5 minute read

Pablo Aparicio Escolano, Pauke

VORGESTELLT PABLO APARICIO ESCOLANO im Gespräch

MIT PAUKEN UND TROMPETEN

VON LEA VATERLAUS Pablo Aparicio Escolano absolvierte sein Bachelorstudium in Schlagzeug an der Musikhochschule seiner Heimatstadt, dem spanischen Alicante, bevor er 2015 für das Masterfach Orchestermusik mit Schwerpunkt Pauke und Schlagzeug an die Universität der Künste Berlin wechselte. Nach gemeinsamen Projekten mit dem Scottish Chamber Orchestra, dem Orchestra of Opera North sowie der Rheinischen Philharmonie ist Pablo Aparicio Escolano seit September 2020 nun als Solo-Pauker beim Sinfonieorchester Basel engagiert.

LV Pablo Aparicio Escolano, eine Frage für Dich als ausgebildeten Schlagzeuger vorweg: Wie viele Instrumente hast Du zu Hause? PAE Bei mir zu Hause habe ich leider nicht viele Instrumente. Ich besitze ein kleines Tamburin, Kastagnetten, und ein Übungspad, auf dem man geräuschlos Rhythmen erzeugen kann. Normalerweise nutze ich die Übungsräume des Theater Basel, die uns Perkussionisten zur Verfügung stehen.

«Solo-Pauker werden oft ‹Zweite Dirigenten› genannt, da unser Timing absolut genau stimmen muss.»

LV Seit letzter Saison bist Du SoloPauker beim Sinfonieorchester Basel.

Eine PrestigePosition unter euch

Schlagzeugern? PAE Es stimmt, dass es in einem Orchester immer mehr Schlagzeuger als Pauker gibt. Die Stelle ist ein absolutes Privileg! Solo-Pauker werden oft ‹Zweite Dirigenten› genannt, da unser Timing absolut genau stimmen muss. Es gehört zu unserer Aufgabe, trotz der grossen Distanz auf der Bühne stets engen Kontakt zu den

VORGESTELLT Dirigenten zu halten. Wir übersetzen die Anweisungen der Dirigenten, deren Auftakt oder Taktangabe; wir machen die Ausholbewegungen mit, atmen mit, und sitzen dabei mitten im Klang des Orchesters.

LV Im Gegensatz zum Schlagzeug, dessen solistische Bedeutung im Orchester eher neu ist, spielt die Pauke seit

Jahrhunderten eine wichtige Rolle in der Orchestermusik. Was macht die Pauke für Dich besonders? PAE Der Ursprung der Pauke ist militärisch. Bei Feldzügen ritt der Pauker neben dem General her, um Signale zum Angriff oder zum Rückzug zu geben, und der Beruf erfuhr in der Kavallerie grosses Ansehen. Das musikalische Erbe dieser historischen Bedeutung ist seither in der gesamten Paukenliteratur zu finden. Von Bach über Beethoven bis hin zu Strauss repräsentiert die Pauke gemeinsam mit der Trompete meist das Königliche, Militärische und Zeremonielle, sei es in Sinfonien, Oratorien oder in Opern. Auch in MahlerSinfonien ist das Kriegsmotiv im Rhythmus der Pauke wiederzufinden. Das Grundkonzept dieser historischen Motive bleibt in der ganzen Musikgeschichte bestehen – das ist es, was mich an der Pauke so fasziniert.

«Die Perkussionsliteratur des 20. Jahrhunderts spricht unsere Sprache.»

LV Du sprichst unter anderem von der

Musik des 20. Jahrhunderts. Was macht diese für Dich als Pauker aus? PAE Die Perkussionsliteratur des 20. Jahrhunderts spricht unsere Sprache. Auch Bach spielen wir gerne, aber spannend wird es für uns ab Stockhausen, Cage und Xenakis, den grossen Komponisten des 20. Jahrhunderts. In deren Partituren sind meist keine klassischen Notationen vorhanden, deswegen muss man sich Zeit nehmen, verschiedene Symbole zu übersetzen. Unsere Einrichtung besteht dann für jeden Schlagzeuger aus mehreren Instrumenten, zwischen denen wir sehr schnell wechseln müssen. Oft halten wir LV Bewegst Du Dich auch in anderen

Musikrichtungen? PAE Das richtige Tempo zu halten, ist der Kern unserer Arbeit. Die Drummer von Rockbands haben jeweils ein sehr stabiles Tempo, weshalb es für die rhythmische Entwicklung manchmal hilfreich ist, sich eine Aufnahme einer Band wie AC/DC anzuhören und dazu auf einem Übungspad oder einem echten Drumset zu spielen. Um rhythmisch fit zu bleiben, übe ich auch viel auf der Kleinen Trommel – ein gutes Training für die Fingermuskulatur und die Handgelenke. Ausserdem liebe ich den Bossa Nova, der viele rhythmische Herausforderungen enthält.

«Setzen die Pauken dann ein, ist das für mich, wie in einen Swimmingpool hineinzuspringen.»

LV Als Perkussionist bist Du im Orchester sehr exponiert – jede Stimme trägt eine grosse Verantwortung.

Wie gehst Du damit um? PAE Unser Ziel ist es, im richtigen Moment da zu sein. Wir müssen immer antizipieren, was passiert. Während langer Pausen stimmen wir die Pauken ständig neu, da die Naturfelle der Instrumente bei wechselnder Luftfeuchtigkeit sehr anfällig und lebendig sind. Dabei denke ich bei einer Komposition nie in getrennten Sätzen, sondern sehe sie stets als ganzen Körper, der sich in eine bestimmte Richtung bewegt. Wenn also die Pauke in Beethovens 5. Klavierkonzert während des gesamten 2. Satzes die Spielanweisung tacet hat, lehne ich mich nicht zurück, sondern korrigiere dauernd die Tonhöhen der Pauken, damit beim Wiedereinstieg in den 3. Satz alles bereit ist. Setzen die Pauken dann ein, ist das für mich, wie in einen Swimmingpool hineinzuspringen: Man verspürt Intensität und Spannung; der schlussendliche ‹Sprung ins kalte Wasser› setzt aber ganz viel positive Energie frei.

© Pia Clodi / Peaches & Mint

LV Was hast Du auf Deinem beruflichen

Weg, der Dich bereits nach Spanien,

Deutschland, Grossbritannien und in die Schweiz geführt hat, mitgenommen? PAE Flexibilität! (lacht) Ein Beispiel ist die Frequenzhöhe für den Kammerton A, der in Deutschland bei 443, in Grossbritannien jedoch bei 440 Hertz liegt. Diese Angabe ist sehr wichtig! Zudem haben Pauken in Spanien, Frankreich oder Grossbritannien eine ganz andere Aufstellung als jene in Deutschland oder hier in Basel. In Spanien lernte ich, dass die tiefste Pauke – die Basspauke – wie bei einem Klavier oder einer Marimba links steht. In Basel ist das umgekehrt! Wenn ich an einem anderen Ort spiele, muss ich mich deshalb immer zuerst danach ausrichten, wie die Aufstellung der Pauken organisiert ist. Am Anfang ist dies etwas verrückt, gehört aber wie die ständige Anpassung der Intonation schlussendlich zu meinem Beruf.

LV Auf dem Programm des aktuellen

Konzerts stehen zwei Werke unterschiedlicher Musikepochen. Was unterscheidet für Dich Beethoven von Schostakowitsch? PAE Die Paukenstimmen bei Beethoven sind immer sehr interessant, denn sie formen das rhythmische Grundgerüst für

PABLO APARICIO ESCOLANO

27 das Orchester. Die Pauke ist meistens mit der Trompete zusammen, und passend zur Grundtonart Es-Dur sind die beiden Pauken mit den Tönen Es und B im Umfang einer Quinte gestimmt. 150 Jahre nach Beethoven waren unsere Instrumente allerdings viel weiterentwickelter, ihr Mechanismus war ausgereift. Musste man früher mit Schrauben und Kurbeln stimmen, ermöglichten neue Pedalsysteme nun viel schnellere Wechsel zwischen den Tönen. Bei Schostakowitsch können wir das hören: Es gibt in der Paukenstimme nicht nur eine Quinte, sondern auch eine kleine Sekunde, also ein sehr untypisches Intervall. Das wäre bei Beethoven unvorstellbar gewesen! Bei Schostakowitsch hingegen erhält die Pauke Melodien, Basslinien und Rhythmen mit grossem Tonspektrum – da entsteht unglaublich viel Klangfarbe.

LV Zu guter Letzt: Was machst Du neben der Musik? PAE Letzten Frühling habe ich hier in Basel einen Tennisplatz entdeckt, wo Padel-Tennis angeboten wird. Der Sport lässt sich als Mischung aus Squash und Tennis beschreiben: Es gibt ein Feld, das von Glaswänden umgegeben ist, und gemeinsam im Doppel kann man im Gegensatz zum Tennis auch die Wände bespielen. Der Sport ist auch für meinen Beruf als Solo-Pauker wichtig, wo eine gewisse körperliche Fitness die Grundvoraussetzung ist. Ich bin ausserdem auch sehr verliebt in das Meer – ich stamme schliesslich aus Alicante und gehe dort oft segeln. Glücklicherweise gibt es dank der vielen Seen auch hier in der Schweiz die Möglichkeit, diesem Hobby nachzugehen.

LV Pablo Aparicio Escolano, herzlichen

Dank für das Gespräch!

This article is from: