Buchrezension Izzeldin Abuelaish: Du sollst nicht hassen.

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Izzeldin
Abuelaish:
Du
sollst
nicht
hassen
 Meine
Töchter
starben,
meine
Hoffnung
lebt
weiter
 Englischer Title: „I Shall Not Hate: A Gaza Doctor's Journey on the Road to Peace and Human Dignity“ Erschienen 2010

Dr. Izzeldin Abuelaish ist ein palästinensischer Arzt, der durch seine live übertragenen Telefonberichte an den israelischen Fernseh-Journalisten Shlomo Eldar während des Gaza Kriegs 2008/2009 der Öffentlichkeit bekannt wurde. Damals war der Gazastreifen für Journalisten gesperrt und so wurde der in Israel angestellte und perfekt hebräisch sprechende Dr. Abuelaish zu einer wichtigen Informationsquelle für das israelische Fernsehpublikum. Etwa zehn Tage vor dem Waffenstillstand, passierte dann das für Dr. Abuelaish Unfassbare. Das israelische Militär bombardierte sein Haus. Shlomo Eldar nahm seinen verzweifelten Anruf unmittelbar nach dem Einschlag live entgegen und das israelische Fernsehpublikum erlebte vor laufender Kamera die Verzweiflung dieses Mannes. Der Anruf löste auf israelischer Seite tiefe Bestürzung aus. Drei Töchter von Dr. Abuelaish starben, weitere Familienmitglieder wurden schwer verletzt. Die LiveÜbertragung der Tragödie personalisierte den Krieg für die Isrealis und führte so zu einem Wendepunkt in der öffentlichen Meinung. Dr. Izzeldin Abuelaish hat seine Autobiographie geschrieben um diese Tragödie aufzuarbeiten, die sein ganzes bisheriges Leben in Frage zu stellen schien. Zeit seines Lebens hat er sich für eine Verständigung der beiden Völker eingesetzt, die Israelis immer als seine Freunde betrachtet. Die Schikanen an der Grenze hat er mit Gleichmut und Geduld ertragen. Statt den Zorn seiner Landsleute über die schlechte Versorgung und den Ghetto-Charakter des Gazastreifens zu teilen, hat er sich darum bemüht Verständnis aufzubringen für die Sicherheitskontrollen durch Israelis. Durch seine gute Ausbildung hatte er die Gelegenheit, den Gazastreifen zeitweise zu verlassen und die andere Seite kennen zu lernen. Als Arzt, spezieller als auf das Thema Fruchtbarkeit spezialisierter Gynäkologe, hat er bei den Menschen beider Seiten mehr die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede wahrgenommen, der Wunsch nach Kindern etwa. Das fachliche Interesse half ihm Brücken zu seinen israelischen Kollegen zu schlagen. Und nun dieses schwere Schicksal. „Was haben wir getan?“ fragt er ins Telefon. Sicherlich wäre es in diesem Moment nahe gelegen Hass zu entwickeln, aber Dr. Abuelaish hat sich anders entschieden. Unbeeindruckt vom Schmerz setzt er seinen Lebensweg in der gleichen versöhnlichen Haltung fort, nur den Wohnort der Familie verlegt er nach Toronto, um die überlebenden Kinder in Sicherheit zu wissen. Von Toronto aus kämpft er heute weiter für den Frieden und versucht Verständnis zu wecken für die Situation der Palästinenser deren Wut über die Isolation auch er nicht mildern kann.


Es gibt in seinem Leben zwei dramatischen Höhepunkte: den Krebstod seiner Frau im Jahr 2008 und die Bombardierung seines Hauses im Jahr 2009. Im Buch ist dem chronologischen Lebenslauf ein Prolog vorangestellt: die Szene am Strand von Gaza mit seinen Kindern lag zwischen den beiden einschneidenden Ereignissen in seinem Leben und ist für Abuelaish wohl ein Bild, an das er sich erinnern möchte. Hier entstand das Titelbild mit seinen drei verstorbenen Töchter. Abuelaishs Vorfahren flüchteten während der Vertreibung der Palästinenser nach der Gründung des Staates Israel ins Flüchtlingslager Jabalia im Gaza Streifen. Sie dachten damals noch, dass sie eines Tages wieder in ihre Heimat und zu ihrem Besitz in Israel zurückkehren würden. Izzeldin wird im Lager geboren. Er hat eine harte Kindheit, in der er immer wieder zwischen schulischen Ambitionen und der Pflicht als ältester Sohn für die Familienunterhalt mit aufzukommen hin und her gerissen ist. Trotzdem verliert hört er nie auf in Schule und Ausbildung den einzigen Ausweg aus der Misere im Lager zu sehen. Er geht zum Studium nach Ägypten und wird Arzt. Er heiratet im GazaStreifen und nimmt seine junge Familie für ein paar Jahre mit ins Ausland. Als die Familie nach Gaza zurückkommt, beginnt er als Arzt in einem israelischen Krankenhaus zu arbeiten. Er wird zum Pendler zwischen den verfeindeten Welten. Der Grenzübertritt ist durch Schikanen der israelischen Grenzposten so unplanbar, dass er höchstens einmal pro Woche zu seiner Familie fahren kann. Er kämpft um eine bessere Gesundheitsversorgung für den Gazastreifen. Um sich weiterzubilden, nimmt er ein Stipendium im Ausland an, und erfährt so erst spät von der Krebserkrankung seiner Frau. Als die Familie m endlich die Wahrheit sagt, und er sofort zurückfliegt, wird er durch Schikanen an der Grenze tagelang aufgehalten. Seine Frau liegt bereits im Sterben als er eintrifft. Es ist ein schwerer Schlag für ihn und seine acht Kinder. Dennoch hat die Familie ihren Alltag dank der Unterstützung durch Verwandte bald wieder im Griff. So ist die Situation an jenem Tag am Strand ein Luftholen für Dr. Abuelaish bevor das Schicksal erneut zuschlägt. Dr Abuelaish schreibt spannend und mitreißend. Zu Recht wird er bei Leuten, die den Nahost-Konflikts verfolgen, als Hoffnungsträger gefeiert, bringt er doch einen neuen Aspekt in diesen Konflikt: den Aspekt der Versöhnung. Könnten der Staat Israel und die Palästinenser sich gegenseitig ihre Untaten so verzeihen, wie Dr. Abuelaish es ihnen vorlebt, gäbe es heute keinen Nahost-Konflikt mehr und die beiden Völker könnten in Frieden miteinander leben. Leider aber ist von Versöhnung in dieser Region bis heute wenig zu spüren. Aber wie sollte es auch dazu kommen, braucht es doch für ein gegenseitiges Verständnis Begegnungen und gemeinsame Erfahrungen, so wie sie Dr. Abuelaish erleben durfte, wie sie den meisten seiner Landsleute durch die Isolationspolitik Israels verwehrt bleiben. Ich wünschte, dass viele Israelis dieses Buch zur Hand nehmen und Israel die Ausrichtung seiner Politik ändern wird, so dass auch Palästinenser eines Tages Freizügigkeit von Menschen und Waren genießen können, so wie sie in anderen Teilen der Welt, auch in Israel, heute selbstverständlich sind.


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