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LABOR

Neue Markierungsmethode

Grosse RNA elegant charakterisieren

Ribonukleinsäuren (RNA) sorgen dafür, dass die DNA im Zellkern in lebenswichtige Proteine übersetzt und die Zellfunktionen reguliert werden. Allerdings ist wenig über die Struktur und Funktionsweise besonders langer RNAs, die aus hunderten oder tausenden Bausteinen bestehen, bekannt. Chemiker der Universität Bonn haben nun hierfür eine neue Methode entwickelt: Mit winzigen «Fähnchen» markieren sie die komplexen Moleküle und messen mit einem «molekularen Lineal» die Abstände dazwischen.

In lebenden Zellen läuft alles nach Plan: Die Blaupausen für sämtliche Bau- und Betriebsstoffe sind im Zellkern abgelegt. Wird zum Beispiel ein bestimmtes Protein benötigt, wird hierfür die genetische Information an der DNA abgelesen und in Ribonukleinsäure (RNA) übersetzt. Die RNA übermittelt den Bauplan an die «Proteinfabriken» der Zelle, die Ribosomen. «Mehr als 80 Prozent der Ribonukleinsäuren sind aber überhaupt nicht an der Produktion von Proteinen beteiligt», sagt Dr. Stephanie Kath-Schorr vom Limes-Institut der Universität Bonn. Wahrscheinlich ist diese nicht-kodierenden RNA an verschiedenen Regulierungsvorgängen in der Zelle beteiligt. Wissenschaftler möchten viel besser verstehen, für welche Steuerungsprozesse die nicht-kodierende RNA zuständig ist. «Hierfür müssen wir aber zunächst verstehen, welche Strukturen Ribonukleinsäuren haben und wie sie gefaltet sind», sagt Kath-Schorr. Die räumliche Struktur scheint für die Funktion der RNA eine wichtige Bedeutung zu haben. Sie entscheidet darüber, an welche Moleküle eine bestimmte RNA bindet und damit wichtige Prozesse in der Zelle auslöst. Ein Team aus Chemikern unterschiedlicher Fachbereiche der Universität Bonn hat gemeinsam eine Methode entwickelt, wie sich die Struktur und Faltung von besonders langen RNA-Molekülen aufklären lässt. «Kürzere RNAs lassen sich mit der Kristallstrukturanalyse untersuchen, doch für grosse und flexible Ribonukleinsäurekomplexe ist diese Methode sehr schwierig anzuwenden», sagt Erstautor Christof Domnick. Die Wissenschaftler suchten deshalb nach einem neuen Weg für RNAs, die aus mehreren

Wissenschaftler möchten viel besser verstehen, für welche Steuerungsprozesse die nicht-kodierende RNA zuständig ist.

hundert oder gar tausend Bausteinen bestehen.

«Fähnchen» zur Markierung Die Wissenschaftler um Dr. Stephanie Kath-Schorr fügten zunächst zwei künstliche Bausteine (Nukleotide) in den Erbgutstrang der DNA ein, die in dieser Form nicht in der Natur vorkommen. Bei der anschliessenden Übersetzung in die RNA dienten diese künstlichen Nukleotide als eine Art «Fähnchen». Das heisst, sie markierten bestimmte Orte auf der Ribonukleinsäure, die aus mehreren hundert Bausteinen besteht.

Anschliessend konnten die Forscher die Markierungen abmessen. Hierzu verwendeten sie die Peldor-Methode. «Wie mit einem Lineal auf molekularer Ebene lässt sich damit der Abstand zwischen den Markierungen vermessen», sagt Prof. Dr. Olav Schiemann vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn. Aus diesen Daten entsteht ein Abbild der Struktur und Faltung der RNA. «Wir haben zuvor mit kürzeren RNAs experimentiert und die Ergebnisse mit theoretischen Simulationen abgeglichen», berichtet Kath-Schorr. «Die Übereinstimmung war sehr gross und die Methode damit zuverlässig». In Zukunft könnte die Struktur langer RNAs auch dreidimensional erfasst werden, wenn die markierten Ribonukleinsäuren aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen werden.

Grosses Anwendungspotenzial «Unser Fernziel sind Messungen der RNA-Strukturen direkt in der Zelle», sagt die Biochemikerin. «Das ist aber noch Zukunftsmusik.» Die grundlegende Methode hat ein grosses Anwendungspotenzial. Zum Beispiel dienen RNAs in der Krebsdiagnostik als wichtige Marker. Kath-Schorr: «Mit unserer neuen Methode zur Strukturaufklärung langer, nicht-kodierender Ribonukleinsäuren kann ein wichtiger Beitrag zum besseren Verständnis zellulärer Prozesse geleistet werden.»

Originalpublikation Christof Domnick et al., «EPR distance measurements on long non-coding RNAs empowered by genetic alphabet expansi on transcription», Angewandte Chemie International Edition (2020); DOI:10.1002/ anie.201916447

Kontakt Dr. Stephanie Kath-Schorr Limes-Institut Universität Bonn Carl-Troll-Strasse 31 D-53115 Bonn +49 228 732652 stephanie.kath-schorr@uni-bonn.de www.limes-institut-bonn.de

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Eine neue Chemie

Die radiale Synthese eröffnet neue Wege

Engpässe in der Versorgung mit Medikamenten könnten sich künftig leichter vermeiden lassen. Denn mit einem Automaten für die radiale Synthese, die Chemiker des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung entwickelt haben, lassen sich medizinische Wirkstoffe und andere chemische Produkte künftig flexibel produzieren. Die Apparatur lässt sich schnell auf die Synthese sehr unterschiedlicher, auch komplexer Substanzen umprogrammieren, ohne dass jemand die Apparatur umbauen muss.

Chemische Produktion ist Massarbeit. Egal ob es um medizinische Wirkstoffe geht oder andere chemische Erzeugnisse, die Herstellungsprozesse müssen Chemiker immer individuell gestalten. Und auch die entsprechenden Anlagen konzipieren sie jeweils speziell für ein Produkt. Das könnte mit dem Automaten für die radiale Synthese deutlich einfacher werden – zumindest, wenn ein Stoff nicht in riesigen Mengen gebraucht wird. «Mit der radialen Synthese schaffen wir einen Paradigmenwechsel in der Chemie», sagt Peter Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Ein Team am Institut hat den neuen Ansatz in der chemischen Synthese entwickelt.

Keine Engpässe mehr Der Syntheseautomat ermöglicht es zum einen, Menschen an schwer zu erreichenden Orten oder in Gegenden ohne chemische Industrie je nach Bedarf mit medizinischen Wirkstoffen oder anderen Substanzen zu versorgen, wenn diese dort nicht gelagert oder nicht einfach dorthin transportiert werden können. Das könnte bei unverhofften Engpässen an medizinischen Wirkstoffen nützlich sein und Menschen in Entwicklungsländern generell einen flexiblen Zugang zu Substanzen ermöglichen, gerade wenn der Bedarf an einem Stoff nicht vorhersehbar ist. «Dort könnte es höchstens bei der Verfügbarkeit der Grundchemikalien einen Engpass geben», sagt Peter Seeberger. «Mit den Ausgangsmaterialien zur Hand ist das aber eine riesige Chance.» Zum anderen eröffnet der flexible Syntheseautomat völlig neue Perspektiven für

Ein Allzweck-Reaktor: Er lässt sich nach Bedarf umprogrammieren, ohne dass man ihn umbauen muss.

die chemische Forschung. Denn gerade medizinische Wirkstoffe sind oft kompliziert gebaut, und kleine Unterschiede können grosse Effekte haben. Auf der Suche nach der besten Substanz, synthetisieren Chemiker daher meist viele verschiedene Moleküle mit kleinen Variationen. Bislang müssen sie ihre Apparaturen dabei oft wechseln oder zumindest umbauen – in mühsamer und zeitraubender Handarbeit. Das gilt auch für die Entwicklung der optimalen Reaktionswege, sobald das wirksamste Molekül mal gefunden ist.

Chemie nach dem Vorbild von Internetdiensten

«Die Handarbeit können wir mit der radialen Synthese weitgehend aus der Chemie nehmen», sagt Peter Seeberger. Wenn es nach ihm geht, wird Chemie künftig wie der Service von Internetdiensten betrieben: «Sie sitzen zwar im Büro vor Ihrem Rechner, der Server, auf dem eine Anwendung läuft, steht aber irgendwo anders auf der Welt», sagt Seeberger. Ähnlich könnten auch Chemiker ihre Versuche künftig aus der Ferne ansteuern. «So lassen sich viel

mehr Substanzen und Reaktionen testen», sagt Seeberger. «Und so sind wir in der Lage, auch viel mehr und viel verlässlichere Daten zu sammeln.» Das wiederum könnte Big-Data-Analysen auch in der Chemie voranbringen. «Und letztlich wäre sogar eine künstliche Intelligenz, die durch Training mit den grossen Datenmengen chemische Kompetenz entwickelt hat, im Stande, die Suche nach vielversprechenden neuen Substanzen für eine gewünschte Anwendung oder nach effizienten Reaktionswegen zu übernehmen». Chemiker könnten ihre Kreativität dann ganz den Aufgaben widmen, für die sie nicht auf Erfahrungen mit ähnlichen Experimenten zurückgreifen können und die sich daher nicht datengetrieben lösen lassen. Den experimentellen Spielraum schafft die radiale Synthese, weil sie zwei prinzipiell unterschiedliche Prozesstechniken miteinander kombiniert: die zyklische und die lineare. Eine zyklische Synthese ist die Methode der Wahl, wenn Chemiker Biopolymere wie etwa Proteine, Kohlenhydrate oder DNA-Stränge erzeugen wollen. Dabei schleusen sie ein Molekül in einem Kreislauf durch ein Reaktionsgefäss, in dem immer wieder der gleiche chemische Reaktionstyp stattfindet, so dass das Molekül allmählich zu einer Kette heranwächst. Auch verschiedene Glieder lassen sich in den einzelnen Zyklen an die Kette knüpfen. Bei einer linearen Synthese durchläuft ein Molekül dagegen mehrere Stationen, an denen verschiedene Reaktionen stattfin den, und zwar in unterschiedlichen Apparaturen oder zumindest in unterschiedlichen Teilen einer Apparatur. sich in gängigen linear arbeitenden Chemieanlagen nicht effizient ausführen, weil das Reaktionsgemisch durch sie mit kons tantem Tempo fliesst. Die Potsdamer Forschenden werden die Vielseitigkeit der radialen Synthese nun weiter austesten. Als Patent haben sie die Technik aber bereits angemeldet, und erste Industrieunternehmen haben auch bereits ihr Interesse angemeldet. Denn der neue Syntheseautomat kann ihnen helfen, die Forschung an neuen Produkten und deren Entwicklung drastisch zu beschleu

nigen. Das würde nicht nur Kosten sparen, sondern könnte auch neue Ideen fördern.

Industrie zeigt bereits Interesse Die beiden Techniken kombinieren die Potsdamer Forschenden nun, indem sie mehrere Reaktoren für zyklische Synthesen kreisförmig um eine Art Drehscheibe anordnen. So können sie Zwischenprodukte ferngesteuert von einem zyklischen Reaktor zum anderen befördern und mit linearen Prozessschritten verbinden. «Wir können sehr unterschiedliche Reaktionen flexibel kombinieren, auch schnelle und langsame», sagt Peter Seeberger. Chemische Umwandlungen, die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen, lassen

Kontakt Prof. Dr. Peter H. Seeberger Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung Am Mühlenberg 1 D-14476 Potsdam-Golm +49 331 567 9301 peter.seeberger@mpikg.mpg.de www.mpg.de

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