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GEDANKENZU EUROPA
by soj.at
Die ersten fünf Jahre im Europäischen Parlament waren im Wesentlichen Lehrjahre. Alles war neu und Vieles war anders. Trotzdem waren es gute Zeiten. Die alten Zwölf machten es uns neuen „Drei“ eigentlich sehr einfach. Wir waren mit dem Datum des Beitritts Vollmitglieder in der Union, das hieß wir hatten genau denselben Anspruch auf „goodies“ und dieselben Rechte wie die langjährigen Mitglieder der Union. Vieles davon war bereits in den Beitrittsverträgen ausdrücklich festge- schrieben: Österreich hatte das Recht auf einen Kommissar, auf einen Richter am Europäischen Gerichtshof, auf damals 21 Mitglieder im Europäischen Parlament, auf eine bestimmte Anzahl von hohen Beamtenposten in der Kommission, usw. Vieles war aber erst abzuklären. Welche Zuständigkeiten sollte der österreichische Kommissar haben, welche wichtigen oder nur Orchideenausschüsse sollten für die neuen MEPs zur Verfügung stehen, wo sollte die Neuen ihre Büros haben, und vieles andere mehr. Als designierter Delegationschef der ÖVP-Abgeordneten war es eine meiner Aufgaben zu Beginn des Jahres 1995 diese Dinge auszuverhandeln. Die jeweiligen europäischen Verhandlungspartner waren ausnehmend hilfreich, trotzdem war nicht alles zur Begeisterung – genauer zur Zufriedenheit – meiner sieben ÖVPKollegen lösbar. Es gab zum Beispiel für uns eben nur einen Sitz im prestigeträchtigen außenpolitischen
Ausschuss. Warum gab es nicht mehr? Weil der Herr d’Hondt das nicht hergab. Der gute Mann war lange vor uns belgischer Mathematiker und er hatte eine Formel entwickelt, die sicherstellen konnte, dass von vielen interessierten Gruppen, jede nur das bekam, was ihrer relativen Stärke im Gesamten entsprach. Ich kannte die d’Hondt Regel seit langem, sie spielt auch im österreichischen Verfassungssystem eine wichtige Rolle. Nicht alle meiner Kollegen kannten und wollten sie akzeptieren. Daher wurde ich gleich am Anfang des Jahres 1995 von meinen lieben Kollegen –Parteifreunde eben – als Delegationsleiter abgewählt. Vor den Feinheiten der österreichischen Innenpolitik gewarnt, hatte ich mich aber rechtzeitig in das Präsidium der Europäischen Volkspartei wählen lassen – einen Stock höher – und konnte daher auch in den nächsten Jahren ein wenig mitbestimmen, wenn es ums Eingemachte ging.
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