KINTSUGI UND EINE DIYANLEITUNG FÜR EILIGE Japanische Handwerkskunst 2/2 Es ist doch eine Traumvorstellung: Aufwertung durch Reparatur. Ein Objekt, zum Beispiel eine Schale aus einer alten, längst nicht mehr erhältlichen Serie, geht zu Bruch – und was machen wir? Anstatt den Verlust zu bedauern, reparieren wir sie nicht nur, sondern machen sie dank kintsugi zu etwas Besonderem. Kintsugi bedeutet, dem Objekt seine ganz eigene Geschichte einzuschreiben – in Form einer ganz individuellen keshiki, einer »Landschaft« aus Goldlinien. Was nicht besser zum aktuellen Nachhaltigkeits-Zeitgeist passen könnte, ist in Japan schon lange üblich. Im Sinne der Philosophie, Schönheit eben im Vergänglichen und in der Individualität zu finden (wabi sabi), gewinnt ein Objekt dank kintsugi also sogar an Wert – emotional wie materiell. All das ging mir durch den Kopf, als ich neulich zwei Schalen aus einem schönen weißen achteckigen Service, das wir schon lange haben, ungünstig übereinanderstapelte – und eine zerbrach. Zum Glück in zwei glatte Hälften. Perfekte Voraussetzungen für ein Experiment! Text: Elisabeth Stursberg
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