21. Juli 2007
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Jahre Wochenblatt
Porträt: Friedbert Lang
Porträts
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Erst die Patientenzimmer, dann die OPs 1992 kam Friedbert Lang als Geschäftsführer ans Singener Krankenhaus. Beworben hatte er sich, weil die Änderung der Wirtschaftsform anstand. 1995 wurde die GmbH dann gegründet. Wie kam der studierte Wirtschaftsingenieur zum Managerposten in einer Klinik? Nach dem zweiten Semester des Studiums in Karlsruhe hatte er dort im Klinikum seinen Zivildienst geleistet. Während seines weiteren Studiums hat er dort gejobbt, um eben auch sein Studium zu finanzieren. Seine Diplom-Arbeit hat er über OP-Organisation geschrieben. Direkt nach dem Studium wurde von der Klinik angefragt, ob er dort nicht anfangen wollte.
Lohnt sich dieses ständige Hinterherhecheln hinter der Reform? Das demotiviert das Personal in den Krankenhäusern, sagt Friedbert Lang, der Geschäftsführer des HBH-Kliniken-Verbunds. Zu groß sei dieser Verbund nicht geraten, sagt er. Nein, diese Größenordnung erlaube es, die Probleme zu durchstehen. Diese Größe brauche man, um die Selbständigkeit zu erhalten. Ambulant statt stationär werde in Singen seit vielen Jahren bisher bestens praktiziert. Mit den Großgeräten der Radiologie habe Singen 1991 den richtigen Weg beschritten, 1994 sei der Linksherzkathetermessplatz hinzugekommen. Das gegenseitige Vertrauen zwischen stationär und ambulant müsste wachsen. Die medizinischen Versorgungszentren müssten noch diskutiert werden. Aber das sei nicht das Ende der niedergelassenen Ärzte, wie immer wieder befürchtet werde. Die Fragen stellte Hans Paul Lichtwald. Frage: Wie sind Sie ab den späten 70er Jahren ins Krankenhauswesen hineingekommen und wie haben Sie diese Zeit erlebt? Friedbert Lang: Das waren Jahres des Umbruchs. 1972 war das Krankenhausfinanzierungsgesetz verabschiedet worden. Da mussten die Krankenhäuser die kaufmännische Buchführung einführen.
1980 kam dann die Kostenrechnung als Pflicht dazu. Ich kam also in einer Zeit ins Krankenhaus, in der wirtschaftliche Abläufe neu installiert wurden. Diese Mischung aus gemeinnütziger Tätigkeit und Häusern, die wirtschaftlich geführt werden müssen, hat mich interessiert. Dafür wollte ich mich einsetzen. Dass man damals gestalten konnte, hatte unheimlich Spaß gemacht. Das war die Zeit der Ablösung des alten Rathaus zu betriebswirtschaftlicher Struktur. Für einen jungen Studenten war dies eine großartige Zeit, auszuprobieren, was uns an der Uni gelehrt wurde. Frage: Wie haben Sie Singen dann 1992 angetroffen, wo die Diskussionen ja über die Betriebsform schon länger liefen? Lang: Ich hatte ja schon zwölf Jahre Krankenhaus hinter mir, als ich nach Singen kam. Das war eine reizvolle Aufgabe, den strukturellen Wandel an einer mittelgroßen Klinik mit damals 550 Betten durchführen zu können. Singen hatte die Aufgabe der Umwandlung in einer Zeit ausgeschrieben, als praktisch alle Krankenhäuser noch als städtische Regiebetriebe geführt worden sind. Ich habe meine Vorstellungsgespräche hier geführt, Helmut Graf vom Förderverein kennengelernt und gespürt, dass Singen ein offenes Ohr für Neuerungen hat. Die
Friedbert Lang.
swb-Bild: privat
Entscheidungsträger waren nicht nur für Neuerungen offen – sie wollten es auch tun! Frage: Hat sich diese Einschätzung dann auch in der Praxis bestätigt? Lang: Wie sich gezeigt hat, war diese Einschätzung kein Trugschluss und das Feld in Singen war reif für Veränderungen. Auch für mich war das ein Glücksfall, die Anzeige damals gesehen zu haben.
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Porträt: Ärztehaus Singen
Frage: Das war natürlich auch der Zeitpunkt, als es darum ging, kompletter Neubau oder Sanierung in Abschnitten. Klappt die Finanzierung für einen kompletten Neubau oder nicht? Das war dann wohl die Phase, in der Möhrle das Richtige gemacht hat. Also den Neubau nicht zu riskieren, obwohl der nicht teurer geworden wäre als das, was alles inzwischen gemacht wurde. Lang: Daran kann ich mich noch gut erinnern. Beim Aktenstudium habe ich einen Wirtschaftsplan vorgefunden, bei dem der Neubau mit 300 Millionen Mark veranschlagt war. Der nachfolgende Umbau der Altbausubstanz war dabei noch nicht beinhaltet. Also wer zahlt das? Die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt waren damals schon rückläufig. Und die Zusagen des Landes waren auch nicht da. Wir hatten zwar dann baureife Pläne, aber keine Finanzierung. Dann haben wir halt damals die Reißleine gezogen. Wir brauchen Alternativen. Die strategische Entscheidung war, erst die Krankenzimmer anzugehen und die Naßzellen zu modernisieren. Und dann die technisch aufwendigen Arbeiten angehen. Krankenhäuser leben halt von Technik. Aber was nützen uns die Ausstattungen, wenn der Patient in Sechsbettzimmern liegt oder gar nicht mehr nach Singen kommt.
Frage: Wie ging es dann in den Schritten weiter? Lang: Wir haben das Personalwohnheim umgebaut und hatten auf einen Schlag 120 neue Krankenzimmer. Das war ein großer Befreiungsschlag. Dann kamen das blaue Haus und der Altbau. Erst nach dem Jahr 2000 haben wir dann den Funktionstrakt angepackt. Das war alles richtig, denn heute haben wir die hochmodernste Technik unseren Patienten zu bieten. Frage: Andreas Renner hat einmal gesagt, 2007 sei das Jahr der Wahrheit, dann müsse das Krankenhaus von den roten Zahlen in die schwarzen Zahlen gelangen. Das ist aber nicht der Fall. Lang: Das war eigentlich unsere Planung für 2007. Wir waren da genau auf dem richtigen Weg, bis der Gesetzgeber im letzen Jahr der Meinung war, das Gesundheitswesen müsse noch weiter sparen. Da sind auch wir auf die Straße gegangen und haben darauf hingewiesen, dass das Sparen ein Ende haben muss. Zum 1. 4. 2007 kamen die Reformen, die Ärztestreiks kamen im letzten Jahr hinzu. Die Prozesse müssen neu definiert werden. Gehofft haben wir eigentlich, ab 2007 mit einer stabilen Gesetzeslage einmal fünf Jahre in Ruhe arbeiten zu können. Hans Paul Lichtwald
Ärztehaus war 1973 revolutionär Das Singener Ärztehaus am Kreuzensteinplatz war in den 70er Jahren revolutionär. Ärzte agierten üblicherweise allein in ihren Praxen, die über die Wohnbezirke verstreut waren. Einen Platz für alle Fachrichtungen zu schaffen, war die Idee von Dr. Robert Ehret, der selbst bahnbrechend in der Neurologie tätig war. Er spürte die Veränderungen nicht nur in seinem Fach: Viele Krankheiten hatten sich vom stationären in den ambulanten Bereich verschoben. Wenn der Hausarzt nicht weiterkam, überwies er ins Singener Ärztehaus. Kam dort der Orthopäde nicht weiter, schickte er zum Neurologen, reflektiert Dr. Thomas Adam die Entwicklung im Gespräch mit dem Wochenblatt. Das Projekt schlug so ein, dass manche Befürchtungen, hier würde eine Überweisungsmechanik entwickelt, völlig aus der Luft gegriffen waren. Durch die räumliche Nähe ganz unterschiedlicher Spezialisten konnten noch am gleichen Tag Probleme des Patienten abgeklärt werden. Das sicherte den Einzugsbereich bis vor die Tore von Waldshut, bis nach Sigmaringen, Markdorf und kurz vor Konstanz. Das war auch die Zeit, in der Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle auf solche Kooperationsmodelle in Singen setzte, denn damit wurde die Stadt langfristig zum Ge-
So hat der Bodmanner Künstler Peter Lenk die Gründergeneration des Singener Ärztehauses karrikiert. swb-Bild: li sundheitsstandort ausgebaut. Die Neurologie ist in den 80er Jahren geradezu explodiert. Das zeigte sich gerade in der Praxis von Dr. Robert Ehret, der nacheinander vier Kollegen mit hin-
zunahm: 1980 war es Dr. Rolf Sattleger, 1983 Dr. Klaus Moser, 1990 Dr. Thomas Ehret und 1992 Dr. Thomas Adam. Jetzt tritt Dr. Holger Roick in die Fußstapfen von Dr. Klaus Moser, der lange seiner Krankheit getrotzt hatte. Das Ärztehaus stand früh für Großgeräte und bahnbrechende Investitionen, was natürlich auch eine Menge Ärger eingebracht hat. Der Computertomograph war 1978 schon bahnbrechend. Für die Neurologie war dieses Gerät bundesweit ein gewaltiger Schritt, resümiert Dr. Thomas Adam heute. Unfallopfer mit Hirnschädigungen konnten hier diagnostiziert werden, was natürlich auch zu Reibungen führte. Was kein Krankenhaus hatte, stand im Singener Ärztehaus bei Ehret! Und so ging es weiter: Der erste Kernspintomograph stand im Ärztehaus, was 1990 zum Konflikt im Singener Gemeinderat führte. Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle wollte nun auch eines für das Krankenhaus, was dann auch nach heftigen Debatten mehrheitlich beschlossen wurde. Für Dr. Thomas Adam ist das heute alles Geschichte, denn diese Großgeräte stehen an vielen Orten und die EMSA kooperiert heute bestens mit dem Singener Klinikum. Als Dr. Adam 1992 nach Singen kam, wurde er von vielen Seiten erwartet,
denn er hatte die Befähigung, den Kernspintomografen zu bedienen. Pointe: Dr. Christian Zwicker, der den städtischen MR im Krankenhaus bedienen sollte, hat heute seine Praxis als niedergelassener Arzt just im Ärztehaus. Für die Kooperationsmodelle hat Dr. Robert Ehret einmal mehr Lehrgeld zahlen müssen. Das zeichnet ihn eben aus: Er war seiner Zeit immer ein paar Jahre voraus. Das war beim Kernspin so, der als Gerät damals 20 Tonnen gewogen hat. Die Firma Philipps hatte ein Gerät mit nur 5,6 Tonnen entwickelt gehabt. Kurzum: Das erste überhaupt stand im Singener Ärztehaus. Die Versorgung wie in einer Großstand hatten die Patienten hier in der Region. Das heutige MRGerät entspricht dem einer Uni-Klinik. Die Gesundheitsreform stellt selbst eine Praxis wie EMSA vor große Probleme: Einnahmen sind weggebrochen. Um den Stand zu halten, sind zehn bis 20 Prozent Mehrarbeit nötig, sagt Dr. Adam. Wird ein Patient noch am Abend einbestellt, muss er sich nicht wundern: Die Ärzte sind harte Arbeit gewohnt. Als bei ihnen der erste CT stand, hatten sie rund um die Uhr Einsatzbereitschaft. Das war wahrscheinlich der zweite Teil des Erfolgsrezepts. Hans Paul Lichtwald
Stichtag 3. Oktober Der 3. Oktober ist heute der Deutsche Nationalfeiertag. Just an dem Tag im Jahr 1973 wurde in Singen das Ärztehaus eröffnet. Neben dem Bauherrn Dr. Robert Ehret (Neurologie) zogen drei weitere Ärzte der ersten Generation ein: Dr. Rodewyk (Innere Medizin), Dr. Goller (Zahnmedizin) und Dr. Troll (Hals, Nasen und Ohren). Die Entwicklung ging rasant weiter. High Tech war angesagt. Mit dem Computer-Thomografen und dem Kernspin-Thomografen wurde später bundesweit Neuland betreten. 100 000 Patientendaten gehören in der ganzen Region zur EMSA, die sich aus Platzgründen aus dem Ärztehaus hinausentwickelt hat. Ehrets Sohn Thomas ist im Ärztehaus heute Sprecher der
Eigentümergemeinschaft. Es wurde renoviert und ein ambulanter OP für alle Ärzte dort neu im Tiefgeschoss eingerichtet. Das Ärztehaus war von Anfang an bahnbrechend: Sogab es ein Bewegungsbad im Keller und einen Bademeister, auch der Mas-
seur war im Haus. Und unten war die Apotheke. Gesundheit aus einer Hand an einem Ort, das kam bei den Patienten an. Und plötzlich pilgerten viele aus dem Umland nach Singen . . .
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