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Nicolas Altstaedt im Gespräch
VON ELISABETH BAUREITHEL Der deutschfranzösische Cellist Nicolas Altstaedt ist einer der gefragtesten und vielseitigsten Künstler unserer Zeit. Als Solist, Dirigent und künstlerischer Leiter führt er ein Repertoire auf, das von der Alten Musik bis zur Gegenwart reicht, und spielt dabei auf historischen und modernen Instrumenten.
EB Ihr Konzert mit dem Sinfonieorchester Basel steht unter dem Motto
‹Cello on the Rocks›. ‹On the Rocks› beschreibt die Zubereitung eines
Getränks: Erst gibt man einige Eiswürfel in ein Glas, dann giesst man das Getränk darüber. Was trinken
Sie denn am liebsten ‹on the Rocks›? NA Im Sommer trinke ich nach Konzerten in geselliger Runde meistens gerne Wein oder ein kaltes IPA. Das letzte Getränk ‹on the Rocks› war ein Whisky, gerne ein japanischer; ich bin ein grosser Verehrer des Landes und seiner Kultur.
EB Wörtlich übersetzt bedeutet ‹on the
Rocks› ‹auf Steinen›. Was hat das mit dem neuen Cellokonzert von Anders
Hillborg zu tun? Ist der Weg des Solisten steinig? NA Dieser Titel ist tatsächlich nicht von mir. Die Arbeit besteht ja in der Selbstreflexion, darin, die grosse Kluft zwischen Ideal oder Vision und unseren eigenen dürftigen Möglichkeiten zu verringern. Das ist nicht immer ganz einfach, aber sehr erfüllend.
EB Nach seiner Uraufführung in Antwerpen 2020 bringen Sie das Konzert nun in Basel zur Schweizer Erstaufführung. Anders Hillborg hat es für Sie geschrieben. Wie fühlt es sich an, selbst Teil eines Werks zu sein?
NA Im Idealfall stellt man sich so in den Dienst eines Werks, dass die Zuhörenden nach dem Konzert nicht von einer Interpretation, sondern ausschliesslich mit Begeisterung von der Genialität des Stücks sprechen. Dies wäre der Glücksfall: Man hat das Werk in seiner Aussage hör und erlebbar gemacht, der Interpret ist vergessen, Transzendenz bleibt.
EB Sie sind immer wieder auf der Suche nach neuen Stücken. Was reizt Sie besonders an der Arbeit und dem
Austausch mit zeitgenössischen Komponist*innen? NA Am interessantesten ist es, mit Komponist*innen zu musizieren. Kürzlich war ein ganz wunderbarer Tag. Ich spielte zusammen mit Olli Mustonen ein Werk von ihm, am Abend sprachen wir über Beethoven. So muss es sein, Musik als lebendiger Prozess, als geistige Essenz im ständigen Austausch. Kein Vorspiel mit Anweisungen, welche Note kurz oder lang, mit oder ohne Vibrato gespielt werden soll. Oft nimmt man sich Freiheiten, aber ehrliches Musizieren wird von Komponist*innen immer wohlwollend anerkannt.
EB Wer zählt denn eigentlich zu Ihren
Lieblingskomponist*innen und warum? NA Unsere Musikgeschichte ist glücklicherweise so reich, dass wir uns nicht festlegen können. Das eine bedingt das andere. Mein noch unerfüllter Traum ist es, alle Quartette von Bartók zu spielen. Und ich würde gerne Gambe lernen, um Forquerai zu spielen. Das ist eine ärmliche Liste, wo so vieles fehlt … Haydns Jahreszeiten waren vielleicht die grösste musikalische Offenbarung in meinem Leben.
EB Apropos Haydn: Sie treten nicht nur international als Solist und Kammermusiker auf, seit 2015 sind Sie Chefdirigent der Haydn-Philharmonie. Ausserdem seit 2012 künstlerischer Leiter des Kammermusikfestes Lockenhaus, und Sie lehren seit 2016 als Professor für Cello an der Berliner Hochschule für Musik Hanns Eisler. Wie bleibt da überhaupt noch Zeit für Privatleben, Freizeit und Hobbys? NA Das Leben ist die einzige freie Zeit, die uns zur Verfügung steht. Ich fülle sie mit all dem, was mir wirklich wichtig ist, was mir Freude, Energie und Kraft gibt. Die Natur, insbesondere das Wasser, gibt mir sehr viel Ausgewogenheit. In guter Gesellschaft oder mit einigen Büchern halte ich es sehr gut ohne Instrument aus. Neulich stand ich zwei Tage auf dem Tennisplatz, es war ein einzigartiges Glückserlebnis.
EB Viele Instrumentalist*innen haben ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem
Instrument. Wie ist das bei Ihnen? NA Ein Instrument ist ein wunderbares Wesen, mit dem man sich auf einzigartige Weise mitteilen kann. Jeder Mensch hat seinen eigenen unverkennbaren Klang. Ein Instrument kann dabei lebenslang ein Partner sein, manchmal trennen sich die Wege, wenn alles gesagt zu sein scheint. Ich bin nun seit fast vier Jahren mit einem GuadagniniCello ‹zusammen›.
EB Sie stehen inzwischen seit über fünfzehn Jahren auf der Bühne. Haben
Sie ein Ritual vor jedem Konzert? NA Das ist sehr unterschiedlich und hängt auch vom Repertoire und der Konstellation ab. Ich versuche an den Tagen keine EMails zu lesen und mich nicht von banalen Dingen ablenken zu lassen. Auch esse ich vor dem Konzert relativ wenig, um mit dem Geist ganz im Moment zu sein.
EB An Ihrem letzten Konzert mit dem
Sinfonieorchester Basel im Februar 2018 hatten Sie nach Henri Dutilleux’
Cellokonzert offenbar noch nicht genug als Solist. Sie haben anschliessend das Cello-Register des Orchesters in Bruckners 3. Sinfonie unterstützt. Womit überraschen Sie das
Basler Publikum dieses Mal? NA Wenn ich ein Werk gut kenne und die Cellogruppe einverstanden ist, spiele ich tatsächlich gerne mit oder höre ebenso gerne zu. Für Überraschungen gibt es aber noch einige Optionen …