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Aufstand

Mit rund 60.000 Besucherinnen und Besuchern in den ersten sechs Monaten gehört „EINE STADT WIRD BUNT. Hamburg Graffiti History 1980–1999“ zu den erfolgreichsten Ausstellungen des Museums für Hamburgische Geschichte. Eine Ursachenforschung

Plötzlich waren sie da. Auf Mauern und Stromkästen, an den Wänden der U-Bahn-Station Ochsenzoll. „ROCK“ stand da. Oder „STER“. Oder „RCK“, das Kürzel für „Run City Kids“. Es war 1988, ich war zehn Jahre alt, kurvte mit dem BMX-Rad durchs Viertel und trat ehrfürchtig auf die Bremse, wenn ich neue Tags (Kürzel eines Graffiti-Künstlers, Anm. d. Red.) erspähte. Die Buchstaben faszinierten mich. Sie waren kantig, aggressiv und perfekt geformt wie ein Markenlogo. Und sie wurden offensichtlich nachts verbreitet. Ich war wie elektrisiert.

Mein bester Freund erzählte mir wenig später die wildesten Geschichten über „die RCKs“, was man Englisch ausspricht, also „Ar-Si-Kays“. Da ging es um Schlägereien, Drogen, Kleinkriminalität, kurz: um alles, was ich höchstens aus dem Fernsehen kannte. Während unsere Mutprobe darin bestand, im Kiosk an der U-Bahn-Station Kiwittsmoor Lakritz-Lollis zu „zocken“, taggten die „RCKs“ die ganze Station voll. Ihre Zeichen wurden für mich zu Symbolen für die abenteuerliche Welt der Graffiti-Sprüher.

1989, da war ich elf, setzte mir ein Freund seine Walkman-Kopfhörer auf. Es lief der Song „Me, Myself and I“ von De La Soul. Der treibende Beat, die lässigen Raps: Die Musik war anders als alles, was ich vorher gehört hatte. Bald fuhren wir nach der Schule zum Jungfernstieg – nicht um zu „Cornern“, dafür waren wir zu jung. Unser Ziel war World of Music (WOM), im Untergeschoss des Alsterhauses, wo wir uns Platten von Run D.M.C. oder Public Enemy anhörten. Oder wir gingen zu American Sports am Gänsemarkt, wo es Windbreaker-Jacken und Sneaker gab. Kleidung, die auch die US-Rapper trugen. So fing es an. Fortan begleitete HipHop mich durch meine gesamte Jugend.

EINE STADT WIRD BUNT

Die Ausstellung „EINE STADT WIRD BUNT“ ist für mich auch deshalb so faszinierend, weil hier die Insignien meiner Jugend in den Vitrinen liegen. Die Flyer, die Magazine, die Platten: Vieles kenne ich von früher. Und natürlich habe ich auch eine Zeit lang Cola-Dosen gesammelt, wie der fiktive Bewohner des „Jugendzimmers“, das Teil der Ausstellung ist – eine Zeitkapsel der späten 1980er-Jahre. Wenn ich also heute mit 45 Jahren durch die Ausstellung schlendere, werden Erinnerungen wach: an Partys, an Konzerte, an wilde Jahre mit der Clique.

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