Siegessäule Feb 2015

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Politik 9

Alle ernst nehmen? Welche Schlüsse sollten wir aus den Pegida-Protesten ziehen? Ein Kommentar von Jennifer Petzen (Lesbenberatung) und Koray Yılmaz-Günay (Akademie für politische Bildung bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung) > „Wir müssen ihre Ängste ernst nehmen“, heißt es oft, wenn es um die Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) geht: also auch um gebildete und gut verdienende BürgerInnen, die gegen MuslimInnen und Asylsuchende auf die Straße gehen. Dieser Impuls ist ohne Frage bizarr. In der Antidiskriminierungsarbeit gilt nicht der Standard, von der „Angst“ von Diskriminierenden auszugehen. Das würde sie rechtfertigen. Der Abbau von Diskriminierung und Gewalt passiert unter anderem durch politische Bildung, Sensibilisierung und begleitete Reflexionsprozesse. Rassistische, nationalistische, homophobe, trans*feindliche und sexistische Einstellungen sind keine Denkweisen, die kompatibel mit Emanzipation sind. Selbstreflexion hilft dabei, die Gleichberechtigung von anderen anzuerkennen und sich für sie einzusetzen. Gerade bei Menschen, die sich nicht als „Neonazis“ oder als „RassistInnen“ verstehen – und somit für Argumente noch erreichbar sind. Die Menschenwürde ist nicht verhandelbar, auch wenn Menschen sich vor ihren Konsequenzen „ängstigen“. Dies ist eine Lehre aus dem Nationalsozialismus, der so wenig mit Angst zu tun hatte wie die Morde des NSU. Queere Menschen wissen heute, dass die Begriffe „Homophobie“ und „Transphobie“ nichts mit ihnen selbst und auch nichts mit „Phobie“ zu tun haben, sondern mit einem sexistischen Zwei-Geschlechter-System und heteronormativen Machtverhältnissen. Der umgangssprachliche Begriff „Wutbürger“ ist gerade deswegen richtig, weil vor allem die Mittelschichten sich selbst für so „normal“ halten, dass der vermeintliche Verlust ihres Platzes in der Gesellschaft zum Katalysator des Unheimlichen wird. Verlust- und Abstiegsängste und Wohlstandschauvinismus liegen nah beieinander, Frustrationen angesichts einer immer komplexer werdenden Gesellschaft werden zu gefährlicher Aggression. Das ist bei Pegida nicht anders als bei den „besorgten Eltern“, die gegen „Genderismus“ oder den vermeintlichen Verlust traditioneller Familienverhältnisse mobilisieren. Wir haben alle Ängste, das kann aber nicht die Geschäftsgrundlage eines demokratischen Gemeinwesens sein. Die tragischen Ereignisse in Frankreich werden als Rechtfertigung für diese Ängste angeführt. Vielmehr müssen sie als ein Phänomen einer Ordnung verstanden werden, die seit der Kolonialära rassistische Machtverhältnisse reproduziert. Notwendiger wäre es, die Angst von Menschen ernst zu nehmen, die tatsächlicher Bedrohung ausgesetzt sind. Von Menschen, die einen Kleinbetrieb besitzen und nicht wissen, ob sie bei der Arbeit erschossen werden, nur weil ihre Großeltern einst eingewandert sind. Menschen, die fürchten müssen, dass der Staat, der sie schützen soll, Hand in Hand mit Neonazis gearbeitet hat. Oder dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion unter besonderer Beobachtung stehen und schikaniert werden. Menschen, die sich konkret überlegen, dieses Land zu verlassen, weil es keine Garantie für ihre Menschenrechte gibt. Das sind die Zustände, die Angst verursachen. Wenn wir also Ängste ernst nehmen wollen, dann sicher diese. <

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