21. Juli 2007
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Jahre Wochenblatt
Porträt: Daniel Hirt, Volksbank Hegau
Porträts
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Aus Vernunftehe wurde Erfolgsgeschichte Bankenfusionen beschäftigen ab Anfang der 90er Jahre verstärkt die Region. Den Anfang machte im größeren Regionalbereich die Volksbank Stockach, die 1990 mit der Volksbank Überlingen fusionierte um daraus eine neue Stärke zu gewinnen. Doch eine andere Bankenfusion sorgte für viel mehr Aufregung. 1996 ging die Volksbank Engen in die Knie, nachdem risikoreiche Kredite platzten und die Bank insgesamt zuviel Ehrgeiz in Sachen Wachstum an den Tag gelegt hatte.Die Bank musste 1998 mit der viel jüngeren Volksbank Singen fusionieren, die im Jahr 2006 dann zur Volksbank Hegau umfirmierte. Volksbank Vorstand Daniel Hirt, der nach der Trennung von Albert Kempter die Sanierung der Volksbank übernahm, erinnert sich. Frage: Herr Hirt, im Jahr 1994 kam es zu großen Problemen der damals noch selbstständigen Volksbank Engen. Wie sehen sie die Ereignisse aus der heutigen Position heraus? Daniel Hirt: Es waren Ereignisse, die damals natürlich im negativen Sinne zukunftsweisend für die Volksbank Engen waren. Es wurden Kredite vergeben, die schlichtweg nicht sachgerecht waren und ein zu großes Risiko in sich geborgen haben. Das hat einen extrem hohen Wertberichtigungsbedarf damals für die Volks-
bank Engen erzeugt. Es hat in der Konsequenz dafür gesorgt, dass sämtliche stille Reserven bis auf das notwendige Eigenkapital aufgebraucht worden sind und darüber hinaus, weil diese Reserven nicht ausreichten, die Unterstützung der Sicherungseinrichtung der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken notwendig wurde. Frage: Sie mussten damals 36 Millionen D-Mark aufnehmen um die kurzfristige Existenz der Bank zu sichern. Wie lange hat die Volksbank Engen gebraucht um eine Sanierung abzuschließen? Hirt: War haben damals Barmittel wie auch Bürgschaften von der Sicherungseinrichtung bekommen. Die Sicherungseinrichtung hat dann im Zusammenhang mit der damaligen Fusion mit der Volksbank Singen uns eine Besserungsscheinverpflichtung auferlegt, die vorgesehen hat, dass ein Betrag von damals 11 Millionen D-Mark über einen Zeitraum von 10 Jahren von 1998 aus gesehen zurückzuzahlen gewesen wäre. Der Rest der Sanierungsmittel, die insgesamt deutlich höher waren, wurde von der Sicherungseinrichtung geschultert, uns mehr oder weniger geschenkt. Wir haben dann diese 11 Millionen D-Mark bis 2004 schon vorzeitig komplett zurückzahlen können, weil nach der Fusion die Geschäfte sehr gut gelau-
Porträt: Gerhard Straub, Geschäftsführer »ETO MAGNETIC«
Daniel Hirt, Vorstand der Volksbank Hegau erinnert sich an die Vorgänge aus dem Jahr 1994, die zur Fusion der Volksbank Engen und Singen führten. swb-Bild: of
fen sind. Die Fusion hat sich als richtig erwiesen. Frage: Es ist immer von der Haftung der Bankvorstände mit ihrem Privatvermögen die Rede. Herr Kempter musste damals nur mit einem Bruchteil der Schadenssumme haften.
Hirt: Herr Kempter hat, so wie das bei allen Bankvorständen ist, komplett mit seinem Privatvermögen gehaftet. Was in diesen Fällen dazu kommt, ist natürlich die Rolle der Versicherung. Ein Teil des Schadens, den ein Vorstand anrichten könnte, ist bei jeder Bank mit einer so genannten Vertrauensschadenversicherung abgesichert. Alleine schon die Versicherung legt Wert darauf, dass alles, was ein Vorstand an freiem Vermögen hat, in solch einer Phase gebracht wird. Frage: Die damalige Volksbank Engen musste mit der Volksbank in Singen fusionieren um überleben zu können. Wiederum brauchte die Volksbank Singen ein Umland. Wäre die Fusion auch ohne den damaligen Skandal notwenig gewesen? Hirt: Es war sicher nicht von Anfang an eine Liebesheirat, sondern eine Vernunftehe. Aber es ist, um das mal so zu sagen, bald schon das entsprechende Gefühl dazu gekommen. Anfang des neuen Jahrtausends wären diese Fusionsgespräche ohnehin angestanden, weil Banken, die sich nur im städtischen Gebiet bewegen, sicher nicht dauerhaft das Geschäftsgebiet gut abdecken können. Frage: Inzwischen ist es in Sachen Fusionen sehr ruhig geworden. Haben die Volksbanken hier ihre Idealgrößen gefunden oder kommt das Thema erst wieder in
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Zeittafel 1992 fusionierte die Volkbank Stockach mit der Volksbank Überlingen 1994 kam die damalige Volksbank Engen durch risikoreiche Kredite in große Schwierigkeiten. 1997 wurde die Fusion der Volksbanken Radolfzell und Konstanz vollzogen 1998 kam die Fusion der Volksbank Engen mit der Volksbank Singen 2001 entschloss sich die Volksbank Steißlingen zum Anschluss an die Volksbank Radolfzell-Konstanz 2002 Schließt sich die Volksbank Bodman der Volksbank Überlingen-Stockach an.
der Frage einer »großen Fusion« mit den Sparkassen, wie immer wieder von der EU gefordert, auf den Tisch? Hirt: Wenn es je zu Fusionen zwischen Volksbanken und Sparkassen kommen sollte, wird bis dahin noch sehr viel Zeit vergehen. Im Moment sieht es auch nicht danach aus, dass eine neue Welle im Fusionsbereich kommt, weil jedes Haus in den letzten Jahren seine Hausaufgaben gemacht hat. Wir haben durch die Vertriebsintensivierungen in den letzten Jahren und wir haben in vielen unserer Kerngeschäftsfelder Marktanteile gut machen können. Was uns im Moment etwas weh tut, ist die historisch niedrige Zinsstruktur. Frage: Ende der 80er Jahre wurden die ersten Geldautomaten aufgestellt, fünf Jahre später kam das Online-Konto, alle Zeichen gingen in Richtung einer virtuellen Bank. Sie setzen trotzdem auf eine Bank mit Beratungskompetenz. Hirt: Geldautomaten und E-Banking haben ihre Existenzberechtigung und einen extremen Zulauf gehabt. Inzwischen werden 40 Prozent der privaten Girokonten in unserem Hause online geführt, bei den gewerblichen Kunden ist das die Regel. 70 Prozent aller Transaktionen im Bargeldbereich werden über Geldautomaten getätigt. Diese Flexibilität der Automatisa-
tion wird auch gefordert. Das Bankgeschäft ist etwas Besonderes, was ein Vertrauen zu einer Person braucht. So wie man zu einem Arzt ein Vertrauen aufbaut, will man ein Vertrauensverhältnis zu einem Banker haben. Deshalb ist es ganz klar, dass wir auf Beratung setzen und nach den letzten innerbetrieblichen Veränderungen noch stärker auf diesen Kontakt bauen. Das Gespräch führte Oliver Fiedler
reich und haben da große Autokunden. Wir haben 1992 etwa 50 Millionen Euro Umsatz gemacht, in diesem Jahr erwarten wir weltweit einen Umsatz von 210 Millionen Euro. Davon erwirtschaften wir etwa 50 Prozent in Stockach. Frage: Sie haben auch ein Werk in Polen gebaut. Ist der Standort Deutschland nicht mehr attraktiv? Gerhard Straub: Wir werden in diesem Jahr im September ein neues Werk in Polen mit etwa 8.000 Quadratmetern beziehen. Deutschland ist für bestimmte Produkte als Standort nicht mehr akzeptabel. Wir brauchen den osteuropäischen Raum als Absatzmarkt, und da ist Polen wichtig zur Erschließung der osteuropäischen Märkte. Polen ist jetzt schon kein BilligLohn-Land mehr. Diese Tendenz wird sich fortsetzen. Frage: Immer wieder werden die mangelnden Fähigkeiten von Azubis beklagt. Worauf legen Sie bei der Einstellung Wert? Gerhard Straub: Die Ansprüche, die auf die jungen Leute während der Ausbildung zukommen, sind nicht gering, wenn die Ausbildung auch wirklich diesen Namen verdient. Daher legen wir Wert auf eine gute Vorbildung durch die Schule, soziale Kompetenz und einen ausgeprägten Leistungswillen. Die jungen Leute sollen zeigen, was sie können, vor allem
müssen sie dies aber auch wollen. Wir bilden übrigens nur in Stockach aus. Unsere anderen Werke sind noch zu klein dafür. Frage: Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren? Gerhard Straub: Der Wettbewerb wird noch heftiger werden. Unternehmen können nur mit exzellenten Mitarbeitern und anspruchsvollen Produkten bestehen. Es wird immer gute und schlechte Zeiten geben. Gerade hätten wir eine gute Zeit, wenn die hohen Rohstoffpreise nicht wären. Wir brauchen 1,5 Millionen Kilo Kupfer im Jahr, und der Preis dafür ist seit 2003 um vier Euro pro Kilo gestiegen. Frage: Werden im Rahmen der »Christa und Hermann Laur Stiftung«, des Kapitalgesellschafters der ETO-Gruppe, auch in den kommenden Jahren weitere Projekte in der Region gefördert? Gerhard Straub: Wir sind der Region, aus der unsere Mitarbeiter kommen, mehr verpflichtet als anderen Gebieten. Bisher ist die Stiftung nur in der Region tätig, noch nicht in China, Polen oder den USA. Wir sind an die Satzung und den Stiftungszweck gebunden. Danach werden Projekte aus den Bereichen Soziales, Forschung, Lehre, Heimatpflege, Kunst und Wissenschaft unterstützt. Die Fragen stellte Simone Weiß
Ein Lenker am Drücker Zeittafel 1948 Gründung der Firma »ETO MAGNETIC« in Oberuhldingen 1970 Einstellung auf die heutigen Produkte und Märkte 1979 Gerhard Straub tritt in das Unternehmen ein 1981 Gerhard Straub wird Geschäftsführer 1992 Umzug von UhldingenMühlhofen und Eigeltingen nach Stockach 1999 »EKS« in Vaihingen wird übernommen 2000 Werke in den USA und Polen werden gegründet 2002 »SENSORIC« in Nürnberg wird übernommen 2003 der »Engineering-Bereich« wird um 3.000 m2 in Stockach erweitert 2005 Gründung eines neuen Werkes in China und Kauf von »LDI« in den USA 2007 »ETO MAGNETIC« erwartet einen Umsatz von 210 Millionen weltweit
40 Jahre WOCHENBLATT Singen. 40 Jahre, in denen hat sich auch im Bereich der Wirtschaft viel getan. »ETO MAGNETIC« in Stockach etwa hat sich in Bezug auf Mitarbeiterzahlen, Ausbildungsplätze und Umsatz stark vergrößert. Ein Gespräch dazu mit Gerhard Straub, dem Geschäftsführer der »ETO-Gruppe«. Frage: Warum ist die Firma »ETO MAGNETIC« 1992 von Uhldingen-Mühlhofen und Eigeltingen nach Stockach umgezogen? Gerhard Straub: In Uhldingen-Mühlhofen hatten wir unser Hauptwerk, in Eigeltingen nur eine Betriebsstätte. Zwei Standorte wollten wir auf die Dauer nicht mehr haben. Außerdem sind wir größer geworden und hatten Wachstumsziele, doch dafür waren die vorhandenen Grundstücke und Gelände zu klein. Da wir nicht erweitern konnten, trafen wir die Grundsatzentscheidung für den Neubau. Wir sind mit 700 Mitarbeitern und zwei Werken innerhalb von zwei Wochen umgezogen. Frage: Warum haben Sie sich für Stockach als neuen Standort entschieden? Gerhard Straub: Wir haben uns nicht die Makrosituation angeschaut. Denn ganz Deutschland oder ganz Baden-Württemberg kam für uns als Standort nicht in Frage. Denn sonst hätten wir unsere Mitarbeiter verloren. Zudem war die Situati-
on damals eine andere. Im Bereich Friedrichshafen und Überlingen bestand eine sehr große Nachfrage nach Arbeitskräften vor allem von Großunternehmen. Als maximale Entfernung kamen daher etwa 30 bis 40 Kilometer in Frage. Darum haben wir eine Standortanalyse in diesem Nahbereich durchgeführt, aus der Stockach als für uns am besten geeigneter Standort hervorging. So sind wir ins Stockacher Industriegebiet »Hardt« gezogen. Hier haben wir ein Gebiet mit einer für die Industrie idealen Topographie. Es gab genügend Flächen auch für eine Erweiterung. Und wir können im näheren Umkreis etwa 120.000 Einwohner innerhalb einer vernünftigen Zeit erreichen. Für Bodensee-Verhältnisse hat es hier zudem eine gute Verkehrsanbindung. Natürlich haben große Städte ihre Vorteile. Es ist leichter, qualifiziertes Fachpersonal zu bekommen. Denn wenn es nicht klappt, finden die Menschen leichter wieder eine Stelle vor Ort, ohne umziehen zu müssen. Wenn beide Ehepartner hoch qualifiziert sind, ist es in einer großen Stadt außerdem leichter, für beide einen Arbeitsplatz zu bekommen. Aber in Stockach sind Bürgermeister, Gemeinderat und Verwaltung sehr industriefreundlich. Frage: 1992 hatte »ETO MAGNETIC« 700 Mitarbeiter und 13 Azubis, heute sind es 880 Mitarbeiter und 57 Azubis allein in
Stockach und 1.500 Mitarbeiter weltweit. Wie kam es zu dieser Entwicklung? Gerhard Straub: Wir haben die Umsätze massiv gesteigert, und wir haben uns erweitert. 1999 haben wir einen Wettbewerber, die »EKS« in Vaihingen, übernommen, 2000 haben wir Werke in Polen und den USA eröffnet. 2002 kam die »SENSORIC« in Nürnberg hinzu, und 2005 haben wir Werke in den USA und China gegründet. Es ist für unsere Kunden wichtig, in der Triade Europa, USA und Asien (China) aktiv zu sein. Außerdem kümmern wir uns seit 2000 stark um den Pkw-Be-
Seit 1981 ist Gerhard Straub Geschäftsführer der ETO Gruppe. swb-Bild: ETO
1967 | 1968 | 1969 | 1970 | 1971 | 1972 | 1973 | 1974 | 1975 | 1976 | 1977 | 1978 | 1979 | 1980 | 1981 | 1982 | 1983 | 1984 | 1985 | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998 | 1999 | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007