn: Vorwort. S. 7-12. In: Hans Esselborn (Hg.): Utopie, Anti-Utopie und Science Fiction im deutschsprachigen Roman des 20. Jahrhunderts. Würzburg, 2003.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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historischen Prozesses erhoben wird. [...] So verändert sich auch der Geltungsanspruch der Utopie.“26 Gab es zuvor keine politische Pragmatik bzw. keinen Anspruch der Verfasser auf Umsetzung der Utopie, sollte diese nun eine „politische Transformationsstrategie“27 darstellen. Schwanke konstatiert, dass die Utopie von „der Darstellung einer Idealstruktur über viele Zwischenstufen und Mischformen zum ‚Leitbild des Handelns’ und schließlich zur prognostischen Orientierung geworden“28 ist. Die erste Zeit-Utopie stellt Louis-Sébastien Merciers „L´An deux mille quatre cent quarante. Rêve s´il en fut jamais“ aus dem Jahr 1771 dar.29 In Merciers Roman wacht der Erzähler nach einem tiefen Schlaf im stark veränderten Paris des Jahres 2440 auf. Mercier scheint den Faktor Zeit als geschichtsbildende Kraft zu begreifen: Er nimmt „den Fortschrittsgedanken in die epische Struktur selbst hinein.“30 In der heutigen Rezeption wird das Werk als ambivalent betrachtet; die Literaturwissenschaftlerin Hildegrad Gnüg zieht folgendes Fazit: „[Merciers] Utopie ist zwar der Struktur nach kinetisch, zukunftsbezogen [...], doch sie bleibt in ihrem inhaltlichen Entwurf [...] noch hinter den Denkmöglichkeiten der Zeit zurück.“31 Die Intention, Utopien umzusetzen, sollte jedoch erst im nächsten Jahrhundert ihren eigentlichen Klimax finden.

II.4. Das 19. Jahrhundert: Frühsozialismus und Fortschrittsglaube Schriftsteller wie Comte de Saint-Simon (1760-1825), Charles Fourier (1772-1856), Robert Owen (1771-1858), Étienne Cabet (1788-1856) oder Edward Bellamy32 (18501889) waren es, welche im 19. Jahrhundert die Prozesse der Industrialisierung als globalhistorische Herausforderung deuteten.33

26 27 28 29 30 31 32

33

Saage, 1990, S. 18. Ebd. Schanke, 1975, S. 2. Louis-Sébastien Mercier: L´An deux mille quatre cent quarante. Rêve s´il en fut jamais. Paris, 1977. Gnüg, 1999, S. 119. Ebd., S. 126. Edward James, der Mitherausgeber des „Cambridge Companion to Science Fiction“ bezeichnet Bellamys Utopie „Looking Backward: 2000 - 1887“ als einflussreichste US-Utopie. Siehe: Edward James: Utopias and anti-utopias. S. 219–230. In: Edward James/Farah Mendlesohn (Hg.): The Cambridge Companion to Science Fiction. Cambridge, 2003. S. 223. Vgl.: Robert Eccleshall/ Vincent Geoghegan/ Richard Jay, u.a. (Hg.): Political Ideologies. An introduction. London, Melbourne, Sydney, u.a., 1984. S. 127–135.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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Die teils vor und teils zeitlich parallel zu Marx’ Wirken entstandenen sozialistischen und sozialreformerischen Ideen sind unter der Bezeichnung „Frühsozialismus“ (in der marxistischen

Forschungsliteratur/

Terminologie:

„vorwissenschaftlicher“

bzw.

„utopischer Sozialismus“) in die wissenschaftliche Diskussion eingegangen. Sie bilden ein Konglomerat an philosophischen, religiös-schwärmerischen und ökonomischpolitischen Vorstellungen und Visionen. Hauptsächlich tritt dieser Frühsozialismus – beeinflusst von aufklärerischen Ideen einer allgemeinen Weltverbesserung – in Frankreich auf.34 Der Begriff „Utopie“ wird zu diesem Zeitpunkt ein politischer Kampfbegriff. Liberale und Sozialisten beziehungsweise deren Programme werden von konservativer Seite als utopisch, sprich unrealisierbar und träumerisch verdächtigt. Umgekehrt bezichtigen linksgerichtete Kräfte den Konservatismus einer restaurativ-utopischen Diskriminierung.35 Der

frühsozialistische

oder

bolschewistische,

oft

auch

uneinheitliche

Utopiediskurs wurde von Marx und Engels heftig kritisiert. Der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit stand im Raum: Angeblich verstünden die frühsozialistischen Utopisten nicht die Rolle des industriellen Proletariats bei der gesellschaftlichen Umwälzung, außerdem durchschauten die Schriftsteller nicht die kapitalistische Gesellschaft, was zu verzerrten Gegenentwürfen in Form von literarischen Utopien führe.36 Grundlage für den marxistischen, „wissenschaftlichen“ Sozialismus, der den utopischen ablösen sollte, war die materialistische Geschichtsauffassung, und die dialektische Analyse der Gesellschaft.37 Tatsächlich versuchten Owen sowie Fourier und Cabet, utopische Gemeinden zu installieren. Die Umsetzungsversuche der theoretischen Ideale in Form von verschiedenen Siedlungen und Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten von Amerika scheiterten allerdings.38

34

35

36 37 38

Vgl.: Winfried Schröder: Utopischer Sozialismus und Kommunismus. S. 17–48. In: Manfred Hahn (Hg.): Vormarxistischer Sozialismus. Frankfurt a. M., 1974. S. 24–45. Vgl.: Hans Girsberger: Der utopische Sozialismus des 18. Jh. in Frankreich. Wiesbaden, 2. Aufl., 1973. S. 1–23. Vgl.: Lucian Hölscher: Der Begriff der Utopie als historische Kategorie. S. 402–419. In: Wilhelm Voßkamp: Utopienforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie (hier: Band 1). Stuttgart, 1982, S. 405f. Vgl.: Saage, 1990, S. 20. Vgl.: Bhiku Parekh (Hg.): The Concept of Sozialism. London, 1975. S. 27–30. Als Einführung zu dem Thema „Utopische Siedlungsversuche“ geeignet: Mark Holloway: Heavens on Earth: Utopian Communities in America. 1680-1880. New York, 1966. Peyton Richter: Utopias. Social Ideals and Communal Experiments. Boston, 1971. S. 87-167.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

18

Neben geschilderten frühsozialistischen Visionen bestimmte noch ein anderes Sujet parallel,

sich

manchmal

verzahnend

und

überscheidend

die

utopische

Literaturlandschaft: Das 19. Jahrhundert war gekennzeichnet von einem enormen Handels-, Industrie- und Verkehrswachstum. Aber auch die technischen sowie wissenschaftlichen Neuerungen und Möglichkeiten erfuhren diesen Innovationsschub.39 Damit eng verknüpft waren Hoffnungen von Autoren wie H.G. Wells40 oder Alexander Bogdanov41 auf eine allgemeine Verbesserung bzw. Erleichterung des menschlichen Daseins.42 Der Autor H.G. Wells war eine herausragende Persönlichkeit seiner Zeit. Sein Gesamtwerk umfasst etwa hundert Bände, von theoretischen Schriften zu Biologie, Zeitgeschichte, Politik und Philosophie bis hin zu den Romanen und Erzählungen, die seinen Weltruhm begründeten. Das Grundmotiv H.G. Wells´ Denkens war stets die Frage „Wozu wird das führen?“ Sein gesamtes literarisches Werk unterstreicht die bedeutsame Rolle, die die Prognostik in der modernen Utopie künftig spielen sollte. Leistungen von Naturwissenschaft und Technik sollten von nun an Verbeziehungsweise Misstrauen bezüglich zukünftiger Entwicklungen prägen. Der Wells´sche Umbruch bewirkt eine Art Entpolitisierung der alten Staatsromane. Interessanterweise gaben Samjatin, Orwell und Huxley, die drei großen Dystopiker des 20. Jahrhunderts, an, mit ihren Werken in gewisser Weise auf Wells´ Schriften zu antworten.43 H.G. Wells sah die einzige Überlebenschance der Menschheit in der Gründung eines Weltstaates. Er war ein Verfechter der Idee der Vereinten Nationen, war deren erster Generalsekretär und unterstützte zuvor die Idee des Völkerbundes. Zu seinen bekanntesten Werken zählen: „The Time Machine“ (1895)44, „The Island of Dr. Moreau“ (1896)45 und „The War of the Worlds“ (1889)46. Besonders bedeutsam

39

40

41

42 43 44 45 46

Vgl.: Helmut Jenkis: Sozialutopie – barbarische Glücksverheißung? Zur Geistesgeschichte der Idee von der vollkommenen Gesellschaft. Berlin, 1992. S. 42. Krishan Kumar zur enormen Bedeutung H.G. Wells für die literarische Utopie: „If utopia remained alive in the first half of the 20th century, it did so largely through the powerful presence of H.G. Wells.“ Siehe: Krishan Kumar: Utopia and Anti-Utopia in the Twentieth Century. S. 251–268. In: Roland Schaer/ Gregory Claeys/ Lyman Tower Sargent (Hg.): Utopia. The Search for the Ideal Society in the Western World. New York/ Oxford. 2000. S. 255. Der Philosoph und Arzt Bogdanov stellt in seinem Roman „Der rote Planet“ der irdischen Gesellschaft die technisch-weiterentwickelte Gesellschaft des Planeten Mars gegenüber. Alexander Bogdanov: Der rote Planet. Berlin, 1984 Vgl.: Richard Saage: Politische Utopien der Neuzeit. Darmstadt, 1991. S. 264. Vgl.: Kumar, 1999, 255. Herbert George Wells: Die Zeitmaschine. München, 1996. Herbert George Wells: Die Insel des Dr. Moreau. Wien, 2000. Herbert George Wells: Krieg der Welten. Frankfurt a. M., 1995.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

19

erscheint „The Shape of Things to Come“47. Die pessimistische Zukunftsvision vom Rückfall in die Barbarei erscheint im Jahr der Machtergreifung Hitlers 1933.

II.5. Das 20. Jahrhundert: Dominanz der Dystopie Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schlug die Stimmung um: Dystopien oder „Schwarze Utopien“ wurden die dominante Variante der Utopie. Die Gründe für das nun vermehrte Auftreten von Anti-Utopien (oder Negativ-Utopien) sind verschiedener Natur.48 Richard Saage argumentiert, dass sich das 20. Jahrhundert mit einer Krise des Fortschrittdenkens konfrontiert sah. Das Verhältnis von Mensch und Maschine änderte sich. Weiterhin, so Saage, hätte die Ausweitung des (technisch/ wissenschaftlich) Machbaren keine parallele Ausweitung des Verantwortungssinnes des Menschen mit sich gebracht.49 Gegen Ende des 19. Jh. werden [...] Stimmen laut, welche vor den [...] Gefahren der [...] Entwicklung in Richtung ‚Wachstum’, ‚Fortschritt’ und ‚Ausbeutung der Natur’ warnen. [...] Es werden [...] oppositionelle Strategien und Zielsetzungen propagiert, mittels derer ‚Selbstbestimmung und Gerechtigkeit in einem industrialisierten Zeitalter bewahrt werden’ sollen. Diese Entwicklung hat eine besondere Veränderung der literarischen Utopie zur Folge, wobei es zur Herausbildung der [...] ‚Dystopie’ [...] kommt [...]. Diese Werke sind unter anderem darum bemüht, den Missbrauch und die Perversion von Technologie sowie die daraus resultierenden katastrophalen Folgen in extrapolierter Weise vor Augen zu führen.50 Auch andere Autoren argumentieren ähnlich. Helmut Swoboda sieht durch die Skepsis im

20.

Jahrhundert

das

Weltbild

der

Aufklärung,

das

heißt

Anagenese,

Bildungsfähigkeit und gute Anlagen des Menschen, zerstört.51 Entscheidenden Einfluss auf die Dystopie hatten die Weltwirtschaftskrise der 1920er-Jahre, das Aufkommen von 47 48

49

50

Herbert George Wells: Von kommenden Dingen. München, 2005. Eine gelungene Zusammenfassung des Dystopie-Diskurses ist zu finden bei: Tom Moylan: Scraps of the untained Sky. Science Fiction, Utopia, Dystopia. Boulder/ Cumnor Hill, 2000. S. 111–203. Vgl.: Saage, 1991, S. 265–268. Der polnische Autor Stanislaw Lem bemerkte dazu: „Man kann das blinde Wirken der natürlichen Evolution kritisieren, doch die atemberaubenden Meisterschaft ihrer Lösungen ist Rechtfertigung genug. Man kann die Unvollkommenheit der Technologie kritisieren, doch diese entwickelt sich schneller als jemals zuvor, [...] lernt aus ihren Fehlern. Am schlechtesten schneidet in diesem Vergleich der menschliche Intellekt ab, und insbesondere der kollektive (Un-)Verstand, von dem sich Gemeinschaften, Völker, Konsumentengruppen usw. leiten lassen.“ Siehe: Stanislaw Lem: Die Technologiefalle. Frankfurt a. M., 2002. S. 15. Frank Veddermann: Von der ambivalenten Utopie zur utopischen Ambivalenz. auf dem Wege zur „kritischkonstruktiven Dystopie“. Diss., Fakultät für Philologie, Ruhr Universität Bochum, o. J., S. 7f.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

20

Faschismus und Bolschewismus (und später: Stalinismus) sowie die beiden Weltkriege.52 Das Verhältnis Utopie zu Anti-Utopie verdient besondere Aufmerksamkeit. Der Autor Stephan Meyer analysiert diese Beziehung exzellent und soll an dieser Stelle ausführlich zitiert werden: Grundmerkmal anti-utopischen Denkens ist ein sich jeweils mehr oder weniger stark artikulierendes Unbehagen am Utopischen, das fein nuanciert von utopiekritischen bis zu den Utopie schlechthin negierenden, im eigentlichen Sinne „gegenutopischen“ Haltungen schwankt. Dabei zeigt sich im Kern, dass die Anti-Utopik nicht im ureigensten Sinne „utopiefeindlich“ ist. Gerade die „Negation des Negativen“, die ja auch als Folie jeder Utopie gilt, motiviert auch AntiUtopisten zu ihren Werken. In ihrem unmittelbaren Bezug auf die utopische Tradition kann die anti-utopische Kritik deutlich machen, dass utopisches Denken nicht schon selbstverständlich auf Humanität zielt (obwohl sowohl der auslösende Impuls als auch der Zielpunkt hauptsächlich die Verbesserung menschlicher Verhältnisse und die Formulierung eines paradigmatischen Guten ist), sondern dass der zweckrationale und auf dem Primat des Gemeinwohls bedachte subjektfeindliche Funktionalismus von Utopien zu einer strikten Normierung und strengen Affektregulierung des einzelnen führen muss. Anti-Utopien sind also ein mit utopischen Mitteln arbeitendes Regulativ, ein „Falsifikationsmodell“ utopisch formulierter totaler Idealstaatsplanung. Somit sind die einzelnen Anti-Utopien immer zugleich auch ein Stück Rezeptionsgeschichte des utopischen Denkens.53 Der Autor Krishan Kumar führt weiter aus, dass Utopie und Anti-Utopie sich nicht symmetrisch oder gar sich gleichauf gegenüber stehen. Die Anti-Utopie bewertet er als Reaktion auf die Utopie. „Utopia is the original and anti-utopia is the copy […].”54 Der

51 52

53

54

Helmut Swoboda: Utopia. Geschichte der Sehnsucht nach einer besseren Welt. Wien, 1972. S. 46f. Die „Theologische Realenzyklopädie“ merkt dazu an: „Die utopische Projektion der gesellschaftlichen Wirklichkeit erscheint als Menetekel der in der Gegenwart angelegten Entwicklungstendenzen. Das für das 20. Jh. vorherrschende Verständnis des Utopischen als [...] Dimension gesellschaftskritischen Denkens bedingt im Gegensatz zum ursprünglichen [...] klassischen Begriff der Utopie eine gewisse Vagheit, [...] und Fragwürdigkeit.“ Siehe: Gerhard Müller (Hg.): Theologische Realenzyklopädie (hier: Band 14). Berlin/ New York, 2002. S. 471f. Die Autorin Roswitha M. Jauk sieht im Aufkommen des Anti-Utopischen eine Stufe der „Selbstreferentialität und –reflexion der Gattung [literarische Utopie] erreicht.“ Siehe: Roswitha M. Jauk: Längeres Gedankenspiel und Dystopie. Die Mondfiktion in Arno Schmidts Roman KAFF auch Mare Crisium. Erlangen/ Jena, 2000. S. 78. Stephan Meyer: Die anti-utopische Tradition. Eine ideen- und problemgeschichtliche Darstellung. Frankfurt a. M., 2001. S. 11. Krishan Kumar: Utopia & Anti-Utopia in Modern Times. Oxford/ New York, 1987. S. 100. “Utopias and anti-Utopias reflect the great debate of our time – how to reconcile direction with freedom, free enterprise with a planned society.” Siehe: Eugen Weber: The Anti-Utopia of the Twentieth Century. S. 81-91. In: George Kateb (Hg.): Utopia. New York, 1971. S. 83.


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21

Autor Chad Walsch ergänzt: „When I say that Utopia has failed, I mean simply that the 20th century has cruelly disappointed the expectations of the 19th century. When I say that Utopia has succeeded, I mean that many things that seemed utopian a century ago have come to pass – but the result is not utopian.”55 Eine der psychologischen Hauptstrategien der Anti-Utopik besteht darin, einstmals

utopische

Ideale

umzudeuten

und

die

verheißungsvollen

Zukunftsvorstellungen in anderem Licht wiederzugeben.56 Das Ursprungsdilemma der Utopie beschreibt der Autor John Carey: „This is the dilemma that confronts all utopian projects. They aim at a new world, but must destroy the old.”57 Die Kritik der AntiUtopie an der Utopie beziehungsweise deren Anachronismus bezieht sich auf die Spannung zwischen dem allmächtigen Staat und dem ohnmächtigen Individuum. Konträr stehen sich der Staat mit seinem Ethik- und Moralmonopol und das Individuum „als Träger eines autonomen Gewissens [...] unversöhnlich gegenüber.“58 Lyman

Sargent

beschreibt

Utopien

als

Gegenbild

eines

Jahrmarkt-

Spiegelkabinetts. Diesem ist es möglich, ein erfreuliches, aber auch ein erschreckendes Abbild der Realität dem Betrachter zuzuwerfen.59 Menschen in ihrer Funktion als Leser, der eigenen Subjektivität unterworfen, können Utopien dystopisch oder sogar Dystopien utopisch bzw. eutopisch deuten bzw. erfahren.60 Oft sehen Anti-Utopien die (höllische) Zukunft schon verwirklicht, während Utopien erst ihren Blick weit ins Kommende schweifen lassen: Dabei wird klar, dass Anti-Utopisten gerade in der Suche und Verwirklichung des Utopischen die eigentliche Gefahr sehen. Der Kernsatz dieses Denkens könnte lauten: „All utopias [...] express the tyranny of the idea. However noble their aims, they must by their very principle crush the individual human will and abolish freedom.“61

55

56

57 58

59

60

61

Chad Walsch: From Utopia to Nightmare. Fakenham, 1962. S. 117. Dazu auch: Breyten Breytenbach: Es gibt keinen Fortschritt. In: Die Zeit, Nr. 50, 02. Dezember 2004. S. 43. Vgl.: Audun J. Mørch: The Novelistic Approach to the Utopian Question. Platonov's Ceoengur in the Light of Dostoevskij's Anti-Utopian Legacy. Oslo, 1996. S. 17. John Carey: The Faber Book of Utopias. London, 1999. S. 11. Friedemann Richert: Der endlose Weg der Utopie. Eine kritische Untersuchung zur Geschichte, Konzeption und Zukunftsperspektive utopischen Denkens. Darmstadt, 2001. S. 125. Vgl.: Lyman Tower Sargent: Utopian literature in the United States 1990-2000. S. 207-217. In: Verheul Jaap: Dreams of Paradise, Visions of Apokalpse. Utopia and Dystopia in American Culture. Amsterdam, 2004. S. 217. Vgl.: M. Keith Booker: The Dystopian Impulse in Modern Literature. Fiction as Social Criticism. Westport/London, 1994. S. 15. Kumar, 1987, S. 119. Auch der Autor Thomas Nöske warnt vor allem vor „untergeschobenen“ Ideen seitens des Staates, welche zu Dystopien entarten können.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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Die drei bekanntesten Dystopien des 20. Jahrhunderts sind „Wir“ (1920) von Jewgenij Samjatin, „Brave New World“ (1932) von Aldous Huxley und „1984“ (1949) von George Orwell. Besonders zu letzterem Titel gibt es eine enorme Bandbreite an Publikationen.62 Samjatins „Wir“ schildert die Geschichte einer gescheiterten Insubordination. Der Konstrukteur D-503 (persönliche Namen gehören in „Wir“ der Vergangenheit an) lebt im „Einzigen Staat“ im 26. Jahrhundert. D-503 ist ein gefügiger Staatsbürger, der sein konformistisches, technisch-mathematisches Leben nicht hinterfragt. Erst I-330, eine Konspirantin, weckt in D-503 den Individualismus und Widerstandsgeist. Per Gehirnoperation allerdings wird dieser gegen Ende des Romans vollständig ausgelöscht. D-503 reiht sich wieder in die gesichtslose, total kontrollierte und zugleich kontrollierbare Menschenmasse ein. Der russische Philologe Alexej Swerew merkt an, dass Samjatin als der Schriftsteller gilt, der „frühzeitig die Merkmale der totalitären Lebensordnung erkannten, die auf verschiedenen Breitengraden Realität werden sollten.“63 Gemeinhin wird angenommen, dass Huxley „Wir“ nicht kannte, als er seine „Brave New World“ erarbeitete.64 Huxleys Roman spielt in dem fiktiven Jahr „632 nach Ford“ angesiedelt (die Zeitrechung wird nach dem ersten Auto-Modell Henry Fords berechnet) und kann als ökonomische Negativ-Utopie bezeichnet werden. Beschrieben wird eine Welt, welche sich vor allem durch absolute und perfekte Wirtschaftlichkeit auszeichnet. Das Wohl dieser Gesellschaft ruht auf drei Säulen: wirtschaftliche Prosperität (Henry Ford), Gemeindenken (Karl Marx) und Wissenschaftsgläubigkeit (Sigmund Freud), deren positive Beiträge zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und bewusstseinsmässigen Fortschritt der Menschen pervertiert werden: Es herrscht Individualität ausmerzende Oligarchie. Konsum ist die Handlungsmaxime; sexuelle Massenstimulierung sowie die staatlich-gelenkte Verteilung von Drogen ergänzen sich zu einem perfekten Kontrollmechanismus. In diese schöne neue Welt platzt jedoch ein Besucher aus einem Wildreservoir fern der Metropolen. Der „Wilde“ Michel wuchs

62

63

64

Siehe: Thomas Nöske: Clockwork Orwell. Über die Wirklichkeit negativ-utopischer Science Fiction. Bochum, 1997. S. 78–104. „Es [„1984“] ist [...] weltweit zum meistzitiertesten Zukunftsroman aller Zeiten geworden.“ Siehe: Karl Dietrich Bracher: Die totalitäre Utopie: Orwells 1984. S. 3–17. In: Geschichte und Gegenwart. 3. Jahrgang, Nr. 1, März 1984. S. 3. Alexej Swerew: Antiutopie. 20. Jahrhundert. S. 97-119. In: Gesellschaftswissenschaften, Nr. 2, 1990. S. 103. Vgl.: C. Bode: Aldous Huxley: Brave New World. München, 1985. S. 51.


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unter für Stadtbewohner völlig absurden Umständen auf: In seiner Figur kulminieren die Konflikte aus dem Zusammenprall von zwei verschiedenen Welten und Wertesystemen. Michel zerbricht schließlich an diesem Antagonismus und wählt den Freitod.65 Die populärste wie einflussreichste Anti-Utopie dürfte jedoch „1984“ von George Orwell sein. Orwells Romanprotagonist Winston Smith lebt im Jahre 1984 in England, einem Teil des Megastaates Ozeanien. Ozeanien befindet sich seit 25 Jahren in Dauerkrieg mit den beiden anderen Großstaaten Eurasien und Ostasien. In England (das mittlerweile die Bezeichnung „Airstrip One“ trägt) herrscht der sogenannte „oligarchische Kollektivismus“: Alle freiheitlich-demokratischen Rechte wurden abgeschafft. Eine winzige Führungsriege, die Spitze der einzigen dominanten Partei, sichert

ihre

Macht

durch

einen

lückenlosen

Unterdrückungs-

und

Überwachungsapparat. In diesem Klima der Angst und Tristesse entwickelt das niedere Parteimitglied Winston Smith einen eigenen Willen. Er beginnt, ein Tagebuch zu verfassen (was ein sogenanntes „Gedanken-Delikt“ darstellt66) und geht eine Liebesbeziehung ein. Er möchte weiterhin Kontakt zu einer sagenumwogenen Widerstandgruppe schließen. Doch die Staatsmacht handelt: Smith und seine Geliebte Julia werden festgenommen, inquiriert und gefoltert – am Ende steht für beide das Dasein als zerstörte, identitätslose Hüllen. Orwell schildert „die Aushöhlung unserer Sprache durch die Phrase, die Reduzierung auf die bloße Matrize einer ideologischen und technischen Uniformität sowie die schizophrene Doppelzüngigkeit einer Epoche, der Zynismus und Lüge als psychologisches Machtmittel dienen.“67 Orwell orientiert sich in seinem Werk an den Phänomenen des Stalinismus und des Nationalsozialismus. „1984“ sollte laut Orwell aber auch eine Warnung davor sein, welche machtpolitischen Exzesse in England möglich wären im Zuge des Kampfes

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Huxley selbst untersucht in seinem „Wiedersehen mit der Schönen Neuen Welt“, inwiefern seine schriftstellerischen Visionen Wirklichkeit wurden. Er stellt dabei fest, viele gesellschaftliche Abläufe habe er sich in dieser entwicklungstechnischen Geschwindigkeit nicht vorstellen können. Siehe: Aldous Huxley: Wiedersehen mit der Schönen Neuen Welt. München, 1987. Der Autor Hans-Joachim Lang fasst zusammen: „Menschen, die denken können sind per definitionem [Hervorhebung im Original] schuldig. [...] Es gibt [...] Verbrechen ohne Tat; Gedankensünden sind die schlimmsten.“ Siehe: Hans-Joachim Lang: 1984 und Orwells Nineteen Eighty-Four. Anmerkungen zur Literatur, zum Totalitarismus und zur Technik. S. 3–13. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 7. Januar 1984. S. 7. Franz Baumer: Paradiese der Zukunft. München/ Wien, 1967. S. 285.


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gegen den verhassten Stalinismus.68 Orwells „1984“ kann als politische Aufforderung gelesen werden, den Anfängen von totalitaristischen Tendenzen zu wehren.69 Powered by the horrors of two world wars, the grisly excesses of totalitarian regimes in Nazi Germany and Stalinist Russia, and the specter of global nuclear holocaust, ‚negative’ texts […] have been far more prominent in modern literature than the positive utopias of earlier centuries.70

Im

Folgenden

sollen

die

traditionellen

anit-utopischen

Themen

Technik,

Geschlechterbeziehung und Herrschaft anhand der drei großen Anti-Utopien erläutert werden, um die Funktionsweise dystopischer Literatur darzustellen. Zentrale Elemente der literarischen Dystopien sind in den älteren positivintendierten Staatsromanen angelegt und enthalten.71 Negativ-Utopien zielen nun jedoch reversiv auf das Verhältnis von Gesellschaft bzw. Kollektiv und Individuum. Während früher eine Art der Versöhnung zwischen den beiden Polen festzustellen war, wird das Individuum nun bedrängt, verfolgt und ausgelöscht. In Bacons „Nova Atlantis“ wurde davon ausgegangen, dass Technik als emanzipatorisches Mittel zur Abschaffung von Armut und Unbildung führt.72 Bacons Schrift strotzt nur so vor Technik-Euphorie und der Autor selbst kann durchaus als Urvater der heutigen Science Fiction gedeutet werden. Doch diese Idee degeneriert: Technik wird zu einem Herrschaftsinstrument. Arbeit selbst wird oft eindimensional:

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Vgl.: Booker, 1994. S. 69. Booker verweist an dieser Stelle auch auf die Gemeinsamkeiten von „1984” und „It can´t happen here“ (1935) von Sinclair Lewis. Lewis schildert ein totalitaristisches Amerika, fanatisch geeint im Kampf gegen die Sowjetunion. Folgender Romanauszug soll veranschaulichen, welche Stimmung Lewis in seinem fiktiven Amerika kreiert. Die Romanfigur Francis Tasbrough schildert ihren politischen Unmut: „Inzwischen teilen die jüdischen Kommunisten und die jüdischen Bankiers untereinander die Herrschaft über dieses Land auf.“ Siehe: Sinclair Lewis: Das ist bei uns nicht möglich. Leipzig/ Weimar, 1992. S. 21. Gerade das „Jubiläumsjahr“ 1984 brachte eine Fülle von Neuerscheinungen zu Orwell und „1984“. Exemplarisch soll an dieser Stelle genannt werden: Werner Meyer-Larsen: 1984 – Industrialismus und Diktatur. Orwell, Huxley und das wahre Leben. S. 28– 66. In: Werner Meyer-Larsen (Hg.): Der Orwell-Staat 1984. Reinbek, 1984. Booker, 1994, S. 17. Vgl.: Richard Saage: Utopienforschung. Eine Bilanz. Darmstadt, 1997. S. 89. „...technological advances well illustrated Bacon´s dictum ´that knowledge is power` by providing concrete demonstrations of the amazing capabilities of the human mind to understand, dominate, and control nature – but these same advances were dominating and controlling people as well.” Siehe:. Booker, 1994, S. 6.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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durch Zwang abgerichtete, entrechtete Menschen werden zu Teilen einer gigantischen Maschine.73 Aufschlussreich ist auch der Faktor der Geschlechterbeziehung innerhalb dystopischer Werke. Während Huxley und Samjatin zügellose Promiskuität, mithin Sex ohne Emotionen beschreiben, konstruiert Orwell die Familie als zweckgebundene Institution: Zum einen soll für Nachwuchs für den allmächtigen Staat gesorgt werden, zum anderen dient die Familie als kleinstes, internes Spitzelnetzwerk zur gegenseitigen Überwachung der Familienmitglieder. Saage erkennt dahinter ein System: Der eigentliche gesellschaftliche Zusammenhalt [...] wurde dadurch gestiftet, dass [...] für eine optimale Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse gesorgt wird. In den schwarzen Utopien hingegen reduzieren sich die Mittel zur Herstellung gesellschaftlicher Stabilität auf nichts anderes als auf die verschiedenen technischen Varianten der Manipulation oder des offenen Terrors [...].74 Die staatstragende Schicht dient – in Abgrenzung zu den ersten Generationen von Utopien – nicht länger dem Allgemeinwohl der Gemeinde, viel mehr ist diese an der Machterhaltung zum Selbstzweck mit allen Mitteln interessiert. Doch über diese Differenzen hinaus existieren auch Ähnlichkeiten. Trotz der Schilderung von ausweglosen, tristen Welten, glaubt Swoboda, dass Utopien und AntiUtopien in ihrer Intention in dieselbe Richtung zielen: Der Utopist von einst sagte: Sieh, wie schön die Welt sein könnte – und unternimm etwas, damit sie so wird. Der Utopist von heute sagt: Sieh, wie schrecklich die Welt sein könnte – und unternimm etwas, damit sie nicht so wird. In beiden Fällen aber heißt das: Sei für das Bessere, für das Gerechtere.75 Saage gibt weiterhin zu bedenken, dass die Lesart dieser Dystopien auch sein könnte: Der Manipulation des Menschen durch den totalitaristischen Staat sind Grenzen gesetzt. Samjatin, Huxley und Orwell wollen hauptsächlich eine Vermeidung

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74 75

Vgl.: Peter Nitschke: Staatsräson kontra Utopie. Von Thomas Müntzer bis Friedrich II. von Preußen. Stuttgart/ Weimar, 1995. S. 283. Vgl.: Gerhard Friedrich: Utopie und Reich Gottes. Zur Motivation politischen Verhaltens. Göttingen, 1974. S. 73–76. Saage, 1991, S. 285. Swododa, 1972, S. 47f. Die selbe Ansicht vertritt auch der Kulturhistoriker Francis Golffing. Utopien und Dystopien zielen beide auf den besseren Menschen. Siehe: Francis Golffing/ Barbara Gibbs: Possibility. An Essay in Utopian Vision. New York, 1991. S. 15.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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propagieren – alleine zu diesem Zweck wird eine schreckliche, alternative Realität entworfen.76 Oft regten Utopien an, durch die Abschaffung von Privateigentum eine egalitäre Verteilung von Besitz zu erzeugen. Die Orwell´sche Umdeutung dieser Idee führt zu Besitzhäufung bei der Parteioligarchie. Künstlich kreiert die Staatsführung Mangel, um durch kleine Gefälligkeiten Loyalität zu erzeugen.77 Utopische Entwürfe sollten sich im 20. Jahrhundert – abseits von Samjatin, Huxley oder Orwell – weiter entwickeln. Zwar war die Personifizierung des Bösen in der Person Adolf Hitlers 1945 in der Katastrophe, die er selbst eingeleitet hatte, umgekommen, aber die Detonationen von Atombomben über Hiroshima und Nagasaki hatten neue Ängste ausgelöst. Der Kalte Krieg, die martialischen Auseinandersetzungen zwischen Nord- und Südkorea von 1950 bis 1953 oder die Kubakrise im Jahre 1962 machten die Furcht vor einem Dritten Weltkrieg zu einem bestimmendem Thema der Utopieliteratur. Like the antiutopias of Zamiatin, Huxley, and Orwell, twentieh-century utopias are criticisms of a civilization in which human purposes are blunted or thwarted by the social arrangements that should serve them.78 Saage betitelt die Utopien-Generation nach Orwells „1984” mit dem Begriff „postmateriell”. Diese Utopien seien auf den ersten Blick der klassischen Utopientradition verhaftet. Allerdings habe die postmaterielle Utopie den Anspruch verloren, der Mensch sei durch Aufklärung zu kommutieren.79 Ralph Porzik analysiert: Zweifellos hat sich die literarische Gattung der Utopie im Zuge der durch die postmoderne [...] Theoriebildung ausgelöste Veränderung schon vor längerer Zeit einem offeneren Formenbegriff zugewandt. Dies zeigt das breite Spektrum utopischer und dystopischer Romane aus den 70er und frühen 80er Jahren [...]. An die Stelle geschlossener Erzählungen, die auf eine mehr oder weniger einheitlich, positiv oder negativ gestaltete Zukunftsvision abheben, sind plurale und hybride Textbildungsverfahren getreten, die totalisierende Gesellschaftsentwürfe ebenso in Frage stellen wie deren dystopische Sekundärformen [...]. 80 Abgesehen von der Angst vor einem globalen Nuklearkrieg beschäftigen sich Utopien mit Themen wie etwa Umweltdevastation, der Einfluss der Marktwirtschaft oder 76 77

78 79 80

Vgl.: Saage, 1991, S. 290–292. Bern-Peter Lange: Orwell und die Utopie. S. 195-209. In: Germanisch-romanische Monatsschrift. Band 36. Heft 2. 1986. S. 198. Elisabeth Hansot: Perfection and Progress: Two Modes of Utopian Thought. Cambridge, 1974. S. 197. Vgl.: Saage, 1991, S. 297–299. Ralph Pordzik: Utopischer und post-utopischer Diskurs. S. 9–27. In: Ralph Pordzik/ Hans Ulrich Seeber: Utopie und Dystopie in den neuen englischen Literaturen. Heidelberg, 2002. S. 19f.


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Geschlechterfragen81. Vertreter dieser neuen Utopierichtung sind etwa Burrhus Frederic Skinner82, Ernest Callenbach83, Ursula Le Guin84 und Margaret Atwood85 sowie Huxleys „Island“ von 198486. Saage entdeckt eine Reihe von Gemeinsamkeiten der Werke dieses neuen Utopietypus’. Er stellt fest, dass säkularisierte Vernunft alleine oftmals nicht in der Lage ist, Konsens zu stiften. Ein Rückgriff auf Religion ist die Folge. Auch nimmt die Ökologie einen zentralen Stellenwert ein. Ein Naturalisierung der Utopie ist zu beobachten.87 In diesen Entwürfen ist das gute Leben ist in kleinen, ländlichen Verbänden gesichert. Das könnte den Zerfall und das Ende der Nationalstaaten bedeuten. Eine gebremste Ökonomie hat Vorrang vor ungezügeltem Wirtschaftswachstum88: Dezentralisierung erscheint als geeignetes Mittel. Während Technik und Natur in Einklang stehen, werden auch die Grenzen zwischen Arbeit und Muse verwischt – ebenso scheint es obsolet, zwischen Privatsphäre und Arbeitsalltag zu trennen.89 Damit ist ein Trend zur Rückkehr zu RaumUtopien zu beobachten.90

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89

90

Ein interessanter Überblick zu feministischen Utopien findet man bei: Gudrun Hauer: Schöne neue Frauenwelten? Feministische Utopien in der Literatur des 20. Jahrhunderts. S. 59–73. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. Nr. 29, 2000. Skinner veröffentlichte bereits drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs seinen Roman „Walden Two“. Er beschreibt eine kleine, in den USA angesiedelte Gemeinde, deren Leben durch SozialbehaviourismusTechniken entscheidend geprägt ist. Ernest Callenbachs „Ecotopia“ von 1975 ist die bekannteste Okö-Utopie. Hauptthema ist das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. 1974 erschien Le Guins einflussreicher Roman „The Dispossessed“. Er portraitiert verschiedene Gesellschaften in einer fernen Zukunft: dem Planeten Erde wird ein anarchistischer Planet gegenübergestellt. Le Guin gehört zu den bekanntesten Science Fiction-Autorinnen der Gegenwart. 1972 erschien außerdem „The Word for World is Forest“ – eine Mischung von Ökologie und Feminismus. Atwood ist eine der populärsten kanadischen Schriftstellerinnen. 1985 erschien ihr Roman „The Handmaid´s Tail“. Er beschäftigt sich mit einem fiktiven Staatsstreich fundamentalistischer Christen und die Rolle von Frauen nach diesem Umsturz. Aldous Huxley beschreibt eine friedliche, jedoch durch Invasion des kriegerischen Nachbarstaates dem Untergang geweihte Inselgesellschaft, auf der abendländisch-rationaler Pragmatismus und tantrischer Buddhismus eine gelungene Verbindung eingingen. Vgl.: Jan Groot Wassink: Utopie in Naturwissenschaft und Technik. S. 197–206. In: Franziskanische Studien. 67. Jahrgang. Heft 1. 1.Halbjahr. 1985. S. 197. Eine interessante Untersuchung der Wirtschaftskreisläufe in Utopien, insbesondere bei Callenbachs „Ökotopia“, ist zu finden bei: Thorsten Bagschick: Utopias in the English speaking World and the Perception of Economic Reality. Frankfurt a. M./ Berlin/ Bern u.a., 1996. S. 153–160. In seinem Plädoyer „Von der Notwendigkeit des utopischen Denkens“ formuliert Frank Deppe eine Kernforderung: „Technik [soll] sozial beherrschbar [sein].“ Siehe: Frank Deppe: Von der Notwendigkeit des utopischen Denkens. S. 716–731. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Juni 1984. S. 722. Vgl.: Saage, 1991, S. 299-305. Der Herausgeber Dieter Nohlen gesteht der postmateriellen Utopie zu, die „Energetik utopischer Veränderungswünsche wach[zu]halten.“ Siehe: Dieter Nohlen (Hg.): Lexikon der Politik (hier: Band 7). München, 1998. S. 508.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

28

II.6. Utopienkritik In seinem 1990 erschienenen Sammelband „Das Ende der politischen Utopie“ erläutert Saage im Vorwort die Hauptfragestellung seines Buches: Die Utopie selbst stehe nach dem Scheitern der UdSSR zur Disposition.91 Der Kampf gegen utopisches Denken scheint von zwei Seiten geführt zu werden. Die eine Seite ist der Überzeugung, Utopien seien Ausdruck eines scheuen und indolenten Geistes, während die andere Seite mutmaßt, dass Utopien generell Ausdruck eines autoritären Geistes seien.92 Die Utopie blieb seit ihrem Missbrauch als politischer Kampfbegriff im 19. Jahrhundert weiterhin unter Totalitarismusverdacht seitens konservativer Kreise.93 Eckhard Jesse unterstreicht diesen Verdacht. Utopien seien unbrauchbare Totalentwürfe, daher solle man auf futuristische Visionen verzichten. Notwendig seien regulative

Ideen,

keine

reformschwächenden

Impulse:

„Der

demokratische

Verfassungsstaat schöpft keine Kraft aus dem Wechselbad von kulturpessimistischen Apokalypsen und utopischen Glücksversprechungen.“94 Herfried Münkler bezeichnet die literarische Utopie als eine „Enteignung des Volkes um seine Träume und Wünsche.“95 Kritik kam nicht ausschließlich von konservativer Seite: Jürgen Habermas sprach bereits 1985 von einer „Erschöpfung der utopischen Energie“96, und Hans Magnus Enzensberger betont die Existenz von zahlreichen Kulturen, welche gänzlich ohne utopisches Denken auskamen.97 Hans Jonas sieht eine Utopie des Fortschritts natürliche Lebensgrundlagen vernichten,98 während Ernst Nolte von gewalttätigen Utopien spricht und Gruppen von Menschen, die bereit sind, diese in die Tat umzusetzen.99 Klenner hält sogar ein Traumverbot in generale für Menschen gerechtfertigt – schließlich seien bei der

91 92

93 94 95 96 97 98

99

Vgl.: Saage, 1990, S. 8. Vgl.: Marvin Chlada: Der Wille zur Utopie. Aschaffenburg, 2004. S. 44f. Vgl.: Thomas Nipperdey: Die Funktion der Utopie im politischen Denken der Neuzeit. S. 357–379. In: Archiv für Kulturgeschichte. Band 44, 1962. S. 360. Vgl.: Saage, 1990, S. 13. Jesse, Eckhard: Politische Utopien auf dem Prüfstand. S. 131-141. In: Saage, 1992, S. 141. Münkler, 1992, S. 214. Richard Saage: Reflexionen über die Zukunft der politischen Utopie. S. 152-166. In: Saage, 1992, S. 152. Vgl.: Ebd. S. 152f. Vgl.: Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt a. M., 1976. S. 386. Vgl.: Ernst Nolte: Was ist oder was war die ,,politische“ Utopie. S. 3–14. In: Saage, 1992, S. 12.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

29

Umsetzung von utopischen Träumen die menschlichen Opferzahlen erschreckend hoch ausgefallen.100 Die meistzitierteste Kritik am Utopischen dürfte jedoch das Werk „Der zerstörte Traum. Vom Ende des utopischen Zeitalters“ des Historikers Joachim Fest darstellen.101 Fest stellt heraus, dass Utopien als Handlungsmaximen im Hinblick auf eine unvollkommene Welt unbrauchbar seien und prognostiziert ein Ende des utopischen Zeitalters.102 Ebenso könnte das bekannte Werk Francis Fukuyamas „Das Ende der Geschichte“, erschienen 1992, als Abgesang auf die Utopie verstanden werden: Nach dem Ende der realsozialistischen Regime, die mit einem utopischen Anspruch angetreten waren, seien alle Weltverbesserungspläne desavouriert.103 Der Philosoph Karl Popper führt totalitaristische Elemente in Utopien auf Platons „Politeia“ zurück: Es läge ein geschlossener Systementwurf vor, der irreversible Fakten schaffe und sich mit totalitaristischem Terror verbinde, um jedweden Pluralismus zu vernichten, welcher der Umsetzung des utopischen Endziels im Weg stehen könnte.104 Karlheinz Steinmüller macht in seinem Essay „Die Utopie am Anfang des Jahrhunderts“ eine weitere Gruppe von Utopiekritikern, oder viel mehr eine Gruppe von „Utopieverfälschern“ aus. Französische postmoderne Philosophen wie etwa Jacques Derrida oder Jean-François Lyotard billigen der schnelllebigen Gegenwart nur noch die sogenannte „postmoderne Utopie“ zu. Diese Form der Utopie sei bar jedes konkreten sozialen wie politischen Inhalts – eine ausgehöhlte, leere Utopie, deren Risiken der praktischen Umsetzung möglichst gering blieben.105 Wenn das 20. Jahrhundert versucht hat, die utopischen Pläne der Vergangenheit durchzuführen, hat es elendig versagt; es hat allmächtige Staaten geschaffen, die die Kontrolle über Produktions- und Distributionsmittel besitzen, die jedoch den Hunger nicht abgeschafft haben; Staaten mit dem Anspruch, vollkommene Gleichheit zu errichten, die jedoch neue privilegierte Klassen und neue Ungleichheiten 100

Hermann Klenner: Rückblick aus dem Jahre 1992 auf das Jahr 1652. Rechtsphilosophisches zum Nowhere des Nowhere. S. 46-57 In: Saage, 1992, S. 55. 101 Vgl.: Joachim Fest: Der zerstörte Traum. Vom Ende des utopischen Zeitalters. Berlin, 1991. 102 Vgl.: Ebd., S.81. 103 Vgl.: Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte. München, 1992. 104 Karl Popper: Die offene Gesellschaft. Tübingen, 7. Auflage, 1992. „So ging ich in meinem Buch von Hitler zurück zu Platon: dem ersten großen politischen Ideologen, der in Klassen und Rassen dachte und Konzentrationslager vorschlug. Und ich ging von Stalin zurück zu Karl Marx.“ Siehe: Ebd., S. 9. 105 Karlheinz Steinmüller: Die Utopie am Anfang des Jahrhunderts. Eine Cyber-Lektion. S. 554-569. In: Wolfgang Jeschke (Hg.): Das Science Fiction Jahr 2002. Ein Jahrbuch für den Science Fiction Leser. München, 2002. S. 566.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

30

hervorgebracht haben, die vielleicht noch erschreckender sind als die alten; Staaten, die die Menschen in taylorisierte Roboter verwandelt haben, die den Maschinen, die sie bedienen, untergeordnet sind und von der Propaganda verroht werden; Staaten, die Bedingungen geschaffen haben, wo jegliches individuelle Denken als ein Verbrechen betrachtet wird, wo Literatur, Musik und Kunst nicht mehr ein individueller Ausdruck sind, sondern stattdessen das Regime preisen, wo die Sklaverei unter der alten Religion durch die Sklaverei unter dem Staat und seinen neuen Göttern ersetzt wurde.106 Zusammenfassend lässt sich die Kritik an der Utopie in mehreren Punkten benennen. Utopien ordneten das Individuum rigoros dem Kollektiv unter, seien ergo antidemokratisch bzw. autoritär und an der Schaffung eines neuen Menschentypen interessiert. Dies impliziert die Auslöschung des Unbeugsamen, des Anderen, des Alten. Utopien erheben gleichsam Anspruch auf Universalität.107 Sie seien statisch und reformhostil, da sie bereits im perfekten Endzustand angekommen seien.108 Der Fortschrittsbegriff von Utopien ist zumeist ökologisch-technischer Natur. Beides [...] ist für die utopischen Staaten nachgewiesen worden: sowohl, dass in ihnen ausnahmslos alle Strategien zu finden sind, deren Gesamtzahl die totalitäre Herrschaftsmethode konstituiert, als auch ihre prinzipiell totalitäre Grundlage: der totale Machtanspruch und der Anspruch auf absoluten Konsens. Dort, wo die Machthaber eines Systems absolute Macht und absolute Stabilität mit allen Mitteln des Zwangs und der Manipulation von Mensch und Gesellschaft erreichen und erhalten möchten, liegt ein totalitäres System vor.109

II.7. Gegenkritik Die Kritik an der Utopik blieb keineswegs unbeantwortet. Saage konstatiert, dass Utopien als Reaktionen auf Fehlentwicklungen gedeutet werden können. Dabei hält er fest,

klassische,

autoritär-etatistische

Utopienmuster

seien

überholt:

„Der

Problemdruck, der seit Morus Utopien provozierte, besteht weiter fort. Aber seine 106

Marie Louise Berneri: Reise durch Utopia. Berlin, 1982. S. 278. Autor Michael Winter warnt: „Die Utopie ist der höchste Grad der Reduktion von Komplexität im gesellschaftlichen Bereich. Ohne Reduktion sind keine Theorien über die Welt möglich. Jeder, der mit solchen Theorien umgeht, muß sich aber ihrer reduktionistischen Grundlage bewusst bleiben, sonst gerät er in die Gefahr, sie für absolute Wahrheiten zu halten und mit ihnen nicht hypothetisch, sondern dogmatisch umzugehen.“ Siehe: Michael Winter: Ende eines Traums. Blick zurück auf das utopische Zeitalter. Stuttgart/ Weimar, 1992. S. 332. 108 Vgl.: Hans Fenske/ Dieter Mertens/ Wolfgang Reinhard/ Klaus Rosen: Geschichte der politischen Ideen. Von der Antike bis zur Gegenwart. Frankfurt a. M., 5. Auflage, 1996. S. 267. 107


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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Qualität hat sich aufgrund seiner Globalisierung [...] so verändert, dass die Lösungen der klassischen Tradition [...] ihm nicht mehr gewachsen sind.“

110

Norbert Elias

wiederum erblickt in der Utopie das Phantasiebild einer Gesellschaft, „das Lösungsvorschläge

für

ganz

Ursprungsgesellschaft enthält.“

bestimmte

ungelöste

Probleme

der

jeweiligen

111

Kumar führt ein anthropologisches Argument an, welches den Nutzen von Utopien

im

Vergleich

zu

wissenschaftlich-theoretischen

Zukunftsprognosen

unterstreichen soll. Für Kumar strebt der Mensch geradezu nach einer ästhetischen „Verpackung“ der Zukunftsspekulation: However vivid and original the speculations of the theorist might be, unless he or she ’fixes’ it in the mind of the reader by presenting it in the form of a portrait of a living society, the chances are that the vision of the good or future society will lose its force.112 Generell zielt die Kritik an der Utopiekritik darauf, dass der Mensch, aber auch das politische System Visionen entwickeln müsse. Nicht eine perfekte (oder vielleicht obligate) Zukunft steht im Zentrum der Überlegungen, sondern die Ausmalung einer alternativen, glaubhaft besseren und historisch möglichen Variante dieser Zukunft.113 Es benötigt Ziele, um nicht im Stillstand zu verharren. Destruktiver Stase könne durch Utopien

vorgebeugt

werden.114

Fritz

Villmar,

Friedensforscher

und

Politikwissenschaftler, betont die enorme Wichtigkeit von „Entwürfen eines noch nicht Seienden.“ 115 Bloßes Fortschreiben und Verharren sei für eine gelungene Politik nicht fertil. Robert Junk sieht Utopien als Strategien der „politische[n] Phantasie und soziale[r] Erfindungstätigkeit“,116 um ungelöste gesellschaftliche und politische

109

Henner Löffler: Macht und Konsens in den klassischen Staatsutopien. Eine Studie zur Ideengeschichte des Totalitarismus. Köln/ Berlin/ Bonn u.a., 1972. S. 185f. 110 Saage, 1992, S. 152. Vgl.: Richard Saage: Die Geburt der „schwarzen Utopie“ aus dem Geist des Suprematismus. S. 124–146. In: Leviathan, Heft 1, 1996. S. 129. 111 Norbert Elias: Thomas Morus' Staatskritik. S. 101-150. In: Vosskamp, 1982, S. 103. Auch der Philosoph Hans-Georg Gadamer erblickt Gegenwartskritik als Hauptintention der Utopie. Siehe: Hans-Georg Gadamer: Hermeneutik. Ästhetik. Praktische Philosophie. Heidelberg, 2000. S. 73. 112 Kumar, 2000, S. 252. 113 Vgl.: Immanuel Wallerstein: Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts. Wien, 2002. S. 8. 114 Vgl.: Ulrich Klöti: Vom Zweck positiver politischer Utopien. S. 21f. In: Hans-Jörg Braun (Hg.): Utopien – Die Möglichkeit des Unmöglichen. Zürich, 2. Auflage, 1989. S. 21. Vgl.: Vernon Louis Paarington Jr.: American Dreams. A Study of American Utopias. New York, 2. Auflage, 1964. S. 229. 115 A. Seiffert/ C. Wasmuth (Hg.).: Mut zur Utopie: ,,Wir brauchen weniger die große Utopie als viele Utopien“. Soziale Gerechtigkeit und Realutopie. Interview mit Fritz Vilmar. Münster, 1994. S. 219. 116 Robert Jungk: Zukunft zwischen Angst und Hoffnung. Ein Plädoyer für die politische Phantasie. München ,1990. S. 5f.


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Probleme zu lösen. Iring Fetcher wertet Utopien als kritische Helfer und Augenöffner: „Die von der Phantasie entworfene Vorstellung eines ‚besseren Lebens’ war und ist die Triebkraft der Entwicklung der Zivilisation.“ 117 Er sieht Utopien nicht als totalitaristisch, vielmehr benützten totalitaristische Systeme Utopien als Vorwand für machtpolitische Entscheidungen und Handlungen. Utopische Entwürfe beugten außerdem Stagnation und Selbstzufriedenheit vor, so Fetcher.118 In seinem Werk „Leben ohne Utopie?“ fordert Johano Strasser, die Utopie als flexibles Leitbild anzusehen, um sie in der heutigen Realität praktikabel zu machen, statt sie als starres Gesellschaftsmodell zu brandmarken. Auch er hält fest, dass gesellschaftlicher Fortschritt ohne die Utopie unmöglich scheint.119 Ernst Bloch wertet die Utopie als eine in nuce nach vorne gerichtete Intention, die sich in individuellen Träumen und Sehnsüchten Ausdruck verschafft.120 Ralf Dahrendorf bezeichnet das Utopische als ein Träumen von einer neuen Ordnung sogar als eines der wichtigsten Projekte der Menschheit überhaupt.121 Für Udo Bermbach sind Utopien schließlich ein geeignetes Spielfeld, um Folgeabschätzung gegenwärtiger Entwicklung liefern zu können. Nur wenn feststeht, dass Demokratie und demokratische Gesellschaft nicht bereits abschließend realisiert sind, sondern der Status quo lediglich Annäherung an die ja immer wieder neu zu bestimmenden Momente, Institutionen und Organisationen einer zu erreichenden demokratischen Gesellschaft und eines demokratisch politischen Systems sein können, wenn Geschichte also nicht still gestellt wird, nur dann macht es Sinn, über Politik noch nachzudenken. Dann aber wird das 117

Iring Fetscher: Was ist eine Utopie? Oder: Zur Verwechslung utopischer Ideale mit geschichtsphilosophischen Legitimationsideologien. S. 58–62. In: Saage, 1990, S. 60. 118 Vgl.: Ebd., S.61. 119 Vgl.: Johano Strasser: Leben ohne Utopie? Frankfurt a. M., 1990. S. 141. An anderer Stelle fordert Strasser: „Wir brauchen eine attraktive Vision eines anderen Lebens, und diese Vision muß vereinbar sein mit einer freiheitlichen Gesellschaftlichkeit des Menschen, wie sie als Idee die Moderne seit Humanismus und Aufklärung bestimmt.“ Siehe: Johano Strasser: Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Utopie und Alltag. S. 335–347. In: Universitas. Nr. 4, April, 1992. S. 340. Der Autor Heiner Müller sieht Utopien als Drang nach dem scheinbar Unmöglichen und argumentiert: „Wenn man das Unmögliche nicht verlangt oder will, wird der Bereich des Möglichen immer kleiner.“ Siehe: Jan-Christoph Hauschild: Heiner Müller oder Das Prinzip Zweifel. Eine Biographie. Berlin, 2003. S. 7. Den Kern des Utopischen sieht „The Encyclopedia of Philosophy“ darin, dass der Mensch sich trotz des einengenden Pessimismus fortentwickeln kann. Siehe: Paul Edwards (Hg.): The Encyclopedia of Philosophy (hier: Band 7). New York/ London, 1., bearbeite Auflage, 1972. S. 215. 120 Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt a. M., 3.Auflage, 1990. 121 Vgl.: Rolf Dahrendorf: Weltordnung: eine liberale Utopie. S. 331–334. In: Universitas. Nr. 4, April, 1992. S. 334.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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utopische Moment zum Lebenselixier dieses Nachdenkens, rückt es ins Zentrum einer Gesellschaft, die sich mit Blick auf ihre eigene Zukunft nur als selbstreflexive, und das heißt hier: utopisch inspirierte begreifen kann. 122 Der Autor Sascha Mamczak merkt dazu an, indem Utopien ein fiktives – also ästhetisch erfahrbares – Gegenbild zur als jeweils unbefriedigend empfundenen Wirklichkeit liefern, tragen sie die Debatte um diese Urteile und Ziele weit über die akademisch-politischen Insiderkreise hinaus und sind ein Gradmesser [...] für die Reflexivität einer Gesellschaft, dafür, wie intensiv sie über ihre eigenen Bedingungen nachdenkt und wie tief die Vorstellungen einer möglichen Veränderung reichen. 123 Der lebhafte und mitunter in scharfem Ton geführte Utopien-Kritikdiskurs unterstreicht die Bedeutung und den Stellenwert von Utopien.124 So sieht zwar Bermbach die Utopie von Wissenschaft und Politik in die Literaturgeschichte (ab-)gedrängt und zu purer Kulturkritik degradiert,125 jedoch wagen Autorinnen wie Kumar mutige Prognosen: „Utopia will be reborn, even if in forms that we cannot anticipate.”126

122

Udo Bermbach: Die Utopie ist tot – es lebe die Utopie! S. 142-152. In: Saage, 1990, S. 150. Dagmar Barnouw versteht die Utopie ebenfalls als Experiment, im Sinne eines Aufbruchs in das Unbekannte, das Andere. Ein Spiel „einer neuen, anderen und (Hervorhebung der Autorin) als Herausforderung der alten gewohnten sozialen Wirklichkeit.“ Siehe: Dagmar Bournow: Die versuchte Realität oder Von der Möglichkeit, glücklichere Welten zu denken. Utopischer Diskurs von Thomas Morus zur feministischen Science Fiction. Meitingen, 1985. S. 15. 123 Sascha Mamczak: Utopia, mon amour. Warum uns die beste aller Welten auch weiterhin beschäftigen sollte. S. 570–581. In: Jeschke, 2002. S. 575f. 124 So verbindet etwa der Soziologe Lothar Bossle in seinem 1988 erschienenem Werk „Zur Soziologie utopischen Denkens in Europa“ das Utopische mit Begriffen des Krankhaftem und Irrationalem. Siehe: Frank R. Pfetsch: Theoretiker der Politik. Von Platon bis Habermas. Paderborn, 2003. S. 206. Weiterhin findet man unter dem Schlagwort „Utopie“ im „Philosophische[n] Wörterbuch“ von Heinrich Schmidt folgende Paraphrasierung: „Voraussetzung zur Hingabe an Utopien [...] ist Realitätsunreife [und] mangelndes kritisches Denken [...].“ Siehe: Heinrich Schmidt (Hg.): Philosophisches Wörterbuch. Stuttgart, 22. Auflage, 1991. 125 Vgl.: Bermbach, 1990, S. 146f. Die Wiener Politikwissenschaftlerin Eva Kreisky sieht darin eine Krise der Politikwissenschaft in globo: „Je krisenhafter und zugleich ideen- und konzeptloser sich gegenwärtig Politik gebärdet, desto weniger scheint Politikwissenschaft an der Schaffung innovativer und demokratischer Problemlösung beteiligt. [Utopien werden, R.I.] als unwissenschaftlich geächtet und vom zentralen Kanon des Faches ferngehalten.“ Siehe: Eva Kreisky: „Die Phantasie ist nicht an der Macht...“ Vom Verschleiß des Utopischen im 20. Jahrhundert. S. 7–29. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. Nr. 29, 2000. S. 10. Auch die Literaturwissenschaft warnt vor der inflationären Verwendung des Begriffs „Utopie“ und fordert gattungs- und funktionsgeschichtliche Untersuchungen. Siehe: Wolfgang Braungart: Die Kunst der Utopie. Vom Späthumanismus zur frühen Aufklärung. Stuttgart, 1989. S. 9. Allerdings weist Beate Lüsse darauf hin, dass Utopienforschung in generale nur noch interdisziplinär vernünftig betrieben werden kann. Siehe: Beate Gabriele Lüsse: Formen der humanistischen Utopie. Vorstellungen vom idealen Staat im englischen und kontinentalen Schrifttum des Humanismus. 1516-1669. Paderborn/ München/ Wien u.a., 1998. S.16. 126 Kumar, 2000, S. 266.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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So scheint es Konsens unter den Utopiebefürwortern, dass die klassischen Staatsentwürfe kein Modell für zukünftige Utopien mehr darstellen können.127 Eine neue Art von Utopie muss einen bestimmten Grad an Flexibilität aufweisen und fordert zur aktiven Teilnahme auf. Es geht nicht an, abstrakt-allgemeine Ziel- und Zustandsbeschreibungen zu entwickeln, ohne die Besonderheiten des jeweiligen Landes und der jeweiligen Region in der Perspektive allgemeiner Kriterien zu betrachten. […]. Unabdingbar ist der Bezug auf die Akteure. Eine Utopie kann die Bürgerinnen und Bürger nicht [...] vertrösten, sondern muss ihren Bedürfnissen nach [...] mittelfristigen Lösungen Rechung tragen. Allein strukturelle Verfahrensbeschreibungen reichen nicht aus [...].128

II.8. Science Fiction – Zukunft der Utopie? Zwar schätzt der Autor Lyman Tower Sargent die Anzahl der in den USA zwischen 1990 und 2000 erschienenen Utopien auf 400, allerdings ist der Publikumserfolg eher mäßig. Autoren stoßen regelmäßig auf Schwierigkeiten, ihre Romane überhaupt verlegen zu lassen, obwohl Sargent eine enorme Bandbreite an Themen der literarischen Utopien feststellt.129 Im Zuge dieser Diskussion wird von verschiedenen Seiten das Genre Science Fiction mit Utopie bzw. Dystopie in Verbindung gebracht. Eine Frage scheint dabei besonders interessant. Könnte die Science Fiction der neue Überbau für utopische Inhalte werden? Was haben beide Seiten gemeinsam? Was sind die grundlegenden Unterschiede? Utopie und Science Fiction haben ein besonderes Verhältnis zueinander. Der Autor Northrop Frey beschreibt dies folgendermaßen:

127

„Die repressiven Züge des klassischen utopischen Projekts offenbaren nun, was von Anfang an sein Zentrum war: Die kollektive Vernunft, der es sich verschrieb, hatte eine monistische Ausrichtung.“ Siehe: Richard Saage: Utopie und Menschenrechte. S. 319–331. In: Universitas. Nr. 4, April, 1992. S. 325. 128 Klaus-W. West: Elemente einer politischen Utopie. S. 265–278. In: Peter Kühne/ Klaus-W. West (Hg.): Verlust der politischen Utopie in Europa? Berlin, o. J. S. 266. Martin Honecker fasst zusammen: „Eine reale, aufgeklärte Utopie [...] entwirft nicht poetische Bilder einer neuen Welt, sondern prüft kritisch und rational die gesellschaftlichen und technischen Bedingungen zukünftiger Gestaltung der Lebenswelt der Menschen.“ Siehe: Martin Honecker: Sozialethik zwischen Tradition und Vernunft. Tübingen, 1977. S. 266. Weiterführend dazu: Kapitel 9 („The Use of Utopianism today”) der Studie „Technological Utopianism in American Culture” von Howard P. Segal. Siehe: Howard P. Segal: Technological Utopianism in American Culture. Chicago/ London, 1985. S. 156– 164. 129 Vgl.: Lyman Tower Sargent: Utopian literature in the United States 1990-2000. S. 207-217. In: Gregory Claeys/Lyman Tower Sargent (Hg.): The Utopian Reader. New York/London, 1999. S. 207–212.


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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„Die meisten Autoren folgen entweder Morus (und Platon), indem sie die juristische Struktur ihrer Gesellschaft betonen, oder Bacon, indem sie mehr deren technische Macht betonen. Die erste Art der Utopie steht der sozialwissenschaftlichen und politologischen Theorie näher; die letztere überschneidet sich mit dem Genre ‚Science Fiction’.“130 In das Genre Science Fiction ist zunächst „jede Erzählung einzuordnen, die die Lage einer noch nicht existenten Welt erörtert“,131 es geht um ein „Ineinanderwirken von Verfremdung und Erkenntnis“,132 welches der Autor allerdings, so eine Forderung, vernünftig, ernsthaft und folgerichtig explizieren können muss.133 Gemeinhin werden Science Fiction-Romane als Werke beschrieben, welche einen „utopischen wie auch dystopischen Charakter haben können.“134 Somit scheinen zunächst utopische Elemente lediglich Vehikel für eine technisch-dominante Erzählungsweise. Obwohl Gert Hallenberger politische Science Fiction als durchaus relevante Untergruppe des Genres Science Fiction darstellt,135 kann Ken Macleod den Kern des Zwiespalts zwischen Utopik und Science Fiction präzis umreißen: Politics in this sense occupies two areas within sf [Science Fiction, R.I.] distinct from utopia or dystopia: in stories that take into account, or have at their theme, the political process itself; and in stories in whose setting or plot the consequences of a particular political philosophy are examined. In sf the former is the less common. Politics, as one of the pratical arts – of coalition and compromise, conflict and coercion – requires a different frame of mind and set of priorities to that of most sf readers and writers, whose characteristics ways of thinking are economic, technical and scientific. In the words of Macauly, ’Logic admits of no compromise. The essence of politics is compromise.’ The

130

Northrop Frey: Spielarten der utopischen Literatur. S. 50–60. In: Frank Manuel (Hg.): Wunschtraum und Experiment. Vom Nutzen und Nachteil utopischen Denkens. Freiburg, 1970. S. 55. 131 John Clute: Science Fiction Die illustrierte Enzyklopädie. München, 1996. S. 6. 132 Darko Suvin: Zur Poetik des literarischen Genres Science Fiction. S. 86–105. In: Eike Barmeyer (Hg.): Science Fiction: Theorie und Geschichte. München, 1972. S. 90. 133 Joanna Russ: Das Frauenbild in der Science Fiction. S. 13–28. In: Barbara Holland-Cunz (Hg.): Feministische Utopien – Aufbruch in die postpatriachale Gesellschaft. Meitingen, 1986. S. 14. 134 Hans Joachim Alpers/ Werner Fuchs/ Ronald M. Hahn u.a.: Lexikon der Science Fiction-Literatur. München, 1988. S. 53. 135 Gert Hallenberger: Macht und Herrschaft in den Welten der Science Fiction. Die politische Seite der SF: eine inhaltsanalytische Bestandsaufnahme. Meitingen, 1986. S. 85f. Pamela Annas geht einen Schritt weiter und spricht von „revolutionärer Literatur“ und hat dabei vor allem Werke wie „The Female Man“ von Joanna Russ, „The Wanderground“ von Sally Gearheart oder „Women on the Edge of Time“ von Marge Riercy im Sinn: Nur die Zukunft scheint eine endgültige Gleichberechtigung der Geschlechter bereit zu halten. Siehe: Pamela J. Annas: Neue Welten, neue Worte: Androgynie in der Frauen-Science-Fiction. S. 107–109. In: Holland-Cunz, 1986. S. 109.


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characteristic sf cast of mind is inclined to the logical and uncompromising.136 Kumar betont, dass amerikanische Science Fiction Magazine sich wesentlich länger dem Sog des Politischen, ergo dem Sog des Dystopischen im 20. Jahrhundert haben entziehen können als Romanautoren der großen Utopien. Spürbar sei der Ruck ins Negative erst nach den Atombombenabwürfen der USA über Hiroshima und Nagasaki geworden.137 Dennoch liegt für Science Fiction-Autoren wie Brian Aldiss der „Wert eines Science Fiction-Romans [..] darin, dass er unsere Gegenwart in eine Art Metapher übersetzt.“138 Edward James hält an den Gemeinsamkeiten von literarischen Utopien und Science Fiction fest: zunächst einmal sei es die Intention beider Literaturgattungen, die Vision einer besseren Welt zu entwickeln. James attackiert die literarische Utopie allerdings von ungewöhnlicher Seite – qualitativ seien Utopien meist nichts weiter als sogenannter „Info-Dump“. Sie seien als ewige Wiederholung des Schemas „Reisebericht“139 literarisch mangelhaft.140 Dennoch gesteht er andererseits ein: „Most of [...] alternate possibilities are about technological rather than political revolution: the construction of constitutions and political arrangements, the staple of classical utopia, have little appeal for most sf writers.”141 Diese Sichtweise bejaht auch Richard Saage. Abgesehen davon, dass die historische Entwicklung von positiver Sozialutopie und Science Fiction beträchtliche Unterschiede aufweist, sieht Saage elementare literarische Bauteile in den jeweiligen Romanen – zum Beispiel Technik und Wissenschaft – differenziert eingesetzt und bewertet. Weiterhin sei die klassische utopische Tradition ohne Prognostik142 136

Ken Macleod: Politics and Science Fiction. S. 230–241. In: James/ Mendlesohn, 2003. S. 230. Vgl.: Kumar, 2000, S. 256f. 138 Brian Aldiss: Wie man Utopia (annähernd) glaubwürdig machen kann. In: Wolfgang Jeschke (Hg.): Das Science Fiction Jahr 1999. Ein Jahrbuch für den Science Fiction Leser. München, 1999. S. 658. 139 „Ihre [...] Form beschränkte sich auf eine leichte erzählerische Einkleidung – Reise, Schiffbruch, Verschlagenwerden auf die utopische Insel – und dialogische Auflockerung der ansonsten statischen Beschreibung eines Modellzustandes.“ Siehe: Helmut J. Schneider: Staatsroman und Fürstenspiegel. S. 170-184. In: Horst Albert Glaser (Hg.): Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte. Zwischen Absolutismus und Aufklärung: Rationalismus, Empfindsamkeit, Sturm und Drang. 1740-1786. Hamburg, 1980. S. 170. 140 Vgl.: James/ Mendlesohn, 2003, S. 222. Der Literaturwissenschaftler Michael Boehler dazu: „Utopien müssen [Hervorhebung im Original] zwar als Literatur betrachtet und gelesen werden, aber als Literatur betrachtet, sind Utopien häufig schlecht.“ Siehe: Michael Boehler: Literarische Utopien und utopische Funktion in der Literatur. Einige Überlegungen zur Einleitung. S. 193–198. In: Braun, 1989, S. 194. 141 Ebd. 142 Die Politikwissenschaftlerin Barbara Holland-Cunz dazu: 137


II. Historische und systematische Einordnung der literarischen politischen Utopie

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ausgekommen und letztlich ist das präsentierte Gesellschaftsmodell in der Science Fiction-Literatur zumeist lediglich zweidimensionale, hohle Staffage.143 In dystopian science fiction, the critique that characterizes dystopia emerges in a genre (science fiction) not primarily interested (as in dystopia) in elaborating representative activities of a holistic world. Rather, dystopian science fiction presents a partial picture of an alternative world. Most often it delineates the far reaching negative consequences of science and technology in a futuristic society that cannot be construed, from any perspective, as a utopia, hence as a dystopia. Its principal interest lies in broad critical speculations about the social outcome of scientific and technological development.144 Intelligente Science Fiction sollte sich von den anachronistischen Pfeilern, die das Genre

(immer

noch)

tragen,

emanzipieren.

Koloniale

Macht145,

Dominanz

wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und zivilisatorischer Expansion, segensreiche Manipulation der Gesellschaft und Beherrschung der Natur durch überlegene Technik, Forcierung quasimilitärischer Kollektivierung146 und niederer Bewertung von Erotik und Sexualität bilden unter anderem diese Säulen, die enormen literarischen Ballast für die Gattung Science Fiction darstellen. Der eigentliche Bedeutungsgehalt der SF [Science Fiction, R.I.] für geistes- und sozialwissenschaftliche Diskussionen liegt [...] nicht [...] in den Wahrscheinlichkeiten bestimmter technologischer [...] Fortentwicklung der Menschheit. Wichtiger sind vielmehr die Rückspiegelungen auf die Vorstellungen und Aussageabsichten der Produzenten und des jeweiligen Rezipienten, die [...] als Teil des Schöpfungsprozesses angesehen werden können.147 Es ist durchaus denkbar, dass Science Fiction ein Rückzugsgebiet für literarische Utopien wird. Saage urteilt, je höher der Anteil von Inhalten in Science Fiction-

„Das utopische Denken zählt nicht zur Naturwissenschaft, sondern bildet einen [...]Teilbereich der klassischen politischen Theorie. Utopien wollen nicht prognostizieren, sondern kritisieren, politisieren, inspirieren, zu politischen Veränderungen aufrütteln.“ Siehe: Barbara Holland-Cunz: Visionenverlust und Visionenverzicht. Dominante und frauenpolitische Bilder von „Zukunft" vor dem Jahr 2000. S. 29–45. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft. Nr. 29, 2000. S. 41. 143 Vgl.: Saage, 1997, S. 37–39. 144 Alexandra Aldridge: The Scientific World View in Dystopia. Michigan, 1984. S. 67. 145 Die Autorin Marleen S. Barr beispielsweise sieht für die nächste Zukunft einen starken Anstieg von afroamerikanischer Science Fiction voraus. Siehe: Marleen S. Barr: Now – and 3000: Science Fiction. Studies/ Cultural Studies. S. 10–19. In: Marleen S. Barr (Hg.): Envisioning the Future. Science Fiction and the Next Millenium. Middletown, 5. Auflage, 2003. S. 18. 146 Vgl.: Andy Duncan: Alternate History. S. 209–219. In: James/ Mendlesohn, 2003. S. 216. 147 Frank Hörnlein/ Herbert Heinecke (Hg.): Zukunft im Film. Sozialwissenschaftliche Studien zu Star Trek und anderer Science Fiction. Magdeburg, 2000. S. 7.


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Romanen ist, der sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzt, desto größer wird die Möglichkeit einer Deckungsgleichheit zwischen Utopien und Science Fiction; Gründe für diese Entwicklung ist eine Annährung der Science Fiction spätestens seit den 1950er-Jahren an klassische dystopische Entwürfe.148 Es stellt sich die Frage: Ist „Computopia“ wirklich unausweichlich? Kumar bilanziert: Perhaps that is why it seems to have been so difficult for anyone to produce a convincing utopia or anti-utopia in traditional literary form. The break-up of communism has not produced the clarity that some had earlier hoped it would […]. For the distinctive form of the literary utopia […] practiced for more than three centuries, there no longer seems much call.149 Ein entscheidender Vorteil ist das weite thematische Spektrum der Science Fiction. Das hat sie vor allem der Tatsache zu verdanken, dass das Genre auch Elemente anderer Gattungen assimilieren kann: Soziale Satire, Thriller, Kriminalfilm, Romanze oder Horror, Anteile davon sind und waren in der Science Fiction zu finden.150 Die erste Entscheidung des Schriftstellers oder Filmemachers kann es sein, sich für eine eutopische oder eine dystopische Umwelt zu entscheiden.151 Betrachtet man zumindest ausgewählte Science Fiction-Filmproduktionen152 der letzten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts,153 so scheint zumindest ein Überleben der dystopischen Tradition gesichert.154

148

Vgl.: Ebd., S. 40f. „Positive Utopien gibt es im SF-Film kaum. Meistens verbirgt sich unter der Oberfläche des Idealen die absolute Deformation.“ Siehe: Matthias Fritsch/ Martin Lindwedel/ Thomas Schärtl: Wo nie ein Mensch gewesen ist. ScienceFiction-Filme: Angewandte Philosophie und Theologie. Regensburg, 2003. S. 11. 149 Kumar, 2000, S. 264. 150 Vgl.: Franz Rottensteiner: Erkundungen im Nirgendwo. Kritische Streifzüge durch das phantastische Genre. Passau, 2003. S. 133. 151 Vgl.: Peter Mühlbauer: Das Recht auf Unglück. Von utopischen Dystopien und dystopischen Utopien. Quelle: http://www.heise.de/tp/deutsch/special/libi/7135/1.html. Erstellungsdatum: 15.03.2001. Letzter Zugriff am: 11.10.2004. 152 Die Autorin Susan Sontag spricht über den Vergleich von Science Fiction-Film und Science Ficton-Roman in ihrem Essay „Katastrophenphantasie“: „Der Science Fiction-Film hat ohne Zweifel Möglichkeiten, die dem Science Fiction Roman nicht zu Gebote stehen; einer davon ist die der unmittelbaren Vergegenwärtigung des Außergewöhnlichen: der physischen Difformität und Veränderung.“ Siehe: Ronald Hahn/ Volker Jansen: Lexikon des Science Fiction-Films. 1000 Filme von 1902 bis 1987. München, 1987. S. 13. 153 Der Roman- und Sachbuchautor Arthur Clarke beschreibt das 20. Jahrhundert als „Century of Torture". Siehe: Arthur C. Clarke: 3001. The Final Odysee. New York, 1997. S. 217. 154 Vgl.: Marcel Feige: Science Fiction. o. O., 2001. S. 34f. Folgt man der These Ulrich Broich, so wurde die Anti-Utopie „von der Science Fiction in einer thematisch und strukturell kaum veränderten Form und nur unter einem neuen Firmenschild weitergeführt.“ Siehe: Ulrich Suebaum/ Ulrich Broich/ Raimund Borgmeier: Science Fiction. Theorie und Geschichte. Themen und Typen. Form und Weltbild. Stuttgart, 1981. S. 90.


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An dieser Stelle sollen einige dieser Filmproduktionen, aber auch „schwarze Science Fiction-Romane“ mit dystopischen Charakter vorgestellt werden. Besonders die 1970er-Jahre erlebten eine Fülle interessanter negativer Science FictionFilme. Einer der dominierenden Topoi war dabei die Überbevölkerung und deren Konsequenzen im urbanen Raum. 1971 erschien „Z.P.G.“ (Zero Population Growth) von Michael Campus. Durch die rapid wachsende Bevölkerung in Campus Film entstand eine gravierende Luftverschmutzung. Geburten wurden von Regierungsseite als Konsequenz untersagt, die Todesstrafe bei Bruch des Verbots eingeführt. Auch „Soylent

Green“

von

Richard

Fleischer

beschäftigt

sich

1973

mit

der

Bevölkerungsexplosion im Jahre 2022 in New York. Dem alltäglichen Nahrungsmangel begegnen die Behörden durch Verteilung von grünen Nahrungschips – die Bausteine dieser Chips werden jedoch von nichts anderem gewonnen als von menschlichen Kadavern, welche kurze Zeit zuvor aus dem staatlich geförderten Suizidprogramm hervorgingen. Michael Andersons „Logan’s Run“ von 1976 schildert eine Stadt, in welcher die Bewohner im Alter von 30 Jahren rituellen und öffentlich gefeierten Selbstmord begehen müssen, um die Gemeinde ewig juvenil zu halten. Doch auch die jüngere Filmvergangenheit bedient sich dystopischer Entwürfe. „Gattaca“ von 1998 ist ein gelungenes Beispiel – in stilsicheren Bildern erzählt Andrew Niccol die Geschichte einer Zweiklassengesellschaft. Menschen, welche sich nicht genetisch konstruieren ließen, bleiben höhere Positionen in Beruf und Gesellschaft verwehrt. Jüngster Vertreter eines negativen Zukunftsszenarios dürfte der 2002 erschiene

Film

„Equilibrium“

von

Kurt

Wimmer

sein.

Tägliche

Medikamenteneinnahme und Manipulation durch permanenten Medieneinsatz zwingen die Bevölkerung zur täglichen Arbeitsroutine.155 Auch auf der literarischen Seite sollen einige Titel angeführt werden, die dystopische Inhalte in Science Fiction–Form transportieren. In Ira Levins Roman „This Perfect Day“ etwa müssen Menschen aus Effizienzgründen mit 62 Jahren sterben.156 Ayn Rands „Anthem“ zeichnet eine Gesellschaft, in der es kein „Ich“, sondern lediglich ein „Wir“ gibt.157 In „Demolished Man“ von Alfred Bester kann und darf die

155

Sehenswert im Rahmen dieser kurzen Filmeinführung sind außerdem folgende Titel: „THX 1138“ (1970), „Zardoz“ (1974), „No Blades of Grass“ (1970), „Future World“ (1976), „Dark City” (1998) sowie „Blade Runner” (1982) und „The Omega Man” (1971). 156 Ira Levin: This Perfect Day. London, 1970. 157 Ayn Rand: Anthem. New York, 1946.


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Staatsautorität die Gedanken der Bevölkerung lesen.158 Die Kanalisation des Sexualtriebes durch das Monopol des Staates auf regelmäßige Vergewaltigung der Frauen ist ein bestimmendes Thema in „The Rainbow Cadenza“ von Neil Schuman.159 „The Multiplex Man“ von James Hogan beschäftigt sich mit der Manipulation der Persönlichkeit von Mitgliedern der Oppositionspartei durch die Bürokratie.160 Schließlich schildert Robert Heinlein mit „Revolt in 2100“ ein prä-Orwell´sches Überwachungssystem durch Staatsreligion.161 Zweifelsohne profitiert die Gattung Science Fiction von der Utopie: Sie kann eutopische wie dystopische Versatzstücke einsetzen und beliebig kombinieren.162 Ob und inwiefern in nächster Zukunft ein weiteres Zusammengehen von literarischer Utopie und Science Fiction stattfinden wird, bleibt jedoch Spekulation: Zu viele ungewisse Faktoren wie etwa die Entwicklung des Lese- und Literatur- sowie das Sehinteresse spielen hierbei eine Rolle. Als Fazit kann festgehalten werden: Science Fiction durchlebte eine enorme Entwicklung: Der technische Zukunftsroman, der an die Technikbegeisterung des Industriezeitalters anknüpfen konnte, war zunächst weniger im traditionellen Bildungsbürgertum verhaftet. Etwa um 1920 herum entwickelte sich aufgrund von serienmäßiger Literatur wie etwa Zeitschriften in den USA ein Massenmarkt.163 Kennzeichnende Themen waren Erkundung des Kosmos, Roboter, Begegnung mit außerirdischer Intelligenz oder die Entwicklung von neuen Technologien. Die Qualität der erzählten Geschichten schwankt zu dieser Zeit zwischen den Begriffen „naiv“ und „banal“.164 Der weltweite Durchbruch des Genres Science Fiction gelang schließlich in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Themenpalette erweiterte sich und andere Medien wie Film und TV begannen, sich für die relativ junge 158

Alfred Bester: The Demolished Man. New York, 1953. Neil Joseph Schulman: The Rainbow Cadenza. Long Beach, 1983. 160 James P. Hogan: The Multiplex Man. Riverdale, 1992. 161 Robert Anson Heinlein: Revolt in 2100. Riverdale, 1999. Hiltrud Gnüg stellt in ihren Ausführungen zwei deutschsprachige Dystopien aus den 80er Jahren vor, die sich mit dem Thema „Dritter Weltkrieg“ in unterschiedlicher Weise auseinandersetzen: Andreas Guhas „Ende. Tagebuch aus dem Dritten Weltkrieg“ wird seitens Gnüg als „theoretischer Diskurs“ zum Thema „Frieden" interpretiert, während Matthias Horx´ „Es geht voran“ als Versuch des Autors gewertet wird, „alternative Lebensmöglichkeiten“ aufzuzeigen. Siehe: Gnüg, 1999, S. 236-239. 162 Eine gelungene Fusion der beiden Genres stellt „Rückkehr von den Sternen“ von Stanislaw Lem dar. Die Geschichte schildert die Rückkehr eines Astronauten, dessen Reise 123 Erdenjahre dauerte. Die Anpassung an die veränderte Gesellschaft fordert naturgemäß ihren Tribut. Lem erhielt 1985 den Großen Europäischen Staatspreis für Europäische Literatur. Stanislaw Lem: Rückkehr von den Sternen. München, 2002. 163 Vgl.: Herbert W. Franke: Science Fiction – Denken in Modellen. S. 29-38. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 7. Januar 1984. S. 32. 164 Vgl.: Ebd., S. 30. 159


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literarische Gattung zu interessieren. Mit Beginn der 1960er-Jahre beginnen Science Fiction–Autoren, die Technikbegeisterung des Genres zu hinterfragen, spätestens die 1980er-Jahre lassen eine gewisse Technologiemüdigkeit erkennen.165 Gleichzeitig wurden die Themen gegenwartsbezogener und stilistisch anspruchsvoller. Ein Verfließen der Trennlinie zwischen sozialer und naturwissenschaftlich-technischer Schwerpunktsetzung ist deutlich erkennbar: Dieser Bruch der technologisch durchdrungenen Erzähltradition der Science Fiction–Literatur könnte als „cross link“ zur Utopik genutzt werden.166 Daher sollte keine apodiktische „entweder/ oder – Debatte“ geführt, sondern akzeptiert werden, dass das idealtypische Muster der Utopie durchaus die technischen Elemente der Science Fiction übernehmen kann, ohne dabei den Menschen oder vielmehr die Besserung des Menschen an sich aus dem Zentrum des Interesses zu verlieren.167

165

Vgl.: Christian Mertens: „New Wave“ und „intellektuelle“ Science Fiction. Quelle: http://www.stadtbibliothek.wien.at/ma09/cgibin/embedwo.pl?lang=de&l=2&doc=http://www.stadtbibliothe k.wien.at/ausstellungen/2001/wa-239-presse-de.htm. Erstellungsdatum: 21.06.2004. Letzter Zugriff am: 02.11.2004. Das soll nicht bedeuten, dass nicht nach wie vor sogenannte „Hard Science Fiction“ existiert: „Hard SF“ stellt Science Fiction im Zeichen von Weltraum-Schlachten, Alien-Begegnungen und ähnlichem dar. Zur Beziehung von Science Fiction und Technologie: Carmen Baumeler: Imaginäre Welten entwerfen. Quelle: http://www.tg.ethz.ch/dokumente.pdf_files/Baumeler_imaginWelten.pdf. Erstellungsdatum: März 2001. Letzter Zugriff am: 05.11.2004. 166 Vgl.: Franke, 1984, S. 37. Postmoderne Überlegungen zielen auf eine Gleichsetzung von „sciene“ und „science fiction“ – beides seien letztlich narrative Strukturen. Siehe: Michael Pinsky: Future Present. Ethics and/as Science Fiction. London, 2003. S. 14. 167 Vgl.: Richard Saage: Utopische Profile. Widersprüche und Synthesen des 20. Jahrhunderts. Münster, 2003. S. 9.


42

III. DER TOTALITARISMUSBEGRIFF


III. Der Totalitarismus-Begriff

43

Das folgende Kapitel soll mit einer kurzen Einführung in die Geschichte der kontroversen Totalitarismusforschung beginnen. Das Aufkommen des Begriffes als italienisch-geprägter antifaschistischer Begriff in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts wird dabei der Auftakt einer kurz gehaltenen Chronologie sein, welche mit der Vorstellung der Person Hannah Arendts und ihrer Totalitarismusdeutung schließt. Daraufhin soll ausführlich die Totalitarismuskonzeption von Carl Joachim Friedrich und Zbigniew Brzezinski vorgestellt werden. Diese Darlegung wird die Kritik und Gegenkritik zu dem Modell Friedrichs beinhalten, da gerade Friedrichs Thesen bis heute maßgebliche Impulse für die Totalitarismusforschung ausstrahlen. Dieser Punkt wird die Darstellung der wissenschaftlichen Analyse des Totalitären mit einem Ausblick auf das Thema Islamismus und totalitäre Regime beenden. Ziel des Kapitels ist es aufzuzeigen, weshalb das Konzept Friedrichs als Analyseinstrument geeignet ist, die Primärliteratur auf deren Auseinandersetzung mit Totalitarismus hin zu prüfen.

III.1. Geschichte der Totalitarismusforschung Die Historie der Totalitarismusforschung durchlief viele unterschiedliche Phasen und ist als äußerst wechselhaft zu charakterisieren. Zahlreich und ebenso verschieden sind die Forschungsmeinungen zum Thema Totalitarismus.168 Angelika Scholl geht sogar soweit, den consensus omnium der Forschenden bezüglich der Totalitarismusforschung darin zu sehen, dass diese die Ansicht vertreten, der Term „totalitäre Herrschaft“ sei devalvatorisch zu verwenden.169 Die oftmals hitzige Debatte um die Gültigkeit,

168

Gängige Nachschlagewerke verstehen unter dem Begriff Totalitarismus in erster Linie den Versuch eines Staates, mit seiner Einflusssphäre das gesellschaftliche, kulturelle und private Leben vollständig zu durchdringen. Vgl.: Walther Theimer: Lexikon der Politik. München , 9., bearbeitete Auflage, 1981. S. 286. Vgl.: Wolfgang W. Mickel (Hg.): Handlexikon zur Politikwissenschaft. München, 1983. S. 521. Vgl.: Geoffrey Roberts/ Alistair Edwards: A New Dictionary of Political Analysis. London/ New York/ Melbourne u.a., 1991. S. 144. Vgl.: Carola Stern/ Thilo Vogelsang/ Erhard Klöss (Hg.): dtv-Lexikon zur Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert (hier: Band 3). München, neubearbeitete Auflage, 1974. S. 799. Vgl.: David Robertson (Hg.): A Dictionary of Modern Politics. London/ New York, 3. Auflage, 2002. S. 480. Einen gelungenen Überblick über die Geschichte der Totalitarismusforschung liefert: Michael Schöngarth: Die Totalitarismusdiskussion in der neuen Bundesrepublik 1990 bis 1995. Köln, 1996. S. 43-55. 169 Vgl.: Angelika Scholl: Die Totalitarismuskonzeption von C.J. Friedrich in Kritik und Gegenkritik. Bayreuth, 1980. S. 7.


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Fungibilität sowie Relevanz der Totalitarismustheorie wird zudem nicht selten von polemischen Begleittönen kommentiert.170 Die Forschungsliteratur verortet die Entstehung des Totalitarismus-Begriffs im Italien der 1920er-Jahre. Dort konnten bereits im Jahre 1922 faschistische Bewegungen erste Wahlerfolge verbuchen.171 Benito Mussolini entwickelte eine frühe Variante des „stato totalitario“, den sogenannten „statism“. Das Credo dieser frühen TotalitarismusVariante umschreibt der Sozialwissenschaftler Leon Baradot mit den Worten: The state had mystical properties; it was the center of life. […] The state can make any demand, give any order, require any sacrifice, and the individual must obey. The power of the state is total, and the loyalty and commitment of the individual must be total.172 Der Begriff des „sistemo totalitario“ und somit des Wortes „totalitär“ wurde als erstes von Giovanni Amendola im Jahre 1923 verwendet. Von der zweiten Jahreshälfte an verbreitete sich der Gebrauch dieses Begriffes innerhalb der antifaschistischen Opposition173: Der junge Sozialist Lelio Basso etwa prangerte „unterschiedslosen Totalitarismus“ durch Mussolini an. Zu erwähnen sind ebenfalls die Schriften des emigrierten Liberalen und ehemaligen italienischen Ministerpräsiden Francesco Nitti.174 Der Ursprung der Totalitarismustheorie geht also auf frühe italienische Kritiker des Faschismus zurück.175 Später griffen Mussolini und italienische faschistische Ideologen den Totalitarismus-Begriff auf und machten ihn sich zum eigenen Terminus.176 Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder entdeckt in diesem Klima der Auseinandersetzung zwischen liberal-demokratischen Kräften und faschistischen sowie

170

Vgl.: Wolfgang Wippermann: Totalitarismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute. Darmstadt, 1997. S. 96-110. 171 Vgl.: Karl Dietrich Bracher: Nationalsozialismus, Faschismus, Totalitarismus – Die deutsche Diktatur im Macht- und Ideologiefeld des 20. Jahrhunderts. S. 566-591. In: Karl Dietrich Bracher/ Manfred Funke/ Hans-Adolf Jacobsen (Hg.): Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Bonn, 2. ergänzte Auflage, 1993. S. 567. 172 Leon P. Baradot: Political Ideologies. Their Origins and Impact. Englewood Cliffs, 4. Auflage, 1991. S. 236f. 173 Jens Petersen: Die Entstehung des Totalitarismusbegriffs in Italien. S. 95-118. In: Backes/ Jesse (siehe FN 168), S. 104-105. 174 Vgl.: Scholl, 1980, S. 8. Auf Nitti machen Uwe Backes und Eckhard Jesse in ihrem Essay „Totalitarismus und Totalitarismusforschung Zur Renaissance einer lange tabuisierten Konzeption“ aufmerksam. Siehe: Uwe Backes/ Eckhard Jesse: Totalitarismus und Totalitarismusforschung Zur Renaissance einer lange tabuisierten Konzeption. Quelle: http://www.extremismus.com/texte/total1.htm. Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 09.11.2004. 175 Vgl.: Karl Graf Ballestrem: Aporien der Totalitarismustheorie. S. 237-252. In: Eckhard Jesse (Hg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung. Bonn, 2. erweiterte Auflage, 1999. S. 238. 176 Jens Petersen: Die Entstehung des Totalitarismusbegriffs in Italien. S. 95-118. In: Jesse, 1999, S. 108-109.


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kommunistischen Gegenspielern in Italien und Deutschland die Entstehung des Totalitarismusbegriffs.177 Den Ursprung eben jenes Konfliktklimas machen die Historiker Heydemann und Schmiechen-Ackermann im Ersten Weltkrieg aus, welcher für sie eine Manifestation von Gewalterfahrung darstellte.178 Bedingt durch die Tatsache, dass Emigranten aus Hitlerdeutschland, welche das deutsche Herrschaftssystem selbst durchlebt hatten, in den 1940er-Jahren den Totalitarismusbegriff formten, rückten zunächst faschistische Systeme in den Mittelpunkt der Betrachtungen.179 Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand das Verhältnis zwischen dem nach Selbstbestimmung strebenden Individuum und den Machtbefugnissen staatlicher Herrschaftsträger. Doch auch die Notwendigkeit, die nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen autokratischen Regime, wie etwa das Italiens, unter einem neuen Systembegriff zu ordnen, schien gegeben.180 Exemplarisch für die obigen Ausführungen mag der Auftritt des Historikers J.H. Hayes stehen. Bereits am 17. November 1939 – wenige Wochen nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – referierte er über die „Novelty of Totalitarianism“ auf einer Tagung der „American Philosophical Society“. Hayes beschreibt dieses neuartige System als eine sich auf (Volks-)Massen stützende und die Monopolisierung aller Gewalten vollführende Revolte gegen die gesamte historische Kultur des Westens.181 Der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion („Fall Barbarossa“) am 22. Juni 1941 beendet den im August 1939 geschlossenen Hitler-Stalin-Pakt und stellt gleichzeitig den Beginn einer anglo-russischen Waffenbrüderschaft dar. Dabei war es innerhalb der noch jungen Totalitarismusforschung gerade jener Pakt des deutschen und des sowjetischen Machthabers gewesen, welcher die Sowjetunion ebenfalls, analog zum Dritten Reich, in das Forschungsinteresse gerückt hatte. Zu diesem Zeitpunkt gab

177

Vgl.: Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. München, 2. Auflage, 1999. S. 634f. Zum Verhältnis zwischen Diktatur und Sprache: Klaus Steinke: Anmerkungen eines Linguisten zum Thema „Sprache der Diktaturen und Diktatoren". S. 359-368. In: Klaus Steinke (Hg.): Die Sprache der Diktaturen und Diktatoren. Heidelberg, 1995. 178 Vgl.: Günther Heydemann/ Detlef Schmiechen-Ackermann: Zur Theorie und Methodologie vergleichender Diktaturforschung. S. 9-56. In: Günther Heydemann/ Heinrich Oberreuter (Hg.): Diktaturen in Deutschland – Vergleichsaspekte. Strukturen. Institutionen und Verhaltensweisen. Bonn, 2003. S. 17. Vgl.: Hans Maier: Verführung und Massenrausch. Voraussetzungen und Durchbruch totalitärer Politik im 20. Jahrhundert. S. 55-62. In: Politische Meinung, Band 42, Nr. 333, 1997. S. 57. 179 Vgl.: Stephan Meyer: Die anti-utopische Tradition. Eine ideen- und problemgeschichtliche Darstellung. Frankfurt a. M., 2001. S. 361. 180 Vgl.: Uwe Backes: Totalitarismus – Ein Phänomen des 20. Jahrhunderts? S. 341-374. In: Jesse, 1999, S. 342. 181 Vgl.: Ebd. S. 344.


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es dann allerdings Stimmen, die aufgrund dieses neuen Bündnisses die UdSSR aus der Totalitarismusdebatte, zumindest partiell, ausklammern wollten und somit ein Ende des sogenannten

„identifizierenden“

oder

„analogisierenden“

Totalitarismusbegriffs

skizzierten.182 Interessanterweise geriet das japanische Kaiserreich im Zuge dieser Debatte unter Totalitarismusverdacht, war man dort doch der asiatische Achsenpartner Adolf Hitlers.183 Ende der 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts begann in den Vereinigten Staaten schließlich die Blütezeit der Totalitarismusforschung. Es sollten in dieser Zeit zwei „Klassiker“ der Totalitarismustheorie entstehen. Zum einen erschien 1956 das Werk „Totalitäre Diktatur“184 von Carl Joachim Friedrich in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Zbigniew Brzezinski. Zum anderen erschien bereits 1951 „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“185 von Hannah Arendt. Arendt war nach ihrer Dissertation 1928 (unter anderem bei Heidegger) in Berlin wissenschaftlich tätig. Nachdem sie im Sommer 1933 verhaftet worden war, floh sie wenig später nach Frankreich, wo sie die Auswanderung von Juden nach Palästina im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einer zionistischen Bewegung mitorganisierte. Nach dem Einfall der Deutschen Wehrmacht in Frankreich (Juni 1940) sollte sie schließlich im Mai 1941 in den Vereinigten Staaten ihr Exil finden – nur knapp war sie der Deportation in ein nationalsozialistisches Vernichtungslager entkommen.186 Im Gegensatz zur Friedrich´schen phänomenologischen Definition187 von Totalitarismus wollte Arendt unter Einbeziehung existenzphilosophischer Überlegungen die historischen Elemente und Voraussetzungen des Totalitarismus, wie 182

Angelika Scholl erläutert den Term des „identifizierenden Totalitarismusbegriffs“: Dieser Begriff umfasst sowohl das italienische, deutsche, wie bolschewistische Regime. Vgl.: Scholl, 1980, S. 9f. 183 Vgl.: Klaus Hildebrand: Stufen der Totalitarismusforschung. S. 70-95. In: Jesse, 1999, S. 75. Über die Bemühungen seitens der USA, Japan nach Ende des Zweiten Weltkriegs in deren Sinne zu restaurieren, sei folgende Lektüre empfohlen: Winfried Scharlau: Der General und der Kaiser. Die amerikanische Besetzung Japans 1945-1952. Bremen, 2003. S. 80-93. 184 Carl Joachim Friedrich: Totalitäre Diktaturen. Stuttgart, 1957. 185 Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. München, 1955. 186 Vgl.: Detlef Schmiechen-Ackermann: Diktaturen im Vergleich. Darmstadt, 2002. S. 31. 187 Vgl.: David Miller (Hg.): The Blackwell Encyclopaedia of Political Thought. Oxford, 1987. S. 525. Die sogenannte Phänomenologie beruht auf einem von Edmund Husserl begründeten und von Martin Heidegger weiterentwickelten Konzept. Gegenstand dieser Betrachtungsweise sind „die ‚Wesen', die in eidetischer Anschauung zur Selbstgegebenheit gelangen.“ (Ernst Nolte: Martin Heidegger. Politik und Geschichte im Leben und Denken. Berlin/Frankfurt a. M., 1992. S. 39) Es wird also „nicht das sachhaltige Was [Hervorhebung im Original] der Gegenstände der philosophischen Forschung, sondern das Wie [Hervorhebung im Original] dieser.“ (Martin Heidegger: Sein und Zeit. Tübingen, 11. Auflage, 1967. S. 27.)


III. Der Totalitarismus-Begriff

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Antisemitismus, Rassismus, Imperialismus, Panbewegung, Niedergang des Nationalstaates, Untergang der Klassengesellschaft, Entstehung der Masse vorführe[n], um damit sowohl die Anfälligkeit des vereinsamten Massenmenschen für ‚totale Organisationen’ als auch die einzelnen Bestandteile totalitärer Herrschaft verständlich machen.188 Besonders aufschlussreich für die Totalitarismusforschung ist das erst 1953 hinzugefügte 13. Kapitel („Ideologie und Terror“) des drei Bände umfassenden Gesamtwerks. Es stellt eine komprimierte und vergleichend angelegte Analyse der Herrschaft Hitlers und Stalins dar. Arendt arbeitet dabei besonders den illimitierten totalitären Machtanspruch heraus, verweist aber expressis verbis auf die Tatsache, dass jener Anspruch noch nie in toto verwirklicht wurde.189 Arendts idealtypische Konstellation von Totalitarismus betont die Gemeinsamkeit totalitär-terroristischer Herrschaft gerade unabhängig von den ihnen zugrundeliegenden Ideologien: „einerseits der dialektische Materialismus [...], andererseits [...] der Rassismus.“190 Damit verstand Arendt den Totalitarismusbegriff als einen Bestandteil „kulturkritischer Sensibilität für [die] Selbstgefährdung der Moderne.“191 Es ist für den weiteren Verlauf der Geschichte der Totalitarismusforschung entscheidend, an dieser Stelle auf eine notwendige Differenzierung in der Verwendungsintention des Begriffs „Totalitarismus“ hinzuweisen. Zurecht merkt Dieter Nohlen an, dass „die Entwicklung der Totalitarismustheorien [...] deutliche Parallelen zu den Konjunkturen des Totalitarismus als Kampfbegriff auf[weist].“192 Die politische Instrumentalisierung des Begriffes während des Kalten Krieges durch die Tagespolitik, aber

auch

die

scheinbare

Marginalisierung

der

Theorie

zu

Zeiten

einer

Entspannungspolitik sowie ihr Wiedererstarken just zu Beginn einer neuer Phase des Ost-West-Konflikts ist ebenso zu berücksichtigen wie das Diktum, die Theorie des

188

Joachim Ritter/ Karlfried Gründer (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie (hier: Band 10). Basel, 1998. S. 1298. 189 Vgl.: Schmiechen-Ackermann, 2002, S. 33. 190 Matthias Vetter: Terroristische Diktaturen im 20. Jahrhundert. Zum Vergleich zwischen stalinistischer und nationalsozialistischer Diktatur. S. 7-16. In: Matthias Vetter (Hg.): Terroristische Diktaturen im 20. Jahrhundert. Strukturelemente der nationalsozialistischen und stalinistischen Herrschaft. Opladen, 1996. S. 12. 191 Manfred G. Schmidt: Wörterbuch zur Politik. Stuttgart, 1995. S. 960f. Arendt stellt drei zentrale Grundfragen: „Was war geschehen? Warum war es geschehen? Wie konnte es geschehen?“ Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. München, 4. Auflage, 1995. S. 474f. 192 Dieter Nohlen (Hg.): Lexikon der Politik (hier: Band 7). München, 1998. S. 648.


III. Der Totalitarismus-Begriff

48

Totalitarismus „nicht auf den [ausschließlich] politischen propagandistischen Inhalt zu reduzieren.“193

III.2. Das Totalitarismusmodell Carl Joachim Friedrichs Im Folgenden soll nun das Totalitarismusmodell Carl Joachim Friedrichs dargestellt werden. Da dieses Modell eine ungeheuere wissenschaftliche Resonanz und Debatte evozierte,194 kann es außerdem genutzt werden, um generelle Kritikpunkte der Totalitarismus-Gegner zu benennen und zu analysieren. Zunächst soll die Person Carl Joachim Friedrichs vorgestellt werden. Friedrich (1901-1984) war zunächst Gastprofessor in der Juristischen Fakultät Heidelbergs, ehe er 1936 in Harvard einen Lehrstuhl für Regierungslehre übernahm. Nur zwei Jahre später beantragte er, seit 1924 mit einer US-Staatsbürgerin verheiratet, die amerikanische Staatsbürgerschaft. Als entschiedener Gegner der deutschen Politik beriet er nicht nur den amerikanischen Kongress, sondern bildete weiterhin Verwaltungspersonal für die vorgesehene amerikanische Besatzung Japans und Europas aus.195 1956 schließlich erhielt Friedrich ein Ordinariat an der Universität Heidelberg, wo er bis einschließlich 1966 alternierend mit Harvard lehrte. In den späten 1960er-Jahren galt Friedrich als einer der weltweit einflussreichsten Politologen und war sowohl Präsident von der

193

Ebd. Sogar Wippermann hält fest: „Denn generell ist anzumerken, dass politische Funktionalisierung von Theorien nicht [...] gegen ihre wissenschaftliche Bedeutung und Richtigkeit sprechen.“ Siehe: Wolfgang Wippermann: Faschismustheorien. Zum Stand der gegenwärtigen Diskussion. Darmstadt, 5., völlig neu bearbeitete Auflage, 1989. S. 97. 194 So lehnen sich nicht nur Brockhaus und Meyers Enzyklopädisches Lexikon weitgehend an die Begriffsbildung Friedrichs an, sondern auch zahlreiche Nachschlagewerke aus der Politikwissenschaft: Vgl.: Meyers Enzyklopädisches Lexikon (hier: Band 23). Mannheim/ Wien/ Zürich, 9., völlig neu bearbeitete Auflage, 1978. S. 605-607. Vgl.: Brockhaus. Die Enzyklopädie (hier: Band 22). Leipzig/ Mannheim, 20., überarbeitete und aktualisierte Auflage, 1999. S. 204-209. Vgl.: Martina Klein/ Klaus Schubert (Hg.): Das Politiklexikon. Bonn, 3., aktualisierte Auflage, 2003. S. 290. Vgl.: Carsten Lenz/ Nicole Ruchlak (Hg.): Kleines Politik-Lexikon. München/ Wien, 2001. S. 214. Vgl.: Verlag Herder (Hg.): Herder Lexikon Politik. Freiburg, 6., aktualisierte Auflage, 1992. S. 216. Vgl.: Hanna Drechsler/ Wolfgang Hilligen/ Franz Neumann (Hg.): Lexikon der Politik. München, 10., neubearbeitete und erweiterte Auflage, 2003. S. 973f. Vgl.: Everhard Holfmann (Hg.): Politik-Lexikon. München/ Wien, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, 1994. S. 646f. Vgl.: Gerlinde Sommer/ Raban Graf von Westfalen (Hg.): Staatsbürger-Lexikon. München/ Wien, 1999. S. 913-916. 195 Vgl.: John Gimbel: Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland. 1945-1949. Frankfurt a. M., 1971. S. 226.


III. Der Totalitarismus-Begriff

49

„American Political Science Association“ als auch von der „International Political Science Association“.196 „Totalitarian Dictatorship and Autocracy“ erschien 1956 bei Harvard University Press. Offiziell galt dieses Werk als gemeinsames Produkt von Friedrich und dem amerikanischen Politikwissenschaftler Zbigniew Brzezinski. Schmiechen-Ackermann nennt jedoch vier Punkte, die diesen Gründermythos hinterfragen: Friedrich war erstens der dominantere Autor, da er auf eine größere Vorarbeit zurückgreifen konnte, zweitens traten ab ovo deutliche Unterschiede in der Auffassung zum Thema Totalitarismus zu Tage; drittens distanzierte sich Brzezinski noch vor Erscheinen des Buches von dem „gemeinsamen“ Werk, und viertens schließlich blieb in der deutschen Ausgabe lediglich noch Friedrich als alleiniger Verfasser übrig.197 Bevor das eigentliche Modell Friedrichs eingeführt wird, muss man jedoch zunächst spezifizieren, von welcher Variante des Modells die Rede sein soll. Der Politikwissenschaftler Hans Lietzmann hält in mehreren Beiträgen fest, wie stark Friedrich die Variablen seiner Theorie198 über den Zeitraum 1954 bis 1970 veränderte.199 Ausschlaggebend für diese Arbeit wird die „Version“ des Jahres 1968 sein, da diese am spezifischsten den Merkmals-Katalog des Totalitarismus aufweist.

196

Vgl.: Schmiechen-Ackermann, 2002, S. 35. Vgl.: Ebd. Man beachte dazu Brzezinskis eigenen Entwurf des „Dysfunktionalen Totalitarismus“, der dem politischen Wandel innerhalb der UdSSR nach Stalins Tod versuchte, Rechung zu tragen. Zbigniew Brzezinski: Dysfunktionaler Totalitarismus. S. 263-277. In: Jesse, 1999, 273f. 198 Ob überhaupt von einer geschlossenen Theorie gesprochen werden kann, stellt unter anderem A. James Gregor in Frage: „Friedrich and Brzezinki [sic!] offer partial explanations, that is to say they present a partial catalogue of seemingly necessary or contingent conditions for the occurence of any specific event orcollection of events, but they do not undertake systematic predctive or explanatory efforts.” Siehe: A. James Gregor: Interpretations of Facism. Morristown, 1974. S. 218. 199 Vgl.: Hans J. Lietzmann: Politikwissenschaft im „Zeitalter der Diktaturen". Die Entwicklung der Totalitarismustheorie Carl Joachim Friedrichs. Opladen, 1999. S. 129-155. Lietzmann ist es auch, der Friedrichs Totalitarismuskonzeption in ungewohntem Lichte darstellt. Er ist um eine Beschreibung des jungen Friedrich und dessen politiktheoretischen Ansätze in der Weimarer Republik bemüht, welche den Heidelberger Politikwissenschaftler als Fürsprecher einer starken Exekutive in der Weimarer Verfassungsdiskussion portraitiert. Friedrichs Entwurf einer „konstitutionellen Diktatur“ will er selbst als natürliche Ergänzung einer Demokratie in Zeiten der Not verstanden wissen. Sein Totalitarismusentwurf bildet sodann das negative Gegenstück zu dieser Form der „guten“ Diktatur. Weiterhin dienten diese Überlegungen , so Lietzmann, eigentlich der Rechtfertigung einer späteren amerikanischen Besatzungspolitik in Deutschland. Siehe: Hans J. Lietzmann: Von der konstitutionellen zur totalitären Diktatur. Carl Joachim Friedrichs Totalitarismustheorie. S. 174-195. In: Alfons Söllner/ Ralf Walkenhaus/ Karin Wieland: Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts. Berlin, 1997. S. 177-181. Kritisch bezüglich der von Friedrich selbst vorgenommenen Änderungen am eigenen Konzept auch: Lothar Fritze: Unschärfen des Totalitarismusbegriffs. Methodologische Bemerkungen zu Carl Joachim Friedrichs Begriff der totalitären Diktatur. S. 305-320. In: Jesse, 1999. 197


III. Der Totalitarismus-Begriff

50

„Totalitäre Regime sind Autokratien.“200 Anknüpfend an diesen ersten Satz seiner Analyse totalitärer Diktaturen stellt Friedrich zunächst zwei Thesen auf. Zum einen ähnelten sich die Systeme des Faschismus und des Kommunismus in ihren Grundzügen, das

heißt,

sie

haben

mehr

Ähnlichkeiten

untereinander

als

mit

anderen

Regierungssystemen. Zum anderen seien diese totalitären Systeme historisch einzigartig und sui generis. Friedrich argumentiert im Anschluss, dass die totalitäre Diktatur nicht einem bewusst-gewollten Schöpfungsakt entsprungen sei, sondern sie habe sich mittels einer

revolutionären

Bewegung

und

deren

Führer

aus

einer

grundlegend

antidemokratischen politischen Situation herausgebildet.201 Das totalitäre Regime habe Kontrolle über Alltagsleben, Gedanken, Meinungen und Handlungen der Bürger. Friedrich beschreibt im folgenden Absatz noch einmal detailliert, weshalb totalitäre Regime historisch einzigartig sind. Die eigentlich unterscheidenden Merkmale, das Neue an totalitären Regimes, sind die mit Hilfe moderner technischer Geräte entwickelten und eingesetzten Organisationen und Methoden [...]. Danach tritt die totalitäre Diktatur als ein Herrschaftssystem zur Realisierung totalistischer Absichten unter modernen politischen und technischen Bedingungen hervor, als ein neuartiger Typ der Autokratie.202 Friedrichs Modellvariante von 1968 bezieht ausdrücklich die Möglichkeit einer Dynamik innerhalb von totalitären Regimen mit ein. Er spricht von „fortwährend[er] Veränderung“ und „ständige[r] Evolution“ der Systeme.203 Friedrich kommt dann auf die Ursprünge totalitärer Herrschaft zu sprechen. Diese seien nach dem momentanen Kenntnisstand nicht gänzlich erklärbar, sicher jedoch bestehe eine Polykausalität.204 Daraufhin arbeitet Friedrich den Punkt der Gleichartigkeit von Kommunismus und Faschismus heraus.

200

Carl Joachim Friedrich/ Zbigniew Brzezinski: Die allgemeinen Merkmale der totalitären Diktatur. S. 225237. In: Jesse, 1999, S. 225. Zum Verhältnis der Begriffe „autoritär“ und „totalitär“ ausführlicher: Karl Dietrich Bracher: Wendezeiten der Geschichte. Historisch-politische Essays 1987-1992. Stuttgart, 1992. S. 150, 155. Karl Dietrich Bracher: Zeit der Ideologien. Eine Geschichte politischen Denkens im 20. Jahrhundert. München, 1985. S. 122. 201 Vgl.: Friedrich/ Brzezinksi, 1968, S. 225. 202 Friedrich/ Brzezinksi, 1968, S. 226f. 203 Ebd., S. 227. 204 Vgl.: Ebd., S.227f. Friedrich erwähnt die Versuche anderer Autoren einer Konstruktion einer historischen Ahnenkette der geistigen Wegbereiter, unter ihnen Hegel und Luther, des Totalitarismus. Diese Versuche jedoch lehnt er ab. Dieses Negieren ist auch zu finden bei: Paul Noack/ Theo Stammen (Hg.): Grundbegriffe der politikwissenschaftlichen Fachsprache. München, 1976. S. 315.


III. Der Totalitarismus-Begriff

51

Sie [kommunistische wie faschistische Systeme, R.I.] sind, im Sinne [...] von Struktur, Institutionen und Herrschaftsprozessen – im Grunde gleichartig [Hervorhebung im Original]. [...] Es heißt [...], dass sie nicht ganz gleichartig [Hervorhebung im Original] sind. [...] Es gibt viele [...] Unterschiede, die uns nicht gestatten, die kommunistischen und faschistischen Diktaturen als völlig gleichartig gleichzusetzen, aber erkennen lassen, dass sie genügend gleichartig sind, um sie in eine Klasse einzuordnen und nicht nur konstitutionellen Systemen, sondern auch älteren Typen der Autokratie gegenüberstellen zu können.205 Im Folgenden führt Friedrich grundlegende Merkmale bzw. Eigenschaften an, welche charakteristisch seien für eine totalitäre Diktatur. „Diese sechs Grundzüge [...] bilden eine Gruppe von miteinander verflochtenen und sich gegenseitig stützenden Eigenschaften [...]. Sie sollten daher nicht isoliert betrachtet werden [...].“206 Diese den totalitären Systemen zu eigen seiende Merkmale lauten: 1. Eine

ausgearbeitete

Ideologie,

die

alle

lebenswichtigen

Aspekte

der

menschlichen Existenz umfasst und an die sich alle in dieser Gesellschaft Lebenden zumindest passiv zu halten haben. Diese Ideologie ist auf einen idealen Endzustand der Menschheit ausgerichtet. 2. Eine einzige Massenpartei, typischerweise von einem einzelnen Individuum, dem

„Führer“

gelenkt,

Gesamtbevölkerung,

einer

und

von

einem

Elitenschicht,

geringen

mitgetragen.

Prozentsatz Diese

der

Partei

ist

hierarchisch, oligarchisch organisiert und mit der Staatsbürokratie verflochten. 3. Ein Terrorsystem, auf physischer und psychischer Grundlage, das durch Parteiund Geheimpolizei-Kontrolle umgesetzt wird. Der Terror richtet sich sowohl gegen Regimefeinde als auch willkürlich gegen Teile der Bevölkerung. Dabei macht sich der Terrorapparat die moderne Wissenschaft, vor allem die Psychologie zunutze. 4. Ein nahezu holotisches Monopol über die Mittel der Massenkommunikation in den Händen der Massenpartei: vor allem Presse, Funk und Film. 5. Ein weiteres Monopol der wirksamen Anwendung aller Kampfwaffen. 6. Eine zentrale Überwachung sowie Lenkung der gesamten Wirtschaft.207

205

Friedrich/ Brzezinski, 1968, S. 228f. Ebd., S.230. 207 Vgl.: Ebd., S. 230f. 206


III. Der Totalitarismus-Begriff

Friedrich

betont,

es

52

mögen

durchaus

noch

weitere,

nicht

erkannte

Totalitarismusmerkmale vorliegen, und weiterhin unterstreicht er die mögliche Vielfalt und Variation der Gewichtung dieser Kennzeichen innerhalb der Regime.208 Daraufhin wendet sich der Politikwissenschaftler erneut der These zu, totalitäre Regime seien geschichtlich etwas Neues. Weder die orientalischen Despotien der ferneren Vergangenheit noch die absoluten Monarchien des modernen Europa, weder die Tyranneien der antiken griechischen Städte noch das römische Imperium, weder die Tyranneien der Stadt-Staaten der italienischen Renaissance und die bonapartistische Militärdiktatur noch die anderen funktionellen Diktaturen unseres oder des vergangenen Jahrhunderts zeigen diese Konstruktion, diese Kombination von Eigenschaften [gemeint sind Friedrichs sechs Merkmale, R.I.], auch wenn sie die eine oder andere ihrer charakteristischen Merkmale besitzen mögen.209 Entscheidend als Voraussetzung für das totalitäre Modell sei die moderne Technologie: Vier von den sechs Kennzeichen seien technologisch bedingt.210 Die Technologie verbindet die einzelnen Merkmale und schafft auf diese Weise ein „‚Syndrom’ oder Schema in wechselseitiger Beziehung“.211 Carl Joachim Friedrich scheint die modernen Formen der Diktatur als einen eigenen Typ der Autokratie bestimmen zu wollen. Zeitgleich schafft er damit einen Beitrag zur Lehre der Staatsformen. Friedrich möchte dabei ausdrücklich nicht idealtypisch vorgehen: Die Begriffsbildung soll auf empirischer Überprüfbarkeit ruhen.212 Ein

208

Vgl.: Ebd., S. 231. Ebd., S. 232. 210 A. James Gregor unterstützt diese These ausdrücklich: „Totalitarism is [...] developed in an age of [...] rapid industrial development.” Siehe: A. James Gregor: The Ideology of Fascism. The Rationale of Totalitarianism. New York/ London, 1969. S. 371. Dazu kritisch: Hermann Lübbe: Orwell hat unrecht behalten. S. 45-54. In: Politische Meinung, Band 40, Nr. 302, 1995. S. 52f. 211 Friedrich/ Brezesinksi, 1968, S. 230. Interessant ist auch das Verhältnis von Totalitarismus und Demokratie: „Von älteren autokratischen oder autoritären Regierungsformen heben sich totalitäre Bewegungen und Regime durch ihr ambivalentes Verhältnis zur modernen Demokratie ab. Sie verneinen zwar die repräsentative Demokratie, stellen sich zugleich aber als die höhere Form einer wahren Volksherrschaft dar.“ Siehe: Görres Gesellschaft (Hg.): Staatslexikon (hier: Band 5). Freiburg/ Basel/ Wien, 7., völlig neu bearbeitete Auflage, 1989. S. 491. Vgl.: Paul B. Cliteur: What is the task of the state in upholding values in a pluralistic society. S. 327-337. In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Band 83, Heft 3, 1997. S. 330f. 212 Vgl.: Walter Schlangen: Die Totalitarismustheorie. Entwicklung und Probleme. Stuttgart/ Berlin/ Köln u.a., 1976. S. 52. 209


III. Der Totalitarismus-Begriff

53

Realtypus soll erdacht werden, der sich aus der deskriptiven Wirklichkeit totalitärer Systeme herausschält.213 Zusammengefasst kann von folgendem Ergebnis ausgegangen werden: Friedrich entwickelt eine Theorie totalitärer Diktaturen, „die einen an bestimmten empirischen Merkmalen der verschiedenen historischen Erscheinungsweisen der modernen Diktatur idealtypisch [Hervorhebung im Original] gewonnenen Begriff des Totalitarismus zu einem Erklärungszusammenhang verallgemeinert“.214

III.3. Probleme und Kritik am Totalitarismusmodell Carl Joachim Friedrichs Das Totalitarismusmodell Friedrichs gilt als das einflussreichste TotalitarismusTheorem. Ganz selbstverständlich scheint es daher, dass sich die Person Friedrich und seine Arbeit zahlreicher wissenschaftlicher und politischer Kritik (wobei es mitunter schwer fällt, eine saubere Trennlinie zu erkennen) ausgesetzt sah und sieht. „The greatest problem for the future research on the topic of totalitarism is the utility of the concept itself.“215 Dieses Zitat, der „International Encyclopedia of the Social Sciences“ entliehen, stellt eines der grundlegenden Auseinandersetzungen um den Begriff des Totalitarismus dar: Was genau vermag das Konzept auszusagen? Was steckt hinter der Analyse totalitärer Regime? Das Hauptaugenmerk der Totalitarismus-Kritik richtet sich sicherlich auf Friedrichs „basically alike–These“, das bedeutet, es wird angezweifelt, ob denn eine Gleichartigkeit der Wesensverwandtschaft im Kommunismus und Faschismus festgestellt werden kann.216 Wichtiges Gegenargument scheint hier Friedrichs Indignation oder Unvermögen zu sein, nicht den Zweck einer Herrschaftsform zu untersuchen. Es ginge lediglich um Beschreibung, nicht um Erklärung: „Der grundsätzliche methodische Mangel dieser Betrachtungsweise liegt darin, dass sie sich gänzlich auf die Form, die Methode der Herrschaft beschränkt, ohne ihren Zweck und

213

Letztlich jedoch, und gerade dadurch, dass Friedrich Totalitarismus erst im Zusammenspiel seiner sechs Komponenten ent- oder bestehen sieht, setzt sich eine idealisierende Lesart durch. Vgl.: Achim Siegel: Carl Joachim Friedrichs Konzeption der totalitären Diktatur – eine Neuinterpretation. S. 273-309. In: Achim Siegel (Hg.): Totalitarismustheorien nach dem Ende des Kommunismus. Köln/ Weimar/ Böhlau, 1998. S. 284-289. 214 Schlangen, 1976, S. 56. 215 David L. Sills (Hg.): International Encyclopedia of the Social Sciences (hier: Band 16). o. O., 1968. S. 112. 216 Vgl.: Uwe Backes/ Eckhard Jesse: Totalitarismus. Extremismus. Terrorismus. Ein Literaturführer und Wegweiser im Lichte deutscher Erfahrung. Opladen, 1984. S. 72.


III. Der Totalitarismus-Begriff

54

ihren Inhalt zu untersuchen.“217 Die Fokussierung auf die Form der Herrschaft könne also nicht die Frage nach der Ursache beantworten.218 Die Tatsache, dass Friedrich sein Modell mehrfach modifizierte, brachte ihm zudem endgültig den Vorwurf ein, das Phänomen Totalitarismus „war und ist vor allem ein politischer Kampfbegriff.“219 Die normativen Wurzeln und Implikationen des Totalitarismusmodells evozierten vornehmlich zu Zeiten des Kalten Krieges Kritik. Besonders

Autoren,

die

mit

den

kommunistischen

Systemen

oder

Ideen

sympathisierten, stellten Friedrich in Frage. Man witterte ein ideologisch aufgeladenes, durchaus

bürgerliches,220

Instrument,

welches

verschweigen

wollte,

dass

kommunistische und faschistische Systeme völlig unterschiedliche Ziele verfolgten:221 Während die faschistischen Regime ein extrem partikularistisches Programm – nämlich in Gestalt rassistischer oder extrem nationalistischer Ziele – verwirklichen wollten, strebten die Kommunisten letztlich ein universalistisches und daher ‚progressives’ Ziel an – nämlich die klassenlose Gesellschaft.222 Dem „need to compare“223 wurde also entschieden widersprochen. Der Ballast der Tagespolitik schien so schwer auf dem Begriff des Totalitarismus zu wiegen,224 dass, auch auf Grund der vorangeschrittenen Nationalsozialismusforschung zu Beginn der 1980er-Jahre, Friedrichs Entwurf als unzeitgemäß und von fragwürdiger Brauchbarkeit erschien.225 217

Reinhard Kühnl: Faschismustheorien. Ein Leitfaden. Heilbronn, aktualisierte Neuauflage, 1990. S. 139. Vgl.: Ebd., S. 145. Vgl.: Reinhard Kühnl: Vom Siechtum und Wiederbelebung einer politischen Theorie und von der Sichtweise eines Polizeiverstandes auf eine wissenschaftliche Umwälzung. S. 385-391. In: Argument, Band 40, Heft 3, 1998. S. 386. 219 Wippermann, 1989, S. 96. 220 „Die Vorstellung, dass man von beiden Seiten gleichermaßen bedroht sei, geht zurück auf das Bürgertum des 19. Jahrhunderts, das sich auf der Rechten mit der feudalen Klasse und halbabsolutistischen Staat, auf der Linken mit der anwachsenden Arbeiterklasse konfrontiert sah. Auch die Vorstellung, dass man selber die Mitte repräsentiere, [...] geht auf diese Konstellation zurück.“ Siehe: Hans-Jörg Sandkühler (Hg.): Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften (hier: Band 4). Hamburg, 1990. S. 600. 221 Vgl.: Frank Deppe: Politisches Denken im 20. Jahrhundert (hier: Band 2). Hamburg, 2003. S. 54-75. 222 Siegel, 1998, S. 277. 223 Ian Kershaw/ Moshe Lewin (Hg.): Stalinism and Nazism. Dictatorships in Comparison. Cambridge, 1997. S. 1. 224 Exemplarisch dazu: Veränderungen in der post-Stalin-Ära „entzogen dem Totalitarismus seine realgesellschaftliche Basis.“ Siehe: Hans-Joachim Lieber: Zur Theorie totalitärer Herrschaft. S. 881-933. In: Hans-Joachim Lieber (Hg.): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Wiesbaden, 2000. S. 890. 225 Vgl.: Dieter Nohlen: Wörterbuch Staat und Politik. München, 4. Auflage, 1996. Vgl.: Volker Kronenberg: Ernst Nolte und das totalitäre Zeitalter. Versuch einer Verständigung. Bonn, 1999. S. 251f. Am 24. November 1978 veranstaltete das Institut für Zeitgeschichte ein Kolloquium zu dem Thema, wie die Begrifflichkeiten „Faschismus“ und „Totalitarismus“ zueinander stehen. Auf der Teilnehmerliste waren 218


III. Der Totalitarismus-Begriff

55

Zusammenfassend lassen sich folgende Kritikpunkte summieren: Friedrich fasse unterschiedliche

Herrschaftssysteme

mit

unterschiedlichen

Wertigkeiten

und

Zielsetzungen zusammen, die Theorie weise einen statischen Charakter auf (so könne es zum Beispiel nicht den Wandel in der ehemaligen UdSSR erklären),226 weiterhin mangle es an begrifflicher Offenheit für Variationen des Totalitarismusgrades.227 Zudem sei eine mangelnde Berücksichtigung anderer Strukturmerkmale des Untersuchungsgegenstandes festzustellen. Kritikwürdig sei auch ein offensichtliches Freund/ Feind-Schablonen Denken: Letztlich handle es sich um nicht mehr als um eine idealtypische Abstraktion.228

III.4. Renaissance eines Begriffes In seinem Beitrag „Erfahrung und Aktualität des Totalitarismus“ im 1988 erschienen Sammelband „Totalitarismus“, herausgegeben von Konrad Löw, bilanziert Manfred Funke: „Die [...] Frage [...], ob wir vor einer Renaissance der Totalitarismusdebatte [eigene Hervorhebung] stehen, ist wohl zu bejahen“229 und im selben Sammelband kommt der damalige Vorsitzende der Gesellschaft für Deutschlandforschung, Siegfried Mampel, zu dem Fazit, dass es durchaus voreilig war, „die Totalitarismuslehre

unter anderem Ernst Nolte, Hans Mommsen und Karl Dietrich Bracher zu finden. Ernst Nolte: „Nur wenn ein vertiefter und gleichwohl nicht [eigene Hervorhebung] neutraler Totalitarismusbegriff [...] sich durchsetzt, [...] wird der Westen als freiheitliche Gesellschaft fortexistieren.“ Institut für Zeitgeschichte (Hg.): Totalitarismus und Faschismus. Eine wissenschaftliche und politische Begriffskontroverse. München/ Wien, 1980. S. 31. 226 Vgl.: Thomas Heberer: Die Rolle von Interessenvereinigungen in autoritären Systemen: Das Beispiel Volksrepublik China. S. 277-297. In: Politische Vierteljahresschrift, Band 37, Nr. 2, 1996. S. 277. „Völlig außerhalb der Vorstellungskraft [der Totalitarismus-Theoretiker, R.I.] aber blieb ein möglicher Kollaps des Kommunismus.“ Siehe: Gert-Joachim Gläßner: Totalitarismus. Reflexionen zu einer wissenschaftlichen und politischen Debatte. S. 255-277. In: Prokla, Band 29, Heft 115, 1999. S. 269. 227 Interessant ist zum Beispiel die Frage: Wie totalitaristisch ist die VR China? Dazu: Abbott Gleason: Totalitarism. The Inner History of the Cold War. New York/ Oxford, 1995. S. 89-108. 228 Vgl.: Juan J. Linz: Totalitarian and Authoritarian Regimes. London, 2000. S. 129-143. Zu berücksichtigen ist auch, inwiefern Begrifflichkeiten rund um „den Totalitarismus“ von Friedrich benutzt werden. Doppelte Brisanz in der deutschen Totalitarismus-Literatur ist festzustellen, da man englisches Vokabular in eine fremde Sprache übersetzt. Ist Friedrichs Modell also eine „Theorie“ oder eine „Variante“? Eine „These“ oder ein „Ansatz“? Dazu: Uwe Dietrich Adam: Anmerkungen zu methodologischen Fragen in den Sozialwissenschaften: Das Beispiel Faschismus und Totalitarismus. S. 13-49. In: Manfred Funke (Hg.): Totalitarismus. Ein Studien-Reader zur Herrschaftsanalyse moderner Diktaturen. Düsseldorf, 1978. S. 1330. Zu weiteren Kritikpunkten kritisch: Giovanni Sartori: Totalitarianism, Model Mania and Learning from Error. S. 5-22. In: Journal of Theoretical Politics. Band 5, Nr. 1, 1993. S. 6-9. 229 Manfred Funke: Erfahrung und Aktualität des Totalitarismus. Zur definitorischen Sicherung eines umstrittenen Begriffs modernen Herrschaftslehre. S. 44-63. In: Konrad Löw (Hg.): Totalitarismus. München, 1988. S. 45.


III. Der Totalitarismus-Begriff

abzutun.“230

56

Karl Dietrich Bracher, der vielleicht standhafteste Verteidiger der

Totalitarismustheorie in Deutschland, spricht hinzufügend von einer Aktualität totalitärer Versuchung durch die wachsende Technisierung: Der Spättotalitarismus sei durchaus noch in der Lage, jedwede auftretende Opposition auszuschalten.231 Dieser

Rück-

oder

Wiederbesinnung

auf

den

Totalitarismusbegriff

vorausgegangen waren international ein Ende der Entspannungspolitik zwischen Ost und West232 in den späten 1970er-Jahren und frühen 1980er-Jahren,233 und national – besondere Beachtung verdienend – der sogenannte Historikerstreit.234 Noch stärkeres Neuforschungsinteresse235 bezüglich des Totalitarismusbegriffs lässt sich nach dem Zusammenbruch

des

europäischen

Kommunismus

erkennen:

Zahlreiche

postkommunistische Staaten Mittel- und Osteuropas akzeptierten das Modell als

230

Siegfried Mampel: Versuch eines Ansatzes für eine Theorie des Totalitarismus. S. 13-19. In: Ebd., S. 13. Karl Dietrich Bracher: Die Aktualität des Totalitarismusbegriffs. S. 19-28. In: Ebd., S. 24f. 232 Überblicksartig dazu: Jürgen Weber: Deutsche Geschichte. 1945-1990. München, 2. Auflage, 2003. S. 182f. Werner Link: Die Entwicklung des Ost-West-Konflikts. S. 242-274. In: Manfred Knapp/ Gert Krell (Hg.): Einführung in die Internationale Politik: Studienbuch. München, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, 1996. S. 256-258. Achim Siegel schreibt den Konjunkturzyklus des Totalitarismusbegriffs nicht der „politischen Großwetterlage" zu, sondern profitiere der Ansatz von seiner „kognitive[n] Leistungsfähigkeit“. Siehe: Achim Siegel: Die Konjunkturen des Totalitarismuskonzepts in der Kommunismusforschung: Eine wissenschaftssoziologische Skizze. S. 19-31. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft B 20, 1998. S. 20. 233 Exemplarisches Zitat aus dem Jahre 1981 zum Festhalten am Begriff des Totalitarismus: „So sehr Stalinismus und Faschismus von ihren gesellschaftlichen und ideellen Voraussetzungen her gründlich verschieden waren, so sehr konvergieren sie in der Praxis totalitärer Machtausübung.“ Siehe: Andreas Lindt: Das Zeitalter des Totalitarismus. Politische Heilslehren und ökumenischer Aufbruch. Stuttgart/ Berlin/ Köln u.a., 1981. S. 14. 234 Der Historikerstreit stellte Mitte der 1980er-Jahre eine Debatte über das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland als Nation bzw. Staat dar, in der sich Grundkonflikte eben jenes Verständnisses wiederspiegelten und manifestierten: Fachlich lieferte die Debatte um eine etwaige Neubewertung des Nationalsozialismus wenig Impulse. Die Kernpunkte des Streites waren zwei Fragen: War der Massenmord an Juden eine singuläre Erscheinung, und hat die Geschichtswissenschaft eine gesellschaftliche bzw. politische Funktion? Im Zuge der Auseinandersetzung gerieten „Revisionisten“ wie etwa Ernst Nolte, Andreas Hillgruber, Michael Stürmer oder Klaus Hildebrand, denen vorgeworfen wurde, es gehe ihnen um die Durchsetzung eines vereinfachenden, anti-pluralistischen, national-identitätstiftenden deutschen Geschichtsbildes, argumentatorisch in die Defensive. Der Historikerstreit fand zu großen Teilen in historischen Fachzeitschriften und in den Feuilletons bzw. Leserbriefseiten großer Zeitungen, wie etwa „Die Zeit“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, statt. Richard J. Evans: Im Schatten Hitlers? Historikerstreit und Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik. Frankfurt a. M., 1991. Dan Diner (Hg.): Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit. Frankfurt a. M., 1987. Ian Kershaw: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick. Reinbek, 1988. 235 Vgl.: Ralph Jessen: DDR-Geschichte und Totalitarismustheorie. S. 17-24. In: Berliner Debatte Initial, Heft 4/5, 1995. S. 17. Mahnend merkt Eckhard Jesse an, dass eine Wiedergeburt eines Begriffs „nicht notwendigerweise ein Indiz für Stimmigkeit“ darstellt. Siehe: Eckhard Jesse: Typologie politischer Systeme der Gegenwart. S. 239-313. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Grundwissen Politik. Bonn, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 1997. S. 256. 231


III. Der Totalitarismus-Begriff

57

adäquate Beschreibung der überwundenen Herrschaftsordnung,236 „was ihm auch im Westen zu einer neuen Blüte verhalf.“237 Der Sozialforscher Wolfgang Kraushaar merkt dazu

an,

dass

angesichts

des

Zusammenbruchs

der

sowjetischen

Ordnung

Totalitarismus nicht mehr ernsthaft als antikommunistische Kampfparole benutzt werden könne,238 weiterhin bestehe nun die Möglichkeit, Einsicht in diverse historische Archive zu nehmen, um „ein empirisch zuverlässigeres Bild vom Funktionieren des kommunistischen Herrschaftsapparates zu gewinnen.“239 Der das Absolute in Beschlag nehmende Totalitarismus,240 von Manfred Funke als „Kontrastmittel [...] zur Markierung des fundamentalen Unterschieds zwischen Demokratie und Diktatur“241 bezeichnet, erweise sich aufgrund der Enthüllungen der staatlichen Verbrechen des Kommunismus

nach

dem

Fall

des

Eisernen

Vorhangs

laut

dem

Geschichtswissenschaftler Imanuel Geiss „als durchaus brauchbar für eine historische Analyse [...]“,242 wenn der Vergleich auf pragmatischem Niveau durchgeführt würde;

236

Aus deutscher Sicht scheint die Frage „In welchem Maße kann das SED-Regime der DDR als totalitär eingestuft werden?“ besonders interessant. Noch im Jahre 1988 bilanzierte Bernhardt Marquardt: „Das DDR-System ist – bei aller Wandlungsfähigkeit – totalitär. Der Begriff ‚Autoritarismus’ ist unzureichend [...].“ Siehe: Bernhardt Marquardt: Die DDR auf dem Weg vom totalitären zum autoritären Staat? S. 108-142. In: Löw, 1988, S. 132. Eine konzise Darstellung der Opposition oder besser: der Oppositionsmöglichkeiten innerhalb der DDR ist zu finden bei: Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR. 1949-1989. Bonn, 2., durchgesehen und erweiterte sowie korrigierte Auflage, 2000. S. 25-35. Zu weiteren Entwicklung des Totalitarismusbegriffes in Zusammenhang mit dem Ende der DDR: Friedrich Pohlmann: Deutschland im Zeitalter des Totalitarismus. Politische Identitäten in Deutschland zwischen 1918 und 1989. München, 2001. S. 24-29. 237 Karsten Fischer: Totalitarismus als komparative Epochenkategorie – Zur Renaissance des Konzepts in der Historiographie des 20. Jahrhunderts. S. 284-297. In: Söllner/ Walkenhaus/ Wieland, 1997, S. 285. 238 Dazu auch: Stephan Eck: Totalitarismus und die DDR. S. 724-729. In: Neue Gesellschaft/ Frankfurter Hefte, Band 41, Heft 8, 1994. S. 729. Einen literarischen „Aufreger“ stellte das in Deutschland 1998 erschiene „Schwarzbuch des Kommunismus“ dar. Stéphane Courtois: Schwarzbuch der Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror. München, 1998. Mittlerweile auch erhältlich ist der Nachfolgeband: Stéphane Courtois: Das Schwarzbuch der Kommunismus 2. Das schwere Erbe der Ideologie. München, 2004. Das rekonstruierte Medienecho ist lesenswert zusammengefasst in: Horst Möller (Hg.): Der Rote Holocaust und die Deutschen. Die Debatte um das „Schwarzbuch des Kommunismus“. München/ Zürich, 1999 bzw.: Rudolf Augstein: „Historikerstreit“: Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. München, 9. Auflage, 1995. Dazu auch: Peter Steinbach: Ist man nach dem Ende klüger? Das „Schwarzbuch des Kommunismus“. S. 832-846. In: Universitas, Band 53, Heft 627, 1998. 239 Wolfgang Kraushaar: Sich aufs Eis wagen. Plädoyer für eine Auseinandersetzung mit der Totalitarismustheorie. S. 487-505. In: Jesse, 1999, S. 500. 240 Vgl.: Jeanne Hersch: Die Ideologien und die Wirklichkeit. Versuch einer politischen Orientierung. München, 1957. S. 142. 241 Manfred Funke: Braune und rote Diktaturen – Zwei Seiten einer Medaille?: Historikerstreit und Totalitarismustheorie. S. 152-160. In: Jesse, 1999, S. 159. 242 Imanuel Geiss: Die Totalitarismen unseres Jahrhunderts. Kommunismus und Nationalsozialismus im historisch-politischen Vergleich. S. 160-176. In: Jesse, 1999, S. 173.


III. Der Totalitarismus-Begriff

58

das bedeutet, „Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede herausarbeiten und in Bezug zueinander setzen.“ Tatsächlich steht – argumentativ betrachtet – die Auseinandersetzung um die Nützlichkeit und Anwendbarkeit des Begriffes „Totalitarismus“ nicht allzu weit von dem Stand vergangener Jahrzehnte entfernt. Möchte man exemplarisch drei Grundpositionen („kontra“ – „neutral“ – „pro“) in der neueren TotalitarismusForschungsliteratur verorten, ist dies ohne Schwierigkeiten möglich. Während zum Beispiel die russische Historikerin Ljudmila Mercalowa auf die Unvergleichbarkeit der beiden Systeme Nationalsozialismus und Kommunismus pocht und Anhänger der Totalitarismus-Doktrin als „verspätete Opfer“243 antikommunistischer Propaganda betitelt sowie der Historiker Leonid Luks auf die Unterschiede in den außenpolitischen Handlungen der Sowjetunion und des Dritten Reichs hinweist,244 nimmt der Geschichtswissenschaftler Ian Kershaw ein scheinbar neutrale Position ein. Für ihn ist der Vergleich der beiden Herrschaftssysteme „legitim, allerdings von stark begrenztem analytischen Wert.“245 Der Vergleich helfe hauptsächlich, um Herrschaftsinstrumente zu beschreiben.246 Ein kleines Stück weiter in interpretatorischer Hinsicht wagt sich der Politikwissenschafter Michael Curtis: [Die] gemeinsamen Wesenszüge in Fragen der Organisation, Technik, Beziehung zwischen politischer Elite und Bürgern und in der Betonung der Notwendigkeit eines Opfers für das Ganze, in der Zerstörung freier Institutionen sowie in dem Maß der Durchdringung des Privatlebens der Bürger [reichen] für eine gemeinsame Bezeichnung.247 Noch aufgeschlossener schließlich steht der russische Autor Kamaludin Gadshijew dem Totalitarismus-Begriff gegenüber. Es sei offenbar, dass die Verkettung und das Aneinanderprallen des massenhaft organisierten, mobilisierten und in Wallung gebrachten menschlichen Willens – sei es durch die braunen, roten oder anders gefärbten Ideen geschehen – etwas in der Art eines Erdbebens oder einer anderen

243

Ljudmila Andreevna Mercalowa: Stalinismus und Hitlerismus – Versuch einer vergleichenden Analyse. S. 200-213. In: Jesse, 1999, S. 211. 244 Leonid Luks: Bolschewismus, Faschismus, Nationalsozialismus – verwandte Gegner? S. 404-423. In: Jesse, 1999, S. 414f. 245 Ian Kershaw: Nationalsozialistische und stalinistische Herrschaft. Möglichkeiten und Grenzen des Vergleichs. S. 214-225. In: Jesse, 1999, S. 221. 246 Vgl.: Ebd., S. 221f. 247 Michael Curtis: Totalitarismus – Eine monolithische Einheit? S. 277-286. In: Jesse, 1999, S. 284. Zum „Totalitarismus und Individuum“ auch: Florian Rauning: Herrschaft ohne Grenzen? Der individuelle Freiraum als Parameter totalitärer Herrschaft. Münster, 1996. S. 41-52.


III. Der Totalitarismus-Begriff

59

Naturkatastrophe auslösten, das das bis dato gewohnte Weltbild umstieß.248 Die Totalitarismustheorie vermag, zusammenfassend gesprochen, also folgende Punkte zu leisten: Die Aufarbeitung der ideengeschichtlichen Grundlagen totalitärer Herrschaft; die Theorie kann historische Perspektiven spezifischer Phänomene der Politik in modernen, industriellen Massengesellschaften aufzeigen und liefert weiterhin der Politikwissenschaft ein Vergleichsmodell.249

III.5. Die Islamismusproblematik in der Totalitarismusforschung Nachdem man also von einer gewissen Stase der Positionen sprechen könnte, sollte ein Thema, das in gewisser Weise durch die Machtübernahme im Iran250 im Februar des Jahres 1979 des religiösen Schiitenführers Ajatollah Komeini eingeleitet worden war, der Totalitarismusforschung neue Impulse geben. Der Islamismus als radikalisierte Form der politisierenden und politisierte „Religionsvariante“ des Islam beschäftigt die Totalitarismusforschung seit geraumer Zeit:251 Vor allem durch die Reihe von terroristischen Attentaten auf die Vereinigten Staaten von Amerika252 durch islamistische Terrorkommandos drängte sich zunächst ein Zusammenhang zwischen

248

Kamaludin Gadshijew: Totalitarismus als Phänomen des 20. Jahrhunderts. S. 354-377. In: Jesse, 1999, S. 372. 249 Robert Erlinghagen bezeichnet Friedrichs Totalitarismustheorie als in der momentanen Debatte immer noch dominant und materiell sowie personell am besten ausgestattet. Siehe: Robert Erlinghagen/ Johannes Klotz/ Gerd Wiegel: Die Renaissance der Totalitarismustheorie: Zur geschichtspolitischen Bedeutung und zur wissenschaftlichen Tragfähigkeit. S. 89-98. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Band 44, Heft 1, 1999. S. 97. György Bence und Seymour Lipset bezeichnen die Totalitarismus als das Phänomen unter Sowjetologen, das sich als „fruchtbarste[s] Paradigma“ herausgestellt hat. Siehe: György Bence/ Seymour Lipset: Der wohlfundierte Irrtum: die Sowjetologie und das Ende des Kommunismus. S. 90-114. In: Transit, Heft 9, 1995. S. 97. 250 Im Zuge dieser Machtübernahme kommt es zu zahlreichen Todesurteilen: Amnesty International spricht von 4605 Hinrichtungen (Todesurteile ausgesprochen von „Islamischen Volksgerichtshöfen“) innerhalb von drei Jahren. Siehe: Bodo Harenberg (Hg.): Chronik der Menschheit. Dortmund, aktualisierte Neuauflage, 1988. S. 1051, 1058. 251 So finden wir bereits 1988 in Konrad Löws Sammelband „Totalitarismus“ einen Beitrag von Gregor Manousakis mit dem Titel „Der Islam – eine totalitäre Gefahr?“. Sein Fazit: „Jede Religion hat insofern einen totalen Charakter, als sie den Anspruch erhebt, alleinige Vertreterin der absoluten Wahrheit zu sein. [...] Der Islam stellt eine totalitäre Gefahr für die gesamte islamische Welt dar. [...] Auch für die westeuropäischen Demokratien stellt der Islam eine indirekte Gefahr dar.“ Siehe: Gregor M. Manousakis: Der Islam – eine totalitäre Gefahr? S. 224-235 In: Löw, 1988, S. 228, 231. Ein exemplarisches Wiederaufgreifen dieses Gedankens Ende der 1990er-Jahre ist zu finden bei: Tilman Mayer: Ist die Totalitarismustheorie gescheitert? S. 171-189. In: Karl G. Kick/ Stephan Weingarz/ Ulrich Bartosch (Hg.): Wandel durch Beständigkeit. Studien zur deutschen und internationalen Politik. Jens Hacker zum 65. Geburtstag. Berlin, 1998. S. 188. 252 Erstes Bombenattentat auf das New Yorker World Trade Center 1993, Anschlag auf US-Botschaft in Kenia 1998, Angriff auf Zerstörer USS Cole der US-Marine im Jahr 2000.


III. Der Totalitarismus-Begriff

60

„kulturfeindliche[m]“253 Islamismus und Terrorismus, einem Kennzeichen totalitärer Regime, auf.254 Der Höhepunkt dieser Entwicklung begann zweifelsohne am 11. September 2001, als islamistische Attentäter vollbesetzte Zivilflugzeuge nicht nur in die beiden Türme des New Yorker World Trade Centers, sondern parallel auch in das USVerteidigungsministerium, das Pentagon, lenkten. Der darauf folgende Feldzug gegen den militanten Islamismus in Form des Terrornetzwerkes Al Qaida (und der Person des Osama bin Laden) der US-Administration unter Präsident George W. Bush war umfassend und hält an: Afghanistan, die Philippinen und Irak waren und sind bisher Einsatzgebiete des US-Militärs. Die interessante Frage für die Totalitarismusforschung ist nun: Stellt dieser radikale Islamismus eine totalitäre Erscheinung dar? Der Autor Bruce Hoffmann gibt eine interessante Antwort: Das religiöse „Gebot“ zu terroristischem Handeln [stellt] die wichtigste Besonderheit des aktuellen Terrorismus dar. [...] Aber [...] der aktuelle Aufschwung des religiösen Terrorismus [bleibt] nicht exklusiv auf den [...] Islam beschränkt: Seit Ende der 80er Jahre erfasste der neue religiöse Terrorismus Elemente aller wichtigen Weltreligionen und in einigen Fällen auch kleinere Sekten und Kulte. [...] Keine der großen Weltreligionen255 [kann] von sich behaupten [...], gegen die immer wieder gleichermaßen gefährliche Mischung von Glauben, Fanatismus und Gewalttätigkeit immun zu sein.256 Dem widerspricht der „Zeit“-Autor Yehuda Bauer. In seinem Artikel „Der dritte Totalitarismus“257 benennt er zunächst die Ziele des radikalen Islamismus: Erstens solle der Islam im Sinne eines Weltherrschaft durchgesetzt werden, zweitens Staat und

253

Oliver Roy: Islam in Europa: Konflikt der Religionen oder Konvergenz der Religiösitäten. S. 118-134. In: Transit, Nr. 27, Sommer 2004. S. 124. 254 Vgl.: Peter Heine: Terror in Allahs Namen. Extremistische Kräfte im Islam. Bonn, 2004. S. 12-46. Bereits 1993 hatte der Havard-Professor Samuel Huntington seinen kontrovers bis hitzig diskutierten Essay über einen Kampf der Kulturen („Clash of Civilisations“) verfasst. Huntington verwies darauf, dass überall dort, wo nichtmuslimische Länder an muslimische grenzten, es zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen sei. Er bezeichnete weiterhin die Grenzen des Islam als „blutig“. Siehe: Paul Berman: Terror und Liberalismus. Bonn, 2004. S. 33f. Kritik an Huntington unter anderem bei: Werner Link: Die Neuordnung der Weltpolitik. Grundprobleme globaler Probleme an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. München, 3. Auflage, 2001. S. 39. Samuel Huntington: Kampf der Kulturen. München, 1994. 255 Siehe dazu: Gerhard Wettig: Totalitäre Herrschaft im Lichte der christlichen Tradition. S. 3-9. In: Außenpolitik, Band 47, Heft 1, 1996. 256 Bruce Hoffmann: Terrorismus – der unerklärte Krieg. Bonn, 2002. S. 112, 117. 257 Yehuda Bauer: Der dritte Totalitarismus. Radikale Islamisten kämpfen um die Weltherrschaft. Das haben sie mit Hitler und Stalin gemein. In: Die Zeit, 31.07.2003, Nr. 32. Quelle: http://www.zeit.de/2003/32/Essay_bauer Letzter Zugriff am: 09.12.2004. Dazu auch: Wahied Wahdathagh: Die Herrschaft des politischen Islam als eine Form des Totalitarismus. „Die Islamische Republik Iran“. S. 317-343. In: Prokla, Band 29, Heft 115, 1999. S. 339.


III. Der Totalitarismus-Begriff

61

gesetzliche Normen abgeschafft und drittens müsse die Vernichtung der Juden vorangetrieben werden. Bauers Zwischenfazit lautet: „In den letzten 100 Jahren entstanden drei radikale Ideologien, die die Welt von Grund verändern wollten: der Bolschewismus, der Nationalsozialismus und der radikale Islamismus.“258 Zwar räumt Bauer ein, dass der radikale Islamismus im Gegensatz zum Kommunismus und Nationalsozialismus keine zentral organisierte Bewegung sei und Massenmord bisher nur angestrebt, aber nicht endgültig verwirklicht worden sei, letztlich hält er jedoch fest, weshalb er die drei Spielarten für wesensähnlich hält und von einem dritten Totalitarismus spricht: Alle drei galten oder gelten ihren Anhängern als quasireligiöse oder religiöse Offenbarung. Alle drei strebten und streben nach der Weltherrschaft. Alle drei waren oder sind radikale Utopien, die das Ende der geschichtlichen Welt versprechen oder versprachen. [...] Alle drei wollten oder wollen die Abschaffung von Staat und Recht [...].259 Auch Hansrudolf Kamer, Redakteur der „Neuen Züricher Zeitung“, erkennt im radikalisierten Islam eine Bedrohung des Totalitären: Es geht um „die totalitäre, antidemokratische und antiliberale Ideologie und grimmige Zucht eines politisierten, fanatisierten Islam, der vor nichts zurückschreckt.“260 In ihrem Jahrbuch „Extremismus und Demokratie“ von 2004 kommen schließlich Uwe Backes und Eckhard Jesse zu einem aussagekräftigen Fazit: Wo Islamisten zur Macht gelangen, gilt politische Opposition als Häresie. Die politisch-religiöse Heilslehre ist mit geteilter Machtausübung unvereinbar. Nimmt man das im Konzept des 'Djihad' enthaltene Mobilisationsmoment hinzu, erfüllt der zur Macht gelangte Islamismus alle Bedingungen totalitärer Herrschaft.261

258

Ebd. Ebd. Der Politologe und Islamkenner Bassam Tibi sieht in der radikalisierten Variante des Islam, dem Djihadismus, eine totalitäre Ordnungsvorstellung, welche ausschließlich von Muslimen selbst in die Schranken gewiesen werden könne. Siehe: Bassam Tibi: Der neue Totalitarismus. „Heiliger Krieg“ und westliche Sicherheit. Darmstadt, 2004. S. 9, 202. 260 Hansrudolf Kamer: Terrorismus. Welche Lehren zieht Europa? In: Neue Züricher Zeitung, 20.03.2004. Quelle: http://www.nzz.ch/dossiers/2003/terrorismus/2004.03.20-al-kommentar9H7QX.html Letzter Zugriff am: 09.12.2004. Ebenso spricht Hans Joachim Neubauer, Redakteur des „Rheinischen Merkur“ davon, dass der totalitäre Terror die offene Gesellschaft bedrohe. An anderer Stelle spricht Hans-Peter Raddatz von „totalitäre[n] Gebräuche[n]“. Siehe: Hans Joachim Neubauer: Was uns stolz macht. S. 1. In: Rheinischer Merkur, 09.12.2004, Nr. 50. S.1; Hans-Peter Raddatz: Verbotene Liebe. S. 17. In: Ebd. 261 Uwe Backes/ Eckhard Jesse: Islamismus, Djihadismus, Totalitarismus, Extremismus. S. 13-27. In: Uwe Backes/ Eckhard Jesse (Hg.): Jahrbuch Extremismus und Demokratie (hier: Band 14). Bonn, 2002. S. 26. 259


III. Der Totalitarismus-Begriff

62

Die Frage nach dem Totalitarismusgrad von fundamentalistisch-islamistischen Inhalten und deren Durchdringungen von Gesellschaft kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden, da dies den Rahmen dieser Darstellung sprengen würde. Es steht jedoch fest, dass gerade die Islamismusdebatte weiter im Zentrum eines öffentlichen und wissenschaftlichen Interesses stehen wird. Spätestens die Auseinandersetzung um einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union bestätigte dies nachdrücklich.262

262

Beispiele für den lebhaft geführten Diskurs sind einsehbar unter: Helmut Schmidt: Bitte keinen Größenwahn. Ein Beitritt der Türkei würde die Europäische Union überfordern. In: Die Zeit, 25.11.2004. Quelle: http://www.zeit.de/2004/49/T_9frkei-Beitritt Letzter Zugriff am: 11.02.2005. Günter Verheugen: Das Kuschel-Europa ist von gestern. Ein Beitritt der Türkei würde die Europäische Union stärken und sie zum weltpolitischen Akteur machen. Quelle: http://www.zeit.de/2004/42/Erbe Letzter Zugriff am: 11.02.2005.


63

IV. TOTALITÄRE ELEMENTE IN DEN ANTINATIONALSOZIALIS TISCHEN DYSTOPIEN


IV. Carl Joachim Friedrichs Modell von Totalitarismus und Einordnung der Primärliteratur

64

Zunächst soll erklärt werden, was in dieser Untersuchung unter dem Begriff „antinationalsozialistische

Dystopie“

verstanden

werden

soll.263

Antinationalsozialistische Dystopien in Romanform stellen Werke dar, in welcher der Romanautor eine alternative Welt einführt, in der das nationalsozialistische Deutschland nicht durch einen Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg niedergerungen wird. Das Ergebnis ist entweder eine globale Dominanz der Dritten Reichs oder aber ein status quo inter pares, zumeist Japan oder den Vereinigten Staaten von Amerika. Hauptaugenmerk richten die Autoren dabei auf die zumeist negativen Konsequenzen und Lebensbedingungen für Individuen innerhalb dieses fiktiven faschistischen Systems.264 Stephan Meyer vertritt die These, der in der folgenden Untersuchung gefolgt werden soll, dass totalitäre Systeme den „größten anzunehmenden Unfall utopischer Idealstaatsplanungen“265 darstellten. Besonders bedeutsam ist die Stellung der antiutopischen Romane in diesem Kontext: Sie seien „politisch-literarisches Pendant und kritisches Medium“266 dieser geschilderten, gescheiterten Staatsplanung. Meyer führt weiter aus: Durch anti-utopische Romane [lässt sich] viel über Theorie und Praxis des Totalitarismus erfahren [...]. Sie konstruieren Idealtypen möglicher totalitärer Gesellschaften, die aus den historischen Erfahrungen und zur Zeit ihrer Niederschrift aktuellen Problemfeldern ableitbar waren.267 Dystopien beschreiben einen annähernden Idealtypus totalitärer Systeme: Die Romane entstanden als Reaktion auf realgeschichtliche Ereignisse. Überwachung durch Verbreitung von Misstrauen und Denunziation, durch die Angst vor den Nachbarn, Kollegen oder Verwandten; Herrschaft durch Terror und totale Überwachung usw. Das bisher nie dagewesene Ausmaß des Staatsterrors, die Ungeheuerlichkeit und

263

Der Autor Bernd-Peter Lange verortet den Beginn einer anti-deutschen Utopietradition im spätviktorianischen England. Als angstvolle Reaktion auf die Gründung des Deutschen Reiches 1871 fürchteten englische Autoren eine deutsche Invasion der Heimatinsel. Lange führt in diesem Diskurs zwei anti-deutsche Dystopien an: „The Battle of Dorking: Reminiscences of a Volunteer“ von George Tomkyns und „The Coming Race“ von Edward Bulwer-Lytton (beide Werke erschienen 1871). Siehe: Bernd-Peter Lange: Next War Novels: Deutschland und die englische Dystopie seit 1870. S. 37-59. In: Krieg und Literatur, Vol. 2, Nr. 4, 1990. S. 38. 264 Einen interessanten Beitrag zu der Frage, ob es denn so etwas wie eine nationalsozialistische Utopie in Romanform gibt, liefert der Autor Robert Hahn. Vgl.: Robert Hahn: Der Erfinder als Erlöser – Führerfiguren im völkischen Zukunftsroman. S. 29-48. In: Esselborn, 2003, S. 32-35. 265 Meyer, 2001, S. 357. 266 Ebd. 267 Ebd., S. 366.


IV. Carl Joachim Friedrichs Modell von Totalitarismus und Einordnung der Primärliteratur

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Neuartigkeit der Verbrechen [...], die pseudodemokratische Legitimation [...] und die durch modernste Technik ermöglichte totale Kontrolle stellen die Faktoren dar, die die Zeitzeugen und die spätere Totalitarismusforschung [...] am meisten erschreckte und beeindruckte und auch die Anti-Utopisten am meisten bewegt.268 Meyers Auswahl an herangezogenen Negativ-Utopien deckt den üblichen Kanon, wie etwa „Wir“ oder „1984“, ab. So konstatiert er auch einzig „1984“ den Status zu, idealtypisch

die

Funktionsweise

eines

totalitaristischen

Staates

darzustellen.

Interessanterweise bemängelt Meyer jedoch, dass bestimmte Merkmale totalitärer Systeme fehlten: Konzentrationslager, Gulags sowie Rassenwahn. Auch der Einsatz von Atomwaffen werde kaum thematisiert.269 Es ist verwunderlich, dass Meyer in seiner umfangreichen Studie nicht auf die Untergruppe der antinationalsozialistischen Dystopien eingeht, würde er doch seinen Mängelkatalog dort bis zu einem gewissen Grade behoben sehen. Dies ist auch der Grund, weshalb nun im weiteren Verlauf dieser Arbeit eben jene Negativ-Utopien antinationalsozialistischen Typus mithilfe des Totalitarismuskonzepts von Carl Joachim Friedrich auf deren Totalitarismusmerkmale hin untersucht werden sollen. Dabei ist zu erwarten, dass die verschiedenen Merkmale Friedrichs in der Primärliteratur verschieden stark ausgeprägt zu finden sein werden.

IV.1. Vorstellung der Primärliteratur In den kommenden kurzen Abschnitten wird die der Arbeit zugrunde liegende antinationalsozialistische Romanliteratur in der Reihenfolge ihres Erscheinens vorgestellt.270 Diese Einführung wird sowohl die Romangeschichte, dessen Inhalt sowie den Autor skizzieren.

268

Ebd., S. 364. Ebd., S. 366. 270 Ebenfalls in die Kategorie „antinationalsozialistische Dystopie“ fallen folgende zwei Romane: Christian von Ditfurth: Der 21. Juli. München, 2001. (In der Handlung des Romans glückt General von Stauffenbergs Attentat, doch lediglich, weil Himmler zum Mitverschwörer avanciert; trotzdem tobt der Krieg weiter, deutsche Atomwaffen detonieren in Minsk und die USA fürchten eine Invasion.) Norman Spinrad: The Iron Dream. München, 1981. (Adolf Hitler wird in diesem Roman als einflussreicher, erfolgreicher, in Amerika lebender Schriftsteller von qualitativ schlechten Science Fiction- und Phantasygeschichten portraitiert.) 269


IV. Carl Joachim Friedrichs Modell von Totalitarismus und Einordnung der Primärliteratur

66

IV.1.1. „Nacht der braunen Schatten“ (1937) von Katharine Burdekin Das Gesamtwerk von Katharine Burdekin (1896-1936), geboren in Derbyshire, England, umfasst zehn Romane. Sie beschäftigte sich vornehmlich mit Politik und Zeitgeschichte sowie Psychologie und Religion. Es ist davon auszugehen, dass die Verpflegung von Kriegsverletzten, welche sie während des Ersten Weltkriegs in einem Krankenhaus leistete, wesentlichen Einfluss auf ihr schriftstellerisches Oeuvre nahm. Der Roman wurde 1937 unter dem Titel „Swastika Night“ in England veröffentlicht, allerdings unter dem eher maskulin klingenden Pseudonym „Murray Constantine“. Der englische Verleger Victor Gollancz, welcher sich des Romans annahm, war interessanterweise auch George Orwells erster Verleger.271 Die Handlung ist weit in die Zukunft verlagert: 700 Jahre nach dem Sieg des Deutschen Reiches wird die Welt von Deutschland und Japan beherrscht. Während Adolf Hitler Gott einer neuen, deutschen Religion wurde, stellt das Christentum eine verfolgte Minderheit dar. Der Leser verfolgt den Engländer Alfred auf Wallfahrt ins geheiligte Deutschland, wo er durch Zufall die Bekanntschaft des rebellischen Ritters von Hess – die Herrscherrasse ist in ritterlichen, homosexuellen Männerbünden organisiert, Frauen führen eine kümmerliche Existenz als geknechtete Gebärmaschinen in Lagern – macht. Dieser enthüllt die tatsächliche Existenz eines sagenumwobenen Buches, welches sich als staatsgefährdend herausstellt, weil es die wirkliche Vergangenheit des Dritten Reiches darstellt. Alfred und von Hess aber leben in einer Welt, in der die Propagandamaschinerie des Reiches so erfolgreich war, dass es keine Erinnerungsstücke aus der Vergangenheit mehr gibt. Von Hess übergibt Alfred dieses Buch: Dieser soll – nach seiner Rückkehr – in England den Widerstand gegen die deutschen Besatzer organisieren. IV.1.2.

„Hörnerschall“ (1952) von John William Wall

John William Wall (1910-1989), geboren in Nord-England, studierte englische Literatur und Geschichte, ehe er schließlich 1933 sein eigentliches Berufsziel erreichte: den diplomatischen Dienst. Wall nutzte daher auch „diplomatisch“ das Pseudonym

271

Vgl.: http://www.ma1stnews.de/literaturzirkel/autoren_b/burdekin_k_1.htm. Erstellungsdatum: Juli 2003. Letzter Zugriff am: 20.08.2004. L.J. Hurst: Swastika Night. In: Vector. The Critical Journal of the British Science Fiction. Quelle: http://dialspace.dial.piper.com/l.j.hurst/swastika.htm. Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 20.08.2004.


IV. Carl Joachim Friedrichs Modell von Totalitarismus und Einordnung der Primärliteratur

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„Sarban“, um als schriftstellerischer Urheber Problemen mit seinem Arbeitgeber, dem diplomatischen Korps, aus dem Weg zu gehen. Seine Arbeit führte Sarban in zahlreiche Länder: Er besuchte unter anderem den Libanon, Syrien, Saudi-Arabien und Paraguay. Entscheidend für den Schriftsteller Wall war allerdings seine damalige Frau. Sie bot die Manuskripte des sprachgewandten Diplomaten einem englischen Verlag an, was schließlich zur Veröffentlichung führte. Es ist erstaunlich, dass der 1952 unter dem Titel „The Sound of His Horn“ erschienene Roman, erst im Jahre 2003 den Weg auf den deutschen Buchmarkt fand.272 Wall schildert die Erlebnisse eines englischen Soldaten, welcher nach seiner Flucht aus einem deutschen Gefangenenlager 1943 durch eine Art Zeitsprung in eine nationalsozialistische Zukunft gelangt. Dort gerät er in die Fänge des deutschen Grafen Hans von Hackelnberg, ein Nimrod, welcher sich in einem weitläufigen Terrain zu Jagdzwecken Menschen als Beutetiere hält. Nur knapp gelingt dem Engländer die Flucht aus dem Park heraus und zurück in seine eigene Zeit hinein. IV.1.3. „Das Orakel vom Berge“ (1962) von Philip K. Dick Philip Kindred Dick (1928-1982), geboren in Chicago, gilt als einer der bekanntesten Science Fiction-Schriftsteller. Spätestens nach der Filmadaption „Blade Runner“ (basierend auf „Do Androids Dream of Electric Sheep?“) im Jahre 1982 galten Dicks Romane als willkommene Stofflieferanten für Hollywood-Drehbücher.273 Sein Gesamtwerk umfasst unzählige Kurzgeschichten und über 60 Romane. Der 1962 erschienene Roman „Das Orakel vom Berge“, im Original: „The Man in The High Castle“ erhielt 1963 den begehrten „Hugo Award“274 für Science Fiction– Literatur, was den endgültigen Durchbruch als Science Fiction–Schriftsteller darstellte.275 272

Vgl.: Joachim Kalka: Von sofort an herrscht Jagdverbot. Beklemmende Utopie: Sarbans Horrorroman „Hörnerschall“. S. 38. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 235. Quelle: http://festa.exxa.de/product_info.php?products_id=41. Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 20.08.2004. 273 Mehr zu „Blade Runner“ unter: http://www.imdb.com/title/tt0083658/?fr=c2l0ZT1kZnxzZz0xfHR0PW9ufHBuPTB8cT1CbGFkZXJ1bm5lc nxteD0yMHxsbT0yMDB8aHRtbD0x;fc=1;ft=4;fm=1. Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 14.01.2005. Weitere Dick-Verfilmungen: „Total Recall“ (1990), „Screamers“ (1995), „Minority Report“ (2002) u.a. 274 Jährlich, von der „World Science Fiction Society“ (Zusammenschluss von Lesern, Autoren und Verlegern) verliehene Auszeichnung. Der Preis ist nach Hugo Gernsberg, dem Herausgeber des Science Fiction-Heftes „Amazing Stories“ benannt. 275 Lawrence Sutin: Philp K. Dick. 1928-1982. Quelle: http://www.philipkdick.com/aa_biography.html. Erstellungsdatum: 2003. Letzter Zugriff am: 13.01.2005.


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Dicks Geschichte spielt 1962 in den USA. Nazi-Deutschland und Japan herrschen gemeinsam, aber alles andere als einträchtig, über den Globus. Interessant ist, dass es sich um eine „Buch-im-Buch“-Geschichte handelt. In diesem dystopischen Entwurf geht es um einen Roman, genauer genommen eine Utopie, verfasst von einem Amerikaner, welche den Sieg der Vereinigten Staaten und Großbritanniens über das Dritte Reich und Japan darlegt, also die wirkliche jüngste Vergangenheit in die Welt der Dystopie einschleust. Die weitere Rahmenhandlung des Werkes auf erster Ebene, der Ebene der Dystopie, beschreibt den Macht- und Konkurrenzkampf innerhalb der NaziFührung – sollte sich ein bestimmter, radikaler Flügel durchsetzen, stünde der Atomangriff auf den Nochverbündeten Japan bevor. IV.1.4. „Wenn das der Führer wüsste“ (1966) von Otto Basil Otto Basil (1901-1983), geboren in Wien, studierte Germanistik und Paläontologie in München, arbeitete aber auch immer wieder als Journalist und Übersetzer. Im „angeschlossenen“ Österreich erhielt er 1938 ein Schreibverbot. Nach dem Krieg betätigte er sich als Dramaturg (Wiener Volkstheater) und als Herausgeber der avantgardistischen Zeitschrift „Plan“. Bis zu seinem Tod blieb er, der 1965 einen Ehrenprofessortitel und 1981 den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik erhalten hatte, freier Schriftsteller.276 Sein Roman „Wenn das der Führer wüsste“ erschien 1966 und stellt eine persönliche Auseinandersetzung Basils mit seinen Erfahrungen bezüglich des Nationalsozialismus dar. Den geringen Bekanntheitsgrad des Werkes nennt Joachim Kalka, Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ „verwunderlich“ und „ungerecht“.277 Zeitlich ist der Roman in der 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt. Das Japanische Kaiserreich und Deutschland haben die Welt in zwei Machtsphären aufgeteilt – doch der Tod Adolf Hitlers und das entstehende Chaos, unter anderem Bürgerkrieg, scheinen direkt in einen Dritten Weltkrieg zu münden. Inmitten dieser Konstellation 276

versucht

Albin

Höllriegl,

seines

Zeichens

hochrangiger

Vgl.: Volker Kaukoreit/ Peter Seda: Otto Basil. Quelle: http://www. onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestand/sg/nl/basil.htm. Erstellungsdatum: Juli 2002. Letzter Zugriff am: 11.01.2005. 277 Vgl.: Joachim Kalka: Von sofort an herrscht Jagdverbot. Beklemmende Utopie: Sarbans Horrorroman „Hörnerschall“. S. 38. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 235. Quelle:


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Erdstrahlungsspürer der SS, einen Weg in ein hoch im Norden gelegenes NaziRefugium zu finden. IV.1.5. „SS-GB“ (1978) von Len Deighton Len Deighton, geboren 1929 in London, England, entstammt einer britischen Unterschichtsfamilie, nur über den Umweg über die königliche Luftwaffe war es ihm möglich, am „Royal College of Art“ zu studieren. Er übte verschiedenste Berufe aus (unter anderem Koch, Lehrer, Photograph oder Konditor), schließlich gelang ihm mit „The Ipcress File“, einem Spionage-Thriller, 1962 der erste Erfolg. Forthin verglich man ihn häufig mit dem „James Bond“-Erfinder und Romanautoren Ian Fleming.278 Im fiktiven 1941 befindet sich das Dritte Reich in einer nicht enden wollenden Vorwärtsbewegung: Nicht nur sind Frankreich und Großbritannien gefallen und besetzt sowie der Hitler-Stalin Pakt ungebrochen, die Vereinigten Staaten von Amerika waren zudem unfähig, militärische Gegenmaßnahmen einzuleiten. Der Protagonist Archer ist britischer Polizist des Scotland Yard, nun eine Unterabteilung der SS, und ermittelt in einem Mordfall, welcher sich im weiteren Verlauf der Geschichte zu einer komplizierten Konstellation entwickelt, in der die SS, die deutsche Wehrmacht, der amerikanische Geheimdienst sowie der britische Widerstand auftauchen.279 IV.1.6. „Vaterland“ (1992) von Robert Harris Robert Harris, geboren 1957 in Nottingham, England, arbeitete nach seinem Studium der Geschichte in Cambridge als BBC-Reporter und politischer Redakteur des „Observer“. Als erfolgreicher Schriftsteller fiktionaler Romane sowie Sachbücher schreibt er nebenher als Kolumnist bei der „Sunday Times“. Mit „Vaterland“ gelang ihm 1992 der Durchbruch: Sein Werk wurde zu einem internationalen Verkaufserfolg und erfuhr zudem eine filmische, qualitativ leider nur mittelmäßige, Adaption mit Rutger Hauer in der Hauptrolle.280

http://festa.exxa.de/product_info.php?products_id=41. Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 20.08.2004. 278 Vgl.: Christan Hofius: Len Deighton. Quelle: http://www.hofius.de/buecher/deighton.htm. Erstellungsdatum: 2004. Letzter Zugriff am: 12.01.2005. 279 Vgl.: Robert Schmunk: SS-GB. Quelle: http://www.uchronia.net/bib.cgi/label.html?id=deigssgbxx. Erstellt unbekannt. Letzter Zugriff am: 13.01.2005. 280 Vgl.: Wolfgang Richard: Robert Harris: Quelle: http://www.wolfgang.richard.info/Ein-5.11.htm. Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 12.01.2005.


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Die verkaufsstarke und populäre antinationalsozialistische Dystopie spielt im Jahr 1964. Hitler gewann den Krieg und zwingt Amerika mittels Atomwaffenbedrohung in unliebsames Verharren im internationalen Raum: Es herrscht Kalter Krieg. Doch eine Auflockerung scheint bevor zu stehen: Der junge US-Präsident Kennedy möchte anlässlich des Führergeburtstages einen Staatsbesuch abstatten. Der Tod eines hochrangigen Parteifunktionärs kommt daher denkbar unpassend – der ermittelnde Kripo-Sturmbannführer

gerät

allerdings

zusammen

mit

einer

amerikanischen

Journalistin gefährlich nahe an die Aufdeckung einer unglaublichen, der Welt unbekannten historischen Wahrheit: der systematischen Ermordung jüdischer Mitbürger.

IV.2. Einordnung der antinationalsozialistischen Dystopien in Friedrichs Totalitarismuskonzept Nach der inhaltlichen Vorstellung der Primärliteratur werden die dystopischen Romane nun in den Totalitarismus-Merkmals-Katalog Friedrichs eingeordnet. Dies erfolgt durch eine gewissenhafte inhaltliche Analyse der narrativen Texte auf Übereinstimmungen mit dem jeweiligen Katalogsmerkmal hin. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, zu bewerten, ob die portraitierten politischen Systeme der Primärliteratur einen totalitaristischen Charakter im Sinne des Modells von Friedrich aufweisen. IV.2.1. Ideologie An dieser Stelle muss zunächst einmal der in der Forschung aporematischen Frage nachgegangen werden, ob denn überhaupt von einer nationalsozialistischen Ideologie gesprochen werden kann. Sogenannte „Strukturalisten“, zu denen etwa Martin Broszat281 oder Hans Mommsen zählen, verwerfen die Idee einer geschlossenen Weltanschauung und deuten ideologische Eckpunkte als Propaganda zu integrativen Zwecken.282 Hingegen erkennen die sogenannten „Intentionalisten“, wie etwa Ernst Nolte, Eberhard Jäckel oder Klaus Hildebrand, sehr wohl ein „konsistentes

Weitere Informationen zu dem für das amerikanische Fernsehen produzierten Film können eingesehen werden unter: http://www.imdb.com/title/tt0109779/combined. Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 12.01.2005. 281 Vgl.: Martin Broszat: Das weltanschauliche und gesellschaftliche Kräftefeld. S. 158-173. In: Martin Broszat/ Norbert Frei (Hg.): Das Dritte Reich. Ursprünge, Ereignisse, Wirkungen. Würzburg, 1983. S. 158. 282 Vgl.: Wolfgang Wippermann: Ideologie. S. 11-22. In: Wolfgang Benz/ Hermann Graml/ Hermann Weiß (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Stuttgart, 1997. S. 19.


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ideologisches Programm“ 283 und „den planmäßigen Entwurf einer Herrschaft“284. Dem intentionalistischen Verständnis soll in dieser Arbeit gefolgt werden: Aus Hitlers Büchern,285 persönlichen Aufzeichnungen und Reden lässt sich ein „schlüssiges und zusammenhängendes Ideologiegebäude herausfiltern.“286 Hitler war jedoch stets Programmatiker und Politiker zugleich. Das bedeutet: Er konnte seine ideologische Radikalität aus taktischen Gründen temporär zügeln und interimistische Abstriche in Kauf nehmen. In seiner Weltanschauung so etwas wie einen detaillierten „Fahrplan“ seiner Politik zu sehen, hieße, seinen opportunistischen Machttrieb, seinen Pragmatismus und seine taktische Wendefähigkeit zu unterschätzen.287 Der Historiker Ulrich Thamer weist weiterführend daraufhin, dass es sich bei Hitlers Weltanschauung keineswegs um eine individuelle Neuerfindung handelte: Bis zur Mitte der 20er-Jahre hatte Hitler aus verschiedenen Versatzstücken völkisch-antisemitischer, rassenbiologischer und sozialdarwinistischer, nationalistischer und imperialistischer, antidemokratischer und antimarxistischer Vorstellungen sein persönliches Weltbild zusammengetragen [...].288 In einem zweiten Abschnitt soll nun darauf eingegangen werden, aus welchen Elementen sich die nationalsozialistische Ideologie zusammensetzte. Die

Basiskomponente

von

Hitlers

Weltanschauung

ist

ein

manichäistischer

Rassismus.289 Auf der einen Seite steht der „Arier“: Deutsche stellen den größten zusammenhängenden Siedlungsblock der Erde. Auf der anderen Seite stehen die Juden. Diese axiomatische Dichotomie ist nach Hitlers Einschätzung Naturgesetz und

283

Ebd. Ebd. 285 Besonders bedeutsam für Hitlers „völkische Weltanschauung“ sind seine zwei verfassten Bände von „Mein Kampf“. Diese erschienen jeweils 1925 und 1926 und enthielten bereits entscheidende Vorausblicke auf das Handeln des späteren Reichskanzlers Hitler. Vgl.: Johannes Hampel: Hitlers „Mein Kampf" als neue Bibel. Die Weltanschauung der Nationalsozialisten. S. 89-115. In: Johannes Hampel (Hg.): Der Nationalsozialismus. Machtergreifung und Machtsicherung. 1933-35. München, 3. Auflage, 1994. S. 91. 286 Bernd Jürgen Wendt: Das nationalsozialistische Deutschland. Opladen, 2000. S. 22. Vgl.: Michael Ley: Genozid und Heilserwartung. Zum nationalsozialistischen Mord am europäischen Judentum. Wien, 2. Auflage, 1995. S. 186. Vgl.: Wolfgang Atlgeld: Die Ideologie des Nationalsozialismus und ihre Vorläufer. S. 107-137. In: Karl Dietrich Bracher/ Leo Valiani (Hg.): Faschismus und Nationalsozialismus. Berlin, 1991. S. 108. 287 Bernd Jürgen Wendt: Deutschland 1933-1945. Das "Dritte Reich". Handbuch zur Geschichte. Hannover, 1995. S. 50. 288 Ulrich Thamer: Der Nationalsozialismus. Stuttgart, 2002. S. 46. 289 Vgl.: Robert Jay Lifton/ Eric Markusen: Die Psychologie des Völkermordes. Atomkrieg und Holocaust. Stuttgart, 1992. S. 65. 284


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bestimmt jedes weitere Handeln.290 „Der Jude“ fand sich in Verbindung gebracht mit „Internationalismus, Egalismus, Pazifismus, mit dem internationalen Börsenkapital und dem Marxismus, mit Demokratie, Völkerbund, Novemberrevolution und der Weimarer Republik insgesamt.“291 Der Mythos der „arischen Herrenrasse“ erlaubte der NSFührung zweierlei: Klassenstandpunkte sollten verwischt, von wahren Ursachen gesellschaftlicher Widersprüche abgelenkt werden und innenpolitisch ermöglichte es eine Einteilung der Deutschen in eine überwältigende Majorität mit „unreinen arischen Elementen“ und eine Minderheit, bestehend aus „reinen Ariern“, welche die völlige Ablösung der herrschenden, staatlich-bürokratischen Elite durch eine eigene privilegierte Kaste von Führern ermöglichte.292 Das Erbgut allein, nicht politische, kulturelle oder wirtschaftliche Unterschiede, sei entscheidend. Gemäß dem sozialdarwinistischen Ausleseverfahren bestimmen „rassische“ Merkmale, welches Volk den Auslesekampf der Geschichte überstehe und welches unterginge.293 Der zweite entscheidende Strang Hitlers Weltanschauung war die Doktrin von der Gewinnung von „Lebensraum“. Die These, das deutsche Volk müsse mehr Raum in Besitz nehmen, um auszusiedeln, um Geburtenüberschuss umzusiedeln, lieferte natürlich einen Rechtfertigung außenpolitischer Expansion. Denn bei dem Kampf um die Selbsterhaltung stießen die Völker an die Grenzen des Raumes. Der Widerspruch zwischen der Begrenztheit des Raumes und dem unbedingten Erhaltungstrieb ist für Hitler Ursache für den „ewigen Kampf um den Raum.“ 294 Der Lebensraum war für Hitler ganz eindeutig im Osten, das heißt auf Kosten Russlands, zu suchen. Hier vermischten sich die ideologischen Stränge: Folgt man Hitlers Ausführungen, wäre die „feindliche Übernahme“ der Sowjetunion kein Problem gewesen. 290

Dort

herrschten

„rassisch

minderwertige

Juden“

über

ebenfalls

Vgl.: Magnus Brechtken: Die nationalsozialistische Herrschaft. 1933-1939. Darmstadt, 2004. S. 9f. Vgl.: Karl Dietrich Bracher: Die deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus. Köln/ Berlin, 1969. S. 157. 291 Wendt, 1995, S. 53f. 292 Vgl.: Daniil E. Mel'nikov/ Ljudmila B. Cernaja: Die „totale Ideologie“ Hitlers. S. 760-770. In: Karl Dietrich Bracher/ Manfred Funke/ Hans-Adolf Jacobsen (Hg.): Nationalsozialistische Diktatur. 1933-1945. Eine Bilanz. Düsseldorf, 1983. S. 762f. 293 Vgl.: Karl-Joseph Hummel: Deutsche Geschichte. 1933-1945. München, 1998. S. 199. Vgl.: Enrico Syring: Das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Führertum und Gefolgschaft. Bonn, 1997. S. 63. Vgl.: Anahid S. Rickmann: „Rassenpflege im völkischen Staat”: Vom Verhältnis der Rassenhygiene zur nationalsozialistischen Politik. Bonn, 2002. S. 51. 294 Thamer, 2002, S. 51.


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„minderwertige“

Slawen.

Hier

kommt

zudem

der

von

73

Hitler

vertretene

Antibolschewismus ins Spiel.295 In der Weimarer Republik war der Antibolschewismus in allen Parteien, mit Ausnahme der kommunistischen Partei, weit verbreitet. Sehr alte russophobe und antislawische Vorurteile vermischten sich, insbesondere unter dem Eindruck der Russischen Revolution, dabei mit einer ausgeprägten Furcht vor dem Kommunismus. Der Historiker Ludolf Herbst führt noch zwei weitere Gründe für Hitlers „Lebensraumpolitik“ an: Die angestrebte Größe des Deutschen Reiches würde eine Verteidigung erleichtern und weiterhin sei Deutschland durch den Raumgewinn auf dem Sprung, eine Weltmacht zu werden.296 Neben

weiteren

Aspekten

der

NS-Ideologie, 297

Menschenzucht und Frontkämpfertum sowie Führerkult

wie

etwa

Militarismus,

und Geschichtskonstruktion,

scheinen aber in der Gesamtheit betrachtet die obig beschriebenen Phänomene, „Rassismus“

und

„Lebensraum“,

die

entscheidenden

Eckpfeiler

der

nationalsozialistischen Ideologie zu sein.298 Es ist daher notwendig, zu untersuchen, inwiefern die vorliegende Primärliteratur mit diesen beiden Erscheinungen umgeht. Da sich der Unterpunkt „Terrorsystem“ mit der Problematik des Rassismus beschäftigt, soll an dieser Stelle auf die Frage eingegangen werden, in welcher Weise das Thema „Der Osten als Lebensraum“ in der Primärliteratur behandelt wird. Besonders geeignet für diese Untersuchung erscheinen die Romane „Vaterland“ und „Wenn das der Führer wüsste“, da diese beiden Dystopien umfangreich auf das fiktive Leben deutscher Siedler in der ehemaligen Sowjetunion eingehen. In „Wenn das der Führer wüsste“ reicht das Deutsche Reich bis zum Ural, welches als „mit Atomminen und Kernwaffen gespickte[r] Ostwall des Abendlandes“299 bezeichnet wird. Die entvölkerten Weiten der ehemaligen Sowjetunion bilden den

295

Vgl.: Wippermann, 1997, S. 15. Vgl.: Friedrich Pohlmann: Deutschland im Zeitalter des Totalitarismus. Politische Identitäten in Deutschland zwischen 1918 und 1989. München, 2001. S. 57-59. 296 Vgl.: Ludolf Herbst: Das nationalsozialistische Deutschland. 1933-1945. Frankfurt a. M., 1996. S. 31f. 297 Vgl.: Günther Rohrmoser: Deutschlands Tragödie. Der geistige Weg in den Nationalsozialismus. München, 2002. S. 76-86. Vgl.: Friedrich Pohlmann: Marxismus-Leninismus-Kommunismus-Faschismus. Aufsätze zur Ideologie und Herrschaftsstruktur der totalitären Diktaturen. Pfaffenweiler, 1995. S. 166. 298 Vgl.: Hampel, 1994, S. 107. „Von Beginn an fungierte er [der Rassismus, R.I.] zusammen mit dem Antisemitismus und dem Antikommunismus als dominierende Mobilisierungs- und Rechtfertigungsideologie.“ Siehe: Konrad Kwiet: Rassenpolitik und Völkermord. S. 50-65. In: Benz. 1997, S. 50. 299 Basil, 1966, S. 30.


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Schauplatz für zahllose Befestigungsanlagen und Siedlungsgürtel. Auch deutsche Eidgenossenschaften, wie etwa Kaukasien, mit eigenen, ständischen Verfassungen nach mittelalterlichem Vorbild existieren.300 Zudem sind „rassische Zuchtanstalten“301 ein gewohnter Anblick. Der Kreml ist Sitz von deutschen „Reichsfronvögten“.302 Der Osten, wie er in „Wenn das der Führer wüsste“ porträtiert wird, präsentiert sich als „Lebensraum“ erschlossener Wohnraum für Deutsche und Alliierte. Der slawische „Untermensch“ wurde aus den Ostgebieten vollständig vertrieben. Dieser dient nun entweder als Versuchsobjekt in diversen Experimenten von NS-Wissenschaftsgrößen oder wurde gezielt exekutiert, um eine entvölkerte, für die Besiedlung durch deutsche Bauern geeignete, geographische Grundfläche, zu schaffen. Das Aufgebot der neuen deutschen Herrscher über den Osten zur Trauerfeier für Adolf Hitler lässt deutlich werden , auf welch’ karikierte Weise Basil das Leben in Osteuropa darstellt: Malerische Gruppen der baltischen Landsmannschaften. Reichskommissar Wlassow mit Abordnungen aus den Eidgenossenschaften Kaukasien, Transkaukasien und Rusj. Eine Abordnung des Rurik-Wehrbundes unter Führung von Brigadegeneral Fürst Wassilij Lukitsch Dolgorukij. [...] Der ehemalige Generalgouverneur Doktor Hans Frank. [...]. Der Führer der Selbstschutzverbände Ostland, Wehrbauernführer Generalleutnant Traugott Hreidar von Svemmel [...] Bulgarische Staatsjugend, [...] Kriegsjugendbund [...] aus dem Osmanischen Protektorat, [...]. Rumänische Staatsjugend, [...] Kroatien und Slawonien [...] Gardisten aus der Slowakei [...] 303 Während in „Wenn das der Führer wüsste“ ein recht romantisches Bild von deutschen Siedlungen im Osten gezeichnet wird, verhält es sich in Robert Harris’ „Vaterland“ anders: Jede Woche veröffentlichten Zeitungen und Fernsehen Aufrufe vom Ostministerium an Siedler, die willens sind, ins Generalgouvernement zu ziehen. „Deutsche! Fordert Euer Geburtsrecht! Einen Bauernhof – kostenlos! Einkommen in den ersten fünf Jahren garantiert!“ Die Anzeigen zeigten glückliche Kolonisten, die in Luxus lebten. Aber Berichte über die wirkliche Lage waren durchgesickert – von einer Existenz, die durch schlechte Böden, knochenbrechende Schwerstarbeit und trübselige Satellitenstädte bestimmt wurde, in die sich die Deutschen

300

Vgl.: Ebd. Ebd., S. 31. 302 Ebd., S. 88. 303 Ebd., S. 278f. 301


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bei Dämmerung zurückziehen mussten, aus Angst vor den örtlichen Partisanen.304 Protagonist März erfährt in „Vaterland“, dass bereits, während noch der Zweite Weltkrieg tobte, zahlreiche, der Schädelform nach Deutsche aus Rumänien, Bulgarien, Serbien oder Kroatien nach Polen umgesiedelt wurden. Betroffen waren etwa eine Millionen Menschen. Zu den eine Million Polen, die für diese Aktion wiederum aus Polen heraus transportiert werden sollten, bedeutete dies zumeist den sicheren Tod. Doch Polen waren keineswegs die einzigen Leidtragenden; auch Juden aus westlichen Lagern sollten immer weiter, immer tiefer in den Osten verschleppt werden.305 Die wirklichen Profiteure dieser Umsiedlungsaktionen sind in Harris Buch NS-Parteigrößen, die als korrupte Verwalter in unvorstellbarem Luxus leben.306 Die geographische Neuordnung in Osteuropa skizziert März wenig später: Was die Tschechoslowakei angeht – jenes Bastardkind aus Versailles war zum Protektorat Böhmen-Mähren geschrumpft. Polen, Lettland, Litauen, Estland – von der Landkarte verschwunden. Im Osten war das Deutsche Reich in die vier Reichskommissariate Ostland, Ukraine, Kaukasus und Muskowien gegliedert.307 Von Artur Nebe,308 dem Polizeichef von Berlin, erfährt März schließlich, dass das Konzept der Lebensraum-Gewinnung im Osten auch innerhalb des NS-Regimes umstritten ist: Hier ist was, das sie nicht in den Zeitungen [...] lesen werden. Himmlers Plan war, zwanzig Millionen Siedler im Osten bis 1960. Neunzig Millionen bis Ende des Jahrhunderts. Schön. Gut, wir haben sie also richtig hingebracht. Die Schwierigkeit ist nun, dass die Hälfte wieder zurück will. Betrachten Sie dieses Stückchen kosmischer Ironie, März: Lebensraum, in dem niemand leben möchte.309 „Wenn das der Führer wüsste“ präsentiert dem Leser eine Art romantisch-verklärte „Postkarten-Propaganda-Idylle“,

welche

in

ihrer

verspielt-gefährlichen

Weise

exaggeratorisch und unglaubwürdig wirkt. Der Leser ahnt, welchen Preis die einheimische Ost-Bevölkerung zahlen musste, um den Siedlungsraum für ein Neudeutschtum zu schaffen. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, im Sinne

304

Harris, 1992, S. 57. Vgl.: Ebd., S. 56. 306 Vgl.: Ebd., S. 57. 307 Ebd., S. 198. 308 Der tatsächliche Artur Nebe war einer der hochrangigsten Polizeibeamten des Dritten Reichs. 309 Ebd., S: 237. 305


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eines „gerechten“ Bestrafungs- und Vergeltungsgedankens, dass gerade die Ost-Gebiete zu den ersten gehören, welche von den Angriffen der Japaner mit Atomraketen betroffen sind. „Vaterland“

hingegen

zeichnet

ein

realistisches

Bild

des

brutalen

Siedlungskampfes mit ungewissem Ausgang. Nicht nur erweist sich der Traum vieler deutscher Siedler als Illusion – müssen sie doch physisch schwere Arbeit leisten –, sondern er stellt eine akute Bedrohung ihres Lebens dar. Versprengte Kräfte der russischen Armee und Rebellen, mit Waffenlieferungen der Amerikaner versehen, verwickeln die Deutschen in den Ostgebieten in blutige Gefechte und sorgen dabei, abgesehen von den physischen Schäden, für eine psychologisch-bedingte Ermüdung und Frustration. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass beide Romane sich, zwar erzählerisch auf unterschiedliche Weise, jedoch intentional äußerst kritisch, mit der Thematik der Lebensraum-Gewinnung als elementarer Teil der NS-Ideologie auseinandersetzen. IV.2.2. Massenpartei und Führer An dieser Stelle ist zu erörtern, inwiefern die Primärliteratur die Motive einer hierarchisch, oligarchisch organisierten Massenpartei, welche der Staatsbürokratie entweder übergeordnet oder damit verflochten ist, und eines einzelnen Diktators, der eben jene Partei führt, einarbeitet. In „Hörnerschall“ liegt eine disjunktive Situation dadurch vor, dass dem Leser nicht ein Bild von Deutschland unter der Herrschaft des Hakenkreuzes geschildert wird, sondern ein kleiner, erschreckend-skurriler Ausschnitt – eine Nazi-Mikrowelt, in der der eigentliche Führer nicht Adolf Hitler, sondern Graf von Hackelnberg heißt. Hans von Hackelnberg gehörte in eine Zeit, da Gewalt und Grausamkeit noch etwas Persönliches waren, da das Recht auf Herrschaft in der körperlichen Kraft eines Mannes begründet lag; eine derart individuelle Wildheit wie die seine gehörte in die Zeit des Auerochsen, jenes wilden Bullen der finsteren und uralten deutschen Wälder, die sich von der Stadt nie hatten unterwerfen lassen. Er war größer als alle Männer, die du je gesehen hast: ein Riese, der den mächtigen Thron, auf dem er saß, und


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die gewaltige Tafel vor sich wie Gegenstände normaler Größe aussehen und den Rest der Gesellschaft wie Kinder bei Tisch erscheinen ließ. 310 Zwar wird klar deutlich, dass der Graf in der NS-Machthierarchie unter dem Führer Adolf Hitler steht,311 jedoch kreiert Wall durch die Art und Weise der Portraitierung des Grafen einen offensichtlichen Gegensatz zu den anwesenden nationalsozialistischen Gästen auf dem Schloss. Diese „Nazipolitiker“,312 mit ihrer „Parteilehre“313 und „Parteiparolen“314 wirken wie geschliffene, modellierte Rädchen im NS-Getriebe, ihnen ist nichts Persönliches, nichts Individuelles. Die Verflechtung von Staat und Partei, welche Friedrich in seinem Merkmals-Katalog betont, wird durch den prominentesten Gast der Burg personifiziert: Die Position des Gauleiter steht im NSSystem für eine Vermischung von Staat und Partei.315 In „Das Orakel vom Berge“ ist ebenfalls von einem Führer und seiner Partei die Rede.316 Martin Bormann317 vertritt Adolf Hitler, der – an Syphilis erkrankt – in einem Sanatorium318 liegt. Doch der Hitler-Vertreter stirbt und nach seinem Ableben entsteht ein gefährliches Machtvakuum, im dem sich die möglichen Bormann-Nachfolger als verbitterte Rivalen um die Führung in Deutschland gegenüberstehen: Herman Göring („Diesem Mann wird ein ungesunder, sogar pathologischer Appetit nachgesagt, und er gleicht den zügellosen Cäsaren des alten Roms.“319); Joseph Goebbels („Ein brillanter Redner und Schreiber, flexibel und fanatisch, witzig, kultiviert, kosmopolitisch. Sehr umtriebig bei den Damen. Elegant, gebildet, äußerst fähig. Arbeitet viel, geradezu

310

Wall, 1952, S. 96. Hitler wird als „Erster Führer und unsterblicher Geist des Deutschtums“ bezeichnet. Als Zeichen seiner Allmacht legte er eine neue Zeitrechnung fest. Ebd., S. 61. 312 Ebd., S. 96. 313 Ebd., S. 132. 314 Ebd., S. 133. 315 Ebd., S. 88. Vor der Machtergreifung Hitlers waren Gauleiter lediglich regionale Vertreter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Später wurden diese Positionen jedoch wichtige Stellen im Staate: Es konnte sich dabei um Reichsministerposten oder sogar die Übernahme eines Ministerpräsidentenamtes – wie im Falle Görings in Preußen geschehen – handeln. Siehe dazu: Elisabeth Fix: Das Herrschaftssystem des 3. Reiches. Der „Führerstaat" zwischen Anspruch und Realität. S. 43-83. In: Johannes Hampel (Hg.): Der Nationalsozialismus. Friedenspropaganda und Kriegsvorbereitung. 1935-1939. München, 2. Auflage, 1993. S. 48. 316 Vgl.: Dick, 1962, S. 62. 317 Vgl.: Ebd., S. 62. Der tatsächliche Martin Bormann (17.6.1900 – 01.05.1945) trat 1925 in die NSDAP ein und wurde schließlich 1941 Leiter der Parteikanzlei und somit ein enger Vertrauter Hitlers. Vermutlich beging er auf der Flucht vor sowjetischen Truppen Selbstmord. Siehe dazu: Walter Göbel: Das Dritte Reich. Stuttgart/ Dresden, 8. Auflage, 1995. S. 131. 318 Vgl.: Dick, 1962, S. 62. 319 Vgl.: Ebd., S. 128. 311


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besessen.“320); Reinhard Heydrich („Hat eine Eliteausbildung genossen [...]. Scheint kein Gefühlsleben im herkömmlichen Sinn zu besitzen. [...] Allerdings lassen sich hinsichtlich des gestörten Gefühlslebens Bezüge zur pathologischen Schizophrenie herstellen.“321); Baldur von Schirach („Gilt als Idealist. Einnehmendes Auftreten, soll allerdings nicht besonders erfahren und tüchtig sein.“322) und Seyss-Inquart („Wahrscheinlich dem Temperament nach Adolf Hitler am ähnlichsten.“323).324 Schließlich setzt sich Goebbels mithilfe einer mitreißenden Propagandarede durch und wird neuer Reichskanzler.325 Die Bedeutsamkeit des Führers wird durch die Schilderung des Begräbnisses Bormanns unterstrichen.326 In

„SS-GB“

tauchen

ebenfalls

Adolf

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei auf.

Hitler 327

als

Führer

und

die

Wichtige Figuren des Inneren

Kreises um Hitler – wie etwa Goebbels oder Joachim von Ribbentrop328 – werden erwähnt. Zudem findet ein kurzer Exkurs zum Verhältnis von Geheimer Staatspolizei „Gestapo“, Schutzstaffel „SS“ und Sicherheitsdienst „SD“ Eingang in den Roman.329 Die

Handlung

von

„Vaterland“

integriert,

ebenso

wie

die

anderen

antinationalsozialistischen Dystopien, die Termini Massenpartei und Führer als zentrale Bestandteile des dargestellten totalitären Systems. Die Bedeutung des Führers wird schnell klar: Nicht nur ist Hitlers Geburtstag ein Feiertag,330 auch die Osterferien wurden in Ferien aufgrund Hitlers Geburtstag ummodelliert.331 Weiterhin wird der Führer wie selbstverständlich in verschiedene Gebete miteinbezogen.332 Das Vorhandensein einer hierarchischen Parteienstruktur der Massenpartei, welche Friedrich 320

Vgl.: Ebd.. S. 129. Vgl.: Ebd., S. 130. 322 Vgl.: Ebd. 323 Vgl.: Ebd., S. 131. 324 Die Kandidaten auf eine Bormann-Nachfolge werden im Roman durch einen japanischen Diplomaten im Rahmen eines Vortrages vorgestellt. 325 Vgl.: Ebd., S. 195. An dieser Stelle ist ersichtlich, wie geeignet der Merkmals-Katalog Friedrichs ist. Die von ihm dargelegte Argumentation, keiner der sechs Punkte stehe für sich allein, sondern wirke in Verbindung, kann in „Das Orakel vom Berge“ nachvollzogen werden. Nur mit einem Monopol über die Kommunikation kann Goebbels sich des Amtes des Reichskanzlers bemächtigen. 326 Vgl.: Ebd., S. 144. 327 Vgl.: Deighton, 1978, S. 52. 328 Vgl.: Ebd., S. 250. Ribbentrop erscheint in „SS-GB“ als Gast einer Zeremonie der offiziellen deutsch-sowjetischen Freundschaftswoche. Historisch erscheint dies durchaus plausibel, war es doch der echte Ribbentrop, der 22.08.1939 den Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnete und als außenpolitischer Berater Hitlers fungierte. Siehe dazu: Göbel, 1995, S. 134. 329 Vgl.: Deighton, 1978, S. 129. 330 Vgl.: Harris, 1992, S. 18. 331 Vgl.: Ebd., S. 34. 321


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anspricht, wird durch den scheinbar gängigen Begriff des Parteibonzen angedeutet.333 Goebbels ist Gauleiter von Berlin.334 Harris vertieft die Beschreibung zwischen Individuum und Partei: So ist etwa ein berufliches Vorankommen, ein Aufsteigen auf der Karriereleiter nur möglich, sofern man auch Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) ist. Gesellschaftlich gilt man als Nichtparteimitglied als „Asozialer“,335 was nur unwesentlich vor dem Rang eines Verbrechers rangiert. Der Protagonist März macht zudem in der Partei eine Art Vaterfigur für seinen Sohn Paule aus, der sich emotional im Laufe des Romans immer weiter von seinem tatsächlichen Vater entfernt, da dieser nicht mehr den mustergültigen NS-Lebenswandel pflegt.336 März schildert diesen so: So war das heutzutage mit den [...] Männern [...]. Sie liefen vom Fließband: Pimpf, Hitlerjugend, Arbeitsdienst und Kraft-durch-Freude. Sie hatten dieselben Reden gehört, dieselben Schlagworte gelesen, im Rahmen der Winterhilfe denselben Eintopf gegessen. Sie waren die Arbeitspferde des Regimes, sie hatten keine andere Autorität als die Partei kennengelernt, und sie waren so zuverlässig und alltäglich wie die Volkswagen der Kripo.337 Partei und Führer spielen ebenso in „Wenn das der Führer wüsste“ eine bedeutsame Rolle.338 Irgendwer, eine der ältlichen Frauen, rief plötzlich aus: „Die Partei denkt für Dich!“ Und schon gab es welche, die das Schlagwort aufnahmen und brüllten: „Die Partei denkt für uns! Die Partei denkt für uns! Die Partei denkt für uns! Die Partei denkt für uns!“ Worauf andere antworteten: „Darum danken wir der Partei! Darum danken wir der Partei! Darum danken wir der Partei! Darum danken wir der Partei!“ 339

Nicht nur finden sich Berufsverbände, zum Beispiel der der deutschen Ärzte, in die Partei miteingegliedert,340 sondern die Partei entscheidet auch in Fragen des Privatlebens, sei es das Abhören von Telephongesprächen341 oder aber der

332

Vgl.: Ebd., S. 78, 285f. Vgl.: Ebd., S. 27. 334 Vgl.: Ebd., S. 18. 335 Vgl.: Ebd., S. 37. 336 Vgl.: Ebd., S. 187. 337 Ebd., S. 129. 338 Vgl.: Ebd., S. 11f. 339 Ebd., S. 187f. 340 Vgl.: Ebd., S. 16. 341 Vgl.: Ebd., S. 118. 333


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Themenkomplex Sexualität.342 Auch beim Thema Wissenschaft ist die NSDAP die letzte Instanz,343 überdies findet über Ämterverteilung eine weitere Verflechtung von Staat und Partei statt.344 Abschließend kann zusammengefasst werden, dass in allen untersuchten Romanen sowohl Führer als auch Partei existieren und eine bedeutsame Rolle im totalitären Staat spielen. Dabei ist außerdem festzustellen, dass die Verflechtung von Staat und Partei, wie sie Carl Joachim Friedrich in seiner Untersuchung über Totalitarismus beschreibt, in den Werken Burdekins, Walls, Dicks, Deightons, Basils und Harris’ ebenfalls vorhanden ist. IV.2.3. Terrorsystem Untersuchungsgegenstand dieses Unterkapitels ist das Terrorsystem, welches, auf physischer oder psychischer Grundlage basierend, in den Händen einer Geheimpolizei oder der Partei liegt. Besonders interessant wird es sein, herauszufinden, inwiefern sich der

immanente

Systemrassismus

des

Nationalsozialismus

in

den

Dystopien

niederschlägt. Es sind drei Gruppen, gegen die sich hauptsächlich der Terror der herrschenden Naziklasse in „Nacht der braunen Schatten“ richtet. Zunächst einmal wird NichtDeutschen eingebläut, dass sie als Menschen weniger wert sind als Deutsche. Dies geschieht zum einen durch Erziehung, indem man nicht-deutschen Völkern deren Identität raubt und erklärt, diese hätten keine Volksgeschichte, sondern seien lediglich barbarische Stämme gewesen, bevor die deutsche Macht sich derer „angenommen“ habe.345 Zum anderen lässt man Nicht-Deutsche das Wenigerwertsein deutlich spüren, in Form von Schikane.346 Die zweite Gruppe, welche unter dem ausgeklügelten System des Terrors zu leiden hat, ist das weibliche Geschlecht. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau wird verglichen mit dem Verhältnis zwischen einem ausgewachsenem Mann und einem Wurm.347 In Burdekins Romanwelt haben Frauen keine Seele,348 männliche Kinder werden ihnen fortgenommen.349 Sie fristen ein Leben in heruntergekommenen

342

Vgl.: Ebd., S. 132. Vgl.: Ebd., S. 220. 344 Vgl.: Ebd., S. 94f. 345 Vgl.: Burdekin, 1937, S. 29. 346 Vgl.: Ebd., S. 20f. 347 Vgl.: Ebd., S. 7. 348 Vgl.: Ebd., S. 9. 349 Vgl.: Ebd., S. 12. 343


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Frauenvierteln,350 die wie Käfige wirken.351 Ab dem 16. Lebensjahr sind sie frei für Vergewaltigungen,352 natürlich ist diese per se kein Delikt mehr, sondern Frauen haben zu jeder Zeit gefällig zu sein. Das Wesen ihres Charakters wird mit einem Querschnitt der folgenden Adjektive zusammengefasst: degeneriert, feige, tierähnlich und duckmäuserisch.353 In speziellen „Pflicht–Gottesdiensten“ wird den Frauen von Rittern, welche unter anderem die Funktion von Predigern übernommen haben, vermittelt, dass sie gegenüber Männern Demut, Gehorsam und Servilität zu zeigen hätten.354 Das Zustandekommen dieser Verhältnisses der Geschlechter zueinander wird näher erläutert. In einem Gespräch zwischen Alfred dem Engländer und dem deutschen Ritter erzählt letzterer dem Ausländer von einem Mann namens von Wied, einem deutschen Ritter aus vergangenen Zeiten, der durch seine schriftlichen Arbeiten den Untergang der selbstbewussten, dem Manne gleichgestellten Frau einleitete: „Ich meine, [...] von Wieds Theorien über Frauen waren bei einem Großteil der Männer sehr populär. Weißt du, diese irrsinnige Selbstgefälligkeit der Deutschen war in der Tat hauptsächlich beim männlichen Teil der Nation anzutreffen. Die Frauen hatten nicht die Welt besiegt und das Reich aufgebaut. [...] Und diese stolzen Soldaten [...] begannen nun ganz fest daran zu glauben, dass es unter der Würde eines deutschen Mannes sei, das Risiko auf sich zu nehmen, von einer einfachen Frau abgewiesen zu werden, hinnehmen zu müssen, dass Frauen ihn an seiner empfindlichsten Stelle, seiner Eitelkeit, verletzten dürfen, ohne dass er sie dafür zum Duell herausfordern könnte. Sie wollten, dass alle Frauen sich nach ihrem Willen richten, wie die Frauen einer besiegten Nation.“355 Die dritte Gruppe, gegen die sich ein Nazi-Terrorsystem richtet, bilden Christen. Ursprünglich nach den großen deutschen Siegen verfolgt und beinahe ausgelöscht, fristet diese Gruppe nun ihr Dasein als tolerierte, aber dennoch ständigen Repressalien und Schikanen ausgesetzte religiöse Minderheit. Der Grund, weshalb es zu einer solchen massiven Anti-Christenpolitik kam, liegt darin begründet, dass Christen sich weigerten, Adolf Hitler als einzigen Gott anzuerkennen.356 Christen in der Gegenwart

350

Vgl.: Ebd., S. 9. Vgl.: Ebd., S. 181. 352 Vgl.: Ebd., S. 13. 353 Vgl.: Ebd., S. 12. 354 Vgl.: Ebd., S. 8f. 355 Ebd., S. 92f. 356 Vgl.: Ebd., S. 83. 351


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von Burdekins Dystopie werden lediglich am Leben gelassen, um als Projektionsfläche für falsch verstandenen Stolz zu dienen: „Die Leute, die Hitler nicht anbeten wollten, als er zum Gott erhoben wurde, wurden vermutlich alle getötet, bis auf ein paar wenige, und die wurden abgesondert.“ „Aber warum tötete man sie nicht?“ „Ich nehme an, man hielt es für besser, etwas zu haben, worauf die unterworfenen Rassen und die Nazis in Deutschland herabsehen können. Das war ein kluger Gedanke.“357 Ein ausgeklügeltes Terrorsystem ist auch in „Das Orakel vom Berge“ zu finden. In dieser Romanwelt ist systematisches Töten von Juden, Zigeunern und Zeugen Jehovas eine Normalität.358 Auch auf amerikanischem Boden sind Gaskammern zu finden.359 Deutsche Agenten werden als Attentäter für unliebsame politische Gegner, in diesem Fall japanische Verbündete, eingesetzt.360 Für größere bewaffnete Aktionen stehen dem deutschen Terrorapparat aber auch mobilen Einsatzgruppen zur Verfügung.361 Das deutsche Gerichtswesen wird kurz angeschnitten, eine Romanfigur ist sich sicher, dass deutsche Gerichte keine Strafverteidiger stellen,362 an anderer Stelle mutmaßt eine weitere Figur, alte Menschen würden in Deutschland systematisch ermordet.363 Auch der Autor Robert Harris widmet einem deutschen Terrorsystem in „Vaterland“ Aufmerksamkeit. Die stets überwachte364 deutsche Bevölkerung sieht sich der immerwährenden Aufforderung ausgesetzt, staatliche Informanten zu werden.365 Familienmitglieder schwärzen sich untereinander an,366 Massenverhaftungen wirken nicht ungewöhnlich.367 Etwas frappant ist es, dass die Widerstandsgruppe „Die weiße

357

Ebd. Vgl.: Dick, 1962, S. 48. 359 Vgl.: Ebd., S. 93. 360 Vgl.: Ebd., S. 248f. 361 Vgl.: Ebd., S. 170. Zu dem Thema „Mobile Einsatzgruppen“ weiterführend: Gordon A. Craig: Ende der Parade. Über deutsche Geschichte. München, 2003. S. 170. Gerhard Schreiber: Deutsche Politik und Kriegsführung 1939 bis 1945. S. 333-377. In: Bracher, 1993, S. 352. 362 Vgl.: Dick, 1962, S. 245. 363 Vgl.: Ebd., S. 105. Zum sogenannten „Euthanasieprogramm“ des Nationalsozialismus, das heißt dem systematischen Töten „lebensunwerten Lebens“ einführend: Eugen Kogon/ Hermann Langbein/ Adalbert Rückerl u.a. (Hg.): Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Frankfurt a. M., 1983. S. 27-60. Ernst Klee: „Euthanasie im NS-Staat. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens". Frankfurt a. M., 1983. S. 109-130. 364 Vgl.: Harris, 1992, S. 19. 365 Vgl.: Ebd., S. 162. 366 Vgl.: Ebd., S. 149. 367 Vgl.: Ebd., S. 92. 358


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Rose“368 bei Harris noch existiert, wenn auch ständigen Schikanen der Gestapo ausgesetzt.369

Religionsausübung

wird

systematisch

behindert,370

Folter

wird

euphemistisch als „verschärfte Befragung“371 paraphrasiert, und Abtreibung bedeutet den Tod. 372 „Sind Sie homosexuell?“ „Herr Sturmbannführer! Um Gottes Willen...“ [...] Aber wenn er homosexuell war, dann konnte er sich kaum leisten, nicht zu lügen: Jeder, der einer ‚widernatürlichen Handlung gegen die Gesellschaft’ für schuldig befunden wurde, wanderte prompt ins Arbeitslager. SS-Leute, die man wegen Homosexualität verhaftete, wurden zu Strafbataillonen an der Ostfront abkommandiert; wenige kehrten zurück.373 Gerade zu aberwitzig erscheint es, dass der Protagonist Harris’ Romans, Sturmbannführer März, wie viele andere zwar Bescheid weiß, was mit diversen unliebsamen Randgruppen geschieht, jedoch den Genozid an den Juden durch die Nationalsozialisten höchstens ahnt, da die NS-Propaganda derart erfolgreich war – so heißt es immer, die Juden seien nach Osten emigriert.374 Als März jedoch hartnäckig weiterforscht, scheint seine Ahnung zur schrecklichen Gewissheit zu werden: „Man sagt, dass ihr [die Deutschen, R.I.] Europa nach jedem lebenden Juden durchkämmt habt – nach Männern, Frauen, Kindern, Säuglingen. Man sagt, ihr habt sie in den Osten in Ghettos verfrachtet, wo Tausende von ihnen an Unterernährung gestorben sind. Dann habt ihr die Überlebenden noch weiter in den Osten gezwungen, und keiner weiß, was danach geschehen ist. Eine Handvoll entkam über den Ural nach Russland. Ich habe sie im Fernsehen gesehen. Komische alte Männer, [...]. Sie sprechen von Hinrichtungsgruben, von medizinischen Experimenten, von Lagern, in die Leute hineingegangen sind, aber aus denen niemand mehr herauskam. Sie sprechen von Millionen Toten.“ 375 Eine besonders plastisch-grausame Beschreibung des Leidens liefert „Wenn das der Führer wüsste“. Obligatorisch erscheinen in dieser dystopischen Welt Beschattungen376 und willkürliche Kontrollen der Zivilbevölkerung durch Wehrmacht und SS.377 Zudem

368

Zu dem Thema „Die Weiße Rose“ weiterführend: Gisela Riescher: Militärischer und ziviler Widerstand. S. 249-287. In: Hampel, 1993, S. 262-266. 369 Vgl.: Harris, 1992, S. 154. 370 Vgl.: Ebd., S. 29f. 371 Vgl.: Ebd., S. 132. 372 Vgl.: Ebd., S. 100. 373 Ebd., S. 24f. 374 Vgl.: Ebd., S. 121. 375 Ebd., S. 207. 376 Vgl.: Basil, 1966, S. 107. 377 Vgl.: Ebd., S. 120.


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herrscht striktes Versammlungsverbot.378 Deutsche Beamte werden gezwungen, an Fortbildungen teilzunehmen, in deren Programm es Pflicht für die Beteiligten ist, Amateur-Folterfilme zum Zwecke der Abhärtung zu sehen: „Es wurde da die Enthauptung renitenter Untermenschen nach der Handbeilmethode gezeigt, in allen Phasen und in Nahaufnahme. [...] Bei einem stiernackigen bulgarischen Häftling [...] wollte der Kopf absolut nicht herunter. [...] Dann ein anderes Filmchen: Strafvollzug an weiblichem Material auf dem Scheiterhaufen. Diesmal war auch Ton dabei. Ein Knüller! Die Schreie hätten Sie hören sollen, als die Füße zu brutzeln begannen.“379 Otto Basil schildert ein Deutschland, in dem Juden und sogar „jüdische Mischlinge“380 nur noch ausgestopfte Museumsobjekte sind381 und auch Zigeuner, Freimaurer und Bibelforscher

der

Vergangenheit

angehören.382

Sexuelle

Beziehungen

mit

dunkelhäutigen Menschen bedeuten den Tod.383 In den diversen Versuchslagern befinden sich neben Osteuropäern384 auch Erbkranke und Zwangsarbeiter.385 „Der Untermensch – jene biologisch scheinbar völlig gleichgeartete Naturschöpfung [...] ist doch eine ganz andere, eine furchtbare Kreatur, ist nur einen Wurf zum Menschen hin, mit menschenähnlichen Gesichtszügen – geistig, seelisch jedoch tiefer stehend als jedes Tier.“ Er [Höllriegl, der Protagonist des Romans, R.I.] hatte auch gehört, dass man, bevor die gewissen Eingriffe in den Schädel gemacht wurden, Versuchsgruppen von Untermenschen jahrelang in ganz niedrigen Koben gefangen hielt, wie die Säue, wo sie, in ihrem Kot erstickend, ja ihn fressend so lange zusammengepfercht blieben, bis die Überlebenden begannen, statt gebückt zu gehen, auf allen vieren zu kriechen oder sich rutschend fortzubewegen. Diese Fortbewegungsart wurde später zur Gewohnheit.386 „SS-GB“ weist ebenfalls die Charakteristika eines ausgearbeiteten Terrorsystems auf. Dies beginnt bei dem Vorhandensein eines ausgeprägten Spitzeltums,387 der Einführung von Blockwarten388 und Standrecht,389 geht über Massenverhaftungen390 und

378

Vgl.: Ebd., S. 185. Ebd., S. 60. 380 Vgl.: Ebd., S. 70. 381 Vgl.: Ebd. 382 Vgl.: Ebd., S. 107. 383 Vgl.: Ebd., S. 183. 384 Vgl.: Ebd., S. 17. 385 Vgl.: Ebd., S. 26. 386 Ebd., S. 146f. 387 Vgl.: Deighton, 1978, S. 121. 388 Vgl.: Ebd. S. 165. 389 Vgl.: Ebd., S. 285. 390 Vgl.: Ebd., S. 95. 379


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Enteignungen von Juden391 und gipfelt in Vergeltungsaktionen gegen die britische Zivilbevölkerung,392 der Jagd auf Zigeuner und Kämpfer der Resistanze393 und der Errichtung von Konzentrationslagern auf englischem Boden.394 Aus der Perspektive der deutschen Besatzer klingt das freilich anders: [Es gehörte] zur deutschen Besatzungspolitik [...], Stärke, Recht und Ordnung zu demonstrieren: zum Nachweis der Möglichkeiten, die der Besatzungsmacht zur Verfügung standen.395 „Hörnerschall“ stellt in dieser Untersuchung von vorliegenden Terrorsystemen eine gewisse Ausnahme dar. Die NS-Mikrowelt, in der sich die Nicht-Nationalsozialisten bewegen,

ist

selbst

Bestrafungsmaßnahme

ein darstellt,

Terrorsystem. dient

in

Dieses erster

System,

Linie

als

welches Animations-

eine und

Unterhaltungsprogramm für hochrangige NSDAP-Mitglieder. Das Subjekt wird zum Objekt: die Menschen, seien es „Nicht-Arier“396 oder Regimekritiker,397 betreten den Waldpark als Objekte, als mögliche Trophäen einer dekadenten Nazi-Jagdgesellschaft. Vor Ort scheint das tödliche Ende unabänderbares Schicksal: Entweder das Jagdopfer stirbt auf der Hatz durch einen Unfall, wird gefasst beziehungsweise durch einen der Jäger erlegt oder muss verdursten und verhungern. Eine Untersuchung der in allen Dystopien vorliegenden Terrorsysteme macht vor allem deutlich, wie sehr Carl Joachim Friedrichs Anmerkung zutrifft, die einzelnen Merkmale totalitaristischer Herrschaft seien nicht einzeln und gesondert zu betrachten, sondern als verkettete Wechselbeziehung. In diesem Fall lassen sich als Hauptziele des NS-Terrorsystems Menschen jüdischen Glaubens und „Untermenschen“ aus dem Osten Europas ausmachen – was eindeutig auf den Punkt Ideologie verweist. Primärziele des Terrorsystems wurden aufgrund der NS-Ideologie ausgewählt. Es ist jedoch anzumerken, dass der geschilderte Terror in der Primärliteratur deutlich seinen Schwerpunkt auf die Darstellung von physischer Gewalt legt. Die Folgen von psychologischem Terror finden nur sehr marginal Eingang in die vorliegenden antinationalsozialistischen Dystopien.

391

Vgl.: Ebd., S. 98. Vgl.: Ebd., S. 396. 393 Vgl.: Ebd., S. 19. 394 Vgl.: Ebd., S. 273. 395 Ebd., S. 88. 396 Vgl.: Ebd., S. 135. 397 Vgl.: Ebd., S. 134. 392


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IV.2.4. Kommunikationsmonopol In diesem Unterkapitel ist der Frage nachzugehen, ob ein (technologisch bedingtes) nahezu

vollständiges

Monopol

der

Kontrolle

aller

Mittel

wirksamer

Massenkommunikation in den Händen von Staat und Partei liegt. Das titelgebende Horn aus „Hörnerschall“ stellt die letzte und endgültige Instanz in Sachen Kommunikation dar. Der Machthaber Graf Johann von Hackelnberg nutzt sein Horn – zumeist während der Jagd – um unterschiedliche Emotionen wiederzugeben, oder um verschiedene Gefühle bei der menschlichen Jagdbeute hervorzurufen. Das Spektrum reicht dabei von „fröhlich“ und „brüstend“ bis zu „herrisch“, „mitreißend“ und „gebieterisch“.398 Doch auch außerhalb des Jagdparks scheinen die Deutschen ein Kommunikationsmonopol zu besitzen, denn wie der Protagonist von einem Mitgefangenen erfährt, herrscht strikte Pressezensur in der deutschen Außenwelt.399 In der „Nacht der braunen Schatten“ äußert sich das Kommunikationsmonopol etwa durch das hohe Analphabetentum in den besetzten Gebieten,400 scheinbar soll gar nicht erst zu viel Kommunikation zugelassen werden, also verbietet man höhere Bildung in den besetzten Gebieten. Widerstandsgruppen existieren zwar, aber diese müssen jegliche Verständigung mündlich durchführen.401 Kompliziertere Gerätschaften, die der Fernübertragung von Sprache nutzen, werden explizit nur in die Hände von Deutschen gegeben – wie etwa die Instandsetzungsarbeiten von Telephonleitungen.402 Weiterhin besteht keine Möglichkeit, sich Informationen, besonders über Geschichte und Politik, zu beschaffen. Im Zuge einer großen Kampagne wurden sämtliche alten Bücher – vermutlich innerhalb eines Zeitrahmens von etwa 50 bis 100 Jahren – vernichtet.403 Deutliche Anzeichen eines Kommunikationsmonopols lassen sich auch in „SSGB“ ausmachen. Nicht nur kann die britische Polizei (unter deutschem Kommando) über das Fernsehen jegliche Art von Information verbreiten,404 sondern es gibt auch ein deutsches Zeitungswesen im besetztem England sowie die Miteinbeziehung der englischen Presse, wie etwa der BBC.405 398

Vgl.: Wall, 1952, S. 150, 157. Vgl.: Ebd., S. 115. 400 Vgl.: Burdekin, 1937, S. 169. 401 Vgl.: Ebd., S. 198. 402 Vgl.: Ebd., S. 215. 403 Vgl.: Ebd., S. 133. 404 Vgl.: Deighton, 1978, S. 58. 405 Vgl.: Ebd., S. 77, 57. 399


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In „Vaterland“ senden zu bestimmten Anlässen alle Radiosender dasselbe Programm.406 Telephonleitungen werden abgehört,407 das bedeutet, ein ständiger Zugriff ist möglich. Telegramme und Briefe werden regelmäßig abgefangen und kontrolliert,408 somit entscheiden staatliche Stellen, was aus Deutschland nach außen dringt und welche Information der deutsche Bürger erhält. Es gibt zudem für staatliche Beamte gewisse Pflichtsendungen im Fernsehen, die kollektiv verfolgt werden.409 Auch sind Photokopierer extrem rar und in komplett staatlicher Hand, um eine Verbreitung von unliebsamen, ungefilterten, unzensierten Informationen zu verhindern.410 Die deutsche Regierung benutzt Zeitungen und das Fernsehen, um für Umzüge in die eroberten Ostgebiete zu werben.411 In „Das Orakel vom Berge“ herrscht zu bestimmten Anlässen, zum Beispiel der Tod des Hitler-Nachfolgers Martin Bormann, Einheitsprogramm,412 oftmals werden die Kanäle benutzt, um deutsches Kulturexportgut zu verbreiten.413 Es existiert strenge Zensur – bestimmte Bücher sind verboten.414 Deutschland plant, ein amerikaweites TVProgramm ab 1970 auszustrahlen.415 Es ist davon auszugehen, dass dies ein weiteres Medium im Dienste der Nazi-Propaganda sein wird. Ähnlich sind die Zustände in „Wenn das der Führer wüsste“. Neben einer Nachrichtensperre zu gewissen Themen416 läuft im Radio ebenfalls Einheitsprogramm.417 Zahlreiche Publikationen verbreiten in Magazinform418 „urdeutsche Anliegen“, Leuchtschriften auf Dächern419 sowie Plakatwände und Litfasssäulen420 werden für Parteipropaganda benutzt. Als Adolf Hitler stirbt, senden auch alle TV-Kanäle dieselbe Übertragung.421 Die hergestellten Bezüge zur Primärliteratur zeigen deutlich, dass es gerechtfertigt erscheint, von dem Monopol der Kommunikationsmittel und einer häufigen sowie ideenreichen Nutzung derselben in den Romanen zu sprechen. Deutlich wird, dass das 406

Vgl.: Harris, 1992, S. 370. Vgl.: Ebd., S. 173. 408 Vgl.: Ebd., S. 169. 409 Vgl.: Ebd., S. 88. 410 Vgl.: Ebd., S. 243. 411 Vgl.: Ebd., S. 57. 412 Vgl.: Dick, 1962, S. 195. 413 Vgl.: Ebd., S. 200. 414 Vgl.: Ebd., S. 166. 415 Vgl.: Ebd., S. 109. 416 Vgl.: Basil, 1966, S. 12. 417 Vgl.: Ebd., S. 13. 418 Vgl.: Ebd., S. 18. 419 Vgl.: Ebd., S. 44. 420 Vgl.: Ebd., S. 113. 421 Vgl.: Ebd., S. 46. 407


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Dritte Reich dieses Monopol benutzt, um Ideologie zu propagieren oder zu festigen. Auch ist erkennbar, wie nützlich die Monopolstellung auf diesem Sektor ist, um staatsgefährdende Elemente einzukreisen oder eine Ausschaltung jener vorzubereiten. IV.2.5. Waffenmonopol Das Dritte Reich scheint in „Das Orakel vom Berge“ ein Waffenmonopol zu besitzen. Es verfügt über V2-Raketen, Kampfjets und Atomwaffen.422 An keiner Stelle werden Widerstandsgruppen erwähnt, welche über Waffen verfügen. Die Situation ist ähnlich gelagert in „Nacht der braunen Schatten“. Hubschrauber und

Flugzeuge

sind

fest

in

deutscher

Hand,423

ebenso

Gewehre

und

Maschinenpistolen.424 Auch in dieser Dystopie taucht kein bewaffneter Widerstand auf. Eine besondere Situation schildert „Hörnerschall“. Eo ipso hat die menschliche Jagdbeute keine Chance, ein vorhandenes Waffenmonopol in dieser Mikrowelt zu brechen. Aufgrund der „Jägerromantik“ und deren Pseudoauthentizität erfährt der Leser wenig über ein präsumtiv vorhandenes Waffenmonopol außerhalb der Waldanlage. Die Jagenden verfügen über Schwerter, Gewehre425 und moderne Fangnetze426. „SS-GB“ unterscheidet sich von den anderen antinationalsozialistischen Dystopien insofern, als die britische Polizei dem Deutschen Besetzungsapparat einverleibt wurde und somit die Vermutung nahe liegt, dass sich nach wie vor zahlreiche Handfeuerwaffen in britischem Besitz befinden. Auch stellt die Deutsche Armee gegen Ende des Romans ihr Atomwaffen-Forschungsprogramm ein.427 Trotz der Erwähnung von Aktionen einer bewaffneten Resistanze428 besteht kein Zweifel an einem Monopol der Kampfmittel in deutscher Hand. Deutsche Atomwaffen erzwingen in „Vaterland“ einen Kalten Krieg des Dritten Reichs mit den Vereinigten Staaten von Amerika.429 Zwar unterstützen die USA durch Waffen und Kapital russische Widerstandskämpfer,430 jedoch stellt man auch im Falle dieses Romans fest, dass ein deutsches Waffenmonopol existiert.

422

Vgl.: Dick, 1962, S.134. Vgl.: Burdekin, 1937, S. 57. 424 Vgl.: Ebd., S. 219. 425 Vgl.: Wall, 1952, S. 83. 426 Vgl.: Ebd., S. 90. 427 Vgl.: Deighton, 1978, S. 374. 428 Vgl.: Ebd., S. 73. 429 Vgl.: Harris, 1992, S. 89. 430 Vgl.: Ebd., S. 237. 423


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Die totale Durchdringung von Staat und Partei in wechselseitiger Machtverflechtung führt zu einer abstrusen Situation bezüglich des Waffenmonopols in „Wenn das Führer wüsste“. Da der Staat ein offensichtliches Monopol an Kampfmitteln431 hat, so gut wie jeder deutsche Bürger aber ein Mitglied in irgendeiner Parteiorganisation ist, welche sich wiederum in Wechselwirkung mit dem Staat befindet, verteilt sich dieses Monopol auf viele einzelne Monopole. So ist es auch möglich, dass im weiteren Verlauf des Romans rasend schnell ein verbitterter Bürgerkrieg ausbricht. Im Falle des Monopols der Kampfmittel lässt sich zusammenfassend sagen, dass dieses in allen behandelten Romanen in den Händen der Nazi-Machthaber liegt. Die Ergebnisse eines negativen Ausschlussverfahrens führen zu dem Ergebnis, dass keine Dystopie im suffizienten Maße eine andere, nicht-staatliche Organisation oder Gruppe erwähnt, welche über ein gleichwertiges oder sogar überlegenes Waffenarsenal verfügt. Waffen werden fast ausschließlich – eine Ausnahme bilden die britischen Ermittler in „SS-GB“ – von deutschen Soldaten getragen und benutzt. IV.2.6. Zentrale Wirtschaftslenkung und -überwachung Abgesehen von Sklavenarbeit432 werden in „Hörnerschall“ keine wirtschaftlichen Themen genannt. In dem Roman „Nacht der braunen Schatten“ tritt sehr stark die Landwirtschaft in den Vordergrund. Es ist dort die Rede von Gutshöfen, welche sich selbst versorgen.433 Das spricht gegen eine Form von Dirigismus. Die Lage in den Städten wird nicht erörtert. Zudem wird Schwarzhandel als wirtschaftliches Problem genannt.434 „Das Orakel vom Berge“ lässt den Süden der besiegten USA nicht nur ideologisch, sondern auch wirtschaftlich stark mit dem Dritten Reich verbunden erscheinen.435 Deutsche Wirtschaft wird also als ein globaler Akteur portraitiert. Nicht nur hat die IG Farben bereits ein Kunststoff-Weltmonopol,436 sondern explizit wird geschildert, wie deutsche Investitionen die angeschlagene amerikanische Wirtschaft wieder aufbauen.437 Verantwortlich für den Aufbau sind Albert Speer438 und deutsche

431

Zu diesen zählen Atomwaffen, biologische Kampfstoffe, Wasserstoffbomben und Laserwaffen. Vgl.: Basil, 1966, S. 30, 133, 264, 292. 432 Vgl.: Wall, 1952, S. 68. 433 Vgl.: Burdekin, 1937, S. 109. 434 Vgl.: Ebd., S. 124. 435 Vgl.: Dick, 1962, S. 30. 436 Vgl.: Ebd., S. 44. 437 Vgl.: Ebd., S. 59. 438 Vgl.: Ebd., S. 100.


IV. Carl Joachim Friedrichs Modell von Totalitarismus und Einordnung der Primärliteratur

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Wirtschaftskartelle,439 wobei stets der Eindruck erweckt wird, dass es sich um zentral gelenkte Maßnahmen handelt. Deutsche Reichsbanknoten sind gebräuchliches Zahlungsmittel in Amerika,440 die Filmindustrie, von Berlin aus gesteuert,441 und die Buchindustrie, von München aus dirigiert,442 sprechen weiterhin für hierarchisch gegliedertes Wirtschaftswesen. In „Vaterland“ trifft man gleich zu Beginn auf eine Verflechtung

von

Wirtschaft

und

Staat,

die

Polizei

benutzt

ausschließlich

Volkswagen443 und BMW444. Die Reichsmark ist europaweite Währung,445 und die Reichsbank überwacht, ob im Ausland laufende Bankkonten genehmigt sind. Auf illegal geführte Konten steht die Todesstrafe.446 In diesem Fall kann also von einer Überwachung gesprochen werden. „SS-GB“ liefert wenige Hinweise auf eine deutsche Wirtschaftslenkung:

Zwar

wird

im

besetzten

Großbritannien

eine

eigene

„Besatzungsmark“447 eingeführt, und es heißt, die deutsche Wirtschaft schaffe Antiquitäten im großen Stil aus dem Land,448 sprich Kunstraub als staatlich gelenkte Aktion, jedoch bleibt es bei diesen Beispielen. Ebenso dünn gesät sind die Hinweise in „Wenn das der Führer wüsste“. Betont wird an einer Stelle die Existenz von Privatfirmen, als ob eine sich nicht in staatlicher Hand befindliche Firma etwas Exzeptionelles wäre.449 Eine straffe Organisation scheint jedoch vorzuliegen, denn eine wirtschaftliche Zwangsrationierung kann schlagartig im ganzen Staat durchgeführt werden.450 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass diejenigen Romane, die weniger fantastisch anmuten und näher am Kriegsende verortet sind, sich in geringem Maße intensiver mit dem Thema einer zentral gelenkten und überwachten Wirtschaft beschäftigen. Am ausführlichsten geht „Das Orakel vom Berge“ auf diese Thematik ein.

439

Vgl.: Ebd., S. 121. Vgl.: Ebd., S. 181. 441 Vgl.: Ebd., S. 201. 442 Vgl.: Ebd. 443 Vgl.: Harris, 1992, S. 11, 109. 444 Vgl.: Ebd., S. 129. 445 Vgl.: Ebd., S. 198. 446 Vgl.: Ebd., S. 167. 447 Vgl.: Deighton, 1978, S. 17. 448 Vgl.: Ebd., S. 30. 449 Vgl.: Basil, 1966, S. 53. 450 Vgl.: Ebd., S. 203. 440


IV. Carl Joachim Friedrichs Modell von Totalitarismus und Einordnung der Primärliteratur

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IV.3. Zusammenfassung Im vorangegangenen Kapitel wurden die antinationalsozialistischen Dystopien „Nacht der braunen Schatten“, „Hörnerschall“, „Das Orakel vom Berge“, „Wenn das der Führer wüsste“, „SS-GB“ und „Vaterland“ in das Totalitarismuskonzept von Carl Joachim Friedrich eingeordnet. Es hat sich im Laufe der Analyse der narrativen Texte herausgestellt, dass jedes der sechs Totalitarismus-Merkmale aus dem Katalog Friedrich – Ideologie, Massenpartei und Führer, Terrorsystem, Monopol über Kommunikation sowie Waffen und eine zentrale Lenkung der Wirtschaft – in den Romanen wiederholt auftaucht. Die Gewichtung ist dabei als unterschiedlich stark zu bezeichnen: Während etwa der Punkt „Zentrale Lenkung der Wirtschaft“ in verhältnismäßig knappem Unfang innerhalb der dystopischen Texte auftaucht, sind Entsprechungen bei den Punkten „Massenpartei und Führer“ sowie „Terrorsystem“ sehr häufig festzustellen. Die Ergebnisse der Untersuchung lassen den Schluss zu, dass die politischen Systeme, welche in den antinationalsozialistischen Dystopien von den Autoren beschrieben werden, als „totalitaristisch“ im Sinne des Totalitarismusmodells von Carl Joachim Friedrich zu bezeichnen sind.


92

V. DER BEGRIFF DER „POLITISCHEN RELIGION“ UND EINORDNUNG DER PRIMÄRLITERATUR


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

93

Im folgenden Kapitel soll eine zweite, weniger umfangreiche Einordnung der Primärliteratur vorgenommen werden. Diese weitere Einordnung ist notwenig, um etwaige Spezifika des Nationalsozialismus innerhalb der Primärliteratur eingehender untersuchen zu können. Zunächst wird das Konzept der „Politischen Religionen“ vorgestellt werden. Anschließend werden zwei antinationalsozialistische Dystopien, nämlich „Nacht der braunen Schatten“ von Burdekin und „Wenn das der Führer wüsste“ von Basil, in den Kontext dieser „Politischen Religionen“ eingeordnet.

V.1. Zum Begriff „Politische Religion“ Als Politische Religion soll im Folgenden ein Religionstypus verstanden werden, der in einer politischen Gemeinschaft wurzelt. Dieser Religionstypus ist so stark mit jener politischen Kommune verbunden, dass er ohne sie nicht existieren könnte.451 Die politische Religion stellt ein komplexes und vielseitiges Phänomen dar, ein Glaubenssystem bezüglich Autorität, Gesellschaft und Geschichte. Sie liefert eine „Weltanschauung“, die einen Anspruch auf eine Wahrheit erhebt, die mit anderen Konzeptionen, auch mit den existierenden religiösen Traditionen, unvereinbar ist. Dieses Glaubenssystem wird von der Sakralisierung von Personen, Orten, Symbolen, Daten und von der Entwicklung von damit verbundenen Ritualen unterstützt.452 Das Konzept der Politischen Religionen, das nahe mit der Totalitarismusforschung einhergeht, steht, was die politikwissenschaftliche Erforschung betrifft, noch in den Anfängen.453 Es wurde zuerst von Eric Voegelin (1901-1985) im Jahre 1938 entwickelt und in seinem Grundlagenwerk „Die politischen Religionen“ niedergeschrieben.454 Voegelin lehrte nach seinem Studium in Wien, den Vereinigten Staaten und Frankreich bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten an der Wiener Universität. Nach seiner Flucht in die USA dozierte er an verschiedenen US-Universitäten, ehe er 1958 den Ruf der Ludwig-Maximilians-Universität in München annahm und dort das Institut für Politische Wissenschaft aufbaute. Im Zentrum seines Werks steht eine Theorie der 451

Vgl.: Hans Meier: Politische Religionen – Staatsreligion – Zivilreligion – politische Theologie. S. 217-223. In: Hans Meier (Hg.): Totalitarismus und Politische Religionen. Deutungsgeschichte und Theorie. Paderborn/ München/ Wien u.a., 2003. S. 217. 452 Juan J. Linz: Der religiöse Gebrauch der Politik und/oder der politische Gebrauch der Religion. Ersatzideologie gegen Ersatzreligion. S. 129-155. In: Hans Meier (Hg.): Totalitarismus und Politische Religionen. Konzepte des Diktaturvergleichs. Paderborn/ München/ Wien u.a., 1996. S. 130. 453 Vgl.: Hans Maier: „Totalitarismus“ und „Politische Religionen“. Konzepte des Diktaturvergleichs. S. 118135. In: Jesse, 1999, S. 123. 454 Eric Voegelin: Die politischen Religionen. Wien, 1938.


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

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Ordnung von Mensch, Gesellschaft und Geschichte. Die Ordnungstheorie bildet den Hintergrund unter anderem für Voegelins Ideologiekritik, sein Konzept der politischen Moderne, seine Grundlegung einer neuen philosophischen Wissenschaft der Politik sowie die damit verbundene Wissenschaftstheorie. Er analysiert totalitäre Bewegungen als

„politische

Religionen“.

Die

beträchtlichen

Schwierigkeiten

der

Totalitarismusforschung zu erklären, weshalb die Massen der totalitären Verführung erlegen waren und weshalb es, neben Mitläufern und Funktionären, eben auch „gläubige“ Kommunisten und Nationalsozialisten gab (und gibt), können mithilfe der Theorie der Politischen Religionen bzw. Ersatz-Religionen oder Pseudo-Religionen mitunter treffender analysiert werden. Politische Religionen schaffen neue „Götter“ – wie etwa Nation, Rasse oder Klasse, die dann konsequenterweise götzenartig ins Zentrum der Anbetung aufrücken.455 Auf die religionsähnlichen Züge von totalitären Regimen verweist auch der Politologe Hermann Lübbe: Die Erlöserrolle der totalitären Führer, die Zuweisung von Prophetenund Apostelfunktionen an Vorläufer und Propagandisten der politischen Frohen Botschaft, die Erhebung der Revolutionen zu eschatologischer Bedeutsamkeit, die Ketzergerichte, der Märtyrer- und Reliquienkult, die rituelle Wiederholung der heilsgeschichtlichen Ereignisse im totalitären Festkalender, die Steigerung der Leidensfähigkeit durch Naherwartung und die Techniken kognitiver und emotionaler Bewältigung der Erfahrungen ihrer vorerst ausbleibenden Erfüllung.456 Totalitäre Bewegungen operieren durch ihre Sprache und ihr Handeln mit „Momenten, die im Bereich der Religion angesiedelt sind.“457 Seine religionsphänomenologische Interpretation der modernen despotischen Regime hat Eric Voegelin später zu der umstrittenen These verdichtet, die politischen Massenbewegungen des 20. Jahrhunderts wiesen durchgehend einen „gnostischen“ Charakter auf. Sie beruhten auf der Prämisse, die Menschheit könne durch eigenes Agieren die Übel dieser Welt auflösen. Die 455

Vgl.: Henning Ottmann: Die Faszination des Bösen. S. 227-230. In: Volker Gerhardt/ Henning Ottmann/ Martyn P. Thompson (Hg.): Politisches Denken. Jahrbuch 1994. Stuttgart/ Weimar, 1995. S. 228f. Vgl.: Hans Otto Seitschek: Die Deutung des Totalitarismus als Religion. S. 129-179. In: Maier, 2003, S. 129-149. Vgl.: Michael Henkel: Eric Voegelin zur Einführung. Hamburg, 1998. S. 75-92. Vgl.: Markus Huttner: Totalitarismus und säkulare Religionen: zur Frühgeschichte totalitarismuskritischer Begriffs- und Theoriebildung in Großbritannien. Bonn, 1999. S. 145-158. 456 Hermann Lübbe: Totalitarismus, Politische Religion, Anti-Religion. S. 7-15. In: Hermann Lübbe (Hg.): Heilserwartung und Terror: politische Religion des 20. Jahrhunderts. Düsseldorf, 1995. S. 10. Affirmierend dazu: Michael Rohrwasser: Religions- und kirchenähnliche Strukturen im Kommunismus und Nationalsozialismus und die Rolle des Schriftstellers. S. 383-401. In: Maier, 1996. S. 385.


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

95

Gewissheit, welcher der Mensch vom Wesen her anstrebe, offerierten ihm die gnostischen Systeme in einer Doktrin innerweltlicher Sinnerfüllung. Der Mensch jedoch, der dieser Versuchung erliege, verstricke sich immer enger im Netz einer Verweltlichung.458

V.2. Karl-Josef Schipperges’ Konzept der Politische Religionen Die Grundlage der folgenden Einordnung der Primärliteratur in den Kontext der Politischen

Religionen

Instrumentalisierung

der

bildet

der

Religion

dieser in

Analyse

modernen

dienliche

Beitrag

Herrschaftssystemen“

„Zur des

Politikwissenschaftlers Karl-Josef Schipperges.459 Schipperges widmet in seiner Untersuchung zum Thema Politische Religionen, nachdem er zunächst über allgemeinere Zusammenhänge zwischen den Massenbewegungen des 20. Jahrhunderts und politisierter Religion spricht, spezifischen Eckpunkten nationalsozialistischer Ideologie gezielte Aufmerksamkeit. Er geht von der Grundannahme aus, dass Aufklärung und Rationalismus eine säkularisierte Gesellschaft schufen, in welcher die Frage nach technischer Machbarkeit die Suche nach Sinn und Ursprung obsolet machten.460 In seiner weiteren Argumentation beschreibt er die Ideologien des 20. Jahrhunderts als antimodern. Sie vereinten eine quasi-religiöse Legitimation und zeichneten sich durch eine Instrumentalisierung der Religion aus. Dabei stellten sie einen eigentlich atheistischen Anspruch, dennoch tauche Religion in einer pervertierten Form auf. Ideologien lieferten dabei eine verloren geglaubte Gewissheit, Fanatismus würde im Verlauf der Machtausübung eine Handlungsoption. Die bereits angesprochene Antimodernität zeige sich dabei besonders in drei Punkten. Es gebe eine Wiedervereinigung von Politik und Religion, Ideologien erschienen als entschiedene Gegner von Rationalismus und Aufklärung,

und

schließlich

erzeugten

sie

durch

ihre

Zivilisationskritik

Zivilisationsmüdigkeit und weitere Kritikbereitschaft an der Moderne.461

457

Meier, 1999, S. 124. Vgl.: Ebd., S. 126. 459 Karl-Josef Schipperges: Zur Instrumentalisierung der Religion in modernen Herrschaftssystemen. S.223237. In: Meier, 2003. 460 Vgl.: Ebd., S. 223. 461 Vgl.: Ebd., S. 225f. 458


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

Ideologien

versuchten,

neue

Glaubensgewissheiten

96

wissenschaftlich

zu

legitimieren.462 Sie unternähmen weiterhin den Versuch, sich in die Nähe des Sakralen zu rücken und pseudo-religiöse Merkmale zu entwickeln beziehungsweise zu integrieren. Die Ideologie könne so als Quelle der einzigen und letzten Wahrheit erscheinen – Weltbild und Wissen würden durchdrungen und diktiert. Auf diese Weise sei es einer Ideologie möglich, auch den Menschen in der Gesellschaft in seiner Gesamtheit zu durchdringen: Eine Trennung zwischen öffentlich und privat würde so aufgehoben.463 Die Entstehung einer dogmatischen Einheitskultur sei das Resultat, das sinnstiftende Regime ein Ergebnis. Schließlich erheben sich die Begriffe „Nation“ und „Rasse“ zu sakralen Termini, eine innerweltliche Religiosität entwickle sich. Entscheidend für die Einordnung der Primärliteratur ist jedoch das Spezifische am Nationalsozialismus als Politische Religion. Zu dem Komplex „Rassenlehre“ und „Antisemitismus“ stellt Schipperges fest, dass der Nationalsozialismus eine Neuschreibung der Heilsgeschichte vornähme. Nicht mehr das jüdische Volk sei das Volk Gottes, sondern die „Arier“. Da es jedoch nur ein „wahres Volk“ Gottes geben könne, müsse das Judentum komplett ausgerottet werden. Adolf Hitler erscheine in diesem Zusammenhang als Messias und als das Werkzeug Gottes.464 Zeitgleich greife die nationalsozialistische Ideologie aber auch skandinavische Traditionen auf. Altgermanische Heldensagen würden zu einer neuen Nationalreligion hochstilisiert. Als einzige Konfession dürfe Artbekenntnis und Rasseglaube gelten. Wiederum erscheine Hitler als Lichtbringer, als Erlöser, als Inkarnation des deutschen Volksgeistes.465 Besonders aufschlussreich für die Deutung des Nationalsozialismus als Politische Religion ist der sogenannte „Heldenkalender“ des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg. Schipperges hält fest, dass Rosenberg in erster Linie daran interessiert gewesen sei, einen antikirchlichen Feier- und Festtagskalender zu entwickeln. Auch dem Reichparteitagsgelände komme eine besondere Bedeutung zu: es erscheine wie eine Art Freiluftkirche, in der Adolf Hitler seinen „Gottesdienst“ abhalten könne. Die Hinreise zu einer solchen Großveranstaltung könne mit einer „Pilgerfahrt“ verglichen werden. Schipperges verweist außerdem darauf, dass die deutsche Schutzstaffel SS wie ein

462

Vgl.: Ebd., S. 227. Vgl.: Ebd., S. 228. 464 Vgl.: Ebd., S. 229. 465 Vgl.: Ebd., S. 230. 463


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Jesuitenorden angelegt war.466 Neben der philanthropischen Intention der NS-Ideologie, einen neuen Menschentypus zu schaffen oder systematisch zu erziehen, findet zudem der NS-typische Manichäismus, eine persische Religion der Antike, in deren Glaubensbild die Mächte des Lichts gegen die Mächte der Finsternis kämpfen, in die Ausführungen bei Schipperges Eingang.467 In den folgenden beiden Abschnitten werden nun die Romane „Nacht der braunen Schatten“ und „Wenn das der Führer wüsste“ eingehend auf deren Anteile im Bereich von politisierten Religionen untersucht. Die beiden antinationalsozialistischen Dystopien eignen sich für eine Untersuchung im Rahmen der Ausarbeitung von Schipperges besonders, da sie, im Vergleich zur übrigen Primärliteratur, besonders auffällig den Nationalsozialismus als religionsartiges Gebilde darstellen.

V.3. Der Nationalsozialismus in „Nacht der braunen Schatten“ als Politische Religion In Burdekins „Nacht der braunen Schatten“ ist der ehemalige deutsche Reichskanzler Adolf Hitler in die Position eines, beziehungsweise des einzigen, Gottes aufgerückt. Bereits auf den ersten Seiten des Romans ist das offizielle Glaubensbekenntnis zu finden: „Ich glaube [...] an den Gott des Donners, Schöpfer dieser Erde, auf der die Menschen in ihren sterblichen Körpern wandeln, und an Sein Himmelreich, in dem alle Helden vereint sind, und an Seinen Sohn, unseren Heiligen Adolf Hitler, den Einzigen Menschen. Der da ward – nicht empfangen, nicht geboren von einer Frau, sondern entsprungen. [...]Entsprungen aus der Stirne seines Vaters ist Er, der Vollkommene, der unbefleckte Knabe, dem wir, die wir sterblich sind und unrein durch unsere Abstammung und unsere Geburt, ewiglich huldigen müssen und ihn preisen. Heil Hitler. Der in unserer Not, in Deutschlands Not, in der Not der Welt, um unser aller Willen, vom Berg, dem Heiligen Berg, dem Deutschen Berg, dem Namenlosen, zu uns herabkam, um vor uns einher zu schreiten als der Mensch, der Gott ist, um uns zu führen, uns zu erlösen. [...] Der, als die Errettung unserer Seelen vollbracht war, in den Wald ging, [...] und dort wieder eins wurde mit seinem Vater, dem Gott des Donners. [...] Was [...] den Gott des Donners und unseren Herrn Hitler angeht, so steht keiner über dem anderen, keiner befiehlt, keiner

466 467

Vgl.: Ebd., S. 231. Vgl.: Ebd., S. 234. Dazu auch: Sven Bretfeld: Leben und Sterben als Kriegsstrategie Gottes. Tod, Wiedergeburt und Erlösung im Manichäismus. Quelle: http://publicrelations.unibe.ch/unipress/heft118/beitrag12.html Erstellungsdatum: Oktober 2003. Letzter Zugriff am: 11.02. 2005.


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gehorcht. Sie sind gleich in diesem heiligen Mysterium. Sie sind Gott. Heil Hitler.“468 Hitler hat in dieser Glaubenshierarchie eine interessante Stellung eingenommen. Man erkennt deutlich Parallelen zum Neuen Testament: Gottvater entsendet seinen einzigen Sohn Jesus Christus auf die Erde, wo er mit Menschen in Kontakt tritt und viele Anhänger um sich zu scharen beginnt. Jesus stirbt, die Sünden der Menschen auf sich genommen, am Kreuz.469 Die heilige Dreifaltigkeit beinhaltet, auch nach dem Tode Jesu, Gott den Schöpfer, seinen Sohn und den Heiligen Geist. In der Variante, auf die man in „Nacht der braunen Schatten“ stößt, wird diese Dreifaltigkeit erheblich reduziert. Der Heilige Geist taucht an keiner Stelle auf, und Hitler, von dem wörtlich als „Sohn“ gesprochen wird, nimmt nach seinem irdischen Ableben eine in der Hierarchie absolut gleichwertige Stellung zusammen mit dem „Gott des Donners“ ein. Hitler ist dann nicht mehr länger „nur“ der Sohn Gottes – er teilt sich die Position Gottes mit dem „Gott des Donners“. Die Rolle Hitlers als Messias und Werkzeug Gottes, die Schipperges anführt, ist hier erfüllt. Alfred, der Protagonist des dystopischen Romans, stellt Überlegungen an, wie es zu der Gottwerdung Hitlers kommen konnte – und findet dabei eine überraschend plausible Theorie: „Nach dem Zwanzigjährigen Krieg, als Deutschland schließlich als Siegermacht hervorging, müssen die geschlagenen Nationen allesamt verdammt ausgelaugt gewesen sein. Sie hatten versucht, Kraft gegen Kraft zu setzen, und hatten versagt. Sie schämten sich und fühlten sich gedemütigt. Am schlimmsten jedoch war für sie das Gefühl der totalen Erschöpfung. Da es nun wesentlich angenehmer ist, von Gott besiegt worden zu sein, als von einer Kompanie Männer, [...] fingen sie alle an, an Hitler zu glauben, - sie stellten ihn sich als die körperliche Verkörperung einer siegreichen Macht vor. [...] Sie waren noch zu geschwächt, als dass sie ohne Religion hätten sein können, und sie

468

Vgl.: Burdekin, 1937, S. 5f., 8. Der „deutsche, namenlose Berg“, von dem im Glaubensbekenntnis die Rede ist, ist vermutlich an den „Berghof“ (früher „Haus Wachenfeld“), den Hitler 1933 am Obersalzberg bei Berchtesgarden erwarb, angelehnt. Der einfache Hof wurde im Lauf der NS-Herrschaft durch komplizierte und umfangreiche Umbaumaßnahmen nicht nur zu einer Art zweiten Regierungssitz neben Berlin, sondern auch zu einer Festung inklusive Bunkeranlagen ummodelliert. In der Nachbarschaft des Berghofes hatten auch andere NSGrößen, wie etwa Bormann, Göring oder Speer, Anwesen. Vgl.: Volker Dahm/ Albert Feiber: Dokumentation Obersalzberg. Ort- und Zeitgeschichte. Quelle: http://www.obersalzberg.de/ Erstellungsdatum: 2000-2001. Letzter Zugriff am: 16.02.2005. 469 Vgl.: Udo Schnelle: Die Entstehung und der Inhalt des Neuen Testaments. Quelle: http://www.theologieonline.uni-goettingen.de/nt/schnelle.htm Erstellungsdatum: unbekannt. Letzter Zugriff am: 16.02.2005.


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brauchten auch noch das beruhigende Gefühl, von Gott – und nicht einfach von Menschenhand – besiegt worden zu sein.“470 Alfreds Gesprächspartner, der Deutsche Hermann, reagiert geschockt: „Alfred! Glaubst Du nicht – du willst mir doch nicht etwa sagen, du [Hervorhebung im Original] glaubst nicht daran, dass Hitler Gott ist?“471 Begreift man die Figur des Hermann als Repräsentation des durchschnittlichen Deutschen in der Romanwelt, ist davon auszugehen, dass der Glaube an Hitler als Gott tief verwurzelt ist. Als Hermann schließlich durch einen Landsmann, nämlich dem Ritter von Hohenlinden, erfährt, dass Hitler ein ganz gewöhnlicher Sterblicher war, ist die Erschütterung des Deutschen groß. Auf einer alten Photographie offenbart sich ihm der wahre Hitler: Sein Haar war kurz geschnitten, bis auf eine glatte Strähne, die etwas länger war und ihm in die Stirn fiel. Er war in ungebührlich enge Hosen gekleidet, wie nur Frauen sie trugen, anstatt in ausgestellte, männliche Reithosen, wie man sie von all den Denkmälern und Gemälden her kannte, und seine Figur war nicht heldenhaft, sondern schon eher unmännlich. Wo waren die breiten Schultern, die mächtige Brust, der flache Bauch, die schlanke Taille und Hüfte? Dieser kleine Mann war fast schon dick. Er wies, oh Schreck! [sic!]eine unmissverständliche Rundung unterhalb der Rippen auf. Er hatte einen Wanst.472 Findet Hermann an diesem Phänotyp schon keinen Gefallen, trifft ihn die Tatsache, dass Adolf Hitler auf dem Photo direkt neben eines attraktiven, in der Gegenwart des Romans nicht mehr vorstellbaren, Mädchens steht und offensichtlich von diesem angetan zu sein scheint. „Dann“, Hermann machte zum ersten Mal eine Bemerkung in Form eines vollständigen deutschen Satzes, „ist die Behauptung, dass er nichts mit Frauen zu tun hatte, eine Lüge. Es ist eine Lüge, eine Lüge.“ Selbstredend bezieht Hermann diese Sätze, auch wenn er als wenig epigrammatische Figur portraitiert wird, auch auf das gesamte konstruierte Religionskonstrukt des Deutschen Reiches. Schipperges Ausführungen zum Thema „Heldenkalender“ sind für die Deutung von Burdekins Roman ebenfalls entscheidend. Auf den Kalender wird in der Dystopie an mehreren Stellen eingegangen. Alfred Rosenberg, der Kopf hinter dem Heldenkalender, ging bei Burdekin selbst in diesen ein. Er trägt die Bezeichnung

470

Burdekin, 1937, S. 29. Vgl.: Ebd., S. 28. 472 Ebd., S. 77. 471


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„Held“473. Doch es scheint auch hier eine Art Hierarchie vorzuliegen. Denn im bereits erwähnten Glaubensbekenntnis heißt es: „Und ich glaube an die beiden Erzhelden, Göring und Goebbels, die als würdig befunden wurden, Seine engen Freunde zu sein.“474 Analog zu „Erzengeln“ bedeutet also „Erzheld“, ein ganz besonderer Held zu sein. Aber das Glaubensbekenntnis benennt auch Gegenteiliges: Dort ist die Rede von den sogenannten „Erzteufeln“475. Es sind derer vier: Wladimir Lenin, Josef Stalin, Ernst Röhm und Karl Barth.476 Der konstruierten Legende nach, setzte sich Hitler mit allen diesen Gegnern persönlich auseinander; wieder stellt der Ritter von Hohenlinden richtig: „Lenin und Stalin [...] waren russische Führer, und das bei weitem härteste Gefecht, das Deutschland je ausgetragen hat, war das gegen Russland. Lenin starb jedoch lange bevor Hitler an die Macht kam, und Stalin ist er nie persönlich begegnet.“ „Flog er denn nie im Heiligen Flugzeug an der Spitze der Luftflotte nach Moskau?“ „Natürlich nicht. Er war viel zu wichtig, als dass er auch nur den Verlust eines Fingernagels hätte riskieren dürfen.“ „[...] War [...] Röhm wirklich so schlecht, wie er in der Hitlerbibel [eigene Hervorhebung] dargestellt wird? Ein Erzverräter, ein Betrüger, ein Teufel, der sich als Heldenfreund ausgab?“ [...] „Röhm war ein Mann, der entweder kurz nachdem er an die Macht gekommen war gegen Hitler rebellierte, oder überhaupt nicht rebellierte und aus irgendeinem anderen Grund umgebracht wurde. [...] Es war mit Sicherheit keine groß angelegte Rebellion. [...] Über Karl Barth, den vierten Erzfeind, kann ich jedoch überhaupt nichts herausfinden. [...] Ich halte es für möglich, dass er – wenn man sich einmal vor Augen führt, dass zwei Teufel Russen sind und einer ein deutscher Verräter – dass also Karl Barth dann stellvertretend für einen weiteren Feind steht, nämlich für das Christentum.“ 477 Das vorgestellte Glaubensbekenntnis ist also nur Teil eines Größeren: Es existiert eine Hitlerbibel. Daran ist abzulesen, wie entwickelt das pseudo-religiöse Konstrukt um Hitler als einzigen Gott in „Nacht der braunen Schatten“ gediehen ist.

473

Ebd., S. 87. Ebd., S. 6. 475 Vgl.: Ebd., S. 156. 476 Vgl.: Ebd., S. 156f. 477 Ebd. Man könnte Burdekin durchaus einen pädagogischen Ansatz im Sinne eines Rechercheauftrages an den Leser unterstellen, wenn sie die Figur des Karl Barth kurz anschneidet, jedoch die Figuren nicht weiter ausführen lässt, um wen es handelt. Der wahre Karl Barth (1886-1968), geboren und aufgewachsen in der Schweiz, war evangelischer Theologe, Lehrbeauftragter, unter anderem in Bonn und Göttingen, und aktiv im Widerstand gegen das NS-Regime engagiert, wofür er durch des Nazi-Regimes vertrieben wurde. Vgl.: [-]: Karl Barth. Quelle: http://pages.unibas.ch/karlbarth/stiftungarchiv.html Erstellungsdatum: 07.09.2004. Letzter Zugriff am: 16.02.2005. 474


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Die Erzteufel und Hitlers Kampf gegen sie passt in das von Schipperges angeführte Manichäismus-Schema: Der Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Es ist eine naheliegende Vermutung, dass dieser Kampf auch Inhalt der sogenannten „Hitlermirakel“478 – die „Weiterentwicklung“ von Opern im Stile eines Wagners – sein dürfte. Auch der Rückgriff auf Heldensagen, konsequent bei Burdekin auftauchend, ist Teil von Schipperges Ausführungen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich zahlreiche Elemente, die Schipperges in seiner Deutung des Nationalsozialismus als Politischer Religion anführt, in „Nacht der braunen Schatten“ wiederfinden lassen. Am stärksten ausgeprägt ist sicherlich die Idee des hitlerischen Messias, der gottgleich über das Deutsche Reich wacht und die Geschicke der Nation lenkt.

V.4. Der Nationalsozialismus in „Wenn das der Führer wüsste“ als Politische Religion Adolf Hitler liegt bereits zu Beginn des Romans im Sterben. Doch schon bevor der faktische Tod eintritt, zeigen sich Hinweise auf dessen „Gottwerdung“. So wird etwa der Protagonist Höllriegl Zeuge eines seltsam anmutenden „Gottesdienstes“. Er befand sich auf der Empore [...] einer hohen, schmalen, von Schwaden erfüllten Kirche [...]. An der Stirnwand der leeren Apsis hing ein [...] Christenkreuz (der Crucifixus fehlte), über das ein ebenso großes schwarzes Hakenkreuz genagelt war. [...] Auf der Empore und unten im Schiff drängten sich Menschen. Die Andächtigen, zumeist alte Weiblein in Trauerkleidern, waren mit verzücktem Gesichtsausdruck einem auf den Altarstufen stehenden rotbäckigen Schwarzbart zugewandt [...]. [...] Die Gemeinde schwankte rhythmisch, in einer Art feierlichen Schunkelns, auf den Sitzen hin und her, wobei sie den monotonen Sing-Sang. „Der Füh-rer! Der Füh-rer!“ verstand Höllriegl. Es klang langgezogen, inbrünstig, tränenerstickt. „Er sitzt zur rechten Hand Odins, des allmächtigen Vaters“, sagte in beschwörendem Ton der [...] Vorbeter [...] und sein Auge funkelte trunken. „Der Füh-rer! Der Füh-rer!“ respondierte gehorsam der Chor.479 Mehrere Dinge gehen aus diesem Textabschnitt hervor: Es ist feststellbar, dass es der NS-Ideologie gelungen ist, als gleichwertige Religion neben dem Christentum aufzutreten. Das Hakenkreuz scheint ein ganz normales Phänomen neben dem Kreuz zu sein. Diese Pseudo-Religion ist weiterhin emotional – zumindest bei den Anwesenden – tief verankert, und das wohlgemerkt bei Sender und Empfänger. Die Zeile „Er sitzt zur 478

Vgl.: Burdekin, 1937, S. 136.


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

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rechten Hand Odins, des allmächtigen Vaters“ ist selbstredend eine Entlehnung der Zeile „er (= Jesus Christus) sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen Vaters“ des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, welches in allen christlichen Kirchen eine akzeptierte Formulierung des Glaubens darstellt. Adolf Hitler wird also als Messias gedeutet. Ein weiteres Beispiel der gottgerechten Verehrung des Führers ist in Form eines ausgereiften Gebetes nach dem Tode des Führers im Roman zu finden. Es taucht an einer Stelle in der Dystopie auf, als Höllriegl sich in einer Art Vertrauenskrise gegenüber dem Dritten Reich befindet. Zur Beruhigung rezitiert er folgende Zeilen: „Mein Führer, sieh, wir wissen um die Stunden, in denen du hart an der Bürde trägst - in denen du auf unsre tiefen Wunden die liebevollen Vaterhände legst und noch nicht weißt: wie wirst du uns gesunden! In vielen Nächten mag dies so geschehen: Wir schlafen, und du wachst mit bangen Sorgen, denn viele Nächte werden dir vergehn [sic!], die du durchgrübeln musst, um dann am Morgen mit klaren Augen in das Licht zu sehen. Mein Führer, sieh, wir kennen das Entsagen, das du als Mensch für uns zum Opfer bringst, die Last der Einsamkeit musst Du ertragen, damit du unsres Volkes Schicksal zwingst in trüben und in freudvollen Tagen. Darum ist unsre Liebe auch so groß, darum bist du der Anfang und das Ende - Wir glauben dir, treu und bedingungslos, und unser Werk des Geistes und der Hände ist die Gestaltung unsres Dankes bloß.“480 Besonders bedeutsam sind zwei Zeilen des Gebetes. Erstens wird die Person des Führers in der Zeile „das du als Mensch für uns zum Opfer bringst“ mit Jesus verglichen, welcher als menschgewordener Sohn Gottes auf Erden die Schuld der Menschen auf sich nimmt und am Kreuz stirbt. Zweitens ist die Zeile „darum bist du der Anfang und das Ende“ von Relevanz. Anfang und Ende, Alpha und Omega, stellen nach allgemeinem Verständnis Universalität und Totalität dar. Dieses Umfassende deutet auf ein Numen, wenn nicht Gott selbst. Durch die Verwendung der Passage in obigem „Führergebet“ wird eine Art der Deckungsgleichheit zwischen Adolf Hitler und Gott suggeriert. Alpha und Omega tauchen auch in der Offenbarung des Johannes auf: „Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ziel.“481

479

Basil, 1966, S. 28f. Ebd., S. 243f. 481 Die Textstelle ist in Kapitel 22, Vers 13 zu finden. Evangelisches Bibelwerk (Hg.): Die Bibel: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Psalmen und Neues Testament. Ökumenischer Text. Stuttgart, 1980. S. 1395. 480


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

103

Höllriegl schildert in einer Passage im zweiten Drittel des Romans die „Gottwerdungspolitik“ des Dritten Reiches. Ungeachtet dessen machte der Vergottungsprozeß in bezug auf den Führer rasche Fortschritte. So erhob der „Deutsche Christen e.V.“ […] Kristos, den Menschensohn, seiner angestammten Mittlerrolle zwischen „gotfater“ oder dem „angerufenen Wesen“ und den Menschen und setzte Adolf Hitler an seine Stelle. Aus dem Meldegänger des ersten Weltkrieges wurde im Handumdrehen der über den Wolken thronende Gottmittler, und in den Kirchen und Heilige Hainen dieser mächtigen, volkstümlichen Glaubensbewegung, die von Partei und Staat nach Kräften unterstützt worden war, entfernte man in aller Stille […] Statuen und ersetzte sie durch Hitler-Büsten. Es war das Werk von wenigen Stunden. Und der Vorsitzende des Reichsbruderrates, einer gleichfalls weitverbreiteten völkischen Sekte, die sich „Nordische Christen“ nannte, […] verkündete in einer Rundfunkweihestunde […], der Führer sei nun, seinem übersinnlichen Rang entsprechend, den zwei Personen der Trinität, dem Sohn und dem Geist, gleichgestellt.482 Abgesehen von dem geschilderten Versuch, Hitler der Dreifaltigkeit zuzuführen, ist der Nebensatz „die von Partei und Staat nach Kräften unterstützt worden waren“ von Bedeutung. Dies zeigt den Versuch seitens des NS-Regimes, wenn nicht schon eine komplette

Gegenkirche

zu

entwerfen,

so

doch

viele

„volkstümliche

Glaubensbewegungen“ nicht nur zuzulassen, sondern sie tatkräftig zu fördern: Divide et impera! Auch der Wichtigkeit, die Schipperges Alfred Rosenberg zuschreibt, wird „Wenn das der Führer wüsste“ gerecht. Bereits zu Beginn des Romans wird dieser als „Apostel des Rassegedankens [und] unbestritten führender Staatsphilosoph“483 bezeichnet. Der letzte Punkt dieser Romanuntersuchung rückt Schipperges Ausführung bezüglich des Rückgriffes des NS-Regimes auf altgermanische Heldensagen in den Mittelpunkt. In Basils antinationalsozialistischer Dystopie finden sich zahlreiche Bezüge auf nordische Mythologie. Im Deutschland Höllriegls herrscht der „Königsgedanke […], dass eine hochgezüchtete Herrenrasse, aus Edlen und Freien bestehend, ein nordisch heiler Blutadel [eigene Hervorhebung], die Welt global beherrschen sollte.“484 – das Ideal ist die „Blau-Blond-Rasse“485 oder „bestes NordlandMaterial”486. Höllriegl selbst verbindet mit dem Nordischen „Übermenschen [voller] 482

Basil, 1966, S. 306f. Ebd., S. 16. 484 Ebd., S. 145. 485 Ebd., S. 19. 486 Ebd., S. 353. 483


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

104

Härte, […] Kraft, […] Mut, […] Geschicklichkeit”487 und setzt es mit „dem Männlichen in der Schöpfung, mit dem Zeugungsprinzip, mit der erobernden Mannheit gleich.”488 Des öfteren findet man den Namen „Odin“489 an der Stelle Gottes verwendet (S. 29, 50). Statt eines Predigers stößt man auf die Bezeichnung „Skalde“490 bei Basil. Die nordische Mythologie nimmt aber auch in der Privatsphäre Basils Deutscher sehr viel Raum ein – fortwährend sprechen sich Privatpersonen mit klangvollen, altgermanischen Namen an, wie etwa „Knefrodh”491, „Sinfessel”492 oder „Sigga”493. Auch in der Bezeichnung von Gegnern des Dritten Reiches wählt man nordische Umschreibungen: „Loki, Fenrewolf und die Midgardschlange”494 Fast wörtlich taucht bei Basil auch der von Schipperges aufgelistete Manichäismus auf, Höllriegl beschreibt den Dritten Weltkrieg zwischen Deutschland und Japan mit den Worten: „Es war einfach ein Kampf zwischen Licht und Dunkel.”495 Der Versuch, neue Glaubensgewissheiten pseudowissenschaftlich zu legitimieren, wird auch verstärkt in „Wenn das der Führer wüsste” unternommen. So findet zum Beispiel das „Institut für indogermanische Geistesgeschichte in München […] nach langjähriger Forschungsarbeit” heraus, „dass […] Christus blond und blauäugig war. […] Eine mehrere Bände umfassende Dokumentation hierüber wird demnächst der Reichsstelle für Sippenforschung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Reichsahnentafel zugeleitet werden.”496 Auch als Höllriegl auf einen, was unfassbar anmutet, jüdischen

487

Ebd., S. 236. Ebd. 489 Odin ist der höchste Gott der germanischen Mythologie. Er beherrscht, den Sagen nach, die Götterwelt Asgard von seinem Hof Walhalla aus. Siehe dazu: Dale M. Brown (Hg.): Vikings: Raiders from the North. o. O., 1993. S. 30. 490 Skalde ist der altnordische Ausdruck für Dichter, die Gedichtform ist als „Skald“ bekannt. Als literarische Gattung hat die Skaldendichtung eine bestimmte Versform. Diese Dichtungen (Sagas) wurden bei Hofe vorgetragen und genossen hohes Ansehen. Die Skaldendichtung beginnt ab 800 A.D. in Norwegen und gelangte von dort nach Island. Hier entstand eine reiche Dichtung, die das heldenhafte Leben von Herrschern darstellten. Quelle: Andreas Zompro: Skalden. Quelle: http://www.sungaya.de/schwarz/germanen/skalden.htm Erstellungsdatum: September 2002. Letzter Zugriff am: 18.02.2004. 491 Basil, 1966, S. 107. 492 Ebd., S. 108. 493 Ebd., S. 354. 494 Ebd., S. 305. „Loki“ ist eine Gestalt aus germanischen Mythologie, gilt als Unheilsbringer und steht im Grenzbereich zwischen Göttern und Dämonen. Durch seinen Trickreichtum und seine Gerissenheit verschaffte er sich den Zunamen „Trickser“. Seine äußere Gestalt ist wandelbar, sein Wesen und Verhältnis zu den Göttern zwiespältig. Mit der Riesin „Angurboda“ zeugt er drei dämonische Wesen: die „Midgardschlange“ (Jörmungand), welche Odin zum Ende aller Zeiten tötet, die Todesgöttin „Hel“ und den Wolf „Fenrir“ (Fenriswolf), der beim Weltende den Göttervater Odin verschlingen wird. Siehe dazu: Brown, 1993, S. 30. 495 Basil, 1966, S. 305. 496 Ebd., S. 240f. 488


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

105

Jungen stößt, welcher allerdings phänotypisch nicht so recht „jüdisch” wirkt, versucht sich der Strahlungsspürer an einer „wissenschaftlichen” Analyse: Oft sah Höllriegl Axel verstohlen von der Seite an. Der nordische Reiz seines Gesichtes verflüchtigte sich bei genauerer Prüfung, das Nordische war gelinde Täuschung, war Fassade […]. Die Weichheit der Gesichtszüge, der üppige Schwung der Lippen, die dadurch bedingte tiefe Nasenlippenfalte, die kurze griechisch geformte Nase mit den feinen, beweglichen Nüstern, die gut modellierte, niedrige Stirn, die dichten Wimpern […] – das alles wirkte ungermanisch. Insgeheim […] machte Höllriegl die Nasen- und Ohrenprobe, wie er sie in Rassenkunde gelernt hatte. Sie ergab kein klares Bild. […] Axel hatte auch nicht jenen typischen „Judenblick“, wie er beim Rassegünther eingehend beschrieben ist.497 Das Dritte Reich nutzt die im Roman entstehende Krisensituation im Zuge eines sich anbahnenden Dritten Weltkrieges, um sich räuberisch den gesamten Grundbesitz der Römischen Kirche sichern.498 Weiterhin zwingt die deutsche Reichsführung den neugewählten Papst, „die katholische Lehre noch mehr als bisher den Bormannschen Kernsätzen sowie Rosenbergs Lehre vom Blutmythos anzupassen.”499 Damit wäre die katholische Kirche endgültig als Rivalin des NS-Regimes ausgeschaltet. Basils „Wenn das der Führer wüsste“ enthält zahlreiche Elemente, welche auch in den Ausführungen Schipperges über den Nationalsozialismus als „Politische Religion“ auftauchen. Besonders eidetisch im Roman wird dabei der Rückgriff des NS-Systems auf altgermanische Mythen einerseits und die pseudowissenschaftliche Legitimierung von Völkermord und Folter im Zuge einer nationalsozialistischen „Rassenlehre“ andererseits dargestellt.

V.5. Zusammenfassung Die untersuchte Primärliteratur, Katharine Burdekins „Nacht der braunen Schatten“ und Otto Basils „Wenn das der Führer wüsste“, zeigen gleichermaßen zahlreiche Textstellen, welche eine Deutung anhand des Konzeptes der „Politischen Religionen“ zulassen. In beiden Fällen steht Adolf Hitler als messias- oder gottartige Figur im 497

Ebd., S. 235f. Zu dem Begriff „Rassegünther“: F.K. Günther war der erste von einer nationalsozialistischen Landesregierung oktroyierte Professor und war der Autor des Buches „Rassenkunde des deutschen Volkes“, welches 1922 in München erschien. Es wurde zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen. Siehe dazu: Rupert Breitling: Die nationalsozialistische Rassenlehre. Entstehung, Ausbreitung, Nutzen und Schaden einer politischen Ideologie. Meisenheim am Glan, 1971. S. 53-60. 498 Vgl.: Ebd., S. 238.


V. Der Begriff der „Politischen Religion“ und Einordnung der Primärliteratur

106

Mittelpunkt. „Wenn das der Führer wüsste“ beinhaltet jedoch wesentlich mehr Passagen, welche sich mit der Rechtfertigung der noch jungen „NS-Religion“ beschäftigen: Die Glaubensinhalte sollen wissenschaftlich abgesichert sein. Außerdem gibt es innerhalb der NS-Kader mächtige Glaubensunterschiede. Im Gegensatz dazu hat sich in „Nacht der braunen Schatten“ bereits eine Wandlung vollzogen. Die deutsche Gesellschaft wurde vom Glauben von Hitler als Gott durchdrungen. Der entscheidende Unterschied der beiden antinationalsozialistischen Dystopien ist dabei der Zeitrahmen der Romane. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die beiden Texte in verschiedenen Zeitepochen spielen. Während „Wenn das der Führer wüsste“ etwa in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt und Hitler erst frisch verstorben ist, spielt „Nacht der braunen Schatten“ 700 Jahre nach dem endgültigen Sieg des Dritten Reichs. Somit ist in erster Linie der lange Zeitraum für die Durchdringung der „Nazi-Gläubigen“ verantwortlich.

499

Ebd., S. 239.


107

VI. THEMATISIERUNG TATSÄCHLICHER

NS-VORHABEN IN DER PRIMÄRLITERATUR ANHAND DES

BEISPIELES DER ARCHITEKTUR


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

108

Das folgende Kapitel geht der Frage nach, inwiefern Autoren antinationalsozialistischer Dystopien auf realgeschichtliche Pläne und Vorhaben eingehen und sich mit diesen auseinandersetzen. Dies soll am Beispiel der NS-Architektur dargestellt werden, da jene 500

als ein Ausdruck der NS-Ideologie verstanden werden kann.

Grundlage dieser

Analyse wird das Kapitel „Von Rom bis zu den ‚Führerstädten’“ aus dem Werk „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ des Autors Ralph Giordano sein. Giordano, 1923 in Hamburg geboren, musste, bis zu der Befreiung Hamburgs durch britische Truppen im Mai 1945, aufgrund seiner jüdischen Mutter ein Leben in steter Furcht und Flucht 501

ertragen. Er arbeitet heute als Journalist und Schriftsteller.

In diesem Buch trägt Giordano die Pläne der Nationalsozialisten für die Zeit nach einem „Endsieg“ des Dritten Reiches zusammen. So behandelt er – neben der für dieses Kapitel über die NS-„Baukunst“ relevante Thematik – die Pläne der deutschen Wirtschaft, insbesondere IG Farben, globale, ökonomische Dominanz im Zuge eines 502

Sieges Hitlerdeutschlands zu manifestieren, in

einem

zukünftigen

Dritten

503

Reich

beleuchtet die Rolle der deutschen Justiz und

stellt

den

Dreistufenplan

der

nationalsozialistischen Führung zur Weltherrschaft (Eroberung Osteuropas, Afrikas und schließlich die Verlockungen transatlantischer Machtphantasien: Endkampf gegen die 504

Vereinigten Staaten von Amerika) vor.

Tatsächlich gehen von den fünf Autoren der vorgestellten Primärliteratur drei 505

explizit auf NS-Bauwerke in ihren Texten ein,

500

allerdings wird an dieser Stelle nur

Vgl.: Eugenie Trützschler von Falkenstein: Kunst ist, was dem „Führer gefällt“. Kunst und Wissenschaft im Dienste des NS-Systems. S. 243-279. In: Hampel, 1993, S. 245-250. Vgl.: Konrad Dussel: Der NS-Staat und die „deutsche Kunst“. S. 256-273. In: Karl Dietrich Bracher/ Manfred Funke/ Hans-Adolf Jacobsen (Hg.): Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Bonn, 2., ergänzte Auflage, 1993. S. 260-266. 501 Ralph Giordano: Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Köln, 2. Auflage, 2002. S. 79-95. 502 Vgl.: Ebd., S. 226-266. 503 Vgl.: Ebd., S.216-224. 504 Vgl.: Ebd., S. 44-71. Dazu weiterführend: Das Kapitel „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ in: Joe Heydecker/ Johannes Leeb: Der Nürnberger Prozeß. Köln, 1979. S. 511-527. Giordano setzt sich in seinem Kapitel über die NS-Pläne bezüglich einer Invasion Großbritanniens mit einem dystopischen Roman der in dieser Arbeit untersuchten Primärliteratur („SS-GB“) eingehend auseinander. Siehe dazu: Giordano, 2002, S. 266-270. 505 So setzt etwa Wall in „Hörnerschall“ den Nationalsozialismus mit dem „Stil der Gotik“ in Relation. Weitaus ausführlicher ergeht sich Basil in „Wenn das der Führer wüsste" über die NS-Architektur. Sein Protagonist erblickt „Zu- und Umbauten [,] im reichseinheitlichen Stil monumentalisiert", erwähnt „Grenzburgen [..], deren einheitlich gotische Monumentalarchitektur vom Führer selbst entworfen worden war“ und beschreibt deutsche Hauseinrichtungen als „in Architektur umgesetzte Wagner-Oper[n]“. Vgl.: Wall, 2003, S. 77. Vgl.: Basil, 1966, S. 22, 31, 35.


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

109

Robert Harris, der Autor von „Vaterland“, berücksichtigt. Dies begründet sich darin, dass allein dieser Zugang zu den Plänen hatte, auf die sich auch Giordano in seiner 506

Auswertung stützt.

Somit ist ein direkter Zusammenhang zwischen den vorliegenden

NS-Bauplanungen und der Verarbeitung in Romanform durch Harris evident. Zunächst soll der Inhalt des Kapitels von Giordano zusammengefasst werden, ehe genauer auf die Umsetzung in „Vaterland“ eingegangen wird. Am Anfang war Rom. Giordano portraitiert Hitler als Bewunderer von Monumental- und Kolossalarchitektur, welche er in Rom verwirklicht zu sehen 507

glaubte.

Schon zu Beginn führt Giordano auch Albert Speer ein, welchen er als

„Liebling des Führers“

508

beschreibt. Speer galt als NS-Stararchitekt und enger

509

Vertrauter Hitlers. Gesetzliche

Grundlage

sämtlicher

NS-Bauvorhaben

war

der

„Neugestaltungserlass“ von 1937, welcher den Umbau von mehr als 50 deutschen 510

Städten zum Ziel hatte.

Um Neu- und Umbauten zu bewerkstelligen, wurde die

Bauplanung als wichtiger Punkt in das KZ-System aufgenommen: So lassen etwa Tausende von KZ-Häftlingen im Abbau von Natursteinvorkommen, also der 511

Beschaffung von Baustoffen, ihr Leben.

Auf den Funktionalismus der Architektur

des Dritten Reiches geht Giordano in der folgenden Textstelle ein, wenn er sie als Herrschaftsausdruck der NS-Führungsriege deutet: Den einzelnen und die Massen durch die Zeugnisse dauerhaftester Materie einzuschüchtern und zu individueller und kollektiver Bedeutungslosigkeit herabzustufen, sie aber zugleich in die Lage zu versetzen, sich mit den Schöpfern und Planern so gewaltiger Bauten zu solidarisieren und dadurch in das Stadium blinder Gefolgschaft zu 512 geraten. Massenpsychologisch wird alles bis ins kleinste vorbestimmt. Giordano macht als weitere Charakteristika der NS-Baukultur Rekordsucht und Großmannssucht aus. Nicht nur sollten die zukünftigen Bauwerke in Höhe, Länge und Breite die Städte Paris, London und New York übertreffen, es sollte auch durch die Verwendung wertvollster Baumaterialien eine aktive Phase der Bekämpfung der

506

Vgl.: Harris, 1992, S. 374. Vgl.: Giordano, 2002, S. 79. 508 Ebd., S. 80. 509 Vgl.: John Toland: Adolf Hitler. Bergisch Gladbach, 1977. S. 502f. 510 Vgl.: Giordano, 2002, S. 80. 511 Vgl.: Ebd. 512 Vgl.: Ebd., S. 80f. 507


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

110

nationalen Minderwertigkeitsgefühle, welche Hitler im deutschen Volk auszumachen 513

glaubte, eingeleitet werden.

Weiterhin stellt Giordano eine Relation zwischen NS-

Bauvorhaben und Hitlers grenzenlosem Expansionswillen her. Wer sich mit der Architektur des Dritten Reiches und ihres Mentors befasst, dem springt die Verzahnung zwischen steinerner Gigantomanie und kriegerischer Expansion förmlich ins Gesicht, da die Pläne offensichtlich mit den nationalen Reserven an Menschen und Material nie zu verwirklichen gewesen wären, sondern Raub, Eroberung Ausplünderung und Millionen von Zwangsarbeitern zur Voraussetzung hatten. Wer so plante, der konnte und wollte nicht innerhalb seiner 514 Grenzen bleiben, auch nicht derer „Großdeutschlands“ [...]. Am Rande bemerkt Giordano, dass sich eine grassierende Bauwut auch in den mittleren Etagen der Macht zunehmend bemerkbar machte. Es handelte sich um „Regional- und Lokalbonzen, die Gauleiter, [...] militärische Befehlshaber [...] und manchen privat zu 515

Geld gekommenen NSDAP-Funktionär“,

welchen die Aussicht auf luxuriöse

Immobilien – zu geringen Kosten – sehr verlockend erschien. Danach kommt Giordano zum eigentlichen Kern seines Kapitels über NS„Baukunst“, den fünf geplanten Führerstädten. Es handelt sich um Nürnberg, München, Hamburg, Berlin und das in Oberösterreich gelegene Linz an der Donau. Da für den Vergleich der Wirklichkeit der NS-Baupläne mit der Umsetzung in Harris’ „Vaterland“ Berlin als Schauplatz des Romans im Zentrum des Interesses steht, sollen doch auch zumindest einige der geplanten Bauvorhaben der anderen vier Städte erwähnt werden, bevor eine detaillierte Analyse der Hauptstadt des Dritten Reichs folgt. 516

Giordano betitelt Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“.

Dort sollte ein

60km² großes Reichtagsparteigelände entstehen, welches etwa 1,5 bis 2 Millionen Menschen Platz geboten hätte. Tatsächlich stellt Nürnberg diejenige Stadt dar, in welcher die NS-Umbaumaßnahmen am weitesten gediehen waren, so war etwa die NS517

Kongresshalle schon zur Hälfte verwirklicht worden.

Erstaunlich ebenso: Alle

Olympischen Spiele der Zukunft sollten in Nürnberg stattfinden – das geplante Stadion sollte Platz für 405 000 Menschen bieten.

513

Vgl.: Ebd., S. 81f. Vgl.: Ebd., S. 83. 515 Vgl.: Ebd. 516 Vgl.: Ebd., S. 84. 517 Vgl.: Ebd., S. 86. 514


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

München als „Hauptstadt der Bewegung“

518

111

sollte nicht nur von einer 120m breiten

Ost-West-Achse durchschnitten werden, an deren Rand unter anderem ein neues Opernhaus entstehen sollte, sondern zahlreich andere Vorhaben waren beabsichtigt: Neben Bierpalästen, Thermalbädern und Ausstellungshallen, sollte ein neuer Bahnhof geschaffen und ein komplettes U-Bahn-Netz verwirklicht werden. Herzstück der Stadt sollte – neben einem neuen Autobahnring – die „Siegessäule der Bewegung“ werden, 519

welche sich den Plänen nach 214,5m in den Himmel zu strecken hatte.

Sämtliche

Umbaumaßnahmen sollten 1950 abgeschlossen sein. 520

Hamburg, „Hauptstadt der Deutschen Schifffahrt“,

sollte mit 400 521

Neubrücken, einem Elbtunnel, einer Erweiterung des Hafenbeckens,

einem NSDAP-

Gauhaus für 50 000 Mann und einer weltweit einzigartigen Hochbrücke über die 522

Elbe

in neuem „NS-Glanz“ erstrahlen.

Linz sollte der Alterssitz des Führers werden. Neben obligatorischen Aufmarschplätzen sollte es auch eine Gauhalle geben (Platz für 35 000 Mann), einen 523

neuen Glockenturm und zwei neue Brücken über die Donau.

Die Frage nach den Kosten stellte sich für Hitler scheinbar nicht. Allein die Kosten für den geplanten Berlin-Umbau schätzt Giordano aufgrund des ihm 524

vorliegenden Materials auf acht bis sechzehn Milliarden Euro.

Diese Zahlen

verfehlten jedoch auf Hitler jede Wirkung; er hielt Einwände basierend auf 525

Kostenkalkulationen für Lappalien.

Wie schildert nun Robert Harris „seine“ Variante der deutschen Hauptstadt Berlin im Jahr 1964? Abgesehen von den eigentlichen Textstellen im Roman bietet Harris im Glossar eine graphische Darstellung des Herzstücks Berlins. Anhand dieser Zeichnung in isometrischer Perspektive (die „Siegesallee“ führt von der „Großen Halle“ vorbei am

518

Vgl.: Ebd., S. 89. Vgl.: Ebd., S. 90. 520 Vgl.: Ebd., S. 90. 521 Vgl.: Ebd., S. 92. 522 Vgl.: Ebd., S. 91. 523 Vgl.: Ebd., S. 101f. 524 Vgl.: Ebd., S. 108. 525 Vgl.: Ebd., S. 88. 519


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

112

Reichstag durch den Triumphbogen bis zu „Hitlers Palast“) sind im besonderen Maße 526

die Größenverhältnisse der Gebäude zueinander ersichtlich.

Dem Leser wird Harris’ Berlinbild in einem interessanten Kontext vermittelt. Der Protagonist des Romans, SS-Sturmbannführer März, befindet sich auf einer TouristenBusrundfahrt durch Berlin, welche sich sein Sohn Paule von ihm als Ausflug 527

wünschte.

Im Rahmen dieser Rundfahrt erteilt eine Stadtführerin Auskünfte über die

Sehenswürdigkeiten Berlins. Zunächst weist sie auf den Triumphbogen hin, mit dessen Bau 1946 begonnen wurde und der 1950 fertiggestellt worden war. Er besteht zur Gänze aus Granit und weist enorme Ausmaße auf: 118m hoch, 169m breit und 119m lang – der französische „Arc de Triomphe“ in Paris passe 49 Mal hinein. In die Innenwände wurden die Namen aller gefallenen deutschen Soldaten der beiden 528

Weltkriege gemeißelt.

Daraufhin wendet sich die Stadtführerin der Siegesallee zu.

Diese wurde von Albert Speer entworfen und 1957 fertiggestellt; die Ausmaße sind auch in diesem Fall gigantisch: 123m breit und 5,6km lang. Erneut greift die Touristenführerin zu einem Vergleich: die „Champs-Elysees“ sei nicht einmal halb so lang und auch wesentlich schmaler. Das Prunkstück der Stadtrundfahrt erwartet die Touristen allerdings am Ende. Es handelt sich um die „Große Reichshalle“, das größte Gebäude auf Erden. Die Spitze der Kuppel der Reichshalle erreiche die Höhe eines Viertelkilometer, ihr Durchmesser betrüge 140m. Auch hier darf der obligatorische Vergleich nicht fehlen: der Petersdom in Rom passe 16 Mal hinein. Auch in punkto Fassungsvermögen erscheint diese kristallweiß-gestrichene Halle unglaublich: 180 000 Menschen fänden zu feierlichen Anlässen dort Platz. Den Gipfel jedoch stellt folgendes Faktum dar: Der Atem dieser Menschenmenge steige gen Kuppel hin auf, bilde dort Wolken, welche kondensierten und in Form eines leichten Niederschlages herabregneten – die Große Reichshalle schaffe sich selbst ein Klima.

529

Den Abschluss der Rundfahrt bildet der Blick auf Hitlers Reichskanzlei. Die Stadtführerin: „Die gesamte Fassade misst 700 Meter und übertrifft um 100 Meter die 530

Fassade des Palastes von Ludwig XIV. in Versailles.“

526

Vgl.: Harris, 1992, S. 380f. Vgl.: Ebd., S. 34f. 528 Vgl.: Ebd., S. 31f. 529 Vgl. Ebd., S. 35. 530 Ebd., S. 36. 527


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

113

Den Plänen nach, welche Giordano sammelte und katalogisierte, liest sich der geplante Umbau Berlins sehr ähnlich. Zunächst soll die Frage beantwortet werden, wie die Gebäude, die Harris vorstellt, in realitas geplant waren. Die „Neue Reichskanzlei“ wurde von Hitler 1938 bei Albert Speer in Auftrag gegeben – Pläne für eine neue Kanzlei reichen aber schon ins Jahr 1934, also vor dem Tode des Reichspräsidenten 531

Paul von Hindenburg, zurück.

Bereits Mitte Januar 1939 empfängt Hitler die ersten

ausländischen Gäste in der neuen Kanzlei. Der Bau bleibt reine Repräsentation, Hitler arbeitet

weiterhin

überwiegend

im

alten

Reichskanzlerpalais 532

„Kabinettsitzungen“ fanden in der „Neuen Kanzlei“ nicht statt.

und

etwaige

Die Idee der

„Siegesallee“ bei Harris entspringt den Planungen eines axialen Systems: vorgesehen waren eine Nord-Süd-Achse von 38,5km Länge sowie eine Ost-West-Achse von 50km. Die Breite sollte in beiden Fällen über 100m betragen, um, wie Harris korrekt 533

beschreibt, die Pariser Champs-Elysees zu überbieten.

Eher am Rande erwähnt

Harris auch einen der beiden geplanten Riesenbahnhöfe an den Enden der Achsen. 534

Harris beschreibt die „haushohe[n] Züge auf 4 Meter breite[n] Gleisspur[en]“

und

sein Protagonist März benötigt 15 Minuten, um mit seinem Wagen aus der chtonischen Garage herauszukommen – das deutet auf enorme Flächenausmaße hin. Bei Giordano findet man Bestätigung, er beschreibt den geplanten Zentralbahnhof als ungeheures Stahlskelett, mit Kupferplatten verkleidet und glasbedeckt. Darunter vier übereinanderliegende, mit Rolltreppen und Fahrstühlen verbundene Verkehrsebenen - eine Beschämung des New Yorker Grand Central Terminal. Davor führte eine Freitreppe auf einen Platz von 535 1000 Metern Länge und 300 Metern Breite [...]. Vergleicht man den nächsten Punkt – nämlich den „Triumphbogen“ –, so herrscht beinahe Deckungsgleichheit. Sowohl Baumaterial als auch Proportionen stimmen nahezu überein, auch die Namenseingravierungen der gefallenen Soldaten entsprechen der ursprünglichen Planung. Giordano ergänzt, dass der Triumphbogen als Wutreaktion Hitlers auf das Berliner Ehrenmal der Weimarer Republik für die Toten des Ersten

531

Vgl.: Giordano, 2002, S. 95f. Vgl.: Ebd., S. 97. 533 Vgl.: Ebd., S. 98. 534 Vgl.: Harris, 1992, S. 37. 535 Vgl.: Giordano, 2002, S. 98. 532


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

114

Weltkriegs, welches er als „unwürdig“ und „armselig“ einstufte, interpretiert werden kann.

536

Bei Harris unerwähnt bleibt die „Soldatenhalle“, welche die Bauform eines gewaltigen Würfels erhalten sollte. Dort war geplant, wie Giordano zu entnehmen ist, nicht nur Triumphstücke einzelner deutscher Feldzüge auszustellen, sondern auch 537

ranghohe Militärs in einer Krypta beizusetzen.

Der „Palast des Führers“, der bei Harris im Text zusammen mit der Reichskanzlei Erwähnung findet und in der Glossar-Graphik den Abschluss des Siegesallee bildet, ist, wie Giordano richtig stellt, eigentlich der Wohnsitz des Führers. Rechnet man Grünflächen und Gärten zu der Wohnfläche hinzu, entsteht eine Gesamtfläche von etwa zwei Millionen km². Untergebracht in diesen Bau wären „Privattheater, [...] 538

Gesellschaftsräume, Saalfluchten und Wandelhallen.“

Wie bei Harris bildet die Beschreibung der „Großen Kuppelhalle“ bei Giordano den zutiefst fragwürdigen Klimax dieser bizarren NS-Werksschau – in diesem Fall überflügeln die Planungen Speers und Hitlers sogar scheinbar die Phantasie des Romanautors: die Halle sollte eine Höhe von 290m erreichen, einen Durchmesser von 250m innehaben, eine Fläche von 38 000km² bieten und der Masse von 250.000 Menschen Platz offerieren. 21 Millionen km³ hätten tatsächlich 17 Mal Platz für den Petersdom geboten. Funktion dieses Baus sollte sein: als zentrales Heiligtum aller 539

Katholiken und Kulturzentrum des „Großgermanischen Reiches“ zu dienen.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass der Romanautor Robert Harris unter Zuhilfenahme von Plänen, welche auch Ralph Giordano im Zuge seiner Untersuchung

für

seine

Abhandlung

zu Verfügung standen, ein lebhaftes,

„originalgetreues“ Zukunftsbild der Stadt Berlin zeichnete. Entscheidend ist allerdings weniger das perfide Umsetzen der Architekturabsichten seitens Harris, sondern das Dekuvrieren der Ideologie des Herrschaftsapparates durch den Protagonisten März, welches im Text des Romans zum Ausdruck kommt und das sich mit der oben gezeigten Analyse Giordanos deckt: Höher, länger, größer, breiter, teurer... Selbst nach dem Sieg, dachte März, hat Deutschland einen Minderwertigkeitskomplex. Nichts stand für 536

Vgl.: Ebd., S.99. Vgl.: Ebd. 538 Ebd., S. 100. 539 Vgl.: Ebd., S. 100f. 537


VI. Thematisierung tatsächlicher NS-Vorhaben in der Primärliteratur anhand des Beispieles der Architektur

115

sich selbst. Alles musste mit dem verglichen werden, was das Ausland 540 hat. Robert Harris benützt also die recherchierten Pläne nicht nur als Staffage für seine Rahmenhandlung. Seine Romanfigur setzt sich bewusst mit der NS-Architektur auseinander und fällt ein wertendes Urteil: März entlarvt in seinen Gedanken die deutsche Megalomanie, die die NS-Bauten in diesem fiktiven Berlin ausstrahlen.

540

Vgl.: Harris, 1992, S. 32.


116

VII. SCHLUSSBETRACHTUNG


VII. Schlussbetrachtung

Die

vorliegende

117

Magisterarbeit

stellte

als

Forschungsgegenstand

„antinationalsozialistische Dystopien“, ein Subgenre des Anti-Utopischen, welches in der bisherigen Utopienforschung nur unzureichend rezipiert wurde, ins Zentrum der Untersuchung. Wie die Darlegung der Geschichte der politischen literarischen Utopie gezeigt hat, ist die Dystopie hauptsächlich ein Produkt des 20. Jahrhunderts, welches aus der Krise des Fortschrittdenkens entsprang. Sie stellt jedoch kein Negieren der Utopie dar, sondern will vielmehr durch das Portraitieren düster-schrecklicher Visionen und Staatsentwürfe vor Eintreten und Wahrwerdung derselbigen warnen. Sechs literarische Vertreter der antinationalsozialistischen Dystopien wurden zunächst inhaltlich vorgestellt und daraufhin anhand der Totalitarismustheorie von Carl Joachim Friedrich sowie des Konzepts der Politischen Religionen untersucht. Der These des Kulturwissenschaftlers Stephan Meyers folgend, dass sich durch anti-utopische Romane viel über Theorie und Praxis des Totalitarismus erfahren lässt, war ein Analyse der Primärliteratur erforderlich, um zu eruieren, inwiefern die Politsysteme der narrativen Texte als totalitäre Konstrukte zu bezeichnen sind. Die portraitierten politischen Systeme der antinationalsozialistische Dystopien sind im Sinne des Totalitarismusmodells von Friedrich als totalitär einzustufen. Es hat sich im Laufe der Analyse der narrativen Texte herausgestellt, dass jedes der sechs Totalitarismus-Merkmale aus dem Katalog Friedrich – Ideologie, Massenpartei und Führer, Terrorsystem, Monopol über Kommunikation sowie Waffen und eine zentrale Lenkung der Wirtschaft – in verschieden starker Gewichtung innerhalb der Romane wiederholt auftaucht und die Handlung der Dystopien entscheidend beeinflusst. Eine Fragestellung ergab sich methodologisch durch die Benutzung des Totalitarismusmodells Friedrichs. Friedrichs Modell betrachtet in seiner Untersuchung in erster Linie nicht das Nationalsozialismus-Spezifische, sondern das Kommensurabele von Nationalsozialismus und Kommunismus. Eine alleinige Thematisierung der Primärliteratur anhand von Friedrich erschien daher nur unzureichend, weshalb nicht nur eine zweite Einordnung mithilfe des Konzeptes der Politischen Religionen erfolgte, sondern in der Analyse des ersten Punkt Friedrichs, nämlich dem der Ideologie, die für den Nationalsozialismus spezifischen Elemente herausgearbeitet und ihre Existenz in den Romanen untersucht wurde. Die Untersuchung der nationalsozialistischen Ideologie geschah

vor

dem

Hintergrund

der

intentionalistischen

NS-Forschung.

Die

Primärliteratur wurde also von verschiedenen Seiten her untersucht und innerhalb von unterschiedlichen Forschungskonzepten problematisiert.


VII. Schlussbetrachtung

118

Der zweiten Einordnung durch das Konzept der Politischen Religionen zufolge, versuchen die in der dystopischen Literatur dargestellten NS-Eliten, teils sehr erfolgreich, eine nationalsozialistische Variante der Heilsgeschichte zu etablieren und zeichnen sich durch ein manichäistisches Weltbild aus. Die untersuchte Primärliteratur, Katharine Burdekins „Nacht der braunen Schatten“ und Otto Basils „Wenn das der Führer wüsste“, zeigen gleichermaßen zahlreiche Textstellen, welche eine Deutung anhand des Konzeptes der „Politischen Religionen“ zulassen. In beiden Fällen steht Adolf

Hitler

als

messias-

oder

gottartige

Figur

beziehungsweise

dessen

Deifikationsprozess im Mittelpunkt. Auch bedienen sich, wie durch die dritte Analyse im Rahmen eines Vergleichs fiktionaler

und

tatsächlicher

Bauvorhaben

des

NS-Regimes

nachgewiesen,

antinationalsozialistische Dystopien realgeschichtlicher Ereignisse und setzen sich mit diesen kritisch auseinander. Der Protagonist des Romans „Vaterland“, SSSturmbannführer Xaver März, ergeht sich gedanklich in eindeutiger Art und Weise über die realisierten Bauten des NS-Regimes in Berlin: Er befindet sie als Zeichen für Minderwertigkeitskomplexe und Größenwahn. Eine Herausforderung dieser Arbeit bestand in der Begrenzung des Umfangs: Zweifelsohne gibt es weitere literarische Vertreter des Genres antinationalsozialistischer Dystopien, welche schlicht aus Platzgründen nicht Eingang in diese Arbeit fanden – daher erscheint eine umfassendere Untersuchung weiterer Primärliteratur im Rahmen weiterer

Forschung

als

durchaus

sinnvoll.

Dennoch

stellt

die

ausgewählte

Primärliteratur eine interessante Auswahl dar: Zum einen deckt sie einen relativ großen Zeitraum bezüglich der Entstehungsjahre der Romane ab, zum anderen zeigen sie sich inhaltlich heterogen – von der Untersuchung eines fiktiven Kriminalfalles im Jahr 1941, nüchtern und sachlich gehalten, bis zur Aufdeckung der Lüge um die wahre Existenz Adolf Hitlers als Nicht-Gott in einem eher phantastisch anmutenden Deutschen Reich des 27. Jahrhunderts. Innerhalb der vorgestellten antinationalsozialistischen Dystopien ließen sich zweifellos weitere Forschungsfragen stellen. So wird in den Romanen immer wieder auf das Thema „Homosexualität“ rekurriert. Bezüglich dieses Aspekts wäre eine eingehendere Untersuchung des Romans „Nacht der braunen Schatten“ im Vergleich zu „Vaterland“ interessant, da in diesen völlig unterschiedlich mit dem Thema der gleichgeschlechtlichen Sexualität umgegangen wird. Grundsätzlich könnte sich eine weiterreichende Untersuchung mit der Frage beschäftigen, ob nicht dem Nationalsozialismus in antinationalsozialistischen Dystopien eine Art Alibi- und


VII. Schlussbetrachtung

119

Platzhalterfunktion zukommt. Gerade in den Romanen, die bezüglich der erzählten Zeit weit in die Zukunft verlagert wurden, könnte der Eindruck entstehen, die herrschende NS-Klasse soll in erster Linie nicht historisch an die Fakten eines Deutschland zwischen den Jahren 1933 und 1945 angelehnt sein, sondern das „Über-Böse“, den Superlativ allen Übels und Amoralität per se verkörpern. Antagonistisch stünde den Protagonisten der Romane also eine konstruierte, ideologisch verblendete Terrormaschine gegenüber, welche sich in etwa einer Analyse mit nationalsozialismus-spezifischem Anspruch entzöge, da sie eine Art Collage tyrannischer Versatzstücke aus allen Epochen, aus allen politisch entarteten Systemen repräsentiert, wohl aber lediglich formal unter dem Label der antinationalsozialistischen Dystopie residiert.


120

ANHANG


Anhang

Text Anhang

121


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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

An Eides statt versichere ich hiermit, dass die Arbeit „ANTINATIONALSOZIALISTISCHE DYSTOPIEN“ von mir selbst und ohne jede unerlaubte Hilfe angefertigt wurde, dass sie noch keiner anderen Stelle zur Prüfung vorgelegen hat und dass sie weder ganz noch im Auszug veröffentlicht worden ist. Die Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen Fall als Entlehnung kenntlich gemacht.

Rudolf Inderst 30. März 2005


Rudolf Thomas Inderst – Hirschweg 9 – 85598 Baldham – 08106 302277 Curriculum Vitae

Geburtsdatum und -ort

28. Dezember 1978 in München

Familienstand

ledig

Eltern

Dr. Rudolf Inderst, Arzt Ute Inderst, Erzieherin

AUSBILDUNG 1990 – 1999

Städtisches Gymnasium St.-Anna, München

25. Juni 1999

Abitur Abschlussnote 2,7; Leistungskurse: Englisch, Geschichte

seit 1999

Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München Hauptfach: Politische Wissenschaft Nebenfächer: Neuere und Neueste Geschichte, Amerikanische Kulturgeschichte

PRAKTIKA August 1996, 1997, 1998: Praktika bei der PR-Agentur „HW-Consulting“, München Februar – April 2004: Praktikum in der Handelsabteilung („U.S. Commercial Service“) des US-Generalkonsulats, München ARBEITSERFAHRUNG UND SONSTIGE QUALIFIKATIONEN 1994 – 1998: Betreuung körperlich behinderter Menschen Sommer 1996, 1997: Teilnahme an Seminaren des „International Student Leadership Institute“ zum Thema Führungsqualifikation August 1999 – Juni 2000: Mitarbeit in diversen Meinungsforschungs-Instituten, München Sommer 1999, 2000: Mitarbeit bei „HW-Consulting“, München Sommer 2001: Mitarbeit im Buchversand der „MUCOS Pharma GmbH & Co.“, Geretsried 2002: Lehrkraft der „Schülerhilfe“ in den Fächern Deutsch, Englisch und Latein Sommer 2002: Kundenbetreuung in der Videothek „Cinema Home“, München Juli, August 2003: Studentische Hilfskraft am „Institut für Frühpädagogik“, München AUSLANDSAUFENTHALTE November 2001: Teilnahme am internationalen „Munich European Forum“ zur Simulation von EU- und NATO-Strukturen in Ghent, Belgien August 2002 – Juni 2003: Studium der Politikwissenschaft an der Universität Kopenhagen, Dänemark (im Rahmen des ERASMUS-Programms)


SPRACHKENNTNISSE Englisch

sehr gut in Wort und Schrift

Französisch

Grundkenntnisse

Dänisch

fundierte Grundkenntnisse

Latein

Latinum

COMPUTERKENNTNISSE Microsoft Office Grundkenntnisse in Programmiersprachen (Basic, Turbo Pascal) Filmbearbeitung (ADOBE Premiere, Avid) Webpage-Erstellung (Netobjects Fusion) Internet INTERESSEN Bildungspolitik, Film, Literatur, Photographie, Sport, Internet EHRENAMTLICHE TÄTIGKEITEN 1991 – 1999: Mitglied der Schülermitverantwortung (SMV) seit 2000: Mitarbeit in der Fachschaft Amerikanische Kulturgeschichte (Schwerpunkte: Organisation, Veröffentlichung diverser Artikel) seit 2000: Vortragsreihen an Münchner Gymnasien zum Thema „Studium der Amerikanische Kulturgeschichte“ und „Studium in generale“ 2001 – 2003: Mitglied der Jungen Union München (stellvertretender Ortsvorsitzender 2001) seit Juli 2003: Filmbesprechungen für www.artechock.de (Kulturverein)

Baldham, im März 2005

Rudolf Inderst


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