Spielspaß '19 – Das Jahrbuch für Spielbegeisterte

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G E B U R T S TA G S K I N D E R 20 Jahre

Alea Man muss sich vergegenwärtigen: Ravensburger hat­ te seit über einem Jahrzehnt nicht mehr das Spiel des Jahres gestellt, obwohl man sich in Oberschwaben noch immer für die Größten hielt. Die Jury des wichtigsten Spielepreises hatte sich inzwischen weiterentwickelt, war auf der Suche nach mehr Tiefgang im Spiel inzwischen bei ganz anderen, viel kleineren Verlagen fündig geworden. Außerdem war in Ravensburg gerade ein neues Regime zu Gange. Es gebier neue Marken unter dem Dach des blauen Dreieicks, das zu dieser Zeit reichlich Staub angesetzt hatte. Eine dieser Marken war Alea. Der interne Auftrag an einen jungen Produktmanager namens Stefan Brück, den man mit dem Verlag F.X. Schmid übernommen hatte: Mit anspruchsvollen Spielen, die über die klassische (Familien-)Zielgruppe hinausgingen, endlich wieder den roten Pöppel nach Ravensburg zu holen. Wobei: streng genommen nach Bernau am Chiemsee. Denn dort ist Stefan Brück zuhause und dort, abseits der Meetings-Mühle eines großen Verlagshauses, begann er das etwas andere Spieleprogramm schmieden. Es sollten 16 Jahre ins Land ziehen, bis Broom Service zum (inzwischen eingeführten) Kennerspiel des Jahres gewählt wurde. Bis dahin brachte es Alea mit Vegas (2012), Wie verhext (2008), Puerto Rico (2002) drei Mal auf die Nominierungsliste zum Spiel des Jahres und dieses Jahr gab es für Carpe Diem die zweite Kennerspiel-Nominierung. Die begehrten Auszeichnungen hol­ten sich in den jeweiligen Jahren aber immer die anderen. Ironischerweise gelangen der „Muttermarke“ in dieser Zeit insgesamt mehr Nominierungen als Alea und zwei Titelgewinne. Irgendwie scheint es, als läge ein Jury-Fluch auf Alea. Denn an der spielerischen sowie materialtechni­ schen Qualität der Alea-Spiele war selten etwas auszusetzen. Unter Spieleautoren ist bekannt, dass die One-Man-Show Brück sich die Zeit nimmt, jedes Detail eines Spiels und seiner Regeln auf das Optimum zu trimmen. Der Anspruch der Spiele sollte auch für das p.t. Publikum jeweils klar ersichtlich sein: Ganz im Sinne einer Edition gab es neben der Durchnummerierung der Spiele –beginnend mit 1 für Reiner Knizias Ra – auch eine Skala von 1 bis 10 zur Bemes80

Zahlreiche spielerische Perlen stecken in der Backlist von Alea.

sung von Einstiegshürde und Schwierigkeitsgrad. Die Fürsten von Florenz, Die Händler von Genua, Puerto Rico, Die Burgen von Burgund, um einige zu nennen, waren bzw. sind hervorragende Spiele, die vom Anspruch her damals nicht in jedem Verlag Platz gefunden hätten. So weit, so gut zur Pionierarbeit Aleas. Doch mit der Internationalisierung des Spielemarktes brachen neue Zeiten an. Neue Anbieter traten auf den Plan und auch bestehende Häuser gewannen steigende Lust am ernsthafteren Spiel. Die Möglichkeiten für Autoren, ihre Ideen für komplexere Spiele unterzubringen, verbreiterten sich rasant. Alea war zu einer Adresse unter mehreren geworden. Zudem blieb nicht verborgen, dass Ravensburger mit seiner Edelmarke dann und wann fremdelte. Als Ravensburger den Vertrieb seiner Alea-Spiele 2007 an Heidelberger übergab, kam dies trotz all dem schönen Marketing-Sprech einer Kindesweglegung gleich. Erst der Tod von Heidelberger-Chef Harald Bilz und die folgende Übernahme Heidelbergers durch die konkurrierende Asmodee-Gruppe 2017 bewegte Ravensburger dazu auch den Vertrieb wieder unter die eigenen Fittiche zu nehmen. Im Vorjahr wurde das Alea-Programm gestrafft. Es umfasst aktuell rund ein Dutzend Spiele. Zu welchem der Spieler auch greift, es gilt dabei wie zu den Anfängen vor 20 Jahren: er kann sich eines anspruchsvollen Vergnügens sicher sein. Pöppel hin oder her.

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spielwiese.at Jahrbuch 2019


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