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Zeichen

Hamburg war seit Mitte der 1980er-Jahre eine HipHopHochburg in Deutschland. Insofern gibt es sicher viele Menschen in dieser Stadt, die irgendwann zwischen 1970 und 1980 geboren wurden und heute mit ähnlichen Gefühlen durch diese Ausstellung gehen. Aber der persönliche Bezug von Teilen einer Alterskohorte kann den Erfolg von „EINE STADT WIRD BUNT“ nicht allein erklären. 60.000 Besucherinnen und Besucher in den ersten sechs Monaten! Es scheint ein Reiz vom Sujet dieser Show auszugehen, der über simple Nostalgie einer Generation hinausreicht. Was das sein könnte? Vielleicht ist das Titelbild der Ausstellung der Schlüssel zu einer Antwort.

SonnyTee & CanTwo

Anruf bei Andre Ticoalu. Der 54-Jährige ist als Breaker unter dem Namen „SonnyTee“ und als Writer unter dem Namen „Jase“ bekannt und eine lebende Legende in der HipHop-Szene. Er gibt Graffiti- und Breakdance-Workshops, gehört zur künstlerischen Leitung der HipHop Academy Hamburg – und ist einer der beiden „Posterboys“ von „EINE STADT WIRD BUNT“: Auf dem Titelfoto sieht man ihn im Alter von 19 Jahren neben Fedor Wildhardt alias „CanTwo“, der heute einer der bekanntesten Graffiti-Künstler Deutschlands ist. Wie es zu dem Foto kam? „Das muss 1988 gewesen sein. Wir haben an dem Tag ein Bild in Halstenbek gemalt“, erzählt SonnyTee. „Danach haben wir eben noch Fotos gemacht.“

Ein Graffiti sprühen und dann noch kurz für die Kamera posieren. Die Beiläufigkeit, mit der dieses Foto von „SonnyTee“ und „CanTwo“ entstanden ist, verrät viel über eine Subkultur, in der sich alles um die Performance dreht. Natürlich inszenierten auch „Mods“, „Punks“ und andere Subkulturen Distinktion mithilfe von Kleidungs- und Verhaltensregeln. Mit HipHop aber begann die Ära einer Kulturpraxis, deren identitätsstiftender Kern die Inszenierung ist –und die mit Rap, DJing, Graffiti oder Breakdance über vier künstlerische Disziplinen verfügt, in denen der für alle Subkulturen zentrale Konflikt zwischen „Original“ und „Fälschung“ ausgehandelt wird. War es für frühere Szenen darum gegangen, politischen mit ästhetischem Protest zu verschmelzen, trat mit HipHop eine Subkultur auf den Plan, die sich zwar einerseits gegen den Mainstream richtete, zugleich aber eine eigene „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ schuf, die nach den Spielregeln medialer Inszenierung funktionierte.

Rückeroberung des öffentlichen Raums

Der erste, der die Bedeutung dieses Paradigmenwechsels erkannt hat, ist der französische Philosoph Jean Baudrillard. In dem kleinen Band „Kool Killer“ arbeitet er bereits 1978 heraus, dass das zentrale Merkmal der Tags und Pieces (größeres Bild in Tagform/als Character, Anm. d. Red.) sei, dass sie eigentlich keine Bedeutung haben. Sie verwiesen

Graffiti ist auch Teil einer Generation, die in der Subkultur einen Ausdruck der Rebellion sah

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