Wer hat, der teilt!

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Ausgabe 02 2022 www.private-banking-magazin.de

18 Euro

Joachim Häger ist seit Juli 2016 Mitglied im Vorstand der Oddo BHF

„Hier kocht der Chef immer selbst“ Joachim Häger war 25 Jahre bei der Deutschen Bank, bis er in den Vorstand von Oddo BHF wechselte. Von einer Großbank in eine deutsch-französische Privatbank. Was macht das mit einem? Wir haben mal nachgefragt – im Interview auf Seite 12

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DACHTERRASSE SHARING ECONOMY & LUXUS

WER HAT, DER TEILT Exklusivität versus Überwindung privaten Eigentums: Luxusbranche und die wachsende Sharing Economy scheinen eigentlich nicht zusammenzupassen. Warum Warren Buffett mehr weiß und Breitling-Abos Vertriebskanal sein können

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arsharing-Anbieter lieben diese Statistik: Ganze 97 Prozent des Tages parkt ein deutscher PrivatPkw. Meist auch noch am Wohnort seines Besitzers. Das ist ziemlich viel für einen Gebrauchsgegenstand, der eigentlich gerade dazu gebaut worden ist, sich zu bewegen und seine Besitzer von ihrem Wohnort weg- oder zu ihm hinzubringen – und nicht davor herumzustehen. Statistiken wie diese sind das Rückgrat der wachsenden und durch Tech-

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private banking magazin 02 2022

nologie getriebenen Sharing Economy. Carsharing-Fahrzeuge, E-Scooter-Flotten und Mietroller gehören längst zum Stadtbild deutscher Metropolen. Etwa 14.200 stationsunabhängige Sharing-Autos zählte der Bundesverband Carsharing Anfang 2021, 2011 gab es noch gar keins. Auch das Wachstum der Unterkunftsvermittlung Airbnb spricht für sich. Sharing gibt es – meist in Form einer Plattform wie bei Airbnb – im Unterkunftssektor, bei Fahrrädern, Rollern, Mitfahrgelegenheiten

oder sogar bei Alltagsgegenständen wie Büchern oder Werkzeugen. Der Wert der weltweiten Sharing Economy soll 2025 auf 335 Milliarden US-Dollar steigen. Aber: Nicht nur Gegenstände des täglichen Gebrauchs werden geteilt. Sondern auch die Gegenstände, die zwar selten wirklich gebraucht, aber bei Möglichkeit gerne genutzt werden: Luxusgüter. In der Volkswirtschaft sind sie die Güter, deren Nachfrage bei höherem Einkommen exponentiell zunimmt. Beim Teilen dieser

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FOTO: IMAGO IMAGES/COVER-IMAGES

Ein Porsche-Sportwagen steht vor einem Embraer-Privatjet: Die beiden Luxushersteller haben ein streng limitiertes Duo aus beiden Fahrzeugen herausgebracht – für mehr Exklusivität. Einen eigentlich anderen Grundsatz verfolgt die Sharing Economy, mit der die Grenzen von Besitztum verschwinden sollen. Doch Luxusbranche und Sharing Economy nähern sich an

Güter wird diese Gleichung verschoben: Schon mit sonst nicht luxustauglichem Einkommen steigt die – zeitweise – Nachfrage nach Teurem und Exklusivem.

Luxus! Für alle?

Und so wird wohl auch klar, warum Konsumenten die Sharing Economy überhaupt nutzen. Laut einer Untersuchung der Harvard Business School geht es nämlich weniger um das gutmütige Teilen eines Gutes, als mehr um den einfachen Zugang, die Kosteneffizienz und die „Freiheit von finanziellen, sozialen und emotionalen Verpflichtungen“. Statt Sharing Economy ist den Wissenschaftlern zufolge der Begriff Access Economy angebrachter. Und so bieten in Deutschland etwa The Beyond Club und Fobe Zugang zu Handtaschen von Luxusunternehmen, die sonst gar mit Hochpreisstrategien ihre eigene Exklusivität befeuern wollen. Luxus gibt es plötzlich im Abomodell für 79,99 Euro im Monat. Aber nagen solche Angebote nicht gerade an der Exklusivität von teuren Taschen, Autos oder Uhren? Phillip Müller, Geschäftsführer der Sharing- und Mietplattform Drivar für Luxusautos, sieht

das naturgemäß nicht so. „Lebt Exklusivität nicht gerade von wenig verfügbaren Produkten bei hoher Nachfrage?“, meint er und führt dann aus: „Die Fahrzeuge werden ja nach wie vor für die Zielgruppe der Käufer konzipiert, nicht mit dem Hintergedanken, diese zum Teilen anzubieten.“ Drivar selbst besitzt keinen Ferrari, Porsche oder Maybach, sondern fungiert nur als deren Vermittler. Unterschiede bei Drivar und ähnlichen Plattformen gibt es trotzdem, die vor allem bei Haftungs- und Versicherungsfragen relevant werden. Peer-to-peer-Sharing heißt es, wenn private Autobesitzer über Plattformen teilen. Company-to-crowd heißt es dagegen, wenn die Verleiher gewerblich organisiert sind, bei Drivar sind es beispielsweise professionelle Autovermietungen. Während Versicherungsschutz bei gewerblichen Vermietungen Dauerthema ist, muss sich im Peer-to-peer-Fall ebenfalls darum bemüht werden – gerade bei hochpreisigen Luxusartikeln kann das zur Stolperfalle werden. Große Versicherer wie Axa oder die Allianz haben die offenen Versicherungsfragen in der Sharing Economy inzwischen erkannt und bieten sogar Policen für Verlei-

her an. Auch viele Plattformen greifen privaten Verleihern bei der Versicherung unter die Arme, damit es nach dem Wiedererhalt keine bösen Überraschungen gibt. Für Konsumenten, die dagegen die Produkte ausleihen, sind es auch die Haftungsrisiken, die je nach Geschäftsbeziehung unterschiedlich verteilt sind. Insbesondere beim Peer-to-peer-Sharing fehlen laut Verbraucherschützern klare Regelungen. Die rechtlichen Voraussetzungen sind – noch – die Achillesferse der Sharing Economy, besonders im Luxusbereich.

Ein Stückchen Yacht

Solche Unwägbarkeiten soll das Modell Co-Ownership vermeiden. So kommt es beim jungen Schweizer Anbieter Supercar Sharing gar nicht erst zu einem Tauschhandel oder einer gewerblichen Vermietung. Über die Plattform beteiligen sich mehrere Interessenten an einem Fahrzeug. Anschaffung und laufende Kosten des Sportwagens, der je in einer der Niederlassungen des Anbieters gelagert und gepflegt wird, werden geteilt. Das Fahrzeug kann per Smartphone einfach gebucht und abgeholt werden. ➤

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DACHTERRASSE SHARING ECONOMY & LUXUS

„Was im Bereich ähnlich teurer Güter – wie etwa Booten oder Flugzeugen – in Form von Haltergemeinschaften schon seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird, ist inzwischen auch bei Besitzern hochwertiger Fahrzeuge in Deutschland kein No-Go mehr“, erklärt Müller. Denn tatsächlich ist das Sharing-Modell bei Luxusjets schon länger verbreitet, als es den Mitte der 2000er-Jahre geprägten Begriff der Sharing Economy überhaupt gibt. Und damit hat auch Value-Guru und Star-Investor Warren Buffett etwas zu tun: Er übernahm mit seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway 1998 Executive Jet Airways. Der Jet-Vercharterer wurde 1964 gegründet, startete schon 1986 die erste Haltergemeinschaften für Privatjets – und machte so das Sharing der privaten Flieger salonfähig. Inzwischen heißt das Unternehmen Netjets, ist immer noch Teil von Berkshire Hathaway und hat eine Flotte von über 750 Jets – bei denen sich Kunden ab einem Laufzeitvertrag von mindestens 36 Monaten einkaufen können, um so jederzeit innerhalb von zehn Stunden Zugriff auf ein Netjets-Flugzeug zu haben. Dafür müssen die Miteigentümer mindestens 50 Stunden im Jahr im Privatjet fliegen.

Breitling im Abo

Das Co-Ownership-Modell von Netjets findet sich auch bei Yachten wieder. In Liechtenstein sitzt etwa das Unternehmen Smartyacht mit mehr als 4.000 Kunden. Die Exklusivität für Klienten stellt Smartyacht dadurch sicher, dass beispielsweise persönliche Gegenstände trotz mehrerer Teilhaber an Bord verbleiben können und es unter den Teileignern keine Berüh-

Carsharing boomt in Deutschland auch nach Corona weiter Die Zahl der normalen Carsharing-Nutzer steigt und steigt – kein Wunder, dass sich auch die Luxusbranche mit der Sharing Economy auseinandersetzen muss 3,0

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Quelle: Bundesverband Carsharing

rungspunkte gibt. Der Unterschied zum alleinigen Kauf soll bestenfalls nur auf dem Konto sichtbar werden, genutzt werden die Yachten nämlich meist für maximal vier bis sechs Wochen pro Jahr. „Wir sind davon überzeugt, dass Teileigentumssysteme für Yachten weiterhin zunehmend an Bedeutung gewinnen werden – weg vom Nischensegment und angetrieben von einer sich ändernden Einstellung zum Eigentum“, erklärt Smartyacht-Sprecherin Verena Brünings und ergänzt: „Auch Leute, die Geld haben, möchten es nicht zwangsläufig aus dem Fenster werfen.“ Kunden gehe es um die Senkung der Betriebskosten und die Nutzung ungenutzter Ressourcen. Grenzen für Sharing-Ansätze sieht Brünings vor allem bei Produkten, die

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Stand: 01. Februar 2022

häufig oder sehr spontan genutzt werden, wie etwa einer teuren Uhr. Apropos Uhren: Anders sieht man das offensichtlich bei Breitling. Der renommierte Uhrenhersteller zeigt stattdessen auf, wie Luxusartikelhersteller die Sharing Economy vielleicht sogar als direkten Vertriebskanal nutzen können. Breitling verleiht unter dem Namen Breitling Select seine Modelle in einem Abomodell: mindestens ein Jahr lang, bis zu 3 Breitlings im Wechsel, 125 Euro pro Monat. Der Plan: 60 Prozent der Abonnenten sollen mittels Exklusivangeboten langfristig auch Käufer werden. Sollte der Plan Realität werden, könnte diese Statistik wohl auch bei anderen Luxusunternehmen auf Gegenliebe Thorben Lippert stoßen. n

IMPRESSUM Verlag: Edelstoff Media GmbH, Data News Analytics (DNA), Goldbekplatz 3, 22303 Hamburg, Fon: +49 (40) 40 19 99-50, Fax: +49 (40) 40 19 99-79, info@private-banking-magazin.de, www.private-banking-magazin.de Herausgeber: Peter Ehlers, Malte Dreher Geschäftsführung: Peter Ehlers, Matthias Kagel Chefredakteur: Christian Nicolaisen (V. i. S. d. P.)

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Redaktion: Lennard Klindworth, Henning Lindhoff, Thorben Lippert, Norbert Wulf Autoren: Andreas Billmeyer, Stefan Fritz, Daniel Kerbach, Daniel Koller, Oliver Morath, Helge Müller, Uwe Rieken, Chris-Oliver Schickentanz, Jörg Seifart, Jason Smith Grafik: Nadine Rehmann, Michael Rühle

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private banking magazin 02 2022

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