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«IN WAGNERS MUSIK

MUSS MAN GANZ TIEF EINTAUCHEN»

VON CORINA KOLBE

Richard Wagners Opern lassen den britischen

Dirigenten Sir Mark Elder seit seiner Jugend nicht mehr los. Nach dem 3. Aufzug aus Parsifal führt er nun mit dem Sinfonieorchester Basel den 3. Akt aus Siegfried auf. Im Interview spricht er über die unwiderstehliche Wirkung, die diese Musik nicht nur im Opernhaus entfaltet.

CK Wann haben Sie den Ring des Nibelungen für sich entdeckt?

SME In den 60er­Jahren verbrachte ich einen Sommer mit Freunden auf dem Land, nahe Oxford. Wir waren noch Teenager. Irgendwann legte jemand eine Schallplatte mit dem 3. Akt aus Siegfried auf. Die Einspielung mit Sir Georg Solti und den Wiener Philharmonikern war zu der Zeit die einzige verfügbare Aufnahme des Ring. Ich werde nie vergessen, wie sehr mich diese Musik aufgewühlt und fasziniert hat. So etwas kannte ich bis dahin nicht. Das war mein musikalisches Erweckungserlebnis.

CK Sind Sie bald darauf nach Bayreuth gefahren, um den Ring im Haus des ‹Meisters› zu hören? 1981 dirigierten Sie dann selbst auf dem Grünen Hügel – allerdings nicht die Tetralogie, sondern Die Meistersinger von Nürnberg.

SME In Bayreuth erlebte ich schon Ende der 60er­Jahre den Ring in der Regie von Wieland Wagner, am Pult stand Lorin Maazel. Weitere Vorstellungen hörte ich am Londoner Opernhaus Covent Garden unter Leitung von Solti, für den ich später Aufführungen vom Rheingold und der Götterdämmerung vorbereitete. Da hatte mich Wagner bereits völlig in seinen Bann gezogen. Seine Opern können starke Emotionen wecken, wenn man sich darauf einlässt. In diese Musik muss man ganz tief eintauchen.

CK Wagner hat eine riesige Fangemeinde, die sich über die gesamte Welt verteilt. Was macht sein Werk so zeitlos?

SME Es ist nicht erstaunlich, dass so viele Menschen überall hinreisen, um diese Opern zu sehen. Die Fragen, die seine

Stücke behandeln, sind nach wie vor sehr aktuell. Das trifft vor allem auf den Ring zu. Darin geht es um das Böse des Kapitalismus, um Gier und Verrat. All dies hat auch heute eine starke Wirkung auf das Publikum. Ich glaube, jede Generation kann den Ring aus neuen Blickwinkeln verstehen.

Sinfonieorchester Basel zusammenzuarbeiten. Die Musiker*innen haben mich sehr gut aufgenommen. Das Münster und das Goetheanum sind zwei eindrucksvolle Orte. Der Saal in Dornach hat eine bemerkenswerte Akustik. Obwohl er nicht allzu gross ist, konnten wir Wagner spielen, ohne dass der Klang den Raum sprengte. Wenn es kein Bühnenbild gibt, lenkt einen nichts von der Musik ab. Eine konzertante Aufführung hat für mich deshalb eine grosse Reinheit. Man sollte Opern immer wieder auch in dieser Form hören.

CK Seit mehr als zwanzig Jahren sind Sie Musikdirektor des Hallé Orchestra in Manchester, mit dem Sie Wagners Werke konzertant aufführen. Worin liegt der besondere Reiz, Opern nicht nur im Graben, sondern auch auf der Konzertbühne zu dirigieren?

SME In Grossbritannien ist das Publikum regelrecht hungrig nach Wagner. Diese Musik eignet sich hervorragend dazu, den Klang eines Orchesters weiterzuentwickeln. Die Musiker*innen müssen ein Gespür für das kammermusikalische Zusammenspiel bekommen. Wenn sie auf die anderen hören, entsteht erweiterte Kammermusik. Es ist einfach wunderbar, wenn Dirigent*in und Orchester einander voll vertrauen. Ich versuche vom Pult aus so wenig wie möglich zu führen. Den Musiker*innen signalisiere ich, dass sie selbst ihre Ohren offen halten müssen, um zusammen zu musizieren. Daraus entsteht die schönste Musik, die man sich vorstellen kann.

CK Bei Ihrer Rückkehr nach Basel dirigieren Sie jetzt im Stadtcasino den 3. Akt von Siegfried .

SME Um Siegfried zu spielen, braucht man unglaublich viel Ausdauer. Die Architektur des letzten Aktes gefällt mir sehr – alles läuft auf das lange Liebesduett zwischen Siegfried und Brünnhilde am Schluss hinaus. Der ganze Akt besteht aus verschiedenen Duetten, die gut konzertant aufzuführen sind, da es auf der Bühne nur wenig Aktion gibt. Die Musiker*innen müssen schnell und flexibel agieren, der Klang soll ganz transparent sein. Wir müssen eine gute Balance finden, damit das Orchester den Sänger*innen genug Raum für ihre Stimmen lässt. Ich bin gespannt, wie sich das Ergebnis unserer Arbeit im Musiksaal des Stadtcasinos Basel anhören wird.

CK Mit dem SOB haben Sie 2018 den 3. Aufzug von Parsifal im Basler Müns ter und im Goetheanum in Dornach aufgeführt. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

SME Für mich war es eine wundervolle, intensive Erfahrung, das erste Mal mit dem

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