heute Landwirtschaft
Informationen der Genossenschaften und Volksbanken in der Grafschaft Bentheim
Anzeigen-Sonderveröffentlichung · Mittwoch, 11. Oktober 2017
365 Tage arbeitet Familie Vette auf ihrem Hof in Hoogstede für ihre Kartoffeln. Erst bei der Ernte zeigt sich, ob sich die Mühe gelohnt Über mehrere Reinigungsstufen laufen die Kartoffeln im Roder bis in den „Bunker“. Von da aus hat. Fotos (3): Grönloh lädt der Roder sie auf einen Wagen, der die Kartoffeln in die Fabrik oder Miete am Feldrand fährt.
Die tolle Knolle bietet weit mehr als nur Stärke Kartoffelanbau ist ein ganzjähriges Projekt – Familie Vette aus Hoogstede plant den Anbau bis ins kleinste Detail Im Sommer sehen wir sie oft als weiß oder violett blühende Fläche, jetzt im Herbst wird sie geerntet. Die Kartoffel und ihr Anbau spielen insbesondere in der Niedergrafschaft eine große Rolle, auch wegen der Nähe zur Emslandstärkefabrik in Emlichheim. Von Johanna Grönloh
HOOGSTEDE. Wie viele andere Familien aus der Grafschaft Bentheim hat sich auch Familie Vette auf den Anbau der Knollenfrucht spezialisiert. Die Kartoffel macht den Großteil des Ackerbaus auf dem Betrieb aus. Man könnte meinen, die Arbeit beginnt erst mit dem Pflanzen der Kartoffeln im Frühjahr, doch weit gefehlt. Nachdem die Felder im Herbst abgeerntet sind, werden von
Fadenwürmer sind eine Gefahr für die Frucht allen Flächen Bodenproben genommen und in ein Labor zur Analyse geschickt. Dort untersuchen Mitarbeiter den Boden auf enthaltene Nährstoffe und Spurenelemente. Auch der PH-Wert des Bodens wird geprüft. Besonders wichtig ist die Untersuchung auf Nematoden im Boden. Das sind kleine Fadenwürmer, die als Schaderreger im Kartoffelanbau gelten. Durch den intensiven Kartoffelanbau in den vergangenen Jahrzehnten konnten sich die Nematoden auf vielen Flächen in der Gegend ausbreiten. Seit einigen Jahren wächst bei den Landwirten die Erkenntnis, ein besonderes Augenmerk auf die Probleme des Nematodenbefalls zu richten. Deswegen untersucht Familie Vette alle Flächen auf das Vorkommen dieses Schädlings und plant den
Kartoffelanbau dementsprechend, wie Elena Vette ausführt. Sie ist nach dem Agrarstudium in Soest im vergangenen Jahr in den Betrieb eingestiegen. Gemeinsam mit zwei Festangestellten, zwei Auszubildenden und einigen Saisonarbeitskräften führen sie, ihr Vater Lambert und ihre Schwester jetzt den Betrieb in Hoogstede. Im November überlegen die Betriebsleiter, welche Sorte, für welche Fläche geeignet ist. Nachdem das festgelegt ist, wird im nächsten Schritt berechnet, wie die Düngung auf den einzelnen Flächen aussehen muss, um einen optimalen Kartoffelbestand zu erhalten. Die Höhe der Düngung hängt dabei von den vorhandenen Nährstoffen im Boden ab, die aus der Laboranalyse bekannt ist. Zudem haben die verschiedenen Kartoffelsorten unterschiedliche Nährstoffbedarfe. In diesem Jahr haben Vettes elf verschiedene Sorten angebaut. Für jede der knapp 100 Flächen des Betriebes wird im Winter eine solche Planung durchgeführt und dokumentiert. Um eine gesunde Fruchtfolge auf den Flächen einhalten zu können, tauschen die Vettes viele Flächen mit Berufskollegen aus der Gegend. So gewährleisten
sie, dass maximal alle drei Jahre Kartoffeln auf einer Fläche wachsen. Auch die Tauschflächen werden beprobt und in die Planung miteinbezogen. Ebenfalls über den Winter führen Elena Vette und ihr Vater Gespräche mit Lohnunternehmern zur Ausbringung der flüssigen Gärreste im Frühjahr. „Uns ist wichtig, dass die Gärreste direkt eingearbeitet werden, um die Nährstoffe zu erhalten und die Geruchsbelästigung gering zu
Jede Fuhre mit Gärresten wird gewogen halten. Obwohl Gärreste im Allgemeinen weniger riechen als Gülle“, nennt sie die Vorteile. Dazu arbeiten sie seit Jahren mit einem Lohnunternehmer zusammen, der die dafür erforderliche Technik besitzt und eine schlagkräftige Ausbringung im Frühjahr garantieren kann. Sobald die Temperaturen stimmen und die Böden befahrbar sind, beginnt der Lohnunternehmer mit dem selbstfahrenden Güllefass, die Gärreste auf den Feldern auszubringen. Dabei wird jede
Unkraut, Gras und Kartoffelkraut haben zwischen den Kartoffeln nichts zu suchen. Damit sie nicht mit eingelagert werden, sortiert Elena Vette sie auf dem Roder aus und wirft sie zurück aufs Feld. An trockenen Tagen kann es dabei ganz schön staubig zugehen.
Fuhre, die die betriebseigene Biogasanlage verlässt, gewogen und dokumentiert. So kann später die geplante und die tatsächlich ausgebrachte Nährstoffmenge verglichen werden und Familie Vette weiß, wie viel noch nachgedüngt werden muss. Auf dem Hofgelände in Hoogstede werden parallel dazu die Pflanzkartoffeln langsam aus dem Lager geholt. Der Klimacomputer erhöht die Temperatur im Pflanzkartoffellager kontinuierlich über einen längeren Zeitraum, bis die Kisten schließlich nach draußen geholt werden. Im Lager haben die Kartoffeln bei konstanten 4° Celsius überwintert. Die optimale Gestaltung der Lagerbedingungen ist wichtig, damit die eingelagerten Knollen ihre hohe Qualität halten und nicht vorzeitig zu keimen beginnen. Anschließend laufen die Kartoffeln alle über ein Sortierband. Dort lesen die Mitarbeiter Schmutz und eventuell beschädigte Kartoffeln aus. Parallel dazu beginnen die Ackerarbeiten für den Betrieb. Nachdem der Lohnunternehmer die Felder gedüngt hat, pflügen die Mitarbeiter beziehungsweise ×Auszubildenden die Felder, damit das Saatbett für die jungen Pflanzkartoffeln gut vorbereitet ist. Wenn das Wetter mitspielt, werden Ende März die ersten Kartoffeln auf die Felder gepflanzt. Wie alle Arbeiten im Ackerbau hängt der Zeitpunkt davon ab, wie warm insbesondere die Nächte sind und wie trocken die Böden sind, um sie beim Befahren mit den Maschinen nicht unnötig zu verdichten. Etwa über einen Zeitraum von sechs Wochen, also bis Anfang Mai, pflanzen Lambert Vette und seine Mitarbeiter dann die Kartoffeln. Um alle Kartoffeln rechtzeitig zum Beginn der Wachstumsperiode im Frühjahr im Boden zu haben, setzen sie dazu einen Kartoffelpflanzer ein, der acht Reihen Kartoffeln gleichzeitig in den Boden legt.
Steckbrief Kartoffel Die Kartoffel (Solanum tuberosum), auch Erdapfel oder Speisekartoffel ist eine Pflanzenart in der Gattung Nachtschatten (Solanum) und wird daher der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) zugerechnet. Sie ist mit Tomate, Paprika und Tabak verwandt. Die Kartoffel stammt ursprünglich aus den südamerikanischen Anden. Um 1600 brachten Seefahrer die Knollenfrucht nach Europa. Heute wird sie weltweit ange-
55 Kilo Kartoffeln verzehrt jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. baut. Insgesamt gibt es mehr als 4000 verschiedene Sorten. In Deutschland hat Niedersachsen mit rund 103.000 Hektar die größte Anbaufläche, gefolgt von Bayern und NordrheinWestfalen. Kartoffeln enthalten unter anderem die
Jetzt könnte man meinen, nach dem Pflanzen ist bis zur Ernte nur Warten angesagt. Wie Elena Vette berichtet, beginnt jetzt die besonders kritische Zeit. Während des Winters kann mit den Kartoffeln nicht viel passieren, wenn sie im geschützten Lager liegen. Doch anders als dort können sie die Bedingungen auf dem Feld nicht per Computer steuern. Jetzt hängt alles vom Wetter und der Natur ab. Kurz nach dem die Kartoffeln im Boden sind, werden die Flächen mit einem Herbizid behandelt. So wird verhindert, dass die aufkeimenden Kartoffelpflanzen im Unkraut ersticken und mit ihm um Nährstoffe, Wasser und Licht konkurrieren müssen. „Ich weiß, dass viele Menschen die Behandlung der Pflanzen mit Spritzmitteln kritisch sehen. Es sollte aber jedem klar sein, dass wir so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig verwenden, al-
Vitamine C, B1 und B2 sowie viele verschiedene Mineralstoffe. Sie gelten daher als gesundes Nahrungsmittel. Im Schnitt verzehrt jeder Deutsche 55 Kilo Kartoffeln im Jahr, in verarbeiteter Form oder als Speisekartoffel auf dem Esstisch.
leine schon wegen der hohen Kosten“, macht Lambert Vette deutlich. In den folgenden Monaten begutachtet er die Felder in regelmäßigen Abständen. Besonders bei schwül-warmen Wetter breitet sich die bei Kartoffelanbauern gefürchtete Krautfäule aus. Verhindern lässt sich ein Ausbruch nur durch den vor-
Kartoffeln werden bis Juni eingelagert beugenden Einsatz von entsprechenden Fungiziden, berichtet Lambert Vette. Neben den eigenen Beobachtungen verlassen sich die Vettes auch auf das Monitoring der Landwirtschaftskammer. Die betreibt dazu im Raum Emsland/ Grafschaft Bentheim mehrere Flächen, anhand derer die Mitarbeiter des Pflanzenschutzamtes aktuelle Handlungs-
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empfehlungen herausgeben. Gleichzeitig achten sie auch auf einen Befall mit Alternaria. Alternaria ist eine Pilzerkrankung, die Blätter der Pflanze befällt, das Photosynthese-Potenzial der Pflanze schwächt und in der Folge für eine schlechtere Qualität der Kartoffeln sorgt. Sobald der Krankheitsdruck zu groß wird und die Landwirtschaftskammer die Warnung herausgibt, werden die Kartoffelflächen das erste Mal mit einem Fungizid gegen Krautfäule behandelt. Bis zur Ernte werden die Felder weiter beobachtet und in regelmäßigen Abständen behandelt. Bevor die ersten Kartoffeln geerntet werden können, wird das Kraut der Kartoffeln entfernt. Andernfalls verstopft es die Erntemaschine, den Roder. Das geschieht entweder durch eine chemische Behandlung oder ein Schlegel zerkleinert den Aufwuchs mechanisch. Dann beginnt nach vielen Monaten planen, dokumentieren, beobachten und pflegen endlich die Ernte. Ende August startet Familie Vette mit dem Roden. Mit zwei Rodern ernten sie bis Mitte November weit über 10.000 Tonnen Kartoffeln. Die ersten Kartoffeln fahren die Mitarbeiter oder die Auszubildenden direkt vom Feld nach Emlichheim, wo sie zu Stärke oder Flocken verarbeitet werden. 5000 Tonnen werden auf dem Hof eingelagert. Der Rest wird während der Ernte direkt ab Feld zum Verarbeiter gebracht oder am Feldrand in einer Miete gelagert. Die letzten Kartoffeln aus dem Lager verlassen den Hof im Juni nach der Ernte, die Feldmieten werden von November bis Februar abgeliefert. „Man kann sagen, wir arbeiten 365 Tage im Jahr für richtig gute Kartoffeln. Im Winter hauptsächlich abliefern und für das nächste Jahr planen, von März bis November dann direkt auf dem Feld“, umreißt Lambert Vette das Anbaujahr.