Trendbook Smarter Service

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FRÜHJAHR 2015

Trendbook Smarter Service Für Entscheider, die neue Nutzenversprechen für ihre Kunden definieren und die digitale Transformation ihrer Organisation vorantreiben wollen

BERNHARD STEIMEL, MANJA BAUDIS, HAR ALD HENN

EINE STUDIE VON

S MARTER VICE

IN ZUSAMMENARBEIT MIT


Impressum

Autoren: Bernhard Steimel, Manja Baudis, Harald Henn

Kontakt Bernhard Steimel

Schlussredaktion: Astrid Schäckermann

Herausgeber Smarter Service Am Striebruch 38 40668 Meerbusch

Grafisches Konzept: Jan Aulbach, STRATECO GmbH & Co KG Layout: Ernst Merheim

www.mind-digital.com

Alle Rechte vorbehalten Dieses Werk ist einschließlich seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes hinausgeht, ist ohne schriftliche Zustimmung von MIND unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Speicherung in elektronischen Systemen.

Copyright: MIND, Meerbusch 2015

S MARTER VICE Smarter Service

Absatzwirtschaft

ist der Trend- und Innovationsblog für Digitales Marketing, Sales und Service Professionals, die Inspiration, Impulse und Ideen für die Gestaltung neuer digitaler Services suchen. Wir berichten über Service-Innovationen, die neue Geschäftschancen in der heranbrechenden Service-Ökonomie erschließen, nachhaltig das Kundenerlebnis verbessern helfen und den 10 Geboten der Einfachheit folgen.

Die absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing (52. Jahrgang) aus dem Fachverlag der Düsseldorfer Verlagsgruppe Handelsblatt ist mit einer verkauften Auflage von rund 23.500 Exemplaren (IVW) Deutschlands führende Monatszeitschrift für Marketing. Recherchiert und geschrieben für Führungskräfte in den Unternehmen, deckt sie alle Praxisfragen des modernen Marketings und Vertriebs ab und informiert über Trends, Best Practices, neue Methoden sowie die Entwicklung auf Seiten der Medien und Marketing-Dienstleister.

Wir wollen bei Entscheidern aus Industrie, Handel und Dienstleistung ein Verständnis dafür schaffen, Service als Produktbestandteil und Erlösquelle für zukünftige Kaufakte zu sehen und Service-Innovationen fördern, die den Verbraucher und seine Service-Erlebnisse in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen Aufmerksamkeit für gut gemachte Services schaffen. Um die schlechten Beispiele kümmert sich die Presse. Wir wollen so den intelligenten Einsatz von Internet-Technologien unterstützen, der das Management der Kundeninteraktion über alle Kanäle erlaubt. Das umfasst personalisierte Services ebenso wie Selfservice-Konzepte.

Weitere Informationen unter www.absatzwirtschaft.de

Smarter-Service.com wird herausgegeben von Mind, Die Lautmaler und Strateco Mehr Infos auf www.smarter-service.com

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Das Trendbook Smarter Service erscheint mit freundlicher Unterst端tzung von

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Inhalt 2

Impressum

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Vorwort

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Die Autoren

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Die Smarter Service Experten-Jury

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Kernaussagen

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Das Smarter Service Manifest Zehn Thesen zur Service-Ökonomie in Deutschland Was muss sich ändern?

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Warum die Welt Smarte Services braucht Überleben in der Aufmerksamkeits-Ökonomie – Der Service ist das Produkt Die 10 Gesetze der Einfachheit

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Die besten digitalen, vernetzten Services Der Smarter Service Award – Mach’s einfach vernetzt! Jurywertung und Ergebnisse

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Platz 1 Shippies – Der innovative Mitbringservice

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Platz 2 JoinMyGift.com – Gemeinsam schenken

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Platz 3 Expertiger – myTaxi für PC-Probleme

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Editor’s Choice Die Lieblinge der Smarter Service Redaktion

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Wie man Services für die vernetzte Welt entwickelt Smart Service Simplicity: Warum Kundenservices einfach sein müssen Mit Service Design in die Erfahrungswelt eintauchen Case Studies

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Ausblick Smarter Service und die dritte Internet-Revolution

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VORWORT

Wenn sich endlich der Nebel lichtet Es ist ganz merkwürdig: Wir leben in einer Zeitenwende ungeahnten Ausmaßes und wirklich wahrnehmen oder gar verstehen tun wir es nicht. Es kommt einem so vor, als ob bleierner Nebel über allem liegt, so dass wir das Ausmaß der Veränderungen noch nicht abschätzen können. Das Internet wird (jetzt wirklich) unternehmerisches Handeln und Geschäftsmodelle in den nächsten Jahren dramatisch verändern. Warum können wir das nicht sehen? Zwei Gründe könnten ausschlaggebend sein: 1. Vielleicht weil es das Internet schon gefühlt eine kleine Ewigkeit gibt. Mit großer Selbstverständlichkeit gehen wir mit dem Netz um und organisieren unser Leben bereits so, dass wir auf Mails, soziale Medien oder Online-Banking nicht mehr verzichten können und wollen. Ebenso arbeiten Unternehmen mit verschiedensten Lösungen webbasiert aus der Cloud. Mitarbeiter können an jedem Punkt der Erde arbeiten. Installierte IT-Lösungen auf dem PC klingen bereits heute nach Steinzeitalter. 2. Zum anderen verstecken sich die „Dinge“ (siehe Internet of Things) in Nullen und Einsen. Im Zweifel hatte man seinerzeit eine Dampfmaschine in seinen Entwicklungsschritten sehen können, digitale Geschäftsmodelle sind in ihrer Entstehung ähnlich wolkig wie Clouds. Man möchte die Schleier wegreißen, um endlich klar zu sehen, um endlich die wahre Dimension dessen zu erfassen, was vor uns liegt. Aber wir müssen uns gedulden und uns Schritt für Schritt vortasten. Genau hierbei hilft das Trendbook Smarter Service. Im vorliegenden Leitfaden gibt es nicht nur erste Handlungsanweisungen zur Entwicklung von Designs digitaler Geschäftsmodelle, sondern auch preisgekrönte Ideen des Smarter Service Award, die bereits die Veränderungsrichtung aufzeigen. Die zunehmende „Durchdigitalisierung“ unseres Lebens wird so viele Ansatzpunkte für Services bieten, dass Marketingentscheider einem Schlaraffenland der Möglichkeiten gleich, nur noch wählen müssen. Energiemanagement, Verkehrsinfrastruktur, Kommunikation, Produktion, Logistik: vor nichts wird die dritte Internetrevolution haltmachen und das alles auf Basis von Daten, die wir alle beisteuern werden. Gehen Sie mit uns die ersten Schritte auf dieser Terra Incognita und lassen Sie sich inspirieren. Viele Ideen für Ihr Business wünscht Ihnen

Christian Thunig Stellv. Chefredakteur absatzwirtschaft-Zeitschrift für Marketing 5


DIE AUTOREN

Bernhard Steimel MIND DIGITAL, Inhaber Bernhard Steimel ist Inhaber von Mind und begleitet Führungsteams Chancen in den digitalen Zukunftsmärkten frühzeitig zu erkennen und die digitale Transformation erfolgreich zu meistern. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Strategie- und Geschäftsentwicklung und hat in den vergangenen Jahren den technologischen Wandel in Studien-, Innovations- und Marktentwicklungsprojekten begleitet. Durch zahlreiche Publikationen und Vorträge gehört er zu den Vordenkern der digitalen Transformation und der heranbrechenden Serviceökonomie. Bernhard Steimel ist Herausgeber von Smarter-Service.com, Autor des Praxisleitfadens „Digitale Transformation“ sowie zahlreicher Trendstudien zu den Zukunftsmärkten der digitalen Wirtschaft.

Manja Baudis Die Lautmaler Manja Baudis ist Mitgründerin und Inhaberin der LAUTMALER - einer in Berlin ansässigen Agentur für Service- und Interaction-Design. Die Lautmaler gestalten und optimieren individuelle Service-Konzepte für Automobil- und Telekommunikationsunternehmen, Versicherungen und Finanzdienstleister und andere Branchen. Spezialisiert ist die Agentur auf Dienste und Systeme mit Sprachsteuerung.

Harald Henn, Marketing Resultant Harald Henn ist Geschäftsführer der Marketing Resultant GmbH in Mainz. Er optimiert Geschäftsprozesse in Vertrieb, Service und Marketing mit Lean Management Methoden und bietet Best Practice Beratung für Call Center und CRM Projekte. Seine Erfahrungen basieren auf mehr als 15 Jahren Praxis in leitenden Marketing- und Vertriebsfunktionen für amerikanische Unternehmen aus der IT-Branche. Er ist Herausgeber und Autor des „Handbuchs Callcenter Management” und wirkt in Fachbeiräten und auf zahlreichen Veranstaltungen als Redner zu aktuellen Call Center- und CRM-Themen mit.

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Die Smarter Service Experten-Jury

Markus Besch, CEO, IT Advantage AG

Willi Kaiser, Gesch채ftsleitung, Cocomore AG

Dietmar Dahmen, freier Creative Consultant

Nina Kalmeyer, Social Media Strategist & Coach, Bloggerin, Autorin, Twitterista, Dozentin

Winfried Felser, CEO, Competence Site

Markus Roder, Marken-Experte

Katja Grubitzsch, Creative Director, Management Team (Berlin), Edenspiekermann

Anne M. Schueller, Customer Touchpoint Expertin

Achim Himmelreich, Partner, M체cke, Sturm & Company

Christian Thunig, Stellvertretender Chefredakteur, Absatzwirtschaft

Karsten Hoffmann, Partner, Chief Operating Officer, trnd AG

Jens Klemann, aManaging Partner, STRATECO GmbH & Co. KG

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Kernaussagen Die Digitalisierung unserer Lebenswelten bietet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, die Multioptionalität aber macht uns schwer zu schaffen: Unser Leben wird immer komplexer. Viele sehnen sich deshalb nach Vereinfachung und werden von Services enttäuscht, die das genaue Gegenteil dessen bewirken, wozu sie eigentlich gemacht sein sollten. Das Trendbook Smarter Service präsentiert die besten Services 2014 und zeigt State-of-the-Art Methoden für den optimalen Entwicklungsprozess: Wie wird Marketing zum Service? Wie lassen sich die Digital Touchpoints intelligent nutzen?

Warum die Welt Smarter Service braucht Produkte verschmelzen immer häufiger mit digitalen Services. Neu angebotene Apps, Services oder Produkte, deren Funktionen die Kundenbindung festigen sollen, erhöhen die Kundenzufriedenheit jedoch nicht automatisch. Digitaler Stress auf Kundenseite muss vermieden werden. Das gelingt, wenn Produkte und Dienstleistungen auf Anhieb verstanden werden, wenn sie den Zeithaushalt des Anwenders schonen und einen hohen Nutzwert bieten. Ein Smarter Service erkennt und versteht die Situation des Kunden. Er agiert kontextbezogen und im Idealfall präventiv. Die Kundensicht zum Ausgangspunkt zu machen heißt auch, den Nutzer an die Hand zu nehmen und ihn im Servicefall durch das Prozedere zu lotsen – so, als säße ein guter Freund neben ihm.

Zeitersparnis als Loyalitätstreiber Den Kunden positiv zu überraschen, ihn im Service zu entzücken, wirkt zwar auch als Loyalitätstreiber, jedoch nicht so stark und nachhaltig wie die Reduzierung des Aufwandes. Mit anderen Worten: Je einfacher und bequemer es für den Kunden ist, sein Geschäft zu tätigen, umso höher ist seine Loyalität. Smarte Services müssen sich also vorrangig um die Gedankenwelt eines Kunden kümmern, während er ein Produkt nutzt und bedient. Eine gute Methode ist „Design Thinking“: Nutzer und Experten werden von den Unternehmen in die

Produkt- und Serviceentwicklung einbezogen. So gelingt es, Innovationen dort anzusetzen, wo tatsächlich ein Leidensdruck bei den Verbrauchern vorhanden ist.

Was macht einen Service smart? Personalisierte Services, die schnell, einfach und zuverlässig individuelle Anliegen lösen, sind smart. Auch sollten sie intelligent im Sinne von selbsterklärend sein und Verbrauchern einen barrierefreien Zugang bieten – unterwegs und zuhause, in allen Lebenslagen, zu fairen und transparenten Kosten. Award-verdächtig ist ein Serviceprodukt dabei nur, wenn es einen hohen Innovationsgrad sowie einen emotionalen Gehalt aufweist.

Shippies – der smarte Bringdienst für jedermann Gewinner des Smarter Service Award 2014 ist Shippies, eine Crowd-Delivery-Lösung, die Passanten zu Boten macht und den lokalen Handel unterstützt. Nach Registrierung und Freischaltung mittels App übernimmt der Shippie Lieferaufträge. Er holt die (online) bestellte Ware beim Händler ab und bringt sie gegen Entgelt zum Kunden nach Hause. Dieser Service ist die konsequente Anwendung des Prosumenten-Gedankens auf die Logistik; gerade in Großstädten könnte er eine Entlastung für den Verkehr bewirken. Auf den Rängen 2 und 3 liegen JoinMyGift.com und Expertiger – das „myTaxi“ für PC-Probleme. Beide Services helfen in Stress-Situationen: der eine, wenn mehrere Menschen zusammen ein Geschenk besorgen wollen, der andere, wenn Computer­ probleme nur mit Expertenrat gelöst werden können.

Viele weitere Serviceprodukte haben die Jury beeindruckt. Eine Auswahl: Das clevere Fahrradschloss LOCK8. Es ermöglicht Bike Sharing und schützt vor Diebstahl – ganz ohne Schlüssel, weil es per Smartphone geöffnet und geschlossen wird. Der Entwicklerbausatz WunderBar. Mit ihm lassen sich Programme für das Internet der Dinge 8


schreiben. Die einzelnen Module beherbergen elektronische Schaltkreise unterschiedlicher Sensoren, die sich via Bluetooth Low Energy mit einem Mikroprozessor verbinden. Der digitale Aktenschrank fileee. Er verwaltet Dokumente aller Art automatisch in einem System. PDFs lassen sich per Drag & Drop in den Browser ziehen; Dokumente in E-Mails und der Cloud werden automatisch importiert; Papierdokumente werden per App fotografiert. Der Instant Messenger Smoope für die B2C-Kommunikation. Unternehmen kommunizieren mit ihren Kunden genau wie mit Freunden und Familienmitgliedern. Das Info-Werkzeug CitizenMe. Die App will dafür sorgen, dass Online-Nutzer die Hoheit über ihre Daten behalten. Mit einfachen grafischen Darstellungen wird gezeigt, was welcher Anbieter mit den Kundendaten macht und wie er damit Geld verdient.

Wie gestaltet man Smarte Services? Die globalisierte vernetzte Welt ist hoch komplex. Unternehmen sind gefordert, im Dickicht der Medien und Systeme den Überblick zu behalten und alle relevanten Kanäle zu bespielen. Dabei dürfen sie ihre Kunden angesichts der Komplexität nicht auch noch durch Kompliziertheit belasten. „Einfachheit“ muss daher die Maxime des Kundenservice heißen. Vorhandene sowie geplante Systeme und Prozesse sind an drei Prinzipien auszurichten: Kontext, Reduktion und Zeitaufwand. Kontext heißt zu verstehen, was dem Kunden in seiner Situation aktuell hilft. Er muss dort abgeholt werden, wo er sich gerade befindet.

Minimalismus muss sich durchsetzen Reduktion beschreibt die Kunst des Weglassens. Der Verzicht auf Schnick-Schnack erlaubt es, sich auf die relevanten Kernaufgaben zu fokussieren – auch wenn in der Praxis die Versuchung groß ist, dem Kunden vermeintlichen „Mehrwert“ zu bieten. Minimalismus muss sich in der Praxis viel häufiger durchsetzen, als dies derzeit der Fall ist. Schließlich der dritte Aspekt: Besonders die

Fehlkonstruktionen beim Service Design, die für Kunden einen erhöhten Zeitaufwand bedeuten, sind für Kündigung und Abwanderung verantwortlich. Denn lässt sich die Komplexität schon nicht reduzieren, muss im Minimum dafür gesorgt werden, dass es keine Medien- und Kanalbrüche gibt und dass Inhalte und Informationen konsistent sind. Der Begriff Service Design verbindet Design Thinking, System Design und Prozessmodellierung mit Interaction Design und Entrepreneur­ship. Digitale und analoge Touchpoints werden auf intelligente Weise verknüpft, um das Leben der Menschen zu erleichtern. Service Design hilft somit bei der methodischen Entwicklung und Gestaltung von nutzerzentrierten und marktgerechten Service-Angeboten.

Ausblick: Wohin die Reise geht Wertschöpfungsquellen der Zukunft: Produkt als Service denken Smarte Services wie das NEST Thermostat, das Fitbit Band oder das Sonos Sound System gestalten unser Verhältnis zu physischen Produkten neu. So wie Amazon die Erwartungen der Kunden an den Handel radikal verändert hat, tragen auch diese Produkte dazu bei, dass wir Menschen ähnliche Services in anderen Lebensbereichen erwarten. Mit der Veränderung in der Erfahrungswelt der Nutzer entsteht ein disruptiver Ruck – Industrien werden neu gestaltet. 2020 erwartet Gartner bis zu 212 Milliarden Smart Devices, die ans Internet angebunden sind. Diese vernetzten Geräte wirken als intelligente Schnittstellen zwischen digitaler und physischer Welt. Cisco schätzt das Potenzial auf 14,4 Billionen US-Dollar. Wem es gelingt, die Chance zu nutzen, der kann in der nächsten Runde der internetbasierten Technologien und Dienstleistungen an Wettbewerbern vorbeiziehen. Damit stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Ära des Internets: Mit der Zunahme an Smart Services umgibt uns das Internet unsichtbar.

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Angriff der Internet-Krieger – das Spielfeld ändern und die Regeln brechen

Smarter Service Award als Kristallisationspunkt für das Internet der Dinge

Internettechnologien senken aber auch die Markteintrittsbarrieren, denn sie ermöglichen es, kostengünstig und fokussiert auch nur einzelne Services anzubieten. Die jungen Wilden aus dem Silicon-Valley machen sich auf, die Welt der Alltagsgegenstände zu erobern. Es geht um Produkte, die sich innerhalb der vergangenen 50 Jahre – abgesehen von der Form – nur wenig geändert haben. Als Produkt- oder Service-Entwickler kann sich jeder betätigen, der in der Lage ist, einen Webbrowser herunterzuladen und über Basiswissen in der Verschlüsselung von Daten verfügt. Und auch die Projektfinanzierung mithilfe des Internets ist in der Lage, Marktkonstellationen auf den Kopf zu stellen. Die Smartwatch Pebble beispielsweise, deren Entwicklung zur Marktreife mithilfe des amerikanischen Crowdfunding-Portals kickstarter.com gelang, ist in diesem Segment Marktführer vor Sony. Dieser Krieg ist asymmetrisch. Es sind zu viele Startups, die sich aufmachen, um mit ihren Produkten die Welt zu verändern. Vor drei Jahren existierte Uber kaum und heute hat der Dienst eine Bewertung von 40 Milliarden US-Dollar – bei einem Umsatz von zwei Milliarden US-Dollar.

In den letzten Jahren haben die Internet-Unternehmen aus dem Silicon Valley die Digitalisierung dominiert. Manche Analysten sehen dennoch die deutschen Industriekonzerne gut positioniert, um die nächste Runde wieder für sich zu entscheiden. Jedoch kämpfen die meisten deutschen Unter­ nehmen noch damit, einen klaren geschäftlichen Nutzen aus der Digitalisierung zu ziehen. Der Smarter Service Award bietet innovativen Unternehmen in Deutschland ein Siegel, um ihre Erfolge einem größeren Publikum zu präsentieren, sich mit Innovationsführern aus anderen Branchen zu messen und sich selbst zu verorten. Mit der Preisvergabe werden Service-Innovationen gefördert, die den Nutzer in den Mittelpunkt stellen, um so effektive und nutzergerechte Mensch-Service-Interaktionen zu demonstrieren. Die begleitende Studie dient dem Benchmarking, der Best-Practice-Kommunikation und dem Know-howTransfer in der Smart-Service-Welt in Deutschland.

Datenverschmutzung und Vertrauen als Währung Neben das nach wie vor drängende globale Pro­ blem der Umweltverschmutzung tritt eine nicht minder schwerwiegende globale Herausforderung: die Datenverschmutzung. Undichte Stellen im Datenmanagement müssen unter Kontrolle gebracht werden – sowohl im privaten Interesse jedes Individuums als auch im Interesse ganzer Gesellschaften. Allen Entwicklern von smarten Services ist eines klar: Ich muss eine möglichst hohe Transparenz schaffen darüber, was geschieht, welche Daten gespeichert werden und was mit diesen Daten passiert. Wer also den Aufbau von Kundenvorteilen durch clevere Personalisierung zum Ziel hat, muss einen vertrauenswürdigen Umgang mit den Daten sicherstellen. 10


Das Smarter Service Manifest

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DA S SMARTER SERVICE MANIFEST

Zehn Thesen zur Service-Ökonomie in Deutschland Staatliche Investitionsförderung verpasst den Zug in die Service-Ökonomie Seit 2003 geben die Deutschen mehr Geld für Dienstleistungen als für Produkte aus. Wir verabschieden uns damit vom Produkt-Paradigma und schwenken ein in eine Epoche, in der die „Produktion“ immaterieller Güter und Dienstleistungen die Märkte antreibt. Die digitale Agenda der Bundesregierung ist einseitig auf den Bausektor und die industrielle Technologiefertigung ausgerichtet.

Die Forschung kommt bei der Dienstleistungsentwicklung zu kurz Dienstleistungen müssen mit der gleichen Akribie konzipiert und umgesetzt werden wie die technologischen Innovationen des industriellen Zeitalters. „Deutsche Unternehmen der verarbeitenden

Industrie investieren pro Jahr und Mitarbeiter im Schnitt rund 3.215 Euro in Forschung und Entwicklung. Dienstleister dagegen bringen es im Vergleich dazu gerade mal auf 67 Euro.“ (Quelle: Birgit Mager, Professorin für Service Design an der Fachhochschule Köln)

Service Excellence wird als Erfolgsfaktor unterschätzt Die Deutschen sind spitze, wenn es um den Anbieterwechsel geht! Im europäischen Vergleich liegen die Bundesbürger auf Platz 2 hinter den Schweden. Aktuellen Untersuchungen zufolge wechseln mehr als 70 Prozent der Kunden aufgrund mangelnder Servicequalität. Das Bestandskunden-Marketing genießt jedoch vielfach nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die Neukunden-Akquisition – und das, obwohl der betriebswirtschaftlichen Lehre zufolge

Die Klagemauer in Jerusalem

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Kundenservice der Zukunft: per Smartphone mit dem Kundenberater Videotelefonieren

Service Blueprint des CIID (Copenhagen Institute of Interaction Design) für das „Seam City“-Projekt

die Kosten für Neu- und Rückgewinnung von Kunden um ein Vielfaches höher liegen als die Kosten für erfolgreiche Bestandskundenpflege. Dabei erwarten Kunden heutzutage „Service in Echtzeit“ und die Möglichkeit, digitale wie analoge Kommunikationskanäle nutzen zu können, um mit einem Unternehmen in Verbindung zu treten. Um schnell und zufriedenstellend reagieren zu können, ist eine Technisierung des Service ratsam, insbesondere für solche Unternehmen, die täglich massenhaft Kundenanfragen erhalten.

ocial Web führt zu neuem S Kräfteverhältnis

Smartphones entwickeln sich zur Schaltzentrale der Kunden-Kommunikation

Digitalisierung ist kein reines Effizienzprojekt - Nutzenversprechens als Service neu definieren

Der einfache und jederzeit verfügbare Zugriff zum Kundenservice wird von Kunden als Selbstverständlichkeit und Standard erwartet. Dabei spielt das Smartphone die zentrale Rolle in der Kommunikation. Die Integration der verschiedenen Kanäle, verbunden mit Self-Service Funktionalitäten in Apps, wird zu einem kritischen Erfolgsfaktor.

elbstbedienungskonzepte leiden oft S unter schlechtem Service Design Kunden wollen selbsterklärende und zuverlässige Produkte! Wenn es doch Fragen oder Probleme gibt, dann soll der Service einfach sein und sofort zur Verfügung stehen. Schlechte Erreichbarkeit, unzureichend geschultes Personal, komplizierte Prozesse und abmahnfähige Geschäftsbedingungen sind Ausdruck eines unzureichenden Service Designs. Wer exzellenten Kundenservice bieten will, muss die Kundensicht zum Ausgangspunkt machen.

Im Internet formiert sich der Widerstand der Verbraucher. Meinungsbildung über Produkte, Dienstleistungen und Marken findet in sozialen Netzen statt. Und auch Frust, Ärger und Unverständnis entladen sich hier. Diese neuen „Verbraucher-Vereinigungen“ haben auch schon große Unternehmen zu Anpassungen gezwungen. Viele Unternehmen aber suchen noch nach der richtigen Antwort.

Viele Unternehmen fokussieren zu sehr auf mögliche Effizienzgewinne bei der Digitalisierung. Anstatt einseitig auf die weitere Optimierung bestehender Geschäftsprozesse zu setzen, sollten mehr Unternehmen die Kernelemente ihres Nutzenversprechens als Service definieren. Dienstleistungen sind in Bezug auf den Nutzen, den sie stiften, nicht so eindeutig definiert wie physikalische Produkte. Denn Services werden – anders als physikalische Produkte – sehr häufig durch Kunden mitgestaltet und modifiziert. Somit ist die Interaktion wichtig für den Wert, den Kunden einer Dienstleistung beimessen.

Service Design wird so wichtig wie das Produkt selbst Die Digitalisierung erhöht die Bedeutung des Kundenservice für Kundengewinnung und Kundenbindung. Kundenservices und Dienstleistungen 13


müssen analog zu Produkten in Bezug auf Form, Funktionalität und Nutzen für den Kunden designed werden, wenn sie im Markt als vorteilhaft und nützlich wahrgenommen werden wollen. Die Bedeutung des Designs der Service-­MenschSchnittstelle wird weiter an Relevanz gewinnen.

ie Internet-Startups digitale W Geschäftsmodelle entdecken Wer das Nutzenversprechen für die nächste Ära seines Geschäfts entwickeln will, darf nicht linear denken, sondern muss wie Internet-Startups denken lernen. Viele Unternehmen machten, als sie

die Notwendigkeit zur Digitalisierung der Geschäftsmodelle erkannten, den Fehler, “analogen Wein in digitalen Schläuchen” zu verkaufen.

er Veränderungsprozess darf D nicht delegiert werden! Im digitalen Zeitalter sind hierarchische Führungsmodelle unterlegen. Je stärker wir in das digitale Zeitalter kommen, umso stärker werden Unternehmen die Notwendigkeit spüren, Kommunikationsverantwortung und damit Macht zu dezentralisieren.

Was muss sich ändern? Customer Experience Management: Echte Kundenversteher sind gefragt Die Frage, welche Erfahrungen Menschen im Alltag mit Produkten und Services machen, muss zum Ausgangspunkt für das Design neuer Services gemacht werden. Statt sich auf Customer Relation­ ship Management zu konzentrieren, sollten Unternehmen Customer Experience Management auf die Agenda setzen, um zu erfahren, wie Kunden denken und was sie empfinden. Während deutsche Unternehmen beim Service Design für das Internet der Dinge häufig die Inge­ nieurskunst in den Mittelpunkt stellen, nehmen US-amerikanische Firmen sehr viel stärker die Kundenperspektive ein. Sie schauen sich Alltagsgegenstände und -situationen an und prüfen, was einfacher und besser gemacht werden kann – zumeist mit digitalen Services über den mobilen Kanal. Ein Beispiel ist „Genius“ – eine Produktvariante von iTunes der Firma Apple. Je nachdem, welche Musiktitel der Kunde auswählt, macht ihm das System Vorschläge für weitere Titel, die zu seinem Musikgeschmack passen. Ein solches Verständnis für die Situation des Nutzers wird in Zukunft darüber entscheiden, ob Services am Markt erfolgreich sind oder nicht.

Service Engineering: Konstruktions­büros für Dienstleistungen statt Improvisationstheater Ein Produkt, das mit Sensoren ausgestattet und ins Internet eingebunden ist, verändert seinen Charakter. Es wird zum Service. Dies betrifft etwa den Smart-Home-Bereich. Der vormals simple Alltagsgegenstand Türschloss wird intelligent durch die Anbindung zum Web und den mobilen Zugriff von unterwegs. Diese neu entstehende Servicewelt muss mit der gleichen Akribie entwickelt und gestaltet werden wie ein Massenprodukt. Zwar werden in Deutschland technische Produkte mit hohen Qualitätsstandards produziert, die Expertise zum Entwickeln von Services ist in den meisten Unternehmen jedoch noch vergleichsweise schwach ausgeprägt. Kon­ struktionsbüros für Dienstleistungen einzurichten, ist jedoch notwendig.

Design Thinking: Innovationen müssen am Leidensdruck ansetzen Nicht selten werden Produkte unter Zeitdruck auf den Markt gebracht, ohne dass Kunden in den Entwicklungsprozess involviert waren. Das mag ein Grund sein für die hohe Quote an Innovationen, die 14


In Design Thinking Workshops werden Nutzer und Experten in die Serviceentwicklung einbezogen.

mangels Kundeninteresse schnell wieder vom Markt verschwinden. „Design Thinking“ stellt ähnlich wie „open innovation“ eine Methode dar, mit der Nutzer und Experten in die Produkt- und Serviceentwicklung einbezogen werden können. So gelingt es, Innovationen dort anzusetzen, wo tatsächlich ein Leidensdruck bei den Verbrauchern vorhanden ist. Verzichten Unternehmen auf Customer Experience Management und den Kundendialog, laufen sie Gefahr, dem in Deutschland zu beobachtenden Drang zum „Feature-Fetischismus“ nachzugeben. Das Problem dabei ist, dass Services das Leben der Nutzer dann nicht einfacher, sondern im Gegenteil komplizierter machen. Die Maßgabe muss aber lauten: „reduce to the max“. Dabei darf Komplexität nicht mit Kompliziertheit verwechselt werden. Denn ein Touchscreen, der leicht zu bedienen ist, verbirgt im Hintergrund eine hohe technische Komplexität.

möglich machen. Um dies zu erreichen, sollten sie wiederum die Kundensicht einnehmen und Verbesserungen an der Stelle realisieren, wo eine hohe Dynamik zu beobachten ist: an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden. Hier müssen Silos aufgebrochen und durchgängige Verantwortlichkeiten geschaffen werden, damit den Kunden konsistente Serviceerlebnisse über verschiedene Kanäle ermöglicht werden. Wichtig ist es auch, das Verursacherprinzip einzuführen. Der Mehraufwand, den ein Nutzer im Servicefall kommuniziert, sollte eindeutig einer Abteilung zugeordnet werden können. Nur so entsteht ein Verständnis darüber, was den Kunden dazu gebracht hat, sich an das Unternehmen zu wenden.

Unified Service: IT-Silos aufbrechen und Kundenanliegen lösen

Viele Unternehmen agieren preisgetrieben oder versuchen, sich im Wettbewerb über Produktmerkmale und Leistungsbausteine zu differenzieren. Wer jedoch über Services strategische Partnerschaften mit seinen Kunden anstrebt, entwickelt langfristige Kundenbeziehungen. Durch Mehrwert-Services können sowohl zusätzliche Erlöse als auch neue Erlösquellen erschlossen werden. Ein Automobilhersteller wie BMW, der in das Car-Sharing-Segment einsteigt, schafft die

Ein Kunde, der seinem TK-Anbieter zum x-ten Mal schildern muss, was genau sein Problem ist, hat es nicht mit ignoranten Menschen zu tun, sondern sehr wahrscheinlich mit veralteten IT- und Kommunikationssystemen. Unternehmen müssen ihre Prozessorganisation dahingehend verbessern, dass sie nach außen und nach innen gut vernetzt sind und es dem Kunden im Servicefall so einfach wie

Service-Strategien statt Preiskampf: Service als Wertschöpfungsquelle erkennen

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Voraussetzung dafür, dass eine neue Zielgruppe mit der Marke in Berührung kommt. Dieser Service stellt einerseits eine neue Erlösquelle dar und kann andererseits neue Kundenpotenziale erschließen.

Social Media: Dialog starten und in Beziehungen investieren statt Vollquatschen Es ist eine Frage der Unternehmensphilosophie, ob der Dialog mit Kunden in der Massenkommunikation der sozialen Medien gewollt ist oder ob öffentlich sichtbare Dialoge vermieden werden sollen. Auch wenn sich die eigenen Kunden eher selten mit Serviceanliegen an das Unternehmen wenden, was als Indiz für eine hohe Produkt- oder Dienstleistungsqualität zu werten ist, ist es ratsam, zahlreiche Kontaktmöglichkeiten anzubieten. Ziel muss es sein, dass sich die Loyalität zum Unternehmen aus Kundensicht einfacher gestaltet als der Wechsel zu einem anderen Anbieter. Statt komplizierte Kundenbindungsprogramme oder Verträge aufzulegen, die Kunden an das Unternehmen fesseln, sollten Unternehmen gute Services als Marketing begreifen.

Personalisierung: Tante-Emma-Effekte erzeugen Immanenter Bestandteil eines smarten Service ist die Personalisierung. Sie erahnt das Anliegen des Kunden – wie beim Lieblingsladen um die Ecke: Die Verkäuferin kennt seinen Namen, seine Vorlieben sowie sein letztes Anliegen – und sie gönnt ihm stets ein nettes Wort. Nur so fühlt sich der Kunde als Person angesprochen und braucht sich nicht neu zu erklären. In der Praxis zeigt sich, dass der erhöhte Personalaufwand, den ein Service mit Wohlfühl-Faktor beansprucht, durch neue Ertragspotenziale überkompensiert werden kann. Personalisierung und Datensicherheit sind dabei die zwei Seiten einer Medaille. Als strategische Klammer für perfekte Services gilt das Vertrauen der Menschen, dass der Anbieter mit seinen Daten verantwortungsvoll umgeht. Und nur wenn der Service ein hohes Maß an Nutzen und Kundenvorteil bietet, ist der Anwender bereit, seine Daten zu teilen. Dieses Vertrauen ist notwendige Voraussetzung auch für das Internet der Dinge, und es muss immer auch technisch hergestellt werden.

Ziele von Smarter-Service.com Smarter-Service.com will dazu beitragen, die Service-Welt für Verbraucher besser zu machen. Unser Credo: Smarter Service statt Warteschleifen – Permanente Verfügbarkeit von Services in allen Lebenslagen, die meine Anliegen lösen, ohne dass ich große Erklärungen abgeben muss. Die einfach und zuverlässig sind, barrierefrei und ständig verfügbar. Zu fairen und transparenten Kosten. Unsere Ziele im Detail: Wir wollen bei Entscheidern aus Industrie, Handel und Dienstleistung ein Verständnis dafür schaffen, Service als Produktbestandteil und Erlösquelle für zukünftige Kaufakte zu sehen. Wir wollen Service-Innovationen fördern, die den Verbraucher und seine Service-Erlebnisse in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen den intelligenten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützen, der das Management der Kundeninteraktion über alle Kanäle erlaubt. Das umfasst personalisierte Services ebenso wie Selfservice-Konzepte. Wir wollen Aufmerksamkeit für gut gemachte Services schaffen. Um die schlechten Beispiele kümmert sich die Presse. 16


Warum die Welt Smarte Services braucht

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WARUM DIE WELT SMARTE SERVICES BR AUCHT

Überleben in der Aufmerksamkeits-Ökonomie – Der Service ist das Produkt Die klassische Trennung in Produkte und Dienstleistungen, in tangible und nicht-tangible Produkte hat ausgedient. Services und Produkte verschmelzen. Das „Produkt“ aus der Sicht eines Kunden lässt sich oft gar nicht mehr auseinander dividieren. Ein Beispiel hierfür ist etwa das iPhone – ein Produkt im klassischen Sinne, das aber erst durch die Kombination mit einem Service wie iTunes wirklich nützlich und sinnvoll ist. Diese Verschmelzung findet in nahezu allen Lebensbereichen statt. Dabei werden Konsumenten von täglich neuen Apps, Services, Produkten und Dienstleistungen quasi überrollt. Die Anbieter buhlen um die Aufmerksamkeit der Verbraucher. Unternehmen wollen neue Produkte mit neuen Funktionen verkaufen oder bestehende Kunden besser an sich binden. Nicht selten jedoch erzeugen die Unternehmen dabei digitalen Stress. Die Aufmerksamkeit von uns Menschen wird immer mehr fragmentiert: Telefonate, E-Mail, Facebook-Updates, Fernsehen. Zeit ist ein sehr begrenzter Faktor. Wer es nicht schafft, die Aufmerksamkeit der Kunden zu erhalten und stattdessen den Zeithaushalt überstrapaziert, verliert. Services alleine – oder in der Vernetzung mit Produkten – machen den Kunden noch nicht glücklich. Den Kunden an die Hand zu nehmen, sich als Butler, Kindermädchen oder Lotse zu verstehen, ist die neue Aufgabe, die bewältigt werden muss. Folgende Fragen sollten sich Verantwortliche stellen:

• Wie viele Zeitfresser lassen sich bei der Nutzung des Produktes, der Dienstleistung eliminieren? • Kann der Prozess einfacher gestaltet werden? • Welche unausgesprochenen Probleme des Kunden lassen sich aus dem Weg räumen? • Welche pro-aktiven Leistungen können dem Kunden nützen?

Kontextbezogen und präventiv agieren Eine der Haupttriebfedern für die Entwicklung smarter Services ist die zunehmende Überforderung der Kunden mit neuen Technologien und Services. Ein iPhone 5S oder ein iPad ist bei weitem nicht selbsterklärend. Mittlerweile hat es so viele Funktionen, dass selbst technik-affine Kunden mitunter nicht wissen, wie sie etwas einstellen oder konfigurieren müssen. Die Flut an Neuerungen – selbst wenn nur der Bereich der Smartphones betrachtet wird – erschlägt den Kunden. Gut gedachte Produkte, Services und Dienstleistungen sind nur dann gut, wenn sie vom Kunden auch auf Anhieb verstanden und genutzt werden können und wenn sie den Zeithaushalt schonen, einen Nutzwert bieten und unauffällig im Hintergrund agieren, bis zu dem Zeitpunkt, wo sie erforderlich sind. Die entscheidende Frage lautet folglich: Was ist eigentlich smart? Was definiert einen smarten Service? Die Antwort ergibt sich aus den oben genannten Beobachtungen: Ein smarter Service erkennt oder „versteht“ den Kunden und seine aktuelle Situation. Ein smarter Service agiert also kontextbezogen und im Idealfall präventiv.

• Wie viel Zeit muss ein Kunde investieren, bis er die gewünschten Informationen findet bzw. einen Prozess durchlaufen und abschließen kann? 18


Die Smart Spots App zeigt Smart-Besitzern die kleinen Parkplätze in San Francisco.

Smart ist nicht gleich Smart Nicht alles, was heute an Produkten und Systemen miteinander vernetzt wird, ist smart. Im App-Store von Google oder Apple sind tausendfach Apps vertreten, die einer fragwürdigen Motivation in Marketingabteilungen entstammen, etwa den Maßgaben „Alle Mitbewerber haben eine App“ oder „Da dürfen wir nicht hintenanstehen“. Fast alle Automobilhersteller bieten eine App, mit der Interessenten und Kunden den nächsten Händler finden, einen Servicetermin per E-Mail vereinbaren oder das Bußgeld ausrechnen können, wenn sie bei Rot über die Ampel gefahren sind. Wirklich smart ist das noch nicht. Wer beispielsweise einen „Smart“ fährt, für den ist nützlich zu wissen, wo er in der Stadt einen Parkplatz findet. Ein Smart benötigt kaum Platz zum Parken und kann auch an Stellen abgestellt werden, die für ein „normales“ Auto zu klein sind. Der Fahrer braucht also eine App, die zeigt, wo sich die kleinen Parkplätze befinden. Smart spots liefert genau das für Smart-Besitzer in San Francisco – ein kleines Helferlein, das dem Produkt Smart einen weiteren Nutzen hinzufügt. Richtig zu Ende gedacht ist auch das neue Amazon Kindle mit seiner Mayday-Funktion. Mayday steht für den SOS-Ruf eines Kunden, der sich auf der Internetseite „verirrt“ hat und nicht weiß, wie er seine letzten getätigten Bestellungen einsehen oder ein bestimmtes Produkt finden kann. Dieser Service beinhaltet eine direkt aufgebaute Videochat-Funktion, bei der per Knopfdruck ein

Amazon-Mitarbeiter in einem eingeblendeten Fenster erscheint. Der Mitarbeiter kann mit dem Kunden sprechen und ihn gleichzeitig als Scout zur richtigen Seite führen, die relevanten Informationen per Stift einkreisen, visuell das Gesuchte sichtbar machen. Mayday ruht sozusagen bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Kunde Hilfe benötigt. Dann ist der Service allerdings sofort verfügbar. Kein Rückruf, kein Kanalwechsel. Das Lotsen durch die Seite geschieht, als ob ein guter Freund neben dem Anwender sitzt und ihm durch Zeigen, Navigieren und Erklären hilft.

Geringer Aufwand ist stärkster Loyalitätstreiber Für Kunden zählt in Zeiten ständiger Produktneuerungen und einem hohen Geräuschpegel in Marketing und Werbung vor allem eines: Effizienz im Kundenservice. Wenn ein Kunde schon einen Service in Anspruch nehmen muss, dann bitte so, dass möglichst wenig Aufwand dabei entsteht. Personalisierung und Freundlichkeit sind zweitrangig. Das ergab schon eine CEB-Stude im Jahr 2011, die die Haupttreiber für die Loyalität eines Kunden untersuchte. Viele Marketing-Verantwortliche gewinnen die ernüchternde Erkenntnis: Den Kunden positiv zu überraschen, ihn im Service zu begeistern, wirkt zwar als Loyalitätstreiber, jedoch bei weitem nicht so nachhaltig wie die Reduzierung des Aufwandes. Aus diesem Blickwinkel erklärt sich die Mayday-Funktion im neuen Kindle als Best-Practice 19


Mit Mayday kann man sich direkt über das Kindle Fire-Tablet mit einem technischen Experten von Amazon verbinden lassen, der beraten und helfen kann.

Uber verbindet mit seinen Apps Fahrer und Fahrgäste und revolutioniert so die Art, wie wir uns fortbewegen.

Beispiel für einen smarten Service umso besser. Je einfacher und bequemer es für den Kunden ist, sein Geschäft zu tätigen, umso höher die Loyalität. Smarte Services müssen sich also vorrangig um die Gedankenwelt eines Kunden kümmern, während er ein Produkt nutzt und bedient: Was geht im Kopf eines Smart-Besitzers vor, wenn er in die Stadt fährt? Was bewegt ihn? Welche Herausforderungen oder Ärgernisse können auftauchen? Löst ein Unternehmen diese Probleme im Sinne eines smarten Services unauffällig, schnell und ohne dass für den Kunden ein großer Aufwand entsteht, erhöht sich die Bindung an das Produkt und an das Unternehmen.

Produkte und Dienstleistungen nutzen statt kaufen und besitzen „Smarter Service“ bedeutet auch, die klassischen Muster in Frage zu stellen, wie Produkte angeschafft und genutzt werden. Bislang kauft oder least die überwiegende Mehrheit in Deutschland ein Auto. Immer mehr Menschen stellen sich jedoch die Frage, wozu sie ein Auto kaufen sollten, mit dem sie nur an wenigen Tagen im Jahr tatsächlich fahren. Steht der Wagen zu 70 Prozent in der Garage, kostet er Geld, ohne einen Gegenwert zu bieten. Die Lösung: Ein Auto nur dann nutzen, wenn man es braucht, ohne es zu besitzen. Uber oder car2go sind Beispiele für das Aufbrechen der klassischen Denkmuster – und für smarte Services. Eine App, Geolokalisierung, elektronische Zahlungsfunktionalitäten – diese Komponenten müssen

benutzerfreundlich miteinander verbunden sein, damit ein smarter Mobilitätsservice auf dem Markt Erfolg haben kann.

Interdisziplinärer Ansatz Einen smarten Service ins Leben zu rufen, klingt einfach. Doch das täuscht. Es reicht nicht, ein paar kluge Programmierer zu beauftragen. Smarter Service verlangt einen interdisziplinären Ansatz. Services müssen designt, nicht nur programmiert werden. Es braucht Analysten und Marktforscher, die verstehen, wie Kunden ticken und welche Wege sie gehen, um ein Produkt zu kaufen und zu nutzen. Es braucht Designer, die wissen, wie man die Produkt- und Dienstleistungsnutzung strukturieren und gestalten muss. Es braucht Prozess-Spezialisten, die wissen, welche Geschäftsprozesse betroffen sind und wie diese ineinander fließen. Und es braucht Programmierer, die dieses Services entsprechend den Vorgaben umsetzen können.

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Die 10 Gesetze der Einfachheit Jeder flucht über schlecht gemachte Produkte und Service-Katastrophen brennen sich in unser Hirn. Sie liefern hervorragenden Gesprächsstoff und wir suchen sogar aktiv den Dialog mit Leidensgenossen, um uns in unserem Frust besser verstanden zu fühlen. Vielleicht landen deshalb Bücher wie “Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus” immer in den Top-10. Aber: Lamentieren ändert nichts! Die Diskussion, wie man es besser macht, kommt dabei nämlich viel zu kurz. Die Digitalisierung unserer Lebenswelten schafft unzählige neue Möglichkeiten - die

Multioptionalität aber macht uns schwer zu schaffen. Unser Leben wird immer komplexer. Wir sehnen uns nach Vereinfachung und werden oft von Services enttäuscht, die genau das Gegenteil dessen bewirken, wozu sie eigentlich gemacht sein sollten. Deshalb stellen wir die Frage: Welche digitalen Services erleichtern unser Leben und schaffen Zeit, für die wirklich wichtigen Dinge? Mit dem Smarter Service Award suchen und prämieren wir Produkte und Dienstleistungen, die den zehn Geboten der Einfachheit folgen:

Einfach schön. Alles, was unser ästhetisches Empfinden anspricht, sich gut anfühlt und die Sinne verwöhnt.

Einfach perfekt. Alles, was bis in letzte Detail überzeugt und in seiner Disziplin Weltklasse ist.

Einfach zuverlässig. Alles, was funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk und immer tut, was man erwartet.

Einfach vernetzt. Alle clever kombinierten Dienste mit der unsichtbaren Hand, die alles regelt.

Einfach verständlich. Alles, wofür ich kein Benutzerhandbuch lesen muss.

Einfach nützlich. Alle kleinen und großen Helferlein, die uns im Alltag gute Dienste leisten.

Einfach intelligent. Alles, was meine Gewohnheiten kennenlernt und meine Entscheidungen individuell unterstützt.

Einfach bequem. Alles, was mein Leben leichter macht und Zeitdiebe eliminiert.

Einfach genial. Alles Originelle oder Bahnbrechende, was mich begeistert, unterhält und Spaß macht.

Einfach unwiderstehlich. Alles, was faszinierend, fesselnd, begehrenswert, verlockend und sexy ist. 21


Die besten digitalen, vernetzten Services

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DIE BESTEN DIGITALEN, VERNETZ TEN SERVICES

Der Smarter Service Award – Mach’s einfach vernetzt! Die Zielgruppe Der Smarter Service Award adressiert alle vernetzten Services, die die digitale mit der realen Welt verbinden und ein neues Nutzenversprechen bieten. Ein solches Produkt ist etwa die mytaxi-App, die das Leben von Business-Reisenden drastisch vereinfacht: Kein mühsames Telefonnummern Suchen und kein Versauern in der Warteschleife mehr. Der Smarter Service Award prämiert personalisierte Services, die schnell, einfach und zuverlässig individuelle Anliegen lösen. Dabei sind sie so intelligent, dass sie sich nutzen lassen, ohne dass man vorab Bedienhandbücher studieren muss. Award-verdächtig sind in diesem Sinne digitale Services, die Verbrauchern einen barrierefreien Zugang in allen Lebenslagen bieten – ob unterwegs oder zuhause – und die ständig verfügbar sind – zu fairen und transparenten Kosten. Ein solch innovativer Service im Mobilitätssektor ist in Finnland zu finden: Der Verkehrsverbund der Region Helsinki bietet mit Kutsuplus einen On-Demand-Service für Linienbusse. Fahrgäste im Zentrum von Helsinki können Busfahrten per Smartphone buchen und bezahlen und werden daraufhin an der vereinbarten Haltestelle zur vereinbarten Zeit abgeholt.

Der Ablauf Vom 1. Mai bis zum 30. Juni 2014 hatten Leser und Besucher von Smarter-Service.com die Gelegenheit, ihre Stimme für ihren Favoriten abzugeben. Dafür wurden pro Award-Kategorie (10 Gebote der Einfachheit) drei smarte Produkte oder Dienstleistungen mit der eingereichten Kurzvorstellung präsentiert und der Community zur Wahl gestellt (Community Voting). Die zehn Teilnehmer, die nach Ablauf des Community Votings die meisten Stimmen in ihrer Kategorie auf sich vereinen konnten, erreichten die Finalrunde. Die zehn Finalisten wurden in der Zeit vom 1. Juli bis 30. August ausführlich auf Smarter-Service.com präsentiert. Aus den zehn Finalisten wählte die Jury in geheimer Abstimmung die drei Gewinner des Smarter Service Award 2014. 23


Jurywertung und Ergebnisse Die Bewertungskriterien Innovationsgrad: Ist das Produkt neu, innovativ oder fügt es einem bereits existierenden eine smarte Komponente hinzu? Setzt das Produkt insgesamt oder in einzelnen Bereichen neue Maßstäbe? Bedienung: Ermöglicht das Produkt eine einfache und intuitive Bedienung? Ist es leicht beherrschbar? Was teilt das Produkt über seinen Zweck und seine Handhabung mit, ohne dass man die Gebrauchsanweisung kennt?

Emotionaler Gehalt: Wie wirkt das Produkt emo­ tional auf den Nutzer? Bietet das Produkt über den unmittelbaren praktischen Zweck hinaus sinnliche Qualitäten, Möglichkeiten für einen spielerischen Umgang und Personalisierung? Kundennutzen: Gibt es einen unmittelbaren Kunden­nutzen in dem Produkt? Entspricht die Idee hinter dem Produkt einem wirklichen Kunden­bedürfnis?

Gesamtwertung SHIPPIES JOINMYGIFT.COM EXPERTIGER IADVIZE PROVENEXPERT KABELHELDEN CREALOG SUMMERDRIVE TIROL BIKESALE..DE GFT 0%

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PL ATZ 1

Shippies – Der innovative Mitbringservice

Shippies ist eine Crowd-Delivery-Lösung, ein Bringdienst für Jedermann, der Passanten zu Boten macht – und jeder kann mitmachen. Nach Registrierung und Freischaltung mittels App übernimmt der Shippie Lieferaufträge, holt von Kunden (online) bestellte Waren beim Händler ab und liefert sie aus. Für jeden erfüllten Auftrag erhält er Geld oder Prämienpunkte. QUELLE www.shippies.de INITIATOR: Shippies GmbH Kranichsteiner Str. 27, 60598 Frankfurt am Main

Alle profitieren davon: • Unterstützung des lokalen Handels (Umsatz und Kundenbindung) • Klimafreundlich (weil die Shippies schon vor Ort sind) • Idealer Nebenerwerb für Shippies (Geld verdienen auf dem Heimweg) • Der Kunde zu Hause (schneller als Amazon) Der Handel erreicht mit diesem Konzept neue Zielgruppen. Innenstädte werden belebt, neue Kunden generiert bzw. lokale Kunden gebunden. Auch der ökologische Vorteil liegt auf der Hand: Die App wählt automatisch die den Geschäften nächstgelegenen Shippies aus, diese haben somit kürzere Abholwege, verbrauchen weniger Ressourcen, schonen die Umwelt und sparen den Kunden Zeit, Parkgebühren und Fahrtkosten.

— Juryurteil Unsere Jury zeigt sich begeistert von dem Mitbring­ service für Jedermann. Jurymitglied Markus Roder meint: „Großartig. Eine gute Kopie von BringBee mit vielen neuen, innovativen Details. Für mich der Gewinner dieses Jahr.” Und Jurymitglied Achim Himmelreich ergänzt: „Ship­ pies ist die konsequente Anwendung des Prosumen­ ten-Gedankens auf die Logistik und könnte gerade in Großstädten Entlastung für den Verkehr bringen.“

Das Konzept ist weltweit einzigartig und bietet ein riesiges Potenzial: Vor allem im Hinblick auf die demografische Entwicklung in Deutschland werden Bringdienste immer wichtiger. Die Abwicklung erfolgt dabei stets über die mobile Applikation oder über das Web. 25


PL ATZ 2

JoinMyGift.com – Gemeinsam schenken

JoinMyGift.com ist angetreten, auf den letzten Drücker im lieblosen Geschenkeladen zusammengekauften Nippes zu vermeiden und die logistischen Herausforderungen von Gemeinschaftsgeschenken zu vereinfachen – zur Zufriedenheit aller: der Schenkenden und der Beschenkten.. Beschenkten. QUELLE www.joinmygift.com INITIATOR: JoinMyGift.com Loreleystraße 10/12, 50677 Köln

Die Gründer von JoinMyGift haben sich im Februar 2013 auf eine Mission begeben: Nie wieder schlechte Geschenke! Jeder kennt das Problem: Man ist auf eine Party eingeladen und versucht, sich im Freundeskreis auf ein Gemeinschaftsgeschenk zu einigen. Doch die Organisation erweist sich meist als sehr mühsam und endet all zu oft damit, dass sich doch jeder selbst um sein Geschenk kümmert. So gibt es für den Gastgeber jede Menge kleine Geschenke, die er meist nicht braucht. Hier schafft JoinMyGift Abhilfe: Auf der Plattform können Gemeinschaftsgeschenke für Hochzeiten, Jubiläen, Geburtstage usw. ganz einfach organisiert und verwaltet werden.

— Juryurteil Zwar ist der Zweitplatzierte unserem Gesamtsieger dicht auf den Fersen, doch zeigt sich die Jury nicht uneingeschränkt begeistert: Achim Himmelreich erkennt zwar an, dass Joinmygift „ein allzu bekanntes Problem auf eine gute Weise“ löse. „Der Innovations­ grad ist allerdings eher mittel und der Markt klein. Zudem gibt es keine Markteintrittsbarrieren, so dass bei Erfolg schnell Copycats entstehen können.” Und auch Jurymitglied Katja Grubitzsch äußert Kritik: „Der Nutzen ist offensichtlich und die Bedienung leicht verständlich. Allerdings ist die Gestaltung des Logos altbacken und passt nicht zu Gestaltung der Website.“

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PL ATZ 3

Expertiger – myTaxi für PC-Probleme

Das Startup verspricht unkomplizierte Soforthilfe bei Computerproblemen und setzt dabei auf Expertensupport via Telefon und Fernwartung. Hilfesuchende erhalten eine persönliche Support-Rufnummer, über die sie direkt mit einem PC-Spezialisten verbunden werden. Per Fernzugriff kann der Experte sofort helfend eingreifen. QUELLE www.expertiger.de INITIATOR: Expertiger GmbH Blütenstraße 20, 80799 München

Expertiger funktioniert wie myTaxi für PC-Pro­ bleme: Hilfesuchende finden hier den passenden Supporter, der sofort hilft, das Problem zu beheben. Damit ist Expertiger ein professioneller PC-Service für Privatkunden und Kleinunternehmen. Auf der Plattform erhält man eine persönliche Support-Rufnummer, über die man direkt mit einem PC-Spezialisten verbunden wird. Der Supporter hilft per Telefon und Online-Fernwartung. Via Supporttool, das einfach heruntergeladen wird, leistet der Experte per Fernzugriff über das Internet sofort Hilfe. Dabei kann der Kunde jederzeit an seinem Bildschirm verfolgen, wie sein Support-Spezialist das Problem löst, und ist durchgehend telefonisch mit ihm verbunden.

— Juryurteil Zwar sei die Idee, Experten via Internet zu Rate zu ziehen nicht neu, doch „für PC-Probleme hat es schlicht gefehlt. So wird eine Nische besetzt, in der ein echter Kundennutzen geschaffen wird”, begründet Jurymitglied Achim Himmelreich die Platzierung von Expertiger. Und Jurymitglied Markus Roder ergänzt: „Prinzipiell eine gute Idee, allerdings im Endeffekt ‘nur’ ein Splitterprodukt, das man zuerst einmal finden bzw. an das man sich erinnern muss. Mir fehlt noch die finale Idee zur Einbindung in ein größeres Ecosystem à la MyHammer.”

Die Plattform ist seit Februar 2014 live, und mehr als 30 Supporter haben bereits über 500 Anfragen bearbeitet. Der PC-Service von Expertiger ist in dieser Form in Deutschland einzigartig.

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EDITOR’S CHOICE

Die Lieblinge der Smarter Service Redaktion

01 LOCK8 – Bike Sharing statt Diebstahl Velolock hat ein cleveres Fahrradschloss entwickelt, das vor Diebstahl schützt und Bike Sharing ermöglicht. Ganz ohne Schlüssel lässt sich LOCK8 per Smartphone öffnen und schließen. Versucht jemand unerlaubt, das Schloss zu öffnen oder zu knacken, schreckt ein Alarm die Diebe ab. Sollte es dennoch gelingen, das Fahrrad zu stehlen, hilft die GPS-­ Ortung, das gute Stück bald wiederzufinden. QUELLE http://lock8.me INITIATOR: Velolock Germany GmbH Chausseestrasse 17, 10115 Berlin

02 WunderBar – Im Internet der Dinge Mit dem Entwicklerbausatz WunderBar von relayr lassen sich Programme für das Internet der Dinge schreiben. Die einzelnen Module, die wie Schoko­ stückchen aussehen, beherbergen elektronische Schaltkreise unterschiedlicher Sensoren, die sich via Bluetooth Low Energy mit einem Mikroprozessor verbinden. QUELLE https://relayr.io/wunderbar INITIATOR: iThings4U GmbH Tempelhofer Ufer 17, 10963 Berlin

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03 fileee – Vereinfache dein Leben fileee ist der digitale Aktenschrank der Zukunft, der automatisch Dokumente aller Art in einem System verwaltet. PDFs lassen sich per Drag & Drop in den Browser ziehen, Dokumente in E-Mails und der Cloud werden automatisch importiert und Papierdokumente werden per App fotografiert oder an fileee gesandt und eingescannt. QUELLE https://www.fileee.com INITIATOR: fileee GmbH Berliner Platz 24-28, 48143 Münster

04 Kutsuplus – ÖPNV auf Abruf Kutsuplus funktioniert wie ein persönlicher On-Demand-Service für Linienbusse. Fahrgäste buchen Busfahrten per Smartphone und werden an der vereinbarten Haltestelle zur vereinbarten Zeit abgeholt. Wo ein Fahrgast am besten zusteigt, wird je nach Situation und aktuellem Standort berechnet. Auch abgesteckte Routen oder feste Fahrpläne gibt es nicht. Die Strecke ergibt sich aus den Zielen aller Passagiere. QUELLE https://kutsuplus.fi/home INITIATOR: Ajelo Ltd.,Lars Sonckin kaari 14, 02600 Espoo, Finnland

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05 bikesale.de – Dein Fahrradmarktplatz bikesale.de ist ein professioneller Marktplatz für gebrauchte Fahrräder. Mit neuen Services will bikesale.de den Gebrauchtradmarkt revolutionieren: Jeder soll einfach und sicher gebrauchte Räder kaufen und verkaufen können – ohne besonderes Vorwissen. QUELLE http://www.bikesale.de INITIATOR: ibikesale solutions GmbH, Rüdesheimer Str. 11, 80686 München

06 Lechal – Wohin die Füße tragen Der indische Forscher Anirudh Sharma begann noch während seiner Zeit bei den HP-Labs in Bangalore seine Arbeit an “Le Chal” (Hindi für: “Bring mich hin”) – einem smarten Konzept, das Sehbehinderten per Vibration unter dem Fußballen die Orientierung in Städten erleichtern soll. Schon damals erkannte er allerdings, dass der smarte Navi-Schuh auch Normalsichtigen den Weg weisen könnte. QUELLE http://www.lechal.com INITIATOR: 222B West Marredpally, Secunderabad-500026, Telangana, Indien

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07 Regiomino – Von zu Hause regional einkaufen Regionale Produkte liegen im Trend, sind aber oft schwer erreichbar. Regiomino löst das Problem und organisiert Handel und Lieferung von Regionalerzeugnissen neu: Intelligente Software verbindet Großmarkt-, Einzelhandels- und Logistikfunktionen miteinander. Private und Großverbraucher können damit regionale Produkte einfach beziehen. QUELLE https://www.regiomino.de INITIATOR: Regiomino GmbH, Habichtweg 6, 91096 Möhrendorf

08 Smoope – Der direkte Draht zu deinen Shops Smoope ist DER Instant Messenger für die B2C-Kommunikation. Immer mehr Konsumenten nutzen diese Form der Kommunikation im privaten Umfeld. Macht es da nicht Sinn, auch als Unternehmen auf diese Art erreichbar zu sein? Wenn es nach smoope ginge, kommunizieren Unternehmen mit ihren Kunden ab sofort genau wie mit Freunden und Familienmitgliedern. QUELLE http://www.smoope.com INITIATOR: smoope GmbH Pischekstrasse 68, 70184 Stuttgart

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09 Kreditech – Innovative Finanzdienstleistungen Weltweit gibt es etwa fünf Milliarden Menschen, die keine Bonitätsbewertung und damit keinen Zugang zu Krediten haben. Um all denen auch Zugang zu Onlinekrediten zu ermöglichen, setzt Kreditech auf Big Data Scoring, um einen Kredit­ score für Privatpersonen zu ermitteln. QUELLE http://www.kreditech.com INITIATOR: Kreditech Holding SSL GmbH Am Sandtorkai 50, 20457 Hamburg

10 WunderCar – Sicher und freundlich von A nach B Bei WunderCar lassen sich mittels App Mitfahrgelegenheiten von Privatperson zu Privatperson organisieren. Per Klick kann eine Fahrt angefragt und vereinbart werden. Der Fahrtgast wird vom Fahrer aufgenommen und an sein Ziel chauffiert. Die Fahrt ist kostenlos, der Fahrer kann aber auf der Plattform bewertet werden. QUELLE http://www.wundercar.org/de INITIATOR: WunderCar Mobility Solutions GmbH, Hongkongstraße 7, 20457 Hamburg

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11 Roomaps – Gebäudena­vi­ gation mit Zusatznutzen Roomaps sorgt dafür, dass Besucher von Messen, Museen, Flughäfen usw. sich in endlosen und immer gleichen Fluren schneller zurechtzufinden und direkt zum gewünschten Ziel gelangen. Das Gebäudenavigations- & Informationssystem für mobile Endgeräte liefert zusätzlich zur Positions­ bestimmung weitere relevante und nützliche Informationen. QUELLE http://www.roomaps.com/de INITIATOR: ROOMAPS UG Universitätsstrasse 38, 70569 Stuttgart

12 CitizenMe – Kontrolle über deine Online-Identität CitizenMe will, dass wir als Online-Nutzer die Hoheit über unsere Daten behalten. Derzeit noch Info-Werkzeug, zeigt die App über einfache grafische Darstellungen, was welcher Anbieter mit meinen Daten macht und wie damit Geld verdient wird. Und sollten sich die AGBs ändern, wird auch darüber informiert. In Zukunft sollen Nutzer über die Plattform ihre Daten selbst an Datenbroker verkaufen können. QUELLE http://www.citizenme.com INITIATOR: Citizenme Ltd., London, Goßbritannien

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13 Bluesmart Koffer mit Funk Bluesmart kümmert sich um dein Gepäck. Ein digital gesteuertes Schloss, ein GPS-Empfänger und eine integrierte Waage sollen den Bluesmart-Nutzer im hektischen Flughafenbetrieb unterstützen. Entfernt sich das Gepäck zu weit von seinem Besitzer, wird via Smartphone Alarm geschlagen und der Aufenthaltsort übermittelt. Und mit der Waage lässt sich sogar unterwegs schnell feststellen, ob das Gewicht im vorgegebenen Rahmen bleibt. QUELLE http://bluesmart.com INITIATOR: Bluesmart, New York, USA

14 Onyx - Ein Wearable für Echtzeit-Kommunikation Das Startup OnBeep liefert einen 46 Gramm schweren, tragbaren Communicator, über den bis zu 15 Personen miteinander in Verbindung bleiben können: Einfach auf das Gerät drücken und schon kann man miteinander sprechen. Das ganze funk­ tioniert im Walkie-Talkie-Stil und benötigt ein Smartphone inklusive App, über die sich der Onyx konfigurieren lässt. QUELLE http://www.onbeep.com INITIATOR: iOnbeep, Inc., 2125 Mission St., San Francisco, USA

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Wie man Services f端r die vernetzte Welt entwickelt

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WIE MAN SERVICES FÜR DIE VERNETZ TE WELT ENT WICKELT

Smart Service Simplicity: Warum Kundenservices einfach sein müssen Komplexität reduzieren – das ist einer der häufigsten Sätze, die vom Management im betrieblichen Alltag wie auch in Projektsituationen verwendet werden. Die Vielschichtigkeit und Vernetzung von Märkten, Technologien und Prozessen und das Tempo der Innovationen überfordern Manager, Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen. So sehr Smartphones, Apps und das mobile Internet mit seinem Komfort geschätzt werden, so groß ist gleichzeitig die Gefahr, im Dickicht der Medien, Kanäle und Systeme den Überblick zu verlieren.

Komplexität lässt sich nicht beliebig reduzieren Durch Reduktion der Komplexität das Problem zu lösen, klingt einleuchtend. In vielen Fällen ist dies jedoch schlicht nicht möglich. Denn im Kundenservice haben es die Unternehmen heute mit Telefon, Chat, SMS, Apps, dem Internet, Fax, E-Mail, dem Ladengeschäft oder der Niederlassung und eventuell noch dem Außendienst zu tun. Vor zwanzig Jahren lief ein Großteil der Kommunikation offline; das Telefon war auf dem Vormarsch, E-Mail, Chat und Internet so gut wie nicht existent. Aber heißt Komplexität zu reduzieren, bestimmte Kanäle nicht mehr zu bedienen? Ein Ding der Unmöglichkeit! Und so verhält es sich mit vielen Dingen in einem Unternehmen. Die globalisierte vernetzte Welt ist hoch komplex. Anders sieht es aus, wenn Dinge kompliziert sind: wenn Kunden etwas nicht verstehen, wenn es Widersprüche gibt, wenn die Produkte und Prozesse schlecht erklärt sind, sodass sie Zeit kosten oder schlichtweg nerven. Wenn zum Beispiel der neue Huawei USB Datenstick mit der neuen Version des Apple Macbook Pro Betriebssystems Yosemite nicht funktioniert, dann ist das komplex. Muss sich der

Anwender zur Behebung des Problems bei seinem Provider durch Hotline Sprachdialog Menüs, Weiterverbinden zur Apple Hotline und das ständige Wiederholen des Sachverhaltes quälen, ist das kompliziert.

„Komplizierte Prozesse sind hausgemacht und daher lösbar“ Kompliziertheit könnte auch als Maßeinheit für die Unwissenheit eines Kunden bezeichnet werden. Kompliziertheit wäre an sich kein Problem, dem sich ein Unternehmen widmen müsste, wenn dies keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Loyalität und Zufriedenheit eines Kunden hätte. Das Gegenteil ist aber der Fall. Es gibt einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Aufwand, den ein Kunde treiben muss, um sein Serviceanliegen zu lösen, und der Loyalität zu einem Unternehmen. Je weniger Zeit ein Kunde benötigt, je einfacher es ist, eine Lösung zu erhalten, umso höher sind die Auswirkung auf die Loyalität. Für den Kundenservice heißt das, Prozesse, Abläufe und Systeme einfach zu gestalten – wohl gemerkt: in einer komplexen Welt.

Wie lässt sich Simplicity erreichen? Soll „Einfachheit“ die Maxime des Kundenservice sein, lassen sich die Systeme und Prozesse anhand der drei Prinzipien Kontext, Reduktion und Zeitaufwand wirkungsvoll an dieser Zielformulierung ausrichten:

1. Kontext Kontext heißt zu verstehen, „wo der Kunde gerade steht“, was ihn bewegt, was ihm jetzt aktuell in seiner individuellen Situation hilft. Die Kernaufgabe lautet, den Kunden dort abzuholen, wo er sich 36


„The best service is no service“: Mit dieser These revolutionierte Bill Price den Kundenservice von Amazon.

Michael Hinshaw, „Smart customers stupid companies“: Warum ist es für Unternehmen um ein Vielfaches schwerer, smart zu sein als für Kunden?

gerade befindet. Dazu muss sich das Unternehmen in seine Situation hineinversetzen können. Welche Fragen und Sorgen hat der Kunde? Welche Informationen besitzt er? Welche Systeme hat er zur Verfügung? Was hilft ihm jetzt im nächsten Schritt?

Zum einen gilt es, die Medien und Kanäle zu orchestrieren. Lässt sich die Komplexität schon nicht reduzieren, muss im Minimum dafür gesorgt werden, dass es keine Medien- und Kanalbrüche gibt und dass Inhalte und Informationen konsistent sind. Dazu ist es hilfreich zu analysieren, welche Medien und Kanäle zu welchen Zwecken im Kundenservice genutzt werden. Wie navigiert der Kunde? Welche möglichen Widersprüche und Irritationen gibt es bei den Inhalten?

2. Reduktion Die Kunst des Weglassens, oder um es mit dem Mini-Werbeslogan „Reduce to the max“ zu sagen, muss zum Anspruch werden. Wenn die Verantwortlichen im Kundenservice bei Systemen und Prozessen auf Schnick-Schnack verzichten, wenn sie sich auf die relevanten Kernaufgaben fokussieren und alles Störende und Irritierende weglassen, dann haben sie ihr Ziel erreicht. Leider ist in der Praxis die Versuchung groß, dem Kunden vermeintlichen „Mehrwert“ zu bieten, wie der Link zu Partner-Angeboten oder bunte, schillernde Menüs, die gut aussehen, sich aber nicht selbst erklären. Minimalismus setzt sich leider in der Praxis noch selten durch.

3. Zeitaufwand Zeitdiebe lauern überall im Kundenservice – oft unabsichtlich für den Kunden kreiert, dennoch ärgerlich. Denn wenn es überhandnimmt mit den Zeitfressern, dann sind diese Fehlkonstruktionen verantwortlich für Kündigung und Abwanderung. Es sind mehrere Schrauben und Stellhebel, an denen der Kundenservice arbeiten muss.

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Jeff Bezos bei der Präsentation des Kindle Fire: „We don’t think of the Kindle Fire as a tablet. We think of it as a service.“

Mit Service Design in die Erfahrungswelt eintauchen Nicht ein Produkt allein macht den Prosumenten glücklich, sondern die Services rund um das Produkt. Jedes Produkt ist ein Service, das hat schon Jeff Bezos bei der Einführung des neuen Kindle Fire deutlich gemacht: „We don’t think of the Kindle Fire as a tablet. We think of it as a service.” Mit dieser steigenden Relevanz (digitaler) Services für Kundenbindung und -zufriedenheit wächst auch die Bedeutung von Service Design – als Methode und Prozess, um die verschiedensten Services zu gestalten und reibungslos miteinander zu verbinden.

Entrepreneurship. Digitale und analoge Touchpoints werden auf intelligente Weise verknüpft, um das Leben der Menschen zu erleichtern. Service Design hilft somit bei der methodischen Entwicklung und Gestaltung von nutzerzentrierten und marktgerechten Service-Angeboten. Ähnlich dem Design von Produkten werden neue Dienstleistungen entworfen oder bestehende optimiert – eine gründliche Nutzeranalyse und die Evaluation von Service-Prototypen sollten selbstverständlich sein.

Im Mittelpunkt des Design-Prozesses steht immer der Kunde beziehungsweise der Nutzer, er sollte möglichst wenig Zeit in Service-Prozessen verbringen müssen. Der neuartige Begriff Service-Design verbindet Design Thinking, System Design und Prozessmodellierung mit Interaction Design und 38


Case Studies

Smarte Software für digitalen Kundenservice Vor fünf Jahren galt die Bearbeitung einer E-Mail-Anfrage als „zeitnah“, wenn sie innerhalb von 24 Stunden erfolgte. Der digitale Kunde von heute erwartet dagegen „Service in Echtzeit“. Unternehmen sollten ihre Kunden oder potenziellen Neukunden also nicht länger in die klassischen Silos der 1:1 Kommunikation (Hotlines) zwingen, sondern ihnen persönliche, individuell zugeschnittene Kundenservice-Erlebnisse bieten. Die digitale Transformation im Beziehungsgeflecht zwischen Konsumenten und Unternehmen folgt dabei einer klaren Richtung: Service über alle Kanäle (multichannel) und Geräte (multidevice) von überall (anytime) vereinfachen und technisieren. Mittlerweile denkt die Hälfte aller Unternehmen aktiv darüber nach, Service-Prozesse in die Cloud zu verlagern, damit Kundenservice per E-Mail, Web und App vereinfacht und beschleunigt wird.

Service-Abläufe vernetzen Der Freiburger E-Business Spezialist Haufe Lexware verarbeitet jedes Jahr fast eine Million schriftliche Kundenanfragen per E-Mail, Brief und Fax. Diese textbasierten Support-Vorgänge wollte das Unternehmen über eine zentrale Plattform abwickeln und durch den Einsatz moderner Text-Algorithmen weitestgehend automatisieren. Durch gesunkene Bearbeitungs- und Reaktionszeiten sollten Zeitfenster für komplexere Kundenprobleme geöffnet werden. Und durch die Vernetzung mit Produkten und Apps sollte der Multichannel-Kundenservice digital „veredelt“ werden. Diese strategischen Zielvorgaben sind Realität: Die im Kundenservice von Haufe Lexware eingehenden E-Mails und Dokumente werden über eine Cloud-Plattform mit „cognitiven“ Eigenschaften digitalisiert, analysiert, ausgewertet, sortiert, mit Bestandsinforma­ tionen angereichert und an die passenden Mitarbeiter im Support verteilt oder gleich automatisch beantwortet. Umgesetzt wurde das Projekt auf Basis zweier Lösungen des Kölner Anbieters ITyX: der Plattform Contex als Enterprise Content Management (ECM)-System, kombiniert mit dem Vorgangsbearbeitungssystem Mediatrix für E-Mail, Faxsendungen und Briefe.

Cognitive Verfahren machen den Service smart Das als Cloud-Lösung realisierte Servicekonzept bedient alle verwendeten Medien, Geräte und Apps. Es kann mit strukturierten sowie unstrukturierten Texten (Brief, Web, E-Mail, De-Mails, Facebook, Twitter, SMS, Fax) genutzt werden. Die modular aufgebaute Softwarelösung kann sukzessive auf weitere Endgeräte ausgeweitet und mit den bestehenden Anwendungen und Datenstrukturen im Unternehmen selbst sicher verknüpft werden. Eine weitere Besonderheit: die automatisierte Vorgangsabwicklung. Die ITyX-Lösung erlernt das Verhalten von Spezialisten bei der Vorgangsbearbeitung und beginnt eigenständig, Standard-Aufgaben wie die Sortierung oder Priorisierung von eingehenden Textmitteilungen zu übernehmen und Fachinformationen aus dem Fließtext zu extrahieren. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer wird deutlich gesenkt. Das System mit „Operator Modus“ entscheidet anhand eines hinterlegten Skillsets, welcher Vorgang mit welcher Priorität (Service Level) welchem Mitarbeiter zugewiesen wird. Die Arbeitszeit der Mitarbeiter wird so um beschreibbare, triviale Schritte (Copy & Paste) entlastet. Im Wesentlichen beschränkt sich die Arbeit der Servicemitarbeiter nun auf die Qualitätssicherung.

Customer Experience 3.0: echter Business-Nutzen Neben der großen Effektivitätssteigerung durch den hohen Grad an Automatisierung stellt Haufe-Lexware Services mit der neuen Lösung gleichzeitig auch die Weichen für das zukünftige Business, indem die Prozesse aus allen Support-Kanälen auf einer zentralen Workflow-Plattform zusammenlaufen. Daraus resultieren handfeste Vorteile für den Endkunden: Er bekommt aufgrund der automatischen Antwort-Vorschläge schneller als zuvor eine Antwort. Durch den automatischen Versand von Zwischenbescheiden zum Vorgangsstatus wird außerdem die Transparenz erhöht, was das Service-Erlebnis insgesamt aufwertet. Die langfristige Kundenbindung durch ein rundes und individuelles Servicepaket kann letztlich als wichtiger Business-Beitrag gesehen werden.

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Optimaler Marketing-Mix basiert auf TouchpointAnalysen In der Marktbearbeitung muss die digitale Transformation klug gesteuert werden. Denn die Touchpoint-Explosion führt viele Unternehmen in die Ineffizienz-Falle. Mit viel Aufwand betriebene Social-Media-Marketing-Maßnahmen laufen ins Leere, und so manches App-Projekt kann weder Reichweite noch Relevanz in der Zielgruppe nachweisen. Bedenklich ist außerdem, dass neue Silos entstehen, weil es schon an der internen Vernetzung der Marketing-Maßnahmen hapert. Print-Kampagnen beispielsweise leiden häufig darunter, dass Online nicht in der Customer Journey mitgedacht wird. Aber auch im Digital Marketing ist vielfach wenig Vernetzung zwischen Website, Online-Marketing und Social-Media-Aktivitäten zu beobachten. Um Budgets wirkungsorientiert zu optimieren, bedarf es der ganzheitlichen Analyse. Viele sprechen davon, doch kaum jemand kann Online wie Offline wirklich messen. Schwierigkeiten gibt es auch beim Verständnis der Wirkungszusammenhänge zwischen Touchpoints. Die Realität im Marketing zeigt, dass Verunsicherung herrscht – trotz der Zunahme an verfügbaren Kundendaten. In der Regel fehlt den Entscheidern eine ganzheitliche Orientierungshilfe, welche die Multichannel-Welt vollumfänglich erfasst und messbar macht – über sämtliche Kanäle off- und online. Noch zu häufig wird der Erfolg einer Multichannel-Strategie nur auf Grundlage einzelner (Online-) Medien und Marktbearbeitungsinstrumente überprüft. Möglicherweise werden so Touchpoints nicht berücksichtigt, die in der Realität eine große Wirkung für den Markterfolg haben.

dazu kürzlich gemeinsam mit Accelerom Forschungsergebnisse veröffentlicht: • Bereits mittelgroße Unternehmen managen heute weit über 100 Touchpoints. • Nur sechs von zehn Touchpoints werden vom Unternehmen (inside-out) deckungsgleich mit der Kundensicht (outside-in) eingeschätzt. • Mit 17 Touchpoints kommt ein Kunde beim Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung durchschnittlich in Berührung (vgl. 360TEV, Schweizerische Käuferstudie). • Durch eine kombinierte Betrachtung der unterschiedlichen Touchpoints in der Customer Journey (Total Audience Measurement) werden Synergien genutzt. • Die gesamtunternehmerische Fokussierung und Vernetzung ermöglicht eine Performancesteigerung in der Marktbearbeitung von bis zu 30 Prozent. Eine erfolgreiche Steuerung des Marketing-Mix in Zeiten des Wandels wird somit erst möglich, wenn alle relevanten Owned-, Paid und Earned-Touchpoints in der Customer Journey identifiziert und deren Leistungsvermögen wie Reichweite und Relevanz ermittelt werden. Der neue Wissenstand unterstützt Entscheider darin, die richtigen Maßnahmen, Medien und Instrumente zu wählen sowie Budgets auf die einzelnen Kanäle optimal zu verteilen, um die Wirkung aller Marktbearbeitungsaktivitäten zu maximieren.

Praxisleitfaden

CMO muss Touchpoint-Agnostiker sein Gerade weil mit der zunehmenden Bedeutung von digitalen Touchpoints zusätzliche Dynamik entsteht, muss der Chief Marketing Officer als „Touchpoint-Agnostiker“ den Kurs halten und Wirkungsmechanismen und Zusammenhänge verstehen lernen. Dies kann nur auf Faktenbasis geschehen. Das Bauchgefühl ist ein schlechter Ratgeber, weil es auf Erfahrungen basiert und für Zeiten des Wandels ein schlechter Kompass ist. Für die Steuerung der digitalen Transformation in der Marktbearbeitung ist daher eine gemeinsame Währung nötig, die von allen Entscheidungsträgern akzeptiert wird. Ein mess- und vergleichbares Touchpoint-Management hilft Führungskräften, den Überblick zu bewahren und schneller bessere Entscheidungen zu treffen. GfM hat

Touchpoint-Analyse Erfolgreiche Marktbearbeitung in der digitalen Welt

Ein Forschungsbericht von

In Zusammenarbeit mit

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Online-Beratung per Video – direkt aus dem Browser heraus Kunden kommunizieren mit Unternehmen über die Kanäle, die sie sich aussuchen. Beginnt der Kunde seine Kaufvorbereitung im Web, sollte er dort auch zu einer Kaufentscheidung kommen können. Unternehmen müssen ihm anbieten, Kontakt zum Agenten aufzunehmen – über den klassischen Text-Chat oder über Telefonoder Video-Chat. CreaLog macht es den Internetnutzern mit seiner WebRTC-Lösung einfach. WebRTC steht für Real-Time-Communication per Web: Von einer ShopSeite baut der Kunde über das Anklicken eines Links die Telefon- oder Videoverbindung zum Service- beziehungsweise Contact-Center auf. Er muss keine Software herunterladen und keine Installation vornehmen. „Zu dieser nahtlosen Kontaktaufnahme – auch per Smartphone natürlich – wird die Reise hingehen“, sagt CreaLog Geschäftsführer Michael Kloos. Jedes Endgerät, das einen Browser hat, macht WebRTC-Kommunikation möglich, dazu zählen auch Navigationssysteme und Smart-TV. Als offener Standard ist WebRTC in den Browsern Google Chrome und Firefox bereits fester Bestandteil. Auch Microsoft arbeitet daran, die Technologie in den Internet Explorer zu integrieren.

Vertrauen zu Kunden und Interessenten aufbauen Persönliche Beratung im Online-Kanal erhöht die Servicequalität und damit auch die Qualität des Produktes. Beim Auto beispielsweise steht nicht das physische Produkt selbst im Vordergrund, sondern der Kunde erwartet ein Eco-System für dieses Produkt. Bei der Kaufüberlegung, die immer öfter mit der Internetrecherche beginnt, wird er genau überlegen, wie der Serviceprozess gestaltet ist. Hat er eine Frage, während er sich online über Fahrzeuge informiert, kann er per Video-Chat an seinen persönlichen Verkäufer verwiesen werden und sich möglicherweise auch per Video einen Eindruck von der nächstgelegenen Verkaufsstelle verschaffen. „Gerade die mittelständischen Unternehmen, zu denen Fahrzeugwerkstätten zählen, werden die Möglichkeit haben, hier präsent zu sein. Die Vor-Ort-Präsenz der Händler und Filialunternehmen ist wichtig, ebenso die Frage, wie diese sich im Wettbewerb differenzieren können“, betont Kloos. Im Blick auf die Finanzbranche ist der Aspekt des Vertrauens oft wichtiger, als es zum Beispiel Zinskonditionen sind. Kunden und Interessenten möchten mit Menschen sprechen. CreaLog Manager Kloos erläutert: „Wenn ich als potenzieller Kunde von einem anonymen Versicherungsportal komme und dann über die Homepage der Bank in die Filiale hineinsehen, per Video- oder Voice-Chat mit einem echten Mitarbeiter noch die letzten Fragen klären und Vertrauen aufbauen kann, dann werde ich mich für

diesen Anbieter entscheiden. In unserer Service-Gesellschaft ist dies ein große Chance: Jenseits der großen Retailer können sich Unternehmen hier positionieren und mit Qualität am Produkt punkten.“

Reporting über alle Kanäle hinweg gewährleisten Sinnvoll ist es, die Anrufe auf dem Weg ins Service-Center vorzufiltern. Es muss eine Verzahnung zwischen der Contact-Center-Lösung und dem Web-Server des Kunden geben, damit der Kunde aufgrund seiner Interaktionen und seiner Historie dem passenden Agenten zugewiesen wird. Weiß der Mitarbeiter im Service-Center, wie der Kunde ein Auto konfiguriert hat, für welches Smartphone er sich interessiert oder welches Möbelstück er sich im Webshop angeschaut hat, kann er ihn schneller und gezielter bedienen als ohne dieses Wissen. Handelt es sich um eine sehr komplexe Website, auf der auch Transaktionen durchgeführt werden, wird bei der Integration von WebRTC auch Co-Browsing relevant. Generell gilt, dass die Integration so nahtlos wie möglich erfolgen sollte. Das heißt: Über alle Kanäle hinweg muss das Reporting gewährleistet sein, damit die Ressourcen im Contact-Center entsprechend gesteuert werden können und das Unternehmen erkennt, ob die Lösung erfolgreich im Einsatz ist. Ist sie es nicht, müssen Überlegungen zu einer Optimierung angestellt werden.

Berater aus Filialen mit einbeziehen Mitarbeiter in Contact-Centern sollten für die Video-Beratung speziell ausgewählt und geschult werden, wobei Michael Kloos für Freiwilligkeit plädiert: „So wie es Mitarbeiter gibt, die gerne Outbound machen, gibt es auch Mitarbeiter, die sich gern mit der Videoberatung befassen, weil sie sich gerne darstellen. Zum anderen gibt es die klassischen Verkäufer, die von den Kunden ja auch über das Contact-Center erreicht werden können. Im Rahmen einer Langfrist-Strategie können die normalen Berater, beispielsweise solche aus Bankfilialen, in den Kreis der Contact-Center-Agenten aufgenommen werden. Das Contact-Center sollte also auf möglichst viele Mitarbeiter ausgebaut werden.“ Mit der neuen Technologie könnte sich der Begriff des Contact-Centers entsprechend verändern. Mitarbeiter in Filialen, auf die unproduktive Leerzeiten entfallen, lassen sich durch verteilte Contact-­Center-Strukturen besser einbinden. Und weil sie in der Filiale bereits sichtbar für die Kunden sind, sind sie auch prädestiniert, in der Video-Telefonie zu glänzen. Wer durch die Implementierung von Video-Kommunikation besseren Kundenservice bietet, wird letztlich mehr Verkaufsabschlüsse erzielen. Noch ist der Video-Kanal allerdings vergleichsweise neu. Es wird getestet, wie effizient er ist. Als gesichert gilt es, dass jeder Video-Kontakt wichtig ist, um zu erfahren, wie das Medium bei den Kunden ankommt. Auf jeden Fall erhöht es die Kundenbindung und bringt als Marketingkanal neue Kontakte.

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Mit Multichannel-Couponing den Wandel im Handel mitgestalten Der Bonusprogrammanbieter Payback hat sein Geschäftsmodell in den vergangenen drei Jahren zu einer Multichannel-Couponing-Plattform ausgebaut. Etwa ein Drittel des Payback-Geschäftes ist heute digital und die Kommunikation mit den Kunden ist synchron über alle Kanäle offline wie online möglich. Online-Marketing-Kanäle sind der E-Mail-Newsletter, die Webseite, eine Facebook-Fanpage, eine Mobile App sowie Terminals in Partner-Stores.

Coupon-Verweigerer via Mobile zum Umdenken bewogen 44 Prozent der Kunden lösen Coupons nur noch online ein. Die durchschnittliche Umsatzsteigerung beträgt mehr als 33 Prozent durch digitale Service-Nutzung. 35 Prozent der Kunden, die mobile Coupons genutzt haben, waren vorher Coupon-Verweigerer. 2013 wurden insgesamt 7,7 Milliarden Coupons verschickt, davon bereits 6,2 Milliarden digital. Seit 2011 haben sich außerdem die Payback App-Downloads auf mehr als drei Millionen verdreifacht. Die Anzahl der mobilen E-Coupon-Aktivierer und -Einlöser vervierfachte sich im gleichen Zeitraum. Die Payback Facebook Fanpage verzeichnete unterdessen einen Anstieg von 280.000 Fans auf über 760.000 Fans. Signifikant erhöht hat sich auch die Zahl der Payback Terminals in den Partner-Stores, sie liegt derzeit bei mehr als 5.500 Geräten.

Dynamische Personalisierung in Echtzeit Mit dem Relaunch von Payback.de im Jahr 2011 wurde das Konzept einer personalisierten Startseite umgesetzt. Dynamische Personalisierung in Echtzeit heißt im Rahmen des Kundenbindungsprogramms, dass alle Angebote, Kaufempfehlungen und Coupons personalisiert über die verschiedenen Kanäle terminiert an die Kunden versandt werden. Mittlerweile sind mehr als 600 Onlineshops auf Payback.de angeschlossen. Schon 2013 verzeichnete das Unternehmen weit mehr als eine halbe Million Visits pro Tag. Die Internationalisierung bei Payback schreitet mit der digitalen Transformation schneller voran als zuvor. In Deutschland startete das Bonusprogramm im Jahr 2000. Nach Polen expandierte das Unternehmen im Jahr 2009. Schon zwei Jahre später, im Jahr 2011, folgte der Markteintritt in Indien, wiederum ein Jahr später kam Mexiko hinzu. Seit 2014 ist Payback auch in Italien aktiv.

Die Mitarbeiterzahl allein bei Payback Deutschland verdreifachte sich in dieser Zeit; wobei 78 Prozent der neuen Stellen in den digitalen Bereichen geschaffen wurden.

Kernprozesse basieren auf digitaler Kommunikation Die erfolgreiche Multichannel-Strategie basiert auf einem Change-Management-Programm, mit dem eine neue Innovationskultur bei Payback implementiert worden ist. Neue Organisationseinheiten mit dezidierten Personalressourcen führen zur Neugestaltung von Linienfunktionen. So sind in den vergangenen Jahren 13 eigene Digitalabteilungen entstanden. Ein wichtiger Aspekt war von Anbeginn die strukturelle Integration der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit. Auch wurden externe Stakeholder als ein vitaler Bestandteil von Geschäftsprozessen erkannt. Beispielsweise arbeitet Payback eng mit mobilen Dienstleistern bei der Neugestaltung der Mobile App zusammen. Entstanden ist eine hochgradig transparente Organisation, in der Entscheidungen in der Regel zusammen ausgearbeitet werden. Die Partizipation der Mitarbeiter über digitale Kanäle ist dabei Standard. So werden auch dynamischere Entscheidungsmodelle mit stärkerer Dezentralisierung und einem Rückzug der Führung aus operativen Prozessen für die Mitarbeiter deutlich. Die Payback-Führung konzentriert sich auf Strategie und Coaching.

Digitaler Wandel als Kernthema strategischer Innovation Der Austausch auf allen Unternehmensstufen und -bereichen ist bei Payback durch die Einführung von digitalen Arbeitsplatzkonzepten gewährleistet. Die Vernetzung der Mitarbeiter findet zum Beispiel über Yammer statt. Change ist Routineaufgabe mit einem breiten Methodenmix. Digitale Experten sind als Leader für den Unternehmenswandel in allen Unternehmensbereichen zu finden. Zwei Intrapreneure werden als zusätzliche „digital accelerators“ eingesetzt. Neben der Weiterbildung in der Breite existiert ein großes Angebot zum Kompetenzaufbau in der Tiefe, etwa bei den firmeninternen „nerd nights“. Bei Payback sind neue digitale Kompetenzzentren in fast allen Unternehmensbereichen entstanden.

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Wie Migipedia zur Beteiligung inspiriert Der Schweizerische Handelskonzern Migros, ein Konglomerat von Genossenschaften, Aktiengesellschaften und Stiftungen, ist 2010 über die Community „Migipedia“ in Social Commerce gestartet. Rund 50 Produkte haben die Community-Mitglieder in enger Zusammenarbeit mit der Migros-Eigenindustrie bislang entwickelt. Diese erzielten in den vergangenen vier Jahren einen (Mehr-)Umsatz von mehr als 40 Millionen Franken.1 Registriert haben sich auf der Plattform mehr als 65.000 Nutzer, aber die Zahl der Besucher beträgt ein Vielfaches davon: rund eine Million. Interessant ist der Community-Name Migipedia, der sich aus dem Unternehmensnamen Migros und Wikipedia zusammensetzt. Damit demonstriert der Handelskonzern, wie wichtig ihm Kundenmeinungen sind.

Warum Migros in Gamifikation investiert Den bereits stark ausgeprägten Gamification-Charakter seiner Plattform baut der führende Schweizer Einzelhändler jetzt weiter aus. Dank einer „Ranking and Reputation Engine“ können besonders gute Beiträge belohnt, Experten-Ränge vergeben und besondere Mitwirkungsrechte verteilt werden. Basis für die Gamifizierung ist eine ausgefeilte Analytics Engine basierend auf der Social Software von Lithium Technologies. Das neue Migipedia soll den Migros-Fans mehr Ausdrucks- und Mitwirkungsmöglichkeiten geben und sie dazu einladen, in einen noch intensiveren Dialog untereinander und mit der Migros einzutreten. Dadurch sollen möglichst viele relevante Inhalte direkt durch die User generiert werden, die wiederum über Suchmaschinen zu mehr natürlichem Traffic auf das Migros-Portal und damit zu mehr Dialog führen.

Testen und entscheiden: Kunden beraten Kunden Kundenempfehlungen sind für Konsumenten weit vertrauenswürdiger als klassische Werbung, hat auch Migros festgestellt. Aufgrund von mehr als 86.000 Produkttipps und -bewertungen, die Migipedia-User erstellt haben, ist die Community-Website zu einem Online-Nachschlagewerk zahlreicher werbefreier Produkt-Informationen geworden. Die Mitglieder testen regelmäßig und gratis neue Produkte und nehmen an Events teil, etwa an professionellen Degustationen. Das Handelsunternehmen seinerseits hat den Wert der Rückmeldungen erkannt, um sein Sortiment kundengerecht zu verbessern: Bewertungen, Ideen, Wünsche und kritische Äußerungen finden den direkten Weg zur verantwortlichen Person innerhalb der Migros. „Dank unserer engen Zusammenarbeit mit den Migros-Industrie-Unternehmen sind wir in der Lage, schnell auf Kundenwünsche einzugehen“, erklärt Hansueli Siber, Marketingleiter MGB. Dieser Aspekt und die Tatsache, dass ein Großteil der Produkte in der Schweiz hergestellt werde, machten Migipedia für andere Unternehmen nur schwer kopierbar. Migipedia wurde 2011 als beste Schweizer Webseite (Best of Swiss Web) ausgezeichnet. Und die Einbindung der Kunden in die Produkt-Entwicklung (Crowdsourcing) erhielt am Schweizer Marketing-Tag 2014 den Publikumspreis.

1 http://www.food-monitor.de/2014/08/migipedia-von-kunden-entwickelteprodukte-bringen-migros-40-millionen/themenfelder/markt-und-produkte

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Eine neue Kultur des Miteinanders In unserer Freizeit teilen wir unser Wissen mit Freunden und Bekannten – über Facebook, Twitter & Co. Was im Privaten gelernt und geliebt ist, kann auch in Betrieben die Kommunikation und Zusammenarbeit enorm bereichern. Sogenannte Social Business Collaboration Plattformen für Unternehmen bündeln Intranet, Community und Projektplattform in einer Anwendung. Sie bieten Firmen die Möglichkeit, Wissen und Informationen schnell und sicher zu teilen. Außerdem steigern sie die Flexibilität und damit die Mobilität, da das Büro nicht mehr an einen Ort gebunden ist, sondern überall sein kann.

Soziale Unternehmensnetzwerke: bessere Interaktion Ein Beispiel für ein Social Business Collaboration-Tool ist die Anwendung „TeamLike“ von der Deutschen Telekom. Entwickelt wurde die Lösung von dem Hamburger Unternehmen mindsmash. Den Anstoß dafür gab ein Büro-bekanntes Problem: Firmengründer Jan Marquardt wollte eine Lösung entwickeln, um E-Mails zu reduzieren, die Kommunikation zu vereinfachen und die Vernetzung voranzutreiben. Dynamische, transparente Kommunikation und Zusammenarbeit – die Funktionen von TeamLike reichen weit über das klassische Intranet hinaus. Mitarbeiter arbeiten gemeinsam an Dokumenten und teilen ihr Wissen in Blogs und Wikis. In Chats können sie sich mit Kollegen sowie externen Geschäftspartnern und Kunden austauschen. Das bringt Licht in den E-Mailund Daten-Dschungel und verbessert die Interaktion in Unternehmen. Solche Lösungen rechnen sich für Unternehmen, davon ist die Unternehmensberatung McKinsey überzeugt.

Nach Schätzungen der Berater verwendet jeder Mitarbeiter 30 Prozent seiner Arbeitszeit für das Lesen und Schreiben von E-Mails. Durch den Einsatz von Social Business Collaboration Tools lasse sich eine Produktivitätssteigerung von 20 bis 25 Prozent erreichen.

Die erfolgreiche Einführung beginnt in den Köpfen Doch nicht immer stößt neue Unternehmenssoftware auf sofortige Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Business Collaboration lebt stattdessen von Eigendynamik und Selbstorganisation. Das kann ein langwieriger Prozess sein, denn die Gewohnheiten der Mitarbeiter werden mit jeder technischen Neuerung umgekrempelt. Es geht also vor allem auch darum, eine neue Kultur des Miteinanders zu etablieren – sowohl intern als auch mit Kunden und Partnern. Daher ist es wichtig, den Kollegen eine Übergangsphase einzuräumen, um sich mit der neuen Lösung vertraut zu machen. Nur so können sie die Vorteile für sich entdecken, akzeptieren – und dann entsprechend auf ihr Arbeits- und Kommunikationsverhalten adaptieren.

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Ausblick

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AUSBLICK

Smarter Service und die dritte Internet-Revolution

„ Die tiefgreifendsten Technologien sind jene, die verschwinden!“ Mark Weiser, 1991 (Computer Visionär) In den letzten Jahren haben die Internet-Unternehmen aus dem Silicon Valley die Digitalisierung dominiert. Die vier Giganten Apple (533 Mrd. Euro), Google (265 Mrd.), Facebook (154 Mrd.) und Amazon (117 Mrd.) beweisen das mit einer eindrucksvollen Marktkapitalisierung von zusammengenommen rund einer Billion Euro gegenüber 990 Milliarden Euro aller DAX30-Unternehmen. Manche Analysten sehen dennoch die deutschen Industrie-Konzerne gut positioniert, um die nächste Runde wieder für sich zu entscheiden. Auch Unternehmen wie Disney, Tesco, Burberry und Nike werden immer wieder als Paradebeispiele für gelungene Digitalisierungsprojekte herangezogen. Sie nähren die Hoffnung, dass in der nächsten Ära des Internets andere Player die Nase vorn haben.

Neues Verhältnis zu physischen Produkten dank Smarter Services Smarte Services wie das NEST Thermostat, das Fitbit Band oder das Sonos Sound System gestalten unser Verhältnis zu physischen Produkten neu. So wie Amazon die Erwartungen der Kunden an den Handel radikal verändert hat, tragen auch diese Produkte dazu bei, dass wir Menschen ähnliche Services in anderen Lebensbereichen erwarten. Die deutsche Wirtschaft läuft jedoch Gefahr, den Anschluss an die vernetzte Service-Ökonomie zu verlieren. Laut MIT und Cap Gemini können nur 15 Prozent der Unternehmen von sich behaupten, proaktiv in die Digitale Transformation hinein zu steuern. Obwohl einige Unternehmen vorpreschen, kommt bei der Mehrheit die Forschung zu kurz. Dabei müssen internetbasierte Dienstleistungen mit der gleichen Akribie konzipiert und umgesetzt werden wie die technologischen Innovationen des industriellen Zeitalters.

Die meisten Unternehmen kämpfen noch damit, einen klaren geschäftlichen Nutzen aus der Digitalisierung zu ziehen. Ihnen fehlen oftmals die Führungskräfte mit der notwendigen Expertise, um die im Einsatz digitaler Technologien liegenden Chancen für das eigene Geschäft zu erkennen, zu bewerten und zu erschließen.

Wertschöpfungsquellen der Zukunft: Produkt als Service denken Innovatoren aus der alten Garde von Industrie-, Handel- und Dienstleistungsunternehmen haben für sich erkannt, dass digitale Expertise zum Wettbewerbsfaktor geworden ist. Sie haben bereits begonnen, durch Kooperationen mit Startups aus der Internet-Szene digitale DNA ins Unternehmen zu holen. Andere Firmen wie Payback haben mit ihren Service-Terminals neue Endgeräte gestaltet. Und selbst der Papst der Wettbewerbstheorie, Michael E. Porter, stellte kürzlich in einem HBR-Artikel fest, dass durch die sich ändernde Natur von Produkten die komplette Wertschöpfungskette disruptiert würde. Unternehmen müssten überdenken, wie sie zukünftig wirtschaften. Eine wesentliche Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist, dass sich IT und Geschäftsstrategie nicht mehr separat betrachten lassen. Sie stellen zwei Seiten derselben Medaille dar. IT wird zum strategischen Werkzeug neuer Geschäftsmodelle und das Internet ist die Infrastruktur. In Zeiten des beständigen Wandels ist die Fast-Follower-Strategie keine Erfolg versprechende Option mehr. Das Nachdenken über neue Betriebsmodelle und die Wirkung, die man in Zukunft liefern will, wird zur Pflicht. Disruptoren sind Unternehmen, die Kundenerwartungen verändern; es reicht nicht, lediglich den Status Quo zu optimieren! Zu den Disruptoren 46


Tony Fadell

Upverter

zählen Firmen wie Apple, Google und Amazon, während Unternehmen wie Mercedes, Siemens oder Bosch ihre Zugehörigkeit noch unter Beweis stellen müssen.

situative Entscheiden steigert auch die Produktivität der Mitarbeiter im Verkauf, denn sie müssen nicht mehr auf jede Eventualität vorbereitet sein. Internet-Investor Fred Wilson, Managing Partner von Union Square Ventures, stellt fest: „We are all nodes on the Network.“

Das Internet der Dinge ist keine Zukunftsvision Schon wird davon gesprochen, dass die Datenwertschöpfung strategisch wichtiger wird, als es die Produktionsanlagen eines Unternehmens sind. Je mehr Sensoren Daten senden, desto größer wird die Bedeutung von Realtime Analytics, um smarte Steuerung zu ermöglichen. Bis 2017 sollen 50 Prozent der Daten-Analysen auf Echtzeit-Daten basieren. Bis 2020 erwartet Gartner bis zu 212 Milliarden Smart Devices, die ans Internet angebunden sind. Diese vernetzten Geräte wirken als intelligente Schnittstellen zwischen digitaler und physischer Welt. Sie ermöglichen informierte Entscheidungen der Nutzer.

Der Preis verflüssigt sich Schon heute wirkt ein Smartphone wie die digitale Repräsentation seines Nutzers und ermöglicht Aktionen, um Informationen effizienter zu katalogisieren, zu quantifizieren und zu bewerten. Die Folge ist, dass schneller als zuvor Entscheidungen getroffen werden können. Die Datenspuren, die vernetzte Kunden hinterlassen, bieten Unternehmen die Chance, basiert auf diesen Daten Next-Best-Offer-Mechaniken einzusetzen und Interaktionen zu personalisieren. Im Klartext heißt das: Der Computer entscheidet beim nächsten Kundenkontakt, welches das beste Produktleistungs-Angebot ist. Preissetzungen werden in Zukunft noch variabler werden. Dieses

Zu Knotenpunkten im Netz sind wir Menschen dadurch geworden, dass wir uns über unsere mobilen Geräte ständig via Internet miteinander verknüpfen. Dies ermöglicht völlig neue Services, die bestehende Marktstrukturen aufbrechen. Ganze Wirtschaftszweige wie die Transport- und Logistik-Branche werden dadurch massiv verändert und umgestaltet. MyTaxi oder der Limousinen-Service Uber transformieren existierende Geschäftsmodelle der Transport- und Mietwagenfirmen. Die mobilen Bezahlsysteme venmo und dwolla nutzen ähnliche Mechanismen. Ein weiteres Beispiel für diesen Trend ist die weltweit größte community-basierte Verkehrs- und Navigations-App Waze, die von Google gekauft wurde. Mit der Veränderung in der Erfahrungswelt der Nutzer entsteht ein disruptiver Ruck – Industrien werden neu gestaltet.

Das Internet verbirgt sich in intelligenten Produkten Damit stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Ära des Internets: Mit der Zunahme an Smart Services umgibt uns das Internet unsichtbar. Anstatt noch einen weiteren Bildschirm in unser Leben zu integrieren, den wir bedienen sollen, treten dienstbare Geister in unser Leben. Technologie wird verbaut in Geräten, Fahrzeugen und deren Alltagsumgebung. Und smarte Produkte erhalten magische Kräfte. Das unsichtbare Internet 47


versteckt sich unter Knöpfen und Schaltern und ist in intelligente Produkte eingebaut, etwa beim Copenhagen Wheel, das beim Radfahren Pedaldruck und Krafteinsatz misst (­www.­superpedestrian.com).

Für Nutzer entsteht eine neue Erfahrungswelt In Braunschweig testet das US-Startup Streetline zusammen mit dem Industriekonzern Siemens ein System, das Autofahrer per Smartphone-App zum nächsten freien Parkplatz navigiert. Dazu installiert Streetline Sensoren im Asphalt, die erkennen, ob dort ein Auto steht. Per Funk gelangen die Informationen an einen Server im Internet und von dort in die App. Noch sind in Braunschweig nur 60 Testsensoren installiert – in San Francisco dagegen sind es schon 7.000. Wenn 100.000 Autofahrer dreimal pro Woche die Park-App nutzen, so die These von Streetline, würden pro Jahr 670.000 Liter Benzin eingespart. 1 Der nächste logische Schritt sind Cyber-physikalische Systeme, die ihre Umwelt „spüren“ und sich in Echtzeit anpassen. Auch hier lautet das Ziel: besser informierte Entscheidungen ermöglichen. Diese neue Generation von Diensten wird autonomer arbeiten und nicht mehr ständiges Entscheiden von uns verlangen. Eine wirklich intelligente Haussteuerung arbeitet nach dem Prinzip „Ich nähere mich meinem Haus und die Heizung fährt hoch“. Cisco schätzt das Potenzial auf 14,4 Billionen US-Dollar. Wem es gelingt, die Chance zu nutzen, der kann in der nächsten Runde der internetbasierten Technologien und Dienstleistungen an Wettbewerbern vorbeiziehen.

Angriff der Internet-Krieger – das Spielfeld ändern und die Regeln brechen Internettechnologien senken jedoch auch die Markteintrittsbarrieren, denn sie ermöglichen es, kostengünstig und fokussiert auch nur einzelne Services anzubieten. Ein Vorteil, den sich zum Beispiel Startups im Bankensektor zunutze machen, 1 http://www.wiwo.de/technologie/auto/verkehrforscher-machen-unsere-strassenschlau/8274940.html

um in das besonders profitable Kreditgeschäft einzutreten. Dazu zählen unter anderem der Peer-to-Peer Kreditanbieter Lending Club oder die deutsche Plattform auxmoney, die bereits über 620.000 Mitglieder zählt. Der nächste logische Schritt geht in Richtung Hardware Business. Die jungen Wilden aus dem Silicon-Valley machen sich auf, die Welt der Alltagsgegenstände zu erobern. Es geht um Produkte, die sich innerhalb der vergangenen 50 Jahre – abgesehen von der Form – nur wenig geändert haben.

Makers Movement – Von der Hobbythek zur Manufaktur für smarte Produkte Auch Menschen ohne besondere Informatikkenntnisse können dank zahlreicher frei verfügbarer Software-Programme ihrerseits zu Entwicklern werden (Github/Upverter) oder Prototypen von Produkten herstellen, etwa kleine Kunststoff-Gehäuse per 3-D-Drucker (MakerBot). Oder es lassen sich mit Mini-Rechnern wie dem Raspberry Pi neben Produkten auch Inszenierungen wie interaktive Lichtinstallationen (Lightpaintings; Arduino) planen und umsetzen, die früher nur händisch mit großem Aufwand möglich waren. Als Produkt- oder Service-Entwickler kann sich somit quasi jede Person betätigen, die in der Lage ist, einen Webbrowser herunterzuladen, und die über Basiswissen in der Verschlüsselung von Daten verfügt. Menschen gelangen so in den Besitz von Gegenständen oder können Projekte starten, die ohne das Internet unerreichbar oder unmöglich zu realisieren waren. Und auch die Projektfinanzierung mithilfe des Internets ist in der Lage, Marktkonstellationen auf den Kopf zu stellen. Die Smartwatch Pebble beispielsweise, deren Entwicklung zur Marktreife mithilfe des amerikanischen Crowdfunding-Portals kickstarter.com gelang, ist in diesem Segment Marktführer vor Sony.

Das nächste Angriffsziel ist gesetzt Eine ganze Armada an Entwicklern greift so mittlerweile den Gesundheitssektor an, denn hier winken bei Erfolg satte Gewinne. Viele Unternehmer der 48


alten Welt übersehen dabei, dass dieser Krieg auf ihrem Terrain unter anderen Wettbewerbsbedingungen stattfindet. Denn dieser Krieg ist asymmetrisch. Es sind zu viele Startups, die sich aufmachen, um mit ihren Produkten die Welt zu verändern. Vor drei Jahren existierte Uber kaum und heute hat der Dienst eine Bewertung von 40 Milliarden US-Dollar – bei einem Umsatz von zwei Milliarden US-Dollar. Und Unternehmen wie Uber zeigen, dass sie bereit sind, auch bestehende regulatorische Barrieren zu überwinden. Dafür sind sie entsprechend finanziell ausgestattet.

Plattform-Business schlägt Service Business schlägt Produkt Business Damit wird auch die Transformation von hierarchischen Organisationsformen zum Netzwerkorganisationsmodell befördert. Als Beispiele für diese These kann die Web-Börse für private Unterkünfte AirBnB herangezogen werden, außerdem der kostenlose Sprachunterricht duolingo oder die bereits erwähnte Plattform zur Projektfinanzierung über Crowdfunding, Kickstarter. All diese Marktplatz- oder Community-Plattformen nutzen die Selbstorganisationskräfte von Interessengemeinschaften, die sich über das Internet organisieren.

Datenverschmutzung und Vertrauen als Währung Neben das nach wie vor drängende globale Pro­ blem der Umweltverschmutzung tritt eine nicht minder schwerwiegende globale Herausforderung: die Datenverschmutzung. Fred Wilson hat dies auf der LeWeb13 wie folgt erläutert2: „Ever since the Industrial Revolution we’ve been polluting the environment – it’s only recently that we’re doing something about it. In the Information Revolution, the pollution is data; it’s the data exhaust, it’s the data that leaks out, it’s the data that’s letting our government spy on us. It’s the data that’s letting Google and Facebook and other services spy on us when we don’t want them to. In

many cases I am happy to have my government and Google and Facebook and others spy on me, but there are times when I would prefer that not to have happened, and we don’t have control over that.” Undichte Stellen im Datenmanagement müssen unter Kontrolle gebracht werden – sowohl im privaten Interesse jedes Individuums als auch im Interesse ganzer Gesellschaften.

Kontrolle über die eigene Identität erlangen Die Tech-Industrie hat es zugelassen, dass es mit Google und Facebook und in gewissem Umfang auch mit Twitter und Amazon nur wenige Profil-Lieferanten gibt, die Identity-Service anbieten. Zwar loggen sich Nutzer an den verschiedensten Stellen im Web ein, dabei nehmen sie aber zumeist die Dienste dieser wenigen Internetfirmen in Anspruch, um sich zu authentifizieren. Das ist einerseits bequem – andererseits erhalten diese Unternehmen Zugang zu einer großen Menge an persönlichen Informationen. Fred Wilson prognostiziert: „There will be, I predict, a Bitcoin like service, a protocol, that’s distributed and global, not controlled by anybody, that’s architected like the internet, that will emerge and allow us to do the same thing in a manner that we control and it gives us control over our identity, trust, and data.”

Fred Wilson

2 www.youtube.com/watch?v=R43OKYmGbhU

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In trust we trust – Vertrauen muss auch „technisch“ hergestellt werden „The ‘Internet of Things’ will never take off if people do not trust the products.” Tony Fadell, Nest Allen Entwicklern von Smart Services ist eines klar: Ich muss eine möglichst hohe Transparenz schaffen darüber, was geschieht, welche Daten gespeichert werden und was mit diesen Daten passiert. Dieser Aspekt wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Für den Kunden muss Transparenz geschaffen werden, sodass er die Erlaubnis zur Nutzung seiner Daten jederzeit widerrufen oder ändern kann. Er muss auch ein Konto mit all seinen Daten löschen können. Hat er selbst die Souveränität (= Kontrolle) über seine Daten, wird er dem Unternehmen seine größtmögliche Offenheit entgegenbringen, so die Theorie. Wer also den Aufbau von Kundenvorteilen durch smarte Personalisierung zum Ziel hat, muss einen vertrauenswürdigen Umgang mit den Daten sicherstellen. Wettbewerbsvorteile entstehen aber nur dann, wenn Erkenntnisse über den Entscheidungsprozess der Nutzer für die Gestaltung Smarter Services gewonnen werden können.

zu messen und sich selbst zu verorten. Mit der Preisvergabe werden Service-Innovationen gefördert, die den Nutzer in den Mittelpunkt stellen, um so effektive und nutzergerechte Mensch-Service-Interaktionen zu demonstrieren. Die begleitende Studie dient dem Benchmarking, der Best-Practice-Kommunikation und dem Know-howTransfer in der Smart-Service-Welt in Deutschland. Mit der Auszeichnung von „Leuchtturm-Projekten“ für smarte Technologien und Services lassen sich vielfältige Mehrwerte für den Standort Deutschland generieren: • Schaffung einer breiten Öffentlichkeit für neue digitale Technologien und Services • Unternehmensübergreifende Nutzung von Innovationen und Erfahrungen • Aufbrechen von „Silo’s“ durch die Organisation eines branchen- und bereichsübergreifenden Austausches von Ideen, Technologien und Kompetenzen in der Öffentlichkeit Der Preis wird damit zum Kristallisationspunkt von Innovationen rund um das Internet der Dinge in Deutschland.

Smarter Service Award als Kristallisationspunkt für das Internet der Dinge Der Smarter Service Award bietet innovativen Unternehmen in Deutschland ein Siegel, um ihre Erfolge einem größeren Publikum zu präsentieren, sich mit Innovationsführern aus anderen Branchen 50


MEHR REICHWEITE AUCH FÜR IHRE „SMARTEN SERVICES“? Dann nutzen Sie die Beteiligungsangebote auf unserem Portal und in unseren Publikationen! Mehr Informationen dazu finden Sie unter http://www.smarter-service.com/sponsoring/

Jens Klemann, Herausgeber

Bernhard Steimel, Herausgeber

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