SHICE Magazine

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ISSUE N0.1

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eigentlich müsste hier jetzt eine kurze Vorstellung stehen, ein kleiner Ausblick was dich auf den kommenden Seiten erwartet. Wir sind nicht ganz so schön wie du (unsere Mädels sind definitiv heißer als du, sorry), wir sind nicht ganz so hip, nehmen die 10% bei Urban Outfitters aber noch mit. Uns fehlt auch leider das Geld um hier nackte Menschen abbilden zu können oder an exotische Orte zu reisen, um dort Drogen zu nehmen. Dich erwarten hier also Geschichten von normalen Leuten für normale Leute. Wir haben aber mit SHICE unser eigenes Magazin am Start, also pfeifen wir darauf ob du dich langweilst. Wir sind die Könige/Königinnen dieser Welt! Wir danken allen Leuten die im Laufe der Entstehung mit uns gearbeitet haben. Wir wünschen euch, dass ihr irgendwann einmal von professionellen Leuten interviewt werdet. Wir danken unserem Layouter Mr. Diggler für den besten Style seit dem „Yoncé“ Video von Beyoncé. Danke Johannes für das beste Cover (Unikat, Bitches!) aller Zeiten. An den Typen der den Rechenzentrumsdrucker (mutwillig!) kaputt gemacht hat: Danke, wir wären gerne dabei gewesen! An alle BWLer auf unserem Campus: Danke, so wollen wir niemals werden! An alle motivierten RJOler: Danke, dass ihr diesen Studiengang am Leben erhaltet. Behaltet uns in guter Erinnerung, wenn ihr später mal unsere Chefs werdet. Vor allem möchten wir aber einem Menschen danken: Dir. Du wunderschönes, intelligentes und hippes Wesen voller Barmherzigkeit und Geschmack. Du Idiot, der sich den Arsch abgefreut hat, dass er endlich an eine Vice Ausgabe herangekommen ist. Nur du verleihst uns diese gewisse Aura, ein Teil von etwas Bedeutsamen zu sein. Danke, dass du uns gerade in Händen hältst. Das kommt wirklich von Herzen, wir teilen hier gemeinsam mit dir unseren journalistischen Höhepunkt.

P.S.: Sag uns deine Meinung! Lauer uns auf dem Campus auf, mach Telefonterror. Oder schreib einfach eine Mail an engelhardt.frank@gmx.net. P.P.S.: Wenn ihr nackte Menschen im Heft haben möchtet, schickt uns Geld! P.P.P.S.: Schickt uns einfach Geld. Uns egal was ihr im Heft wollt. 4


LORENE LÖFFLER

FRANK ENGELHARDT

- Ich möchte später mal schreiben dürfen, worauf ich Bock hab‘ und das ohne Stopp-Uhr. Weil Journalismus eben auch ‘ne Kunstform ist und ‘n Künstler auch seine Schaffenspausen braucht. Eine Redaktion, in der du niemanden kennst? Nicht mein Ding!

- Ich möchte in Zukunft dafür bezahlt werden, dir zu sagen was du gut oder schlecht zu finden hast.

- Und wenn ich dann meinen geilen Artikel über Rohkost geschrieben hab‘, möcht‘ ich den Rest der Zeit damit verbringen, Tiere zu retten und Wünsch-Dir-Was-Bücher zu lesen.

- Träume von einem Landhaus mit dazugehörigem Wald und See, damit das mit der geplanten Zucht von Igeln, Ottern und Eichhörnchen klappt.

- Ich möchte mal ‘ne Familie haben mit zwei Zwillingen, Junge und Mädchen, und einem Golden Retriever und einem schönen Garten und einem tollen Mann. Auf dem Land, aber bitte München gleich ums Eck.

- Ich bin Banksy. Und Cro. Und dein neuer Lieblingsautor.

- Ich möchte, dass mal eine geisterweiternde Droge erfunden wird, die so sympathisch ist, dass selbst ich Angsthase sie probiere und dann sollen alle Menschen ihren Geist erweitern und feststellen wie wunderbar unsere Welt doch ist. Alkohol und Zigaretten führen sicher nich‘ zum Frieden.

- Die freie Zeit will ich damit verbringen, Dr. Pepper trinkend Skatevideos, Family Guy und Naruto zu schauen.

MARKUS “GRILLE“ GRILLENBERGER - Ich möchte in Zukunft erfolgreicher NFL-Star werden oder Rockstar und mich durch meine Horden heißer Groupies picken – Mist, die beiden Züge sind schon abgefahren. Na gut, dann werde ich eben fleißiger Schreiberling und texte darüber, wie sich Profisportler Gehirnerschütterungen holen und Musiker sich stets vor Aids fürchten müssen. Ist wahrscheinlich besser so! - In meiner Freizeit richte ich mir einen Geldspeicher ein, in dem ich dann schwimme mit Kumpels . Da ich niemals so viel Geld besitzen werde, füll ich diesen eben mit Skittles mjam, mjam. Ist wohl besser so! - Im Alter setze ich mich mit der langen Pfeife aus Herr der Ringe an meinen persönlichen Weinhang, trinke dabei aber Bier und qualme lustige Wolken in den Himmel, die mich dann zum Nachdenken animieren. Ist definitiv gut so!

INKA KLEIN - Ich pflege eine gesunde Sucht nach Joghurtdrinks und möchte so viel wie möglich reisen (wenn endlich genug Geld da ist) und dann über meine Erlebnisse schreiben (damit genug Geld da ist). - 2014 möchte ich das Surfen und Skateboarden lernen, weil man so etwas nicht aufschieben sollte. - Ich wohne später in einer Großstadt, weil dort die Chancen hoch sind, dass jede Band die ich sehen will einen Tourstopp macht. - Im Alter ziehe ich mich an Grilles Weinhang zurück und schaue mit meinen besten Freunden auf mein Leben zurück.

- Sollte das mit dem Skittles-Bunker und dem Weinhang nichts werden, dann ist’s auch ok. Ich nehme es, wie’s kommt. Ist wahrscheinlich besser so!

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INHALT 20 Mustard

Bild dir deine Meinung. Unser Senf zu deiner Wurst.

07 Blah, blah, blah!

Meldungen aus deiner Hipsterwelt.

22 Raw! Raw! Raw!

Deine SHICE Autorin Lorene hat sich nur für dich von Rohkost ernährt. Wie das genau funktioniert, hat sie in Hamburg gelernt. Darauf ein Mettbrötchen!

31 Du Pfeife!

Dein SHICE Autor Grille hat sich mit jemanden getroffen, dessen Beruf es ist, beschimpft zu werden. Willkommen in der Welt der Profischiedsrichter. Wir wissen, wo sein Auto steht!

10 Alles ist Kunst, sogar das hier!

Deine SHICE Autorin Inka hat sich mit tätowierten Intellektuellen umgeben und nichts verstanden. Warum sie es trotzdem cool fand und was man von 22-jährigen Bärten lernen kann, lest ihr hier.

55 Der alte Mann und die Szene.

Dein SHICE Autor Frank hat mit einem Death-Metal-Sänger Anti-Falten Creme getestet und festgestellt, dass 27 das neue 70 ist. Old, older, Oldschool!

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Heutzutage ist alles denkbar – das fängt schon bei der Namensgebung an. Kinder werden nach Städten wie “Paris“ benannt, nach Filmhelden (“Indiana“) oder es werden einfach mehrere Vornamen wild aneinandergereiht (“Dragon-Dinoso-Degen“). Grenzen gibt es zwar, aber im Grunde ist alles erlaubt. So kämpft zum Beispiel der Bulgare Marin Zdrawkow Lewidzhow seit Jahren um seinen eigenen Wunsch, sich offiziell in “Manchester United“ (Ja, genauso wie der englische Klub) umbenennen zu dürfen. “Sie hat mehrfach gesagt: Wenn es dich glücklich macht, unterstütze ich dich“, so der in Swischtow geborene Fußballfanatiker über seine Mutter gegenüber dem Magazin “11Freunde“.

Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Katherina Reiche fordert für 2014 mehr Transparenz und Sicherheit beim Kauf von Kinderspielzeug.

„Nimm dein Froschi nicht in den Mund!“ Ein Befehl, dem so schnell kein Kleinkind gehorchen würde. Aber was, wenn der geliebte Froschi gefährliche Substanzen enthält? Das sieht man dem süßen Holzteil mit dem breiten Grinsen zunächst nicht an. Im neuen Jahr soll sich das allerdings ändern. Katherina Reiche vom Bundesumweltministerium fordert nun strengere Kriterien für die Vergabe des Blauen Engels an Spielzeug und mehr Apropos Namen – auch die Stadien Transparenz, wenn es um die Einschätzung der Sportwelt taufen sich mittlerweile des gekauften Spielzeuges geht. Für 2014 hat kunterbunt: Reichel deshalb neue Anforderungen im Sinne, die gemeinsam mit dem Bundesumwelt- Gaylord Entertainment Center (Spielstätte der Nashville Predators bis 2007) amt ausformuliert und der Jury Umweltzeichen im Anschluss vorgelegt werden sollen. - Arnold Schwarzenegger Stadion Dann darf der Holzfrosch auch wieder als (Spielstätte von Sturm Graz bis 2005) Kauspielzeug missbraucht werden. - Sportsdirect.com@StJames’Park (Spielstätte von Newcastle United 2009/2011) - Schauinsland-Reisen Arena (Spielstätte von Fortuna Düsseldorf) - Keine Sorgen Arena (Spielstätte des SV Ried) Interviews mit Sportlern finden kaum Tief- FedExField gang, keine frischen Erkenntnisse. Schon im(Spielstätte der Washington Redskins) mer verfangen sich Fußballer oder Footballer - Glücksgas-Stadion oder Basketballer oder Handballer oder, oder, (Spielstätte von Dynamo Dresden) oder in platten Formulierungen. Manchmal - Wirsol Rhein-Neckar-Arena reicht es gar nur für ein Wort. Punkt. Es ist (Spielstätte von 1899 Hoffenheim) 7


7. “Wenn der Kopf richtig funktioniert, dann mittlerweile egal, wer vor die Kamera tritt und ins Mikrofon fabuliert. Das Band hängt ist das wie ein drittes Bein.“ (Im Biologie-Labor mit Christoph Daum) in der Dauerschleife: “Wir blicken aufs nächste Spiel“, “Wir müssen besser werden“, “Wir schlafen zu oft“. Exakt, der Zuschauer schläft! Doch ab und an machen sich Herrschaften auf, diesem Treiben ein Ende zu setzen, dem Zuschauer wieder das Gefühl zu geben, man erlebe auch nach dem Spiel noch Highlights. Hier eine Auswahl: 1. “Es gab immer wieder Momente, wo du merkst: Du bist dieser kleine Piss-Verein. Du bist dieser Piss-Verein, der auch bei den Schiedsrichtern nicht die Wahrnehmung hat. Und der erste abgefälschte Fuck-Ball geht rein.“ (Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht hat den Schimpfwörter-Swag) 2. “Bei uns muss schon einer im Strafraum erschossen werden, damit wir mal einen Elfmeter bekommen.“ (Frankfurts Trainer Armin Veh am Abzug) 3. “Das Gesicht hat er vom Gesichtsverleih.“ (Auf Faschingskleid-Suche: Werner Hansch) 4. “Jeder hat alles aus seinem Körper rausgeholt: körperlich, aus dem Körper, also auch mental.“ (Im Definitionskurs von Professor Rudi Völler) 5. “Mit der Roten Karte wurde es schwer. Szalai ist 3,50 Meter groß, wiegt 2000 Kilo. Man berührt ihn leicht, dann fällt er um. So ist das halt.“ (Jan-Ingwer Callsen-Bracker, einsichtig) 6. “Ich denke, Raymond Domenech ist der schlechteste französische Nationaltrainer seit Ludwig XVI.“ (Historiker Eric Cantona 2009)

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Französische Regierung versetzt Tattoofans in Angst und Schrecken. Das seit Januar von der französischen Regierung diskutierte Verbot von 59 Farbpigmenten, zeichnet den sonst so harten, „zutätowierten“ Kerlen und Hardcore-Bräuten einen angsterfüllten Ausdruck ins Gesicht. Denn das würde bedeuten, dass den Tattoostudios in Frankreich künftig nur noch ein Bruchteil an Farben für ihre Kunstwerke zur Verfügung stehen würde. Der Phoenix auf der Brust hätte also nicht mehr sechs verschiedene Orange-Nuancen zu bieten, sondern nur noch zwei. Grund dafür ist, dass immer wieder bedenkliche Substanzen in gerade „bunten“ Farben entdeckt werden. So genau weiß niemand, was man sich da unter die Haut sticht oder wo das Zeug im Körper hinwandert. Diese Bedenken hat die Nationale Arzneimittelbehörde ANSM nun der französischen Regierung gegenüber geäußert, welche mit einem geplanten Verbot reagiert. In Deutschland sollen die Farben allerdings größtenteils unbedenklich sein. Wichtig ist, dass man sich ein registriertes Studio aussucht und sich die Farben vorher zeigen lässt. Sobald hier Bestandteile der Farbe, Mindesthaltbarkeit und die Verwendungsdauer nach Öffnen angegeben ist, scheint dem bunten Phoenix zumindest in Deutschland nichts entgegen zu stehen. Auf eigene Gefahr, versteht sich.


Facebook liest nicht nur, was du veröffentlichst. Es kann auch lesen, was du nie veröffentlichen wolltest. Um Negativschlagzeilen im Datenschutzbereich ist das super soziale Netzwerk Facebook ja nicht gerade verlegen. Ständig gibt es neue Vorwürfe, wie mit unseren Daten umgegangen wird. Auch verrückt ist die Beobachtung, dass man gerade eben noch eine Mütze der Marke XY auf der Webseite XY angeklickt hat, um sie seinem Liebsten zum Jahrestag zu schenken und im nächsten Moment erscheint genau diese Mütze in zehnfacher Ausführung am rechten Bildschirmrand. Es ist gruselig. Aber es wird noch gruseliger. Du machst es, dein bester Kumpel macht es, alle machen essen. Posten, was gegessen wurde, witzige Partyfotos mit einem überflüssigen „lol“ versehen und allen mitteilen, dass man sich nun krank fühlt uns ins Bett geht. „Gute Nacht meine Facebook-Welt“. Aber wie oft hat man einen bescheuerten Kommentar doch in letzter Sekunde schnell wieder zurückgezogen, bevor die Allgemeinheit davon erfährt? Eine Studie namens „Self Censorship“, die von den beiden Facebook-Mitarbeitern Sauvik Das und Adam Kramer geführt wird, beschäftigt sich gerade mit dieser Form der „Selbstzensur“ und weiß, was du posten wolltest. Dabei soll es natürlich nicht um die Information selbst gehen, die uns gerade noch verborgen geblieben ist. Es soll darum gehen, ob und wie oft sich Nutzer selbst zensieren. Aber wozu? Die Vermutung liegt nahe, dass es mal wieder darum geht, aus uns naiven und unaufgeklärten Facebook-Nutzern noch mehr Informationen heraus zu holen. In Zukunft sollte man also nicht nur etwas nicht posten, man sollte es nicht einmal gedacht haben. Wer weiß, vielleicht kann Facebook bald deine Gedanken lesen? 9


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Künstler sind auch immer Überlebenskünstler. Denn das was sie machen, ist subjektiv, kreativ und trägt für die breite Masse eigentlich nichts zum Leben bei. „Brotlose Kunst“ studieren, die gefürchtetste Anomalie seit es Eltern gibt. SHICE hat zwei Künstler zum Gespräch getroffen, die ihr Geld einmal mit Hand und Stift verdienen möchten. Sie sind dünn, bärtig, sehr jung und wissen irgendwie schon ziemlich genau was sie sind und sein wollen. Auf ein Bier mit zwei klugen, tätowier von Inka Klein ten Köpfen. Menschen zu einem fruchtenden Gespräch ohne Floskeln zu zwingen, hat schon bei Thomas Gottschalk nur mäßig geklappt. Aber wir wollten das Experiment angehen. Zwei Künstler sollten sich über die Kunst im wirtschaftlichen, begrifflichen und akademischen Kontext unterhalten. Noch lieber, diskutieren! Es sollten Strukturen aufgebrochen und Meinungen angezweifelt werden. Wir hätten gelinde gesagt auch alles geglaubt, was uns nur einer von ihnen erzählt hätte. Deshalb war es eine Freude, zwei unterschiedlichen Künstler, die auch noch verschiedene Ansichten zu dem Begriff „Kunst“ haben, zu lauschen. Inka und Frank von SHICE durften zuhören, mitreden und den Glauben an weiße Bilder, Feuer und banale Kontrolle zurückgewinnen.

Das Café Treibhaus in Nürnberg, 16. Dezember, Tisch hinten links. Irgendwie ist es schön, dass sich Max und Johannes schon kennen. Unabhängig voneinander, hatten wir jeweils einen der Studenten für dieses Gespräch vorgeschlagen. Aber irgendwie ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die zwei schon ein paar Mal im kleinen Nürnberg auf Kunstveranstaltungen über den Weg gelaufen sind. Umso schöner, dass sie sich auch noch mögen, aber trotzdem diskutieren können.

Der 22-jährige Johannes trifft zuerst ein. Während wir auf unser erstes Bier warten, erzählt er von seiner jüngsten Erfahrung zum Thema Kunst. „Ich habe letztens bei einem Job einen riesigen Zyklopen auf eine Wand gemalt. Da hat mich dann ein Künstler, der das nebenberuflich macht, gefragt: ‚Was machst’n du da? Du bist doch Künstler.‘ Da hab ich dann gesagt: ‚Nee, ich bin Illustrator, also ich studiere das.‘ Dann sagt er doch tatsächlich zu mir ‚Aber dann machst du doch keine Kunst.‘“ Daraufhin entbrannte zwischen den beiden ein kleiner Streit, ob sich der Grafikdesign Student mit Schwerpunkt Illustration überhaupt Künstler nennen darf. „Ich finde schon, dass Illustratoren Künstler sind. Aber ich find’s irgendwie anmaßend, das von mir selber zu behaupten. Es gibt auch Leute, die malen gar nicht und sind Künstler. Das sind dann halt Überlebenskünstler für mich.“ Die Vorgeschichte von Johannes Stahl ist irgendwie charmant. Der Nürnberger hat mittlerweile viele Aufträge und 1.707 Likes auf Facebook. Als Joemadethis ist er vielen auch durch die Gestaltung von Flyern bekannt. „Wenn ich jemandem sage, ich heiße Johannes Stahl, dann merken sich das die Leute zwei Stunden. Aber Joe-made-this ist halt voll einfach: Jo hat das gemacht. Das weiß dann jeder. Und damit ist auch klar, dass ich das mit meinen Händen gemacht habe. Heutzutage entsteht ja fast alles digital in dem Bereich.“ Vor seinem Studium langweilte er sich im Gestaltungszweig auf der FOS mit Blumenstillleben und bekam regelmäßig Vierer und Fünfer weil er die Stiele rot und die Blüten blau malte. Seine Schwester hatte ihm früher noch die Farben auf die Stifte geschrieben, weil Johannes eine RotGrün-Schwäche hat. Jetzt beschäftigt er sich fast ausschließlich mit schwarz und weiß.

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Das Heiligtum Skizzenbuch

Mittlerweile ist auch Max Hanisch angekommen. Der ebenfalls 22-Jährige kommt gerade aus einer Vorlesung am Tiergarten. Nach jahrelangen erfolglosen Bewerbungsverfahren für Design und Kunst, studiert er jetzt endlich freie Kunst an der Akademie für bildende Künste am Tiergarten und ist glücklich. Bis dahin arbeitete er, wie auch jetzt nebenbei, im Café Treibhaus, das seiner Mutter gehört. Johannes begrüßt den Erstsemestler: „Und, biste jetzt Künstler?“ Max erwidert: „Hm, naja, du?“ „Nö!“, grinst Johannes zurück. 12

Max hatte zuletzt im Mai 2013 eine Ausstellung in der Kofferfabrik, wo auch Johannes dabei war. Beide machten dort auch Livepaintings. Diese finden regelmäßig in Clubs statt, wo die Künstler ihre Ideen unter Einfluss der Musik auf Leinwand und Papier bringen. Außerdem treffen sich die beiden oft zum „Drink&Draw“ mit kreativen Freunden. Bei diesen Terminen wird sich ausgetauscht, getrunken und gezeichnet oder gemalt. Vor allem für Max sind das die Tage, an denen er die Studiumsnormen auch mal vergisst.


Johannes sieht diese Treffen als Termine, aber eben ohne Auftrag.

Man muss es sich leisten können, zu entscheiden: Will ich viel Geld und dafür meine eigene Kunst zurückstellen, oder möchte ich mich ausleben können und dafür bescheiden leben? Das Dilemma der Künstler schlechthin, darin sind sich alle einig. Johannes‘ Erfahrung beim heutigen AktzeichenGerade das Studium halten beide für einen kurs bringt es irgendwie auf den Punkt: „ Da Vorteil. Max hebt hierbei den Austausch schaut einer dem andern über die Schulter mit den Studenten hervor, den er als freier und sagt: ‚Boa ey, dein Schatten hat voll den Künstler nicht so intensiv hätte. Die Wisgeilen Blauton.‘ Ich verstehe das nicht, diesenserweiterung geschieht vor allem durch ses rein ästhetische Gelaber. Die Leute holen die Kommilitonen und nicht ausschließlich durch die Professoren. „Ich glaube diese Vor- dem Gott des Fotorealismus einen runter. Es stellung von Kunst als wirtschaftliche Quel- ist egal, was du eigentlich denkst, du musst le, also als Seminar, ist erst so in den letzten funktionieren wie so ‘ne Maschine.“ Genauso zehn Jahren aufgekommen. Da hat man sich geht es ihm manchmal bei Aufträgen. Eine Werbeanzeige muss effizient sein, man muss halt dann Gedanken gemacht: Wie kann es sofort lesen können, es muss funktionieman junge Künstler darauf vorbereiten wie ren. Die gemeine Masse muss es kapieren. sie sich vermarkten können. Wie kann man „Zum Glück ist es jetzt im Studium noch so, sich bezuschussen oder sponsern lassen?“, erzählt Max auch in Hinblick auf Stipendien, dass ich geilen Scheiß machen kann, bevor ich mir später die Frage stellen muss, bei denen er sich beworben hat. Johannes will ich Geld verdienen oder will ich geilen holt sich gleich mal ein paar Tipps, da es in Scheiß machen? Da habe ich ein bisschen seinem Design Studiengang nicht wirklich Angst davor.“ Auch Max bemerkt enttäuscht, Informationen darüber gibt. Der Illustrator dass Aufträge dann doch oft banal sind. Die findet es interessant, zu Sachen gezwunGesellschaft will gewisse Symbole weil sie gen zu werden. So bietet ihm sein Professor gerade angesagt sind. Die Diskussion über zum Beispiel eine Herausforderung, wenn er ihm eine Aufgabe gibt, die den Studenten die zehnte Band, die von Johannes gerne Eulen oder Füchse auf ihrem Cover hätte, kann nicht gerade begeistert. Auf Freunde angesprochen, die Kunst ohne Studium machen, hier so nicht wieder gegeben werden, weil sie einen großen Teil des Abends beansprucht antwortet Johannes enttäuscht: „Das ärgert hat. Aber Fakt ist am Ende: „Es gibt oft nur mich, dass ich da jetzt selber wieder drauf eine Ebene. Es ist halt einfach „schön“. Aber komme, ich kenne keinen der davon leben kann.“ Aber wie kann der Rest von der Kunst da ist doch noch mehr drin. Ich habe ja endlos viel Macht zu sagen was ich will. Warum leben und trotzdem noch „real“ bleiben? soll ich nur eine Eule malen, wenn ich doch Ohne sich zu verkaufen und nur noch beso viel Macht habe?“ schränkte Aufträge auszuführen?

Das Gespräch stößt genau an diesem Punkt Eine schwierige Frage, die es bei einem zwei- auf eine wichtige Grundsatzfrage, bei der sich beide Künstler nicht sehr einig sind. ten Bier zu beantworten gilt. 13


„Ogun“, von Max Hanisch 14


Gerade weil beide unterschiedliche Dinge verwirklichen. Johannes illustriert mit gesellschaftskritischem Unterton und will dabei auch mal stumpf und plakativ sein. Max beschäftigt sich gerade mit Klebeband aller Art und zündet seine Werke auch gerne mal an. „Max arbeitet auch beim „Drink&Draw“ oft mit Feuer und Zerstörung. Und dann ist es immer geil!“ sagt Johannes begeistert von seinem Freund. Also was ist denn dann eigentlich Kunst? Max hat dabei eine offene, klare Meinung. Kunst ist für ihn alles was einem Rezipienten präsentiert wird. „Das was du frei zugänglich machst, kann nicht mehr als Kunst angezweifelt werden, es kann nur noch als gut oder schlecht bewertet werden.“ Als die Sprache auf einen Künstler kommt der einfach viele weiße Bilder unterschiedlicher Formen ausstellt, kann Johannes Max‘ Meinung, das sei auch Kunst und auch noch gute, nicht akzeptieren. “Ich möchte kurz einwerfen, davon verstehe ich nichts!“ sprach’s und lächelt. „Komm streiten wir uns!“ Es kommt uns ein wenig so vor, als würde sich Joemadethis hier fein rausreden. Man kann den guten Mann einfach nicht auf etwas festnageln. Mit der Interpretation von einfachen Bildern und Meinungen zu Van Gogh oder Neo Rauch kann man ihn nicht locken. Aber er hat eine klare Meinung zur Kunstfrage und beharrt darauf: „Es muss halt irgendwie echt sein, das muss ich sein. Das ist Kunst. Authentizität ist mein Stichwort.“ Bei Johannes darf es gerne stumpf sein, aber es muss was passieren. Man darf nicht rumlabern, weil die anderen es verstehen müssen. Max hingegen entwickelt seine Message oft erst beim arbeiten. Und eines ist ihm auch wichtig. „Es ist immer einfach zu sagen, das oder das ist scheiße! Aber man sollte sich auch mal mit etwas beschäftigen, was man nicht mag. Vielleicht auch nur, um sich zu bestätigen, dass es danach immer noch scheiße ist.“

Ihre Zukunft sehen beide relativ positiv. Max glaubt daran, später einmal von der Kunst leben zu können. Johannes sieht sich in zehn Jahren entweder als Schreiner mit Kunsthobby oder als Halbtagsgrafiker. Das Studium bietet beiden Sicherheit, Konfrontation und Herausforderung. „Und wenn es nicht klappt, hatten wir wenigsten drei Jahre unseren Spaß.“ Heute haben wir zwei selbstbewusste, junge Künstler getroffen, die uns Journalisten den Glauben wieder gegeben haben, dass man es generell in diesem Bachelor of Arts Metier irgendwie schaffen kann. Es gibt zu viele zukunftsängstige Mittzwanziger. Wir brauchen mehr Leute die mit dem Feuer spielen und auf blaue Schatten pfeifen!

„Messer“, von Johannes Stahl 15


Max Hanisch

Johannes Stahl

Jahrgang 1991, studiert nach mehreren Absagen seit Oktober im ersten Semester freie Kunst in Nürnberg. Er liebt Feuer und das, was es bewirkt, wenn man es mit Klebeband in Berührung bringt. Manchmal wirft Max auch Arbeiten der letzten Jahre über den Haufen, um etwas komplett Neues zu beginnen. Sein Motto: „I will not make anymore boring art.“ Deshalb tauscht er sich auch regelmäßig mit ausländischen Studenten aus. Bei einem Besuch der Biennale in Venedig holte er sich Inspiration von den ganz Großen und Bestärkung in seinem Wunsch, später als Künstler zu arbeiten.

Jahrgang 1991, ist Designstudent mit Schwerpunkt Illustration in Nürnberg. Unter dem Namen Joemadethis zeichnet er, mit Ausnahme von gelegentlicher Typo, die er am PC macht, ausschließlich mit der Hand. Er designt unter anderem Skateboarddecks und T-Shirts. Seine Illustrationen wurden sogar im israelischen Nose Magazine veröffentlicht. Dass seine Rot-Grün Schwäche keine Hürde ist, beweist er regelmäßig auf seiner Website und auf Facebook. (Unsere Autorin hatte schon viele seiner Werke gesehen, bevor sie den Künstler traf. Wegen dem vielen schwarz, stellte sie ihn sich irgendwie automatisch als schwarzhaarigen Grufti vor. Dass er sich als blondbärtige Freundlichkeit entpuppte, war die Überraschung des Tages.)

facebook.com/max.hanisch.art

joemadethis.de

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Positiver Hardcore ist nicht so ausgelutscht und uncool, wie die meisten denken. Dieses Statement hat sich Andy Villhauer, Sänger von THE HAVERBROOK DISASTER, für diesen Artikel gewünscht. Den Gefallen tun wir ihm natürlich gerne. Das musste schließlich auch endlich einmal gesagt werden, viele aus der Szene haben das nämlich noch nicht so begriffen, trotz des großen Erfolgs von Bands wie THE GHOST INSIDE und STICK TO YOUR GUNS. von Frank Engelhardt

Auf „Weather The World“ geht ihr weg vom Metalcore der Anfänge, hin zum klassischen Hardcore. Was sagst du zu Aussagen aus der Szene, ihr würdet Trends hinterherlaufen? Da läuft eine Band immer Gefahr, wenn sie ein neues Album macht. Es gibt immer Leute, die sagen, das erste Album ist das Beste. Das geht mir als Fan ja auch so. Wir wussten zu unseren Demo-Zeiten noch nicht wie man Songs schreibt. Wir haben einfach Parts aneinandergereiht, die cool klangen. Das hat oftmals auch nicht geklappt, aber glücklicherweise wohl oft genug. Mit dem ersten Album haben wir zum ersten Mal wirklich bewusst begonnen Lieder, zu schreiben. Wir haben dabei aber noch viel an die Kids gedacht. Hier muss ein Moshpart, hier ein Two-Step rein. Diese Elemente haben wir natürlich auch auf „Weather The World“, das ist ja essenziell für Hardcore. Aber es ist jetzt einfach besser verpackt. Wir machen nicht mehr den metalischen Hardcore wie früher, vielleicht sind wir auch unbewusst mit der Entwicklung der Szene mitgegangen. Das ist ja selbstverständlich, wir alle sind von neuer Musik beeinflusst. Aber wir machen jetzt definitiv auch keinen auf COMEBACK KID. Es gibt momentan auch sicher gehyptere Bands. Ein weiterer Haupteinfluss wäre noch NO WARNING, die es schon längst nicht mehr gibt. Ein nach Trends hinterherlaufen sehe ich bei uns also eigentlich nicht. 18

In eurem Booklet steht zu jedem Song ein passendes Zitat von wichtigen Persönlichkeiten wie Henry Rollins (Sänger von BLACK FLAG), Napoleon Hill (US-Schriftsteller) oder Harvey Milk (US-Politiker). Früher war es ein gewisser Standard, seine Lyrics mit Liner Notes zu ergänzen. Fehlt dir heutzutage die Message im Hardcore? Es freut mich immer tierisch, wenn sich die Leute mit meinen Lyrics und dem ganzen drum herum beschäftigen. Lyrics sind etwas Persönliches. Die Zitate im Booklet sind alle von Menschen, die mich persönlich beeinflusst und mich auch direkt zu Texten inspiriert haben. Das klingt jetzt wie ein Klischee, aber ich war schon immer einer, der sich mit den Roots beschäftigt hat. Ich interessiere mich als Hardcore Kid nun mal auch für die Wurzeln in den 80er Jahren und den Persönlichkeiten dieser Zeit. Ich wurde auch Straight Edge nicht durch eine neue Band, die es seit vier Jahren gibt oder so, sondern in der Tat durch Ian Mackaye (Anm.d.Red.: Sänger der Straight Edge Band MINOR THREAT), der Klassiker halt. Deswegen war es mir auch ziemlich wichtig, einen Teil der Leute, die mich inspiriert haben, als eine Art Tribut direkt in dieses Werk zu übernehmen. Brauchen die Kids heutzutage wieder dieses Bewusstsein für die Geschichte? Es ist wichtig, sich für den aktuellen Hardcore zu interessieren und sich damit zu


beschäftigen. Du lebst ja in dieser Zeit und musst wissen, was abgeht. Du solltest aber gleichzeitig wissen, wo das alles herkommt. Ich bin jetzt aber um Gottes Willen keiner, der auf einer Show auf ein Kid zeigt und sagt „Ey, du hast von Hardcore gar keine Ahnung!“. Das finde ich voll zum kotzen. Diese grundlegende Einstellung, die es heutzutage leider immer noch gibt, dass die Jüngeren immer automatisch die Uncooleren sind, finde ich total scheiße. Wenn es diese Kids nicht geben würde, die enthusiastisch auf jede Show gehen und sich die CDs und T-Shirts kaufen, würde es Hardcore nicht mehr geben. Die Leute die Mitte dreißig sind und ihrer Musik von früher hinterhertrauern und deswegen auf keine Shows mehr gehen, die halten die Szene bestimmt nicht am Leben. Deswegen ist es sehr wichtig am Zahn der Zeit zu bleiben, aber eben auch die Roots zu kennen. Mir persönlich hat es als Fan sehr viel gebracht.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, mir gefällt alles aus den 80ern. Vieles ist einfach nur Krach. Aber da hab ich so eine Art Nostalgie für, obwohl ich da noch gar nicht auf der Welt war, aber mich interessiert das einfach.

Fotos: Bedenkzeit Fotografie, Rafael Josef Magosch

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Unter dieser Rubrik geben wir in Zukunft unseren Senf zu Themen aller Art dazu! Eigentlich sollte sich die Redaktion hier streiten, am besten einen von uns so fertig machen, dass er aussteigen möchte. Im Laufe der Zeit haben wir aber festgestellt, dass wir uns zu ähnlich sind. Und zu süß. Viel zu süß, ehrlich. Alles rosa und schön hier im SHICE-Hauptquartier. Potenzielle Arschlöcher und Schlampen (männlich und weiblich, wir sind für Gleichberechtigung) mögen sich bitte melden, damit in Zukunft hier die Lutzi abgeht. Danke! Bis sich einer traut, müsst ihr euch mit uns Langweilern abgeben. Das wird noch peinlich - für uns alle, versprochen.

Wusstet ihr, dass Schwäne monogam leben? Scheiß auf Einhörner, wir sind alle gottverdammte Schwäne! Großeltern, die ihren 50. Hochzeitstag und damit die romantische Goldene Hochzeit zelebrieren – oder die eigenen Eltern, die steil auf die Knoblauchhochzeit (33 1/3 Jahre) zurasen. Solche Geschichten sind es, die erzählt werden wollen. Gerade weil sie in unserer Gesellschaft rar gesät sind. Monogamie, das Antithema schlechthin unter uns modernen Menschen. Unterschiedliche Partner am Fließband, wohl der Wandel der schnelllebigen Zeit. Doch rentiert es sich aus meiner Sicht, auf die eine Liebe zu lauern und sie dann festzukrallen (natürlich im bildlichen Sinn, knick knack). Ein Mensch ist nun mal vielschichtig, ob Frau oder Mann. Es lohnt sich, sich über Jahre hinweg immer wieder frisch kennenzulernen, den Partner durch Streitigkeiten und gemeinsame Erlebnisse stets neu zu entdecken. Bei vielen Gefährten wird dagegen nur die Oberfläche angekratzt – eine kurzweilige, auf lange Sicht jedoch nicht zufriedenstellende Angelegenheit. [Markus] Ich gebe dir Recht, was das Ankratzen vieler Oberflächen betrifft. Auch mich fasziniert die Beobachtung ständig wechselnder Partnerschaften in meinem direkten Umfeld. Ich meine, ich kann meine Beziehungen an einer Hand abzählen und da bleiben sogar noch Finger frei, während andere in meinem Alter schon beide Hände brauchen. Das kann doch nicht Glück bedeuten? Dennoch erlaube ich mir, die Monogamie wie schon Charlotte Roche in ihrem zweiten Skandal-Schinken „Schoßgebete“, in Frage zu stellen. Ich denke schon, dass die absolute Monogamie eigentlich nicht in der Natur des Menschen liegt. Die Menschen sind monogam geworden, um ihre Kinder in einem trauten Miteinander groß zu ziehen. Sind die Kinder dann ausgezogen, herrscht oft gähnende Leere. Genau hier stellt man oft fest, dass weder die Liebe noch die körperliche Anziehung überlebt haben. Also sollte man ein wenig weg von konventionellen „So-gehört-es-sich-eben-Partnerschaften“ gehen und lieber überlegen, was man wirklich will und ob sich das mit den Vorlieben des Anderen vereinen lässt. 20


Ist die Antwort hier „Nein“ bedeutet das noch lange nicht das Aus. Es ist vielmehr eine Chance! Liebe ist ein ständiges Arbeiten - miteinander und an sich selber. Sich gemeinsam entwickeln und nie Stillstand. Körperliche Anziehung ist nicht selbstverständlich, man muss den Partner immer wieder aufs Neue neugierig machen. Dann kann Monogamie schön sein und Spaß machen. [Lorene] „You’ve got two faces. One black and one white. I need a grey zone.” Bei Monogamie muss ich immer sofort an das gleichnamige Lied von I heart Sharks denken. Wieso gehen wir dabei eigentlich immer gleich von eintöniger Langeweile aus? „Monogamy is monotony?“ Und kann ich das in meinem Alter wirklich beurteilen? Kann eine zweieinhalb Jahre dauernde Beziehung überhaupt monoton sein, wenn man erst zwanzig Jahre gelebt hat? Menschen die Beziehungen immer schnell wieder aufgeben, kommen entweder mit Monogamie nicht klar oder damit, sich an einen Menschen zu binden. Das sind für mich zwei verschiedene Dinge. Die „lebenslange exklusive Fortpflanzungsgemeinschaft“ – Wikipedia macht immer alles so radikal! – klingt natürlich wie panamaische Haftbedingungen bei Wasser und Brot. Aber was den Meisten viel mehr Angst macht, ist, sich auf einem Menschen mit all seinen Fehlern, komischen Angewohnheiten und peinlichen 90er CDs einzulassen. Weil’s anstrengend ist! Das von Lorene genannte Weggehen von „So-gehört-es-sich-eben-Partnerschaften“ ist der richtige Schritt. Monogamie nicht monoton werden lassen. Dann brauchst du vielleicht auch keine „grey zone“. Und alle die gerne polygam leben, ob vereinbart in einer Partnerschaft oder als Single: Tut es! Geht raus, seid glücklich. Seid nur nicht allein. [Inka] Ich höre beim Thema Beziehung oft den Satz „Irgendwann geht es sowieso zu Ende und tut nur noch weh“. Diese Leute tun mir leid. Als egoistisches Arschloch in Sachen Liebe kann ich nur bestätigen, ja, es kommt irgendwann einmal der Punkt, wo es weh tut. Irgendjemand verliert immer. Die Leute vergessen aber gerne die Zeit, in der die kleine Welt in Ordnung war. Das ist schade. Ich finde den Punkt von Inka sehr interessant, in dem sie die Angst beschreibt, sich auf einen Anderen voll einzulassen, mit allen Konsequenzen. Sich selbst glücklich, zu machen ist ziemlich einfach, jemanden anderen daran teilhaben zu lassen oder gar selbst glücklich zu machen ist die Königsdisziplin. Menschen die mit dem Argument „Evolutionsbedingt ist der Mensch nicht für die Monogamie gemacht, Fortpflanzung und so“ sind für mich schlicht dumm. Willkommen im 21. Jahrhundert, ihr Dumpfnasen, Planet der Affen kommt erst noch. Allen die das Argument „Ein Mensch allein kann niemanden auf Dauer glücklich machen“ vertreten, sei gesagt, ihr habt nie wirklich geliebt. Mir ist bewusst, dass nicht alles rosa ist, das Liebe anstrengend und in den meisten Fällen vermutlich auch scheiße ist. Aber ein bisschen Hoffnung muss doch sein, dass es doch die eine Person gibt, die einen erfüllt, im Bett als auch geistig und das auf Dauer. Macht es Sinn in eine Beziehung zu gehen mit dem Hintergedanken, dass es sowieso auseinanderbricht oder der nächste Partner schon wartet? Fickt euch das Hirn raus, habt Spaß, ich gönne euch das von tiefsten Herzen. Aber für mich persönlich muss es doch mehr geben, das kann es doch nicht wirklich gewesen sein. Das hier gerade vier junge Menschen (sorry, dass ich den Schnitt so in die Höhe treibe!) unabhängig von einander an so etwas wie Liebe und Partnerschaft glauben, stimmt mich dann aber doch positiv. Es ist nicht alles scheiße auf dieser Welt. [Frank]

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oben: Die Dorfschule, gebaut 1895, wird von der Familie seit zwei Jahren bewohnt und renoviert. unten: Ute, Karla und Achim vor dem alten Schultor.

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Der Mixer darf in einer Rohkostküche nicht fehlen. Zum Beispiel für Raw-Food-Kakao, gesüßt mit BioFeigen. 23


Diplom-Psychologe und Autor Robert Betz schreibt in einem seiner Bücher, dass in dieser Zeit viele Menschen umdenken. „Sie fangen zum Beispiel an, die Wünsche ihres Herzens zu erforschen, und stellen zu ihrer Überraschung fest, dass aus Wünschen Wirklichkeit werden kann“. Dass es tatsächlich nicht so schwer ist, einen anderen Weg als den gewohnten einzuschlagen und dabei richtig glücklich zu sein, zeigen Achim, Ute und Karla. Eine junge Familie aus Horst, einem kleinen Dorf bei Hamburg. Sie ernähren sich ausschließlich von Rohkost und leben in einer alten Dorfschule. Eine spannende Reise hinter die Kulissen von Nordisch Roh. von Lorene Löffler

„Ich dachte schon eine freakige Anzeige in einem Rohkost-Magazin aufgeben zu müssen“. (Ute) 24

Ute ist sehr froh, als sie Achim kennenlernt, weil er von Anfang an offen für ihre Idee eines alternativen Lebensstils ist. Bisher wird sie nämlich belächelt, wenn sie ihre RohkostVorliebe offenbart. Mit Achim darf sich das ändern. Zwar erzählt sie es ihm nicht sofort, aber als Ute von ihrer gemeinsamen Leidenschaft fürs Laufen erfährt, kann sie nicht mehr an sich halten und „haut es einfach raus“, schließlich achten Läufer grundsätzlich auf ihre Ernährung. Die Liebe zum Sport ist es auch, die sie zusammenführt, und Petra, eine Freundin von Ute mit lockerem Mundwerk. Damals laufen die beiden Sportbegeisterten bei einem Staffellauf im Hamburger Stadtpark mit, danach gibt es für alle Teilnehmer Picknick im Regen unter‘m Baum. Die Frau mit dem lockeren Mundwerk sieht, dass Achim zum Käse statt zur Wurst greift und fragt ob er wohl Vegetarier sei und dass er gut zu ihrer Freundin passen würde. Wenig später verabreden sie sich zu einem Lauf an der Elbe. „Ich dachte noch wie hohl das ist, man schwitzt und ist total fertig danach“, sagt Ute lachend. Sie reißt es damals mit einem selbstgebackenen


Apfelkuchen raus, „was natürlich geschickt war, nach 20 Kilometern schmeckt dir jeder Kuchen“, ergänzt sie. In vielen Gesprächen nähern sich die beiden dann an und merken, dass sie jeweils offen für die Ideen des Anderen sind. Er möchte die alte Dorfschule seines Opas kaufen und dort eine Wohngemeinschaft gründen, sie möchte sich von Rohkost ernähren und irgendwann so viel wie möglich selber im Garten anpflanzen. Zwei Visionen, die sie heute prima zusammengeführt haben. Eigentlich kann man nur eines denken, wenn man sie so über die Anfänge ihres gemeinsamen Lebens reden hört: Gut, dass es geregnet hat und gut, dass Petra keine Angst vor peinlichen SchweigeMinuten unter besagten Baum hatte. Und gut, dass sie in der alten Dorfschule von Achims Großvater den richtigen Ort für all das gefunden haben. Bei Ute kann man sagen, sie ist in eine Rohkost-Welt hineingeboren worden. Schon in ihrer Kindheit in Ostfriesland essen ihre Eltern sehr viel frisches Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten. Ihr Papa baut damals außerdem pure Rohkost-Phasen in seine Ernährung ein, um in seinem Laufsport Spitzenzeiten zu erreichen. Klar hatte auch Ute wie fast jeder Teenager die Sturm-undDrang-Zeit mit Alkohol und Zigaretten, aber sie hat den Weg mit 23 Jahren wieder zurückgefunden. Auch Achim fängt früh an, sich über seine Ernährung bewusst Gedanken zu machen. Mit 16 Jahren wird er Vegetarier. „Nach ein paar Reflexionen, wer ich sein möchte und was ich der Welt antun möchte oder eben nicht, war meine Entscheidung klar“, so Achim. Später wird er sogar Gründungsmitglied in der „Group for Society and Animals Studies“, an der Universität Hamburg. Letztendlich zur Rohkost gekommen, ist er durch Ute. Sie haben sich für die Rohkost-Ernährung entschieden, weil sie davon überzeugt sind, dass das die gesündeste Art zu leben ist.

Sie möchten ihre Lebensmittel in reiner, roher Form zu sich nehmen, das heißt nicht über 42 Grad erhitzt und auch sonst keinen äußeren Einflüssen ausgesetzt. So gehen keine Inhaltsstoffe „hops“ und es entstehen auch keine unerwünschten Produkte. „Unsere Vision ist es, in Würde zu altern und mit 50 Jahren noch voll im Leben zu stehen, ohne Krankheiten“, so Ute. Dann möchten sie auch gemeinsam den New York- Marathon laufen. Dass sie ihre Form der Ernährung an das gewünschte Ziel bringt, merken sie schnell und das motiviert die Familie auch Tag für Tag weiter zu machen. Seitdem Achim Rohkost isst, hat er keine Mittagstiefs mehr, „während seine Kollegen durchhängen und von Mittagsschlaf träumen“. Auch beim Laufen merkt er, dass er zu viel höheren Leistungen fähig ist. Bei Ute ist es der Stress, der dadurch wegfällt. „Du wirst gelassener, was gerade in der heutigen Welt so wichtig ist“, meint Ute. Den beiden geht es aber nicht nur darum, was mit Körper und Geist passiert. „Genauso wie wir alt werden und glücklich sein wollen, wollen wir auch in einer Welt alt werden, die soweit okay und gut ist“, so Achim. Sie denken nachhaltig, möchten nicht viel Müll produzieren und setzen auf Obst und Gemüse von Menschen mit Gesicht und nicht die Supermarkt-Theke. Ein Gedanke, der in der Rohkost-Szene ihrer Meinung nach oft außer Acht gelassen wird. Das Meiste holen sie sich vom Wochenmarkt, „da haben wir schon unseren StammBio-Bauern“. Ein Grund mehr, den großen Schulgarten mehr und mehr in ein Selbstversorger-Paradies umzugärtnern. Die beiden Nordlichter würden dich aber nie verurteilen wenn du mit deinem Einkaufswagen Richtung Supermarkteingang fährst. Denn wenn sie von ihrer Liebe für Grünkohlchips aus dem Dörgerät reden oder anfangen, von ihrer Raw-Food-Pizza zu schwärmen merkt man sofort: Sie machen das alles aus Leidenschaft und zeigen nicht mit dem Finger. Eine Haltung, die ihrer Meinung nach vielen 25


Rohkost-Fanatikern fehle. „Ich will dabei nicht verkrampfen, viele Rohköstler verlieren den Spaß dabei und nehmen alles zu ernst“, so Achim. Ihm ist wichtig, dass es sich richtig anfühlt „und daran muss man sich auch nicht immer und immer wieder erinnern und damit kokettieren“. Auch mit ihrem Blog nordischroh.com möchten die beiden zeigen, wie man andere Gedanken und Ideen in seine Ernährung einbauen kann und nicht dazu aufrufen, verdammt nochmal roh zu werden. „Du darfst niemals belehren. Wenn du Veränderung willst, dann tu es.“ Was Ute und Achim auch nicht mögen, ist „die Bevormundung, die oft in der Rohkost-Szene stattfindet“. Die Meinung, man müsse Rohkost als Wundermittel für sämtliche Krankheiten und Wehwehchen verkaufen, nervt die beiden. Sicher ist dieser Lebensstil für sie ein maximal gesunder, „aber es kann Leuten auch einfach scheiße gehen mit Rohkost, weil sie sich fühlen wie der letzte Freak“, meint Ute. Dass Rohkost auch verdammt schwer sein kann, ist ihnen bewusst. Jeder soll selber seine Erfahrung damit sammeln, denn sie sind nur „eine Quelle der Inspiration und kein Lösungsgenerator“.

Sie klammern also auch nicht aus, dass die Umstellung auf so eine Art zu leben sehr viel abverlangt. Es heißt nicht nur andere Handgriffe in der Küche zu machen oder sich genauer mit dem Thema Essen auseinanderzusetzen. Es bedeutet auch, auf vieles verzichten zu müssen. Ute hätte zum Beispiel mal wieder gerne einen Mädelsabend mit Sekt oder würde so gerne mal wieder einen Nachmittag im Café sitzen und Leute beim Vorbeigehen beobachten. „Das ist mit Tee einfach nicht dasselbe“. Achim hingegen fehlt sein geliebtes Vollkornbrot. Außerdem braucht es Mut und Selbstvertrauen „nicht nur für sich selbst neue Wege zu gehen, sondern auch mit dem Widerstand der 26

anderen umgehen zu können“. Aber sie sind beide keine Hardliner und wissen, dass ihnen niemand verbieten kann, jederzeit eine Ausnahme zu machen. Für ihre Sehnsucht nach einem schönen Café-Nachmittag hat Ute schon eine Idee: Raw-Food-Cafés mit Guarana-Getränken und Smoothies würde sie richtig cool finden und „wenn jeder mitmachen würde, würden sowieso alle ganz schnell die gekochten Sachen vergessen“, ergänzt sie schmunzelnd.

Dass es nicht immer so gut ankommt, wenn man auf anderen Pfaden als alle anderen trampelt, ist ein gegenwärtiges Phänomen. Achim nennt sich und Ute deshalb einen „wandelnden, ethischen Vorwurf“. Das bedeutet, dass man sich in der Mittagspause dafür rechtfertigen muss, wieso man nun Salat isst, während sich der Kollege eine Hand Gummibärchen in den Mund wirft und warum man sich eine Avocado schält, wenn es doch schon fertiges Kantinen-Essen gibt. Das sind ihrer Meinung nach „oft Menschen, die selber wissen, dass ihnen so ein Essen auch mal gut tun würde. Sonst würden sie gar nicht in so eine Angriffshaltung gehen“. Auch gegen viele Vorurteile hat die RohkostFamilie zu kämpfen. Am meisten nervt es, wenn Rohkost als Esoterik abgetan wird oder wenn ihnen prophetisch ins Gesicht gestarrt wird, ob von Mangelerscheinungen schon etwas zu sehen ist. All das ist für sie ein Kraftakt des Gegenübers, der nicht nötig ist. „Mich nervt auch die Frage, wie ich dieses oder jenes ersetze. Ich frage ja auch nicht, wie sie die Cola in ihrer Hand kompensieren“, ergänzt Ute. Die Freunde der beiden sind da zum Glück ein bisschen lockerer. Zwar stuft Petra ihre Freundin abwechselnd in eine Skala zwischen „völlig verrückt geworden“ und „irgendwie doch cool“ ein, „aber wir mögen uns trotzdem“, lacht


die gebürtige Ostfriesin. Auch Achims Freunde gehen mit dem Thema relativ sportlich um und erklären seinen Rohkost-Spleen damit, dass er schon immer ein bisschen verrückt war. Das Problem, das Ute und Achim in der Rohkost sehen, ist, dass sie in der Theorie schwach und in der Praxis unheimlich stark ist.

Das kleine Mädchen kriegt von all dem noch nichts mit, sie schlürft gerade genüsslich ein Glas frische Mandelmilch. Sie sieht gesund aus und glücklich.

Mit Karla wächst auch mehr und mehr die Sehnsucht heran, endlich etwas aus der großen Dorfschule zu machen. Als die kleine Familie dann letztes Jahr an so einen Wendepunkt kommt, an dem es nicht mehr weiterAls Karla vorletztes Jahr zur Welt kommt, geht, ist der richtige Moment gekommen. Sie ist von Anfang an klar, dass sie bei ihrem fahren Tag für Tag durch den zähen BerufsMädchen keine Wagnisse in der Ernährung verkehr nach Hamburg und beschäftigen eingehen. Sie entscheiden sich, eine Misich mit Dingen, die mit ihrem Leben abends schung aus Rohkost und normalem, vegeta- nur sehr wenig gemein haben. Tagsüber über rischen Essen zu machen - ein Balance-Akt, Wirtschaft und Geld reden, abends versuder Ute und Achim bisher gut gelingt. Ihnen chen noch schnell einen Beerenstrauch anist wichtig, dass die Kleine bekommt, was zupflanzen, bevor es dunkel wird. Ein Zwiesie braucht, weshalb sie zum Beispiel das spalt, der für Ute letztes Jahr unerträglich geliebte Vollkornbrot ihres Vaters genüsswird und sie vor allem erkennen lässt, dass lich essen darf. Tipps holen sich die jungen sie so nie genug Zeit für ihren Traum haben Eltern von anderen Rohkost-Familien aus werden und dass es „irrsinnig ist, aus dem dem Netz oder lesen sich in Bücher ein. tollen Haus nicht mehr herauszuholen“. Sie Dabei geht es ihnen nicht nur darum, dass beschließt gemeinsam mit Achim, im komdas Kind alle für den Wachstum wichtigen menden Jahr aus ihrem Job auszusteigen, Stoffe bekommt. Ute möchte nicht, dass ihr um sich endlich dem Wohnprojekt widmen Kind nur die Rohkost-Welt kennenlernt und zu können. Sie feilen gerade daran, wie man sich so von der „normalen“ Welt abschottet aus dem großen Haus etwas machen kann, und zur Außenseiterin wird. „Wenn man sein womit sie in Zukunft ihr Geld verdienen Kind von dem normalen Leben fernhält, ist können. Konkrete Ideen gibt es da schon, es das ganz schön schlimm“, so Ute. Trotzdem ist von einem Kreativ-Zentrum gemeinsam scheint es beide vor dem ersten Kindergemit Utes Geschwistern die Rede. Alle wollen burtstag auswärts zu gruseln, wenn der Tisch hier einziehen, gemeinsam Musik machen mit Cola, Chips und anderen Industriepround Seminare über Ernährung halten. Es dukten zum Essen ruft. Aber Ute versucht es liegt wie immer Optimismus in der Luft und locker zu nehmen und freut sich auf den ers- Leidenschaft. ten Geburtstag hier, „wenn es dann RohkostPudding gibt. Die Kinder werden das lieben“, Mit Ute hat Achim einen Menschen gefunscherzt sie fröhlich. Achim sitzt ein bisschen den, der diesen Traum des gemeinschaftbesorgt daneben und schließt das Thema mit lichen Lebens mit ihm teilt. Und sie hat einem diplomatischen „Ja, wir sind gespannt jemanden gefunden, der ihren Traum mit auf das Experiment“. Man merkt, wenn es Rohkost gesund zu altern, teilt. Eine Kombium die Karla geht, wird Optimismus zur nation die ein Lebensprojekt vermuten lässt, Hoffnung. das so schnell nicht enden wird. 27


„Es ist, als ob man im Dschungel auf Pfaden trampelt wo alle trampeln. Oder man schlägt sich durch ohne zu wissen, was hinter dem nächsten Baum wartet. Dafür findet man aber die besten Früchte“. (Ute)

Achim, 33: Er studiert zunächst Politikwissenschaft, weil er sich schon als Jugendlicher in „neuen sozialen Bewegungen“ ( Anti-Atom-Bewegung, Antirassistische Initiativen, Engagement in selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentren) bewegt, zunächst ohne sich ein berufliches Ziel zu stecken. In dieser Zeit sammelt er aber viele Inspirationen, wie ein alternatives Leben aussehen könnte und lernt verschiedene Häuser- und Wohnprojekte kennen. Vom alternativen Bio-BauernhofKollektiv bis zum Hausbesitzer-Projekt in Hamburg ist damals alles dabei. Nach dem Studium fängt Achim als Researcher bei der Statista GmbH an und leitet heute ein kleines ResearcherTeam. Seinen Traum einer Wohngemeinschaft verfolgt er nun gemeinsam mit Ute in der alten Dorfschule seines Großvaters. Er möchte allerdings erst einmal im Berufsleben bleiben, bis sie mit der Dorfschule ein Standbein für ihre kleine Familie aufgebaut haben.

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Ute, 30: Nach dem Abitur zieht sie von Ostfriesland nach Hamburg, um ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Behindertenhilfe zu machen. Im Anschluss studiert sie Soziologie. Ihr Ziel dabei: Herausfinden, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, was ihre Begeisterung zu Goethes „Faust“ erklärt. Danach ist sie gleich an der Uni geblieben und arbeitet hier als wissenschaftliche Mitarbeiterin an Forschungsprojekten mit, die sich mit den Themen Wandel der Arbeitswelt, Wandel der Lebensentwürfe, soziologische Zeitdiagnosen und Kapitalismus auseinandersetzen. Mittlerweile lehrt sie auch in diesem Bereich. Ihre Karriereoptionen ergeben sich aus der Möglichkeit zu promovieren und aus einem Mentorinnen-Programm für weibliche Führungskräfte (UNICA), in das sie aufgenommen wurde. Dennoch: Ute steigt nächstes Jahr aus und widmet sich ihrem Lebenstraum.


Um dir ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen: Du bist wirklich komisch wenn du dir Animes reinziehst, da gibt es nichts schönzureden. Aber das ist gut so! Nerds hatten es nie besser als heutzutage! Man lacht mit uns (Danke, Big Bang Theory!), findet uns sexy (Danke, Adam Brody!) und man möchte so aussehen wie wir (Danke, Ray-Ban!). Tja, und wer ist der König der Nerds? Richtig! Otakus, japanophile Leute, die auf wackelnde Brüste, Kulleraugen und Schulmädchen-Uniformen stehen. Ok, das ist natürlich ein übles Klischee, aber manchmal muss der Kakao getrunken werden, durch den man gezogen wird. Folgende Tipps werden dir zwar nicht die „das ist jetzt nicht das was du denkst!“ Momente ersparen, wenn jemand überraschend ins Zimmer kommt während du vor deinem Laptop sitzt. Aber du wirst wenigstens den Spaß deines Lebens haben. Achja, bevor ich es vergesse: Wir wissen beide, dass Animes ziemlich cool sind, aber tue dir und deiner Umwelt einen Gefallen und verzichte auf diese lebensgroßen Anime-Girl-Kissen. Das geht zu weit, wirklich. Außer es ist wirklich verdammt flauschig und ich meine damit so richtig verdammt flauschig. Das ist dann ok denke ich.

Ixion DT Saga

The Devil is a Part-Timer!

Ein MMO spielender Nerd wird in eine typische Fantasy Dimension gezogen. Wie? Warum? Ist doch egal! Er trifft auf einen gefühlvollen Muskelprotz (Klischee), eine kindlich aussehende Prinzessin (Klischee) und eine transsexuelle Elfe (Klisch…Oh wait!). Erstes aufeinandertreffen mit dem bösen Gegenspieler wird durch einen Tritt in die Eier verkürzt. Drama pur (er verliert seinen Hoden) und sau lustig (er verliert seinen Hoden, hallo?!). So herrlich selbstironisch, dass es für alle Onlinespieler oder Freaks zur Pflicht macht, diese Serie zu sehen.

Der Teufel landet im Tokio der Neuzeit, ohne nützliche Fähigkeiten wie Feuer spucken, durch die Gegend fliegen oder den anderen Vorteilen, die man so hat, wenn man der Lord der Finsternis ist. Er muss bei null anfangen und hart für die erneute Weltherrschaft arbeiten. Deswegen jobbt er fortan bei MgRonalds (you get the idea!), muss sich mit Alltagsproblemen herumschlagen und zu allem Überfluss holt ihn auch hier seine Vergangenheit ein. Daraus ergibt sich eine wunderbare Satire über das Leben als kleiner Angestellter in der modernen Gesellschaft. Klingt nach Bildungsfernsehen, ist aber unterhaltsam. 29


Kill la Kill Eine bitchige Variante von Sailor Moon auf Crack. Schnell, übertrieben, sexistisch, ironisch. Die neue Serie der Gurren Lagann Macher (Inhaltszusammenfassung: Brüste, Roboter, noch mehr Brüste. Empfehlung!) sprüht nur so vor verrückten Ideen und Einfällen. Es geht hier um das Leben an einer japanischen Highschool, eigentlich aber um Kleidung, die einem Superkräfte verleiht und umso mächtiger wird, je weniger man davon anhat. Diese Serie ist jetzt schon Kult, ehrlich.

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Alle drei Serien können umsonst und legal auf den Seiten hulu.com und crunchyroll. com angesehen werden. Diese sind leider nur in den USA verfügbar, was es nicht mehr ganz so legal macht. Ihr seid aber jung, schön und vor allem nicht dumm. Ihr macht das schon! Dann erzähle ich euch nächstes Mal auch von meinem Onkel Proxy und seinem Server.


Patrick Hanslbauer gehört mit seinen 23 “Lenzen“ zum jungen Holz der oberen deutschen Schiedsrichtergarde. Der über die Linien eilende Fahnenwinker sowie auf dem Platz querbeet sprintende Pfeifenträger zeigt sich im Interview mit SHICE von Stress nicht gekennzeichnet – trotz dreier Standbeine. von Markus Grillenberger Herr Hanslbauer, Sie pendeln als Schiedsrichter derzeit quasi zwischen der Bayernliga, der Regionalliga Bayern und der 3. Liga. Was gefällt Ihnen denn am besten? Da muss ich ganz klar differenzieren. In der 3. Liga bin ich derzeit noch als Assistent (Anm.d.Red.: Linienrichter) und in der Regional- oder Bayernliga als leitender Schiedsrichter unterwegs - klare Unterschiede inbegriffen. Natürlich ist für mich persönlich ein Regionalliga-Match im Vorfeld spannender, als eines in der Liga darunter, weil schon alleine mehr Zuschauer anwesend sind. Doch die Bayernliga bietet natürlich auch reizvolle Partien – alleine aufgrund der zahlreichen

Traditionsvereine. Die 3. Liga stellt dagegen natürlich nochmal einen ganz anderen Reiz dar, vor allem aufgrund des größeren Medieninteresses. Gibt es andere Unterschiede zwischen diesen Klassen oder gehen Sie jedes Spiel mit den gleichen Gedanken im Vorfeld an? Mit der Spielklasse steigt die Professionalität der einzelnen Vereine. Da die 3. Liga den Einstieg in den Profifußball in Deutschland darstellt, ergeben sich dadurch auch andere Gegebenheiten. Das Schiedsrichtergespann reist oftmals am Tag zuvor an und hat im Kopf vielleicht noch Bilder der Teams aus dem Fernsehen abgespeichert. 31


Dies fördert klar die detailgetreuere Vorberei- Jüngst musste ich außerdem in einer andetung. ren Begegnung bereits 50 Sekunden nach Anpfiff einen Elfmeter pfeifen. Mein BeobWie sieht es mit dem Tempo aus? achter gab mir zwar im Anschluss teilweise Recht, doch es gab sicherlich auch begründeDer Vergleich zwischen Bayern- und Regite Gegenargumente. Alles in allem auf jeden onalliga ist meiner Meinung nach mannFall eine knifflige Entscheidung. Unabhängig schaftsbezogen. Wenn ein Team im Keller davon hat jedes Spiel seine eigenen Herder höheren Klasse steckt, spielt ein andeausforderungen. Da gibt es stets schwierige res, das in der niederen Liga oben dabei ist, Feldspieler, bei denen jeweils ein anderer oftmals den temporeicheren Fußball. Die Umgangston angebracht ist, oder eben laut3. Liga fährt hier klar nochmal ein anderes stark meckernde Fans. Niveau auf. Das liegt verständlicherweise am Umstand, dass die Akteure dort ihren gesamten Lebensunterhalt verdienen und sich demnach voll und ganz auf ihren Job konzentrieren können. Gerade als Linienrichter Vor einiger Zeit kochte das Thema Gewalt fällt auf, dass der Pass in die Spitze und das gegen Schiedsrichter in den Amateurklaswomögliche Abseits deutlich schwerer zu sen auf. Im Dezember letztes Jahres traten entscheiden ist. unter anderem B-Jugendliche in den Niederlanden einen Linienrichter so heftig, Können Sie sich noch an Spiele erinnern, in denen Sie auf sich alleine gestellt waren dass dieser seinen Verletzungen erlag. Haben Sie schon etwaige Erfahrungen ge- ohne Assistent und ohne Headset? macht? Da gibt es noch Erinnerungsfetzen. Ich bin ja auch erst zehn Jahre dabei. Bestimmte Weg- Dieser Fall war für uns absolut erschreckend, auch wenn es im ersten Moment weit punkte, wie mein erstes Spiel mit 14 Jahren, entfernt geschah. Das hat nichts mehr mit werde ich niemals vergessen. Dort standen normaler Unterstützung zu tun. Schreie von B-Jugendliche um mich herum, bereits ein oder zwei Jahre älter als ich. Die Anspannung außen gehören dazu, das will auch keiner verbieten. Sobald es allerdings in die beleidikochte förmlich. Genauso wie bei meinem ersten Platzverweis: Ich wusste damals nicht, gende Schiene abdriftet, fragt sich unsereins: Muss das sein? Ich selbst blieb von krasser wie der dazu geforderte Sonderbericht erGewalt bislang verschont – es kam jedoch stellt werden muss. durchaus vor, dass ab und an nach der ParIhre letzte schwer zu leitende Partie tie ein Bierbecher oder Sonstiges angeflogen war in ... kam. Für solche Dinge erarbeitet man sich aber über die Jahre ein dickes Fell. ... Bamberg. Aus welchem Grund? Knifflige Entscheidungen oder schwere äußere Umstände?

Welche Vorbereitungen gibt es auf solche Situationen?

Die hiesige Eintracht kämpfte damals unter Flutlicht im Franken-Derby gegen die Würzburger Kickers. Am Ende zeigte meine Statistik acht Gelbe Karten, was meinen sonstigen Schnitt klar übertraf.

Wir als Team waren zum Beispiel bei einer Drittligapartie des Halleschen FC gegen Hansa Rostock eingeteilt. Bei solchen Derbys muss natürlich akuter mit Vorfällen gerechnet werden.

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Regel 1: Wenn der Schiri pfeift, mault jemand!

Deswegen kommt bei solchen Hochsicherheitsspielen ein Beauftragter des DFB vorab in unsere Kabine und bespricht sich mit uns, teilt sämtliche relevante Informationen mit. In tieferen Spielklassen gehen wir vorab zu den eingeteilten Ordnungsdiensten und fragen diese, wo sie während der Begegnung stehen werden und wo sie bei akuten Lagen zu erreichen sind. Diese Gangart wird außerdem mittlerweile vom Verband vorgeschrieben.

mit den Spielern einige Konflikte mit kurzen Gesprächen zu lösen. Wenn ein Fußballer sich allerdings partout nicht davon beruhigen lässt, obendrein deutlich sichtbar die Hände zur Hilfe nimmt oder dem Unparteiischen hinterherläuft, dann hilft nur eine Spielverwarnung. Existieren in diesem Metier Vorbilder?

Bestimmte Idole habe ich nicht. Es gilt aber die Empfehlung unter Schiedsrichtern, dass Kollegen für gute Entscheidungen gelobt Sie selbst wirken auf dem Platz durchaus ruhig und lassen sich auf kurze Gespräche werden. Ich erlebte zum Beispiel eine Szemit Spielern ein. Empfohlene Art oder Aus- ne in der 3. Liga, als sich ein Fußballer bei Karl Valentin erbost zeigte. Dieser ging auf druck Ihres Wesens? den Mann zu und sagte: “Vielleicht hast du Jeder Schiedsrichter hat seine eigene Persön- Recht. Aber: Ich habe Respekt vor dir und ich lichkeit, die er natürlich mit ins Spiel bringt. erwarte wiederum Respekt von dir.“ DaraufDas Selbstbild sollte dabei auch nicht unter- hin entschuldigte sich der Spieler und die drückt werden, sonst nehmen die Akteure Angelegenheit war perfekt gelöst. So etwas einen nicht ernst. Ich kann über mich sagen, versuche ich im Anschluss auch in meiner dass ich absolut – vielleicht mehr als KolleSpielleitung unterzubringen. gen – dazu neige, 33


Sie fungieren derzeit quasi als Bindeglied zwischen dem Amateurfußball und dem Profisport. Welche Tipps bekommen Sie von Bundesliga-Unparteiischen wie ihrem Trainingspartner Deniz Aytekin (35) und welche Erfahrungen geben Sie an Jüngere weiter, die Sie begleiten? Während unserer Trainingsläufe besprechen wir verschiedene Szenen vom Wochenende oder aus der Champions League. Meine eigenen Entscheidungen erläutere ich ebenfalls und hole mir daraufhin Tipps ein. Zu den jüngeren Kollegen, die ohnehin stets viele Fragen haben, versuche ich dies in gleichem Maße weiterzugeben. In der 3. Liga bearbeiten Sie die Außenlinie derzeit noch als Linienrichter, in den Amateurklassen stehen sie im zentralen Blickpunkt. Welche Unterschiede gibt es zwischen beiden Formen, zum Beispiel in der Herangehensweise? Das Abseits ist für einen Linienrichter das zentrale Thema – darauf muss die Hauptkonzentration liegen. Darüberhinaus muss sich der Assistent in entscheidenden Situationen einbringen, sich anschließend allerdings auch wieder mit den Worten zurücknehmen. Denn der Schiedsrichter hat die Gesamtleitung zu tragen, mit den verschiedenen Charakteren auf dem Platz gut umzugehen und sollte demnach nicht zu sehr abgelenkt werden.

Jede dieser Szenen sollte richtig entschieden werden. Das alleine zählt. Natürlich sind Fehler menschlich und unterlaufen uns Schiedsrichtern genauso wie den Spielern. Was halten Sie vom Videobeweis? Brandaktuelles Beispiel: Stefan Kießlings “Nicht-Tor“ in der Hinrunde in Hoffenheim, das letztlich selbst vor dem Sportgericht seine Berechtigung erhielt. Alle Fußballer, alle Offiziellen und alle Schiedsrichter haben dazu dieselbe Meinung: Ein Hilfsmittel, das klar feststellt, ob es sich um ein Tor handelt oder nicht, ist unbedingt einzuführen. Darüber hinaus sollten andere strittigen Szenen wie Elfmeter oder Abseits nicht per Videobeweis verhandelt werden dürfen. Wie lauten die Richtlinien in solchen Momenten wie diesem “Nicht-Tor“ für den Schiedsrichter? Solange das Spiel nicht fortgesetzt wird, kann sich der Unparteiische mit seinen Kollegen austauschen und bei Spielern nachfragen – nicht aber zum Beispiel zu einem Kameramann hingehen und diesen um Hilfe bitten. Thema Abseits: Warum existiert bei knappen Entscheidungen der Satz “Im Zweifel für den Angreifer“, wenn sich oftmals der Eindruck auftut, dass eher zugunsten der Abwehr gehandelt wird?

Dem muss ich widersprechen. Ich bin der Auffassung, dass Linienrichter oft im Zweifel für den Angreifer entscheiden. Gerade die Schnittstellenpässe von den “Mesut Özils“ Empfinden Sie es persönlich als fataler, ein dieser Fußballwelt, wenn die Abwehrreihe gegenteilig zu den startenden Stürmern krasses Abseits übersehen zu haben oder bei einem kniffligen Elfmeter als Leiter die läuft, unterstreichen dies. Hier wird oftmals zugunsten der Stürmer entschieden. Medial falsche Entscheidung getroffen zu haben? werden allerdings nur die Entscheidungen Hier gibt es keinen Unterschied. seziert, in denen die falsche Entscheidung 34


getroffen wurde. Deswegen entsteht dieses öffentliche Bild. Sprung ans Ende einer Saison: Können Sie vor einem entscheidenden Auf- oder Abstiegsspiel ruhig schlafen? Vorab sind solche Spiele natürlich etwas Besonderes. Ich befasse mich noch spezieller als sonst mit den Mannschaften, lese Interviews, schaue mir diverse aufgezeichnete Szenen an. Unruhige Nächte habe ich deswegen nicht. Wie sieht es nach dem Spiel aus? Es kommt durchaus vor, dass ich noch viele Gedanken an diverse Spiele verliere. Oftmals gehen diese Finalspiele mit gravierenden Resultaten einher, da das Verliererteam zum Beispiel durch einen späten Elfmeterpfiff absteigen muss und dadurch auch finanziell künftig viele Einbußen zu verkraften hat.

Wenn eine Saison hinter sich gebracht ist, können Sie dann direkt abschalten oder lassen Sie noch einmal die Highlights Revue passieren? Ich und mein eingespieltes Team veranstalten nach Saisonende schon noch einmal eine Grillfeier oder ein gemeinsames Abendessen, wo einige Dinge besprochen werden. Danach wird die Spielzeit abgehakt.

Nehmen Sie sich anschließend Zeit für sich oder folgt direkt der Startschuss für die neue Spielzeit? In der Winterpause zwischen Hin- und Rückrunde können durchaus kleinere Pausen eingestreut werden. Allerdings fallen dort auch stets Freundschaftsspiele der Teams an,

Regel 2: Nach dem Anpiff ist vor dem Anpiff! 35


die uns Schiedsrichter “warm“ halten. In der Sommerpause wähle ich dagegen ein, zwei Wochen bewusst aus, in denen ich mich ausklinke. Hier ist weniger Training und dafür Urlaub angesagt. Als Student der Betriebswirtschaftslehre sitzen Sie derzeit an Ihrer Bachelor-Arbeit, agieren außerdem noch als Werksstudent bei einem großen Technologiekonzern. Bekommen Sie alle drei Standbeine gut unter einen Hut? Der Freiraum wird natürlich kleiner. Das merke ich durchaus an meinen Mitstudenten, die ihr Wochenende stets für Freizeit verplanen, wo ich allerdings Reisen nach Rostock oder Halle antrete. Die fehlende Lernzeit versuche ich außerdem montags zu kompensieren. Die 14 Wochenstunden Arbeit leiste ich dann in den Folgetagen. Außerdem kommt einem die Winterpause gelegen, die vor den entscheidenden Prüfungen liegt und so Zeit bietet, in denen keine Spiele anfallen. Prüfungsphase und die Vorbereitung auf ein großes Spiel – kommt in solch einer Phase so etwas wie Stress oder Unbehagen auf?

zuvor. Das heißt, kurzfristiger angedachte Ausflüge oder Familienfeiern stehen stets in der Warteschleife? Exakt. Aber meine Familie ist in solchen Dingen flexibel. Tage zum Feiern oder Tage, um mit der Freundin Zeit zu verbringen, lassen sich immer finden. Abschließend: Das Schiedsrichterwesen ist ... ... mehr als nur ein Hobby. Der Schiedsrichter ist Sportler und muss wie diese dauerhaft seine Leistung bringen und bis an die Leistungsgrenze gehen. __________________________________________

Sieben Mal nachgehakt, sieben Mal abgehakt:

1. Lieblingspfeife? Fox 40 Ab und an kommt vielleicht etwas Stress auf, . 2. Lieblingstrikotfarbe? Blau. aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Sobald ich ins Auto einsteige und mich auf 3. Lieblingsschuhwerk? Copa Mundial. den Weg zu einem Spiel mach, blende ich alles andere direkt aus. 4. Näheste Fahrtstrecke? Bamberg. Stichwort Planungssicherheit: Zu welchem 5. Weitester und zähester Weg? Rostock Zeitpunkt wissen Sie, wann und wo das – Freitag Anreise, Samstag Spiel, Sonntag nächste Spiel geleitet werden muss? Heimreise. Das wird in der 3. Liga zirka zwei Wochen vorher vom Verband eingeteilt. Dann wissen 6. Dabei verwendete Vehikel? Flugzeug, Leihwagen und ICE. wir zwar noch nicht, welches Spiel, dafür aber schon einmal den genauen Tag. Drei bis 7. Im Winter Lang- oder Kurzarmshirts? vier Tage vorher folgt dann die genaue ParAls Schiedsrichter kurz, als Linienrichter tie. In den unteren Klassen kommt der genaue Bescheid durchaus schon drei Wochen lang mit Handschuhen. 36


Regel 3: Abseits ist, wenn die Fahne schwingt. Punkt! 37


Team SHICE investigativ, Endstufen-Journalismus und so! Die erste Runde unserer neuen Rubrik läuten die Männer ein. In der nächsten Ausgabe folgen unsere Damen mit dem Motto: Frauen machen frauliche Sachen: Stricken (auf LSD). Wir freuen uns Mädels! Runde eins möge hiermit beginnen – Cheers! 22.15 Uhr: Wrestling RAW! Ist euch schon einmal aufgefallen, dass die beiden Kommentatoren die einzigen sind, denen die Sky-Sakkos zu passen scheinen? Die vertrautesten Stimmen im deutschen Fernsehen (nach dem TV-Total-Typ vielleicht, aber noch weit vor dem Kerl vom perfekten Dinner!) gibt es schon seit dem der Wrestling-Fan denken kann. Zeiten, in denen das deutsche Sportfernsehen noch mehr zu bieten hatte als die “Rene Schwuchow Show”. DSF, wir vermissen dich. 22.23 Uhr: Jeder, der in der Öffentlichkeit zugibt auf Wrestling zu stehen, wird mitleidig angesehen. Muskelprotze, die sich gegenseitig durch die Gegend schmeißen - dazu ist alles noch abgesprochen. Ihr habt ja keine Ahnung! Wrestling ist wirklicher als die 38

Wirklichkeit. Nur besser. Denn hier gewinnt am Ende wenigstens immer das Gute gegen das Böse. Kurz: Wir lieben Wrestling. Da ist die Welt noch in Ordnung, überschaubar und trotzdem hat man eine gute Zeit. 22.39 Uhr: Die Real Americans (Antonio Cesaro ist übrigens Schweizer - wir lieben die WWE) kämpfen gegen den Posterboy John Cena. Den gibt es schon immer. Der Beweis sind seine Baggyshorts, die sind sowas von vor 2000. Er hat gegen jeden Großen gekämpft, leider dabei auch so gut wie immer gewonnen. Der Kampf ist okay, Highlight ist Cesaros Helikopter: Er dreht dabei sich und den Gegner gefühlte zehn Minuten im Kreis. Ernsthaft: Wer denkt sich so etwas aus? Der wahre Höhepunkt ist aber ein anderer, nämlich ein Kommentar von Carsten Schaefer. Zur Erläuterung: Die heutige Folge wurde in England aufgezeichnet. Als professioneller Journalist hat sich der Wortakrobat natürlich darauf vorbereitet und ganz tief im Anekdoten-Topf gekramt. Hier für euch, zum genießen: “Ich habe das tatsächlich schon erlebt, dass in englischen Küchen so lange gekocht wird, das unter der Decke mehr Nährstoffe zu finden sind, als im Essen selbst.“


22.40 Uhr:

23.40 Uhr:

Wir geben zu, beim Schreiben dieser Zeilen klang das Ganze nicht mehr ganz so lustig, aber mit genügend Nährstoffen im Magen (Bier, Süßigkeiten und zum nachspülen wieder Bier) musste man sich definitiv wegschmeißen. So ist das eben mit historischen Momenten: Man muss dabei gewesen sein, das versteht ihr sonst nicht.

Match of the Night: The Shield (drei Söldner, die die Rolle in Expandables 4 schon sicher haben dürften) gegen CM Punk (Alias: Best in the World) und Daniel Bryan (YES! YES! YES!). Während wir Moves, die Namen wie “Missile Dropkick”, “German Suplex”, “Go to Sleep“ oder schlicht “Spear” tragen, machen wir einen “Sitting Bull” (lasst es auf euch wirken, der braucht etwas) und lassen das Bier wirken. Cheers! PS: Wir wissen, dass der Bart von Daniel Bryan sicher gut für das Marketing ist, aber god damn, er sieht aus wie ein Hobo. PPS.: Seine Freundin Brie Bella ist trotzdem heiß. Die WWE macht uns da doch was vor - echt jetzt!

22.55 Uhr: Weiter geht es mit Big E Langston, der Arme hat wie die meisten Beine und Beine wie die meisten… äh... Baumstämme. Er hat quasi die Stampfer eines Baumstammes, wenn dieser Beine hätte – oder so ähnlich. Damit er nicht ganz so furchteinflößend aussieht, hat er sich wohl gedacht, dass ihn ein lächerlich knappes und die Hodengegend mit den Nähten einreißendes Outfit verharmlost. Das funktioniert auch, jagt einem aber auf eine andere, subtilere Art und Weise Angst ein. Da hilft nur eine Rachenspüllösung Augustiner – nachgeschüttet wird mit ... Mist, wir haben ja nur Bier. Das kann ja noch heiter werden. 23.25 Uhr: Witzige Anekdote: Puff Daddy (die jungen Leser kennen ihn vielleicht unter P. Diddy) ist mit vielen, von ihren arbeitslosen Eltern zur Geldeinkunft “verkauften“ Kindern, in einer Anti-Bullying Kampagne zu sehen. Wenn “Puffy“ wirklich gemobbt worden wäre, hätte er einfach die gottverdammte Schule gekauft und alle rausgeworfen. 23.26 Uhr: Unrealistisch sowie unglaubwürdig, und das bei einer Wrestling Show. Pfui, Pfui, Pfui! Mist: Haben uns dabei mit Gerstensaft vollgespuckt. Wo ist die Zewa-Rolle?

00.15 Uhr:

00.16 Uhr: Was ist besser als zwei Stunden Wrestling? Richtig, vier Stunden Wrestling! Weiter geht es mit Smackdown! Hier stellt sich jedes Mal aufs Neue die Frage, wo bleibt unser “3MB“Album? An Heath Slater, Drew McIntyre und Jinder Mahal: Wir werden beim Konzert in der ersten Reihe stehen! 00.33 Uhr: Unser erstes Total-Diva-Match steht an. Natalya (der Name ist Programm, wir haben etwas Angst) trifft auf Tamina Snuka. Der Name klingt harmlos, vor ihr haben wir aber wirklich Angst. Ist die Frau drei Meter groß? Zum Glück hoppelt AJ Lee nebenher, die ist wirklich süß. Alles endet damit, dass Tamina die kleine AJ geschultert aus dem Ring trägt. Jetzt haben wir definitiv etwas Angst. Vor lauter Furcht haben wir außerdem zu trinken vergessen – das Bier ist warm.

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01.13 Uhr:

02.44 Uhr:

Der WWE-Sexfaktor quillt heute über ... ein Diven-Tag-Team Match zwischen den Bela Twins und The Funkadactyls steht an. Wir erinnern uns an Cesaro. Einziger Unterschied: Hier kreisen rund zehn Minuten die Hinterteile. Sieht rein objektiv nach einem Bitch-Fight Cheerleader vs. Hooter Girls aus. Das Ganze endet dann auch damit: Eine der Ladies springt der anderen mit dem prallen Po voraus ins Gesicht. “Butt Slam“ nennen die Kommentatoren das. Nett, so stellen wir uns unseren Tod vor.

Nachdem die eigene Sexualität infrage gestellt wurde, kommt der nächste entscheidende Pluspunkt. Gewinnen tut der Quarterback auch noch. Das letzte Jahrzehnt hat ihm ganz alleine gehört was Super-BowlGewinne angeht. Er sollte wirklich der “GQ Gentleman of the Jahrtausend“ sein.

01.26 Uhr: Das obligatorische Warnhinweis-Video (Don’t Try This At Home!) läuft zum gefühlt 100. Mal. Macht nichts, solange Zack Ryder darin vorkommt. Checkt seinen “The Long Island Iced Z“-YouTube-Kanal. Der Typ ist der geborene Entertainer. 02.00 Uhr: Wir haben immer noch den “Butt Slam“ im Kopf. Kaffee-Pause – unbedingt! Schließlich haben wir heute Nacht noch viel vor. 02.30 Uhr: Es ist soweit – Lasst die “Eier“ fliegen. Monday Night Football: New England Patriots vs. Carolina Panthers. 02.40 Uhr: Tom Brady. Oh boy. Man Crush Nummer eins. Der eine Mann, bei dem man sich nicht entscheiden kann: zum besten Freund machen oder doch lieber heiraten? So gut sieht der Kerl aus, wirklich. Dieser Mann ist sogar in Moonboots noch lässig und cool. Hallo?!

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03.00 Uhr: Für Carolina steht mit Cam Newton (der Name hat etwas von Max Power, oder?) auf der anderen Seite ein ebenso männlicher Mann auf der Spielmacher-Position bereit. Der Afroamerikaner ist ein Vorbild für eine neue Genration: groß, stark, athletisch und dazu auch noch charismatisch. Es war nie schöner, ein Football-Fan zu sein, als heute. Aber sorry Cam, es gibt für uns nur einen. 07.03 Uhr: Achja, Football wurde natürlich auch gespielt. Wir haben aber leider vergessen, wie es ausgegangen ist. Einer von uns ist eingeschlafen, der andere war zu betrunken – musste ja den ganzen Bierkasten leeren (Notiz: Wir brauchten das Pfand!). An dieser Stelle soll nicht verraten werden, wer von uns beiden wer ist. Wir können aber mit ziemlicher Gewissheit sagen, dass es verdammt unterhaltsam war. 07.15 Uhr und zwölf Sekunden: Mein Gott, glaubt ihr es gibt so etwas wie eine Victoria-Secret-Weihnachtsfeier? Das muss der Himmel sein. Tom Brady, du bist ein Mann unter Jungs. Aber nicht so männlich wie WWE. Holy Shit!


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Benny Hilleke ist natürlich alles, außer alt. Mit Anfang 30 befindet er sich in der Blütezeit seines Lebens könnte man wohl sagen. Trotzdem mussten sowohl der Sänger der deutschen Band NEAERA als auch der Autor im Laufe des Gesprächs feststellen, sie sind ziemlich alt geworden. Eine Rekapitulation eines sehr unterhaltsamen Gesprächs mit dem nettesten Kerl der Welt. Jedenfalls von dem, was dem greisen Autor noch im Gedächtnis geblieben ist. Ein Interview über Antifaltencreme und Karate.

von Frank Engelhardt

Ihr habt eure Alben immer nach relativ kurzer Zeit hintereinander veröffentlicht. Im Vorfeld zu „Ours Is The Place“ war es ziemlich still um euch. Habt ihr euch bewusst eine Auszeit gegönnt? Es war keine bewusste Entscheidung. „Forging The Eclipse“ kam 2010 raus und es war danach auch recht tourlastig für uns, wir waren unter anderem mit CALIBAN unterwegs. Aber wie das immer so ist, wenn du zu viel spielst, dann gehst du den Leuten auch irgendwann auf den Sack. Diesen Wochenende da, das nächste wieder 20 Kilometer weiter. Da nutzt sich das Ganze schnell ab. 55


Die Bands im Amiland starten an der Westküste, machen einmal komplett rum und sind ein halbes Jahr später immer noch nicht fertig. Darüber hinaus hatte sich die Möglichkeit ergeben, dass ich an einer Schule in Berlin arbeiten konnte. Wir haben zu der Zeit auf dem Nova-Rock gespielt und ich wollte IRON MAIDEN unbedingt noch sehen. Ich habe es bis zum letzten hinausgezögert, habe zwei Songs gesehen und bin dann abgehauen und mit dem Privatauto nach Norden gen Berlin gedüst, habe mich 15 Minuten hingelegt und bin zur Arbeit. Das eine Mal ging das, aber man merkt schnell, das lässt sich extrem schlecht kombinieren. Momentan arbeite ich nicht weiter, habe den Vertrag auslaufen lassen und konzentriere mich erst einmal voll auf das neue Album und die Band.

Ihr lebt von der Musik, habt aber trotzdem alle nebenbei was „Richtiges“ gelernt. Gibt es für dich eine Grenze, wo du sagst, jetzt ist Schluss, ich werde spießbürgerlich?

Man denkt schon anders mittlerweile, als man vor zehn Jahren darüber gedacht hat. Ich mach das jetzt ja schon ziemlich lange. Das bekommst du selbst aber nicht mit. Du hast hier ein altes Poster von der ersten oder zweiten Tour hängen und denkst dir „Oh scheiße, du bist alt!“. Ich habe im Februar die 30 überschritten. Das ist ja so die Grenze, die einem immer eingetrichtert wird. Wo sind die Kinder, wo ist der Ehering? In meinem Umfeld, welches nichts mit Musik zu tun hat, sind jetzt schon die ersten fertigen Lehrer oder es werden Familien gegründet. Man selbst lebt noch ein anderes Leben. Ich finde es noch cool, nicht unangenehm, noch kein NEAERA gehört fast schon zu den UrgeSchema F Leben zu haben, ohne jetzt böse steinen der deutschen Metal-Szene. Wie klingen zu wollen. Ganz ehrlich, in zehn Jahlange willst du mit Krach noch dein Geld ren sehe ich mich nicht mehr auf der Bühne. verdienen? Ich freue mich natürlich wenn 15-jährige Es ist schon ein Risiko. Aber es ist nicht so, Kids zu uns kommen. Die Leute die jetzt dass wir uns alle darauf verlassen würden. 30 oder 40 sind und mit uns aufgewachsen Jeder hat eine Ausbildung gemacht oder sind, die gehen eben nicht mehr so häufig studiert, oder ist eben gerade noch dabei, auf ein Konzert. Da bin ich schon froh, das so wie ich. Deswegen glaube ich, dass jetzt noch niemand sagt, schau mal die Opis auf niemand zugrunde gehen würde, wenn das der Bühne. Dazu möchte ich es auch gar hier nicht klappt, behaupte ich mal. Es ist nicht kommen lassen, da muss man echt natürlich eine geile Sache von der Musik schauen, dass man den Absprung schafft. leben kann. Man lebt hier nicht in Saus in Was meinst du wie ich mich fühle, wenn ich Braus. Ich erinnere mich an ein Interview, in mich als fast 31-Jähriger mit einem 17-Jähridem mich jemand gefragt hat, wie ich denn gen unterhalte? Ich mach das gerne, aber da jetzt mein Geld vom Plattenvertrag investie- merkt man erst, man, man, man, bin ich alt ren würde. Immobilien oder so etwas? Das ist geworden, haha. eine Vorstellung, die ist in manchen Köpfen noch drin, aber die trifft einfach nicht zu. Findest du überhaupt noch GesprächstheMan kann die Rechnungen, die so anfallen men über die du dich mit den jungen Hüpbezahlen, man hat etwas auf dem Teller aber fern unterhalten kannst? auch nicht viel darüber hinaus. Natürlich ist es eine coole Sache, wenn du so viel rumFrüher hatte ich den totalen Überblick, was kommst. Ich wache nicht auf und denke mir, so neu und angesagt ist. Wenn ich heute mal welche falsche Abzweigung habe ich denn bei Impericon schaue, kenne ich so gut wie hier genommen, haha. keine Band mehr, obwohl sich deren 56


Kollektionen wahrscheinlich achtmal so gut verkaufen wie unsere. Ich bin stolz, dass wir überlebt haben, solange wie wir den Quatsch jetzt schon machen. Das ist auf der einen Seite ein bisschen erschreckend, auf der anderen denkt man sich, ganz cool, dass man noch den Nerv der Kids noch trifft. Ich hab früher immer gedacht ich wäre aufgeschlossen, aber wenn ich dann manchmal eine neue Band sehe, denke ich mir, wer hört sich den Kack an? Dann hörst du von irgendwelchen Konzerten wo die die Halle vollmachen. Mit „Ours Is The Place“ gibt es endlich wieder neues Material von euch zu hören. Sind da immer noch die gleichen NEAERA zu hören oder seid ihr einen neuen Weg gegangen? Ja pass auf, aus promotechnischer Sicht muss ich natürlich folgenden Satz ablassen: Das ist das Beste was wir bisher gemacht haben.

Alles Vorhergehende kannst du in die Tonne kloppen. Wir haben uns tierisch weiterentwickelt und blablabla, haha. Gekauft, das drucken wir so. Danke für das Interview! Nein im Ernst, leider kann ich dir noch nicht mehr dazu sagen, ich hab es nämlich noch gar nicht gehört, haha. Also die finale Version, ich weiß schon was wir die letzten Monaten gemacht haben. Aber vielleicht haben sie ja heimlich den Sänger ersetzt oder so, haha. Als die Songs geschrieben wurden, habe ich mich wirklich mal wieder aufs Studio gefreut. Ich bin kein Fan vom Studio. Du kommst so ins Studio rein, egal wie cool die Atmo, egal wie cool der Produzent ist. Du kommst rein und musst funktionieren. Das ist schon mal immer scheiße. Wenn eine Gitarre verstimmt ist, egal, stimmst halt nach. aber einsingen ist immer so eine Sache. Eine Textzeile musst du dann zwanzigmal einbrüllen bis es passt. 57


Aber diesmal hab ich mich echt darauf gefreut irgendwie. Ali (Alexander Dietz, Gitarrist bei HEAVEN SHALL BURN) hat größtenteils die Produktion gemacht, Tue Madsen hat das Mastering und Mixing übernommen. Das ist ja bestimmt schon das dritte oder vierte Album, das wir mit ihm machen. Natürlich bekommt er sein Geld von uns, aber es läuft schon auf einer anderen Basis. Zum Beispiel habe ich ein paar Songs bei Ali eingespielt und auf einmal gar nichts mehr gebacken bekommen. Ali meinte, kein Problem, mach dir keinen Stress, hat mich dann mit einem Mikro ausgestattet und ich konnte von Zuhause aus arbeiten. Es ist alles entspannter mit ihm. Außerdem hat Ali einfach Ahnung von seinem Job.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Ali ist mittlerweile euer Haus und Hof Produzent. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, jemanden von außerhalb zu holen, der euch vielleicht neue Facetten abgewinnen kann?

Bereut ihr manchmal die Entscheidung, euch spätestens mit „Armamentarium“ weiterentwickelt zu haben? Ein Breakdown hier, Engelsgesang dort und schon klappt es mit den Kids. Warum sich das Leben selbst schwer machen?

Wir hatten ja auch schon mit Jacob Hansen und Andy Claassen zusammengearbeitet. Das war auch immer super. Wenn wir jetzt immens viel Geld hätten, würden wir vielleicht mal darüber nachdenken, aber das ist eigentlich Quatsch. Vielleicht nur um einen großen Namen auf die CD zu packen, um die Aufmerksamkeit von Magazinen zu bekommen. „Der Typ hat die letzte JOB FOR A COWBOY gemacht, das kann nur gut sein!“ und dann gehen sie vielleicht mit einem anderen Ohr heran. Aber selbst wenn wir in Geld schwimmen würden, es ist einfach ein absoluter Glücksgriff, wenn du dich mit einem persönlich verstehst und er auch noch verdammt gut ist in dem, was er macht. Deswegen ist und bleibt Ali immer die erste Wahl. Bei „Slaying The Wolf Within“ ist Nathan Gray (BOYSETSFIRE) zu hören. Der Song ist ebenso ungewöhnlich wie gelungen. 58

Ich muss ganz ehrlich sagen, meine allererste richtige Club Erfahrung war bei einem BOYSETSFIRE Auftritt. Ich bin schon immer ein großer Fan. Ich war immer froh, wenn wir auf einem Festival mit ihnen gespielt haben. Dadurch habe ich dann auch Nathan kennengelernt, er ist ein super sympathischer Kerl mit einem unfassbaren Charisma. Irgendwann hab ich ihn gefragt, ob er nicht Bock hat und er hat auch ultra schnell geantwortet. Das ist natürlich ein Lebenstraum. Immer wenn ich mit ihm quatsche, verfalle ich so in die Fan-Rolle. Das ist wirklich eine Band, mit der ich immer noch so viel verbinde und jetzt ist er auf unserem Album. Verrückt.

Ich bin schon froh, dass wir eine gewisse Entwicklung geschafft haben. Wenn du zu uns auf ein Konzert kommst, finde ich die Mischung der Leute ziemlich cool. So diese Karate Kids, gibt es die eigentlich noch? Also die kommen auf jeden Fall nicht zu uns, die finden uns komplett scheiße, haha. Da bin ich aber auch froh drüber. Die Diskussion gibt es ja schon seit Jahren, aber ich finde es einfach affig meinem Nachbar auf die Fresse zu hauen, obwohl der einfach nur zuhören will. Wenn da zehn Jungs untereinander ihre Moves machen, ist das in Ordnung, aber bitte nicht andere da mitreinziehen. Wir haben weniger von den Hardcore Fans die wir früher hatten, da war es noch halbe halbe. Wir haben jetzt auch keine Oldschool Metalkutten Leute angesprochen, aber so das Zwischending irgendwie. Anhand der Leute die uns anscheinend gut finden,


kann ich sagen, dass das genau die Leute sind die ich immer schon ansprechen wollte. Ich bin ja selber mehr aus der Hardcore Ecke gekommen. Es waren immer kleine Clubs, die immer voll waren und wo es drunter drüber ging. Jedem wurde aufgeholfen, wenn es ihn hingehauen hat. Das war immer eine riesige Party und man ist verschwitzt und heißer raus und war froh, ein paar Songtexte mitgebrüllt zu haben. Es wurde uns ja schon immer gesagt, mit „Armamentarium“ habt ihr einen anderen Weg eingeschlagen. Ich habe das nie so empfunden. Bei „Omnicide“ konnte ich das eher nachvollziehen, das war ein etwas anderes Album. Ich bin im Nachhinein froh so ein Album gemacht zu haben, weil wir damit Aufmerksamkeit von Leuten, die uns in der Metalcore/Breakdown Schublade hatten, bekommen haben. Ich persönlich bin ein Freund davon, dass die Melodie im Kopf bleibt. Mit diesem Album haben wir diese Richtung noch mehr eingeschlagen.

Wenn wir eine halbe Stunde vor verschränkten Armen spielen, wird das natürlich bitter, aber wir sind die Exoten, das hat schon was. Ihr habt wieder eine Weihnachtsshow geplant (Anm.d.Red.: Interview vom Dezember 2013), in der ihr vor allem alte Songs spielen wollt. Bands müssen doch immer ihr neues Album promoten. Warum diese spezielle Show?

Da freue ich mich tierisch drauf. Es haben oft Leute gesagt: Tolles Konzert, aber könntet ihr nicht noch ein paar alte Songs spielen. Wir haben ja jetzt doch schon einige Alben veröffentlicht. Du willst natürlich alle abdecken. Ich kenn das ja als Fan selbst, du willst die Kracher hören, die Lieder mit denen du vertraut bist. Wir haben aber auch selber tierisch Bock darauf. Wir haben das vor einem Jahr schon mal gemacht und es war einfach geil. Da kommen wirklich die Leute, die mit uns großgeworden sind. So viele Songs die wir seit Jahren nicht mehr gespielt haben, das Du hast die Karate Kids angesprochen. ist fast so, als würde man neue spielen und Musstet ihr lange überlegen, ob ihr bei der natürlich erinnert man sich an alte Zeiten. Persistence Tour mitmachen wollt? Das Ich bin total glücklich dass das nochmal geLineup ist doch eher auf Kung Fu als auf klappt hat. Das ist total geil, weil die meisten Moshpit ausgerichtet. Leute schon im letzten Jahr da waren. Das kann nur gut werden, schon allein von den Als wir damals das Angebot bekommen haLeuten her. Jetzt müssen wir nur noch gut ben, mussten wir schon überlegen. Vor einem Jahr hatten wir die Progression Tour mit sein, das ist ja immer so ein Unsicherheitsfaktor, hehe. Das ist mit eines der absoluten HEAVEN SHALL BURN und UNEARTH Highlights für mich dieses Jahr. gemacht. Da wusste man, das wird funktionieren. Wenn es da nicht klappt, könnten wir NEAERA ohne Metal Blade Records war es eigentlich auch sofort sein lassen können bisher undenkbar. Die Ankündigung des neuen Albums hat sich dennoch überramit der Musik. Aber HATEBREED haben schend lange hingezogen. Gab es dafür eine große Schnittmenge. Wären jetzt SICK Gründe? OF IT ALL die Headliner, dann hätten wir das nicht gemacht, da würden wir zu sehr Es ging um viele Kleinigkeiten. Der Vertrag herausstechen. So stechen wir zwar heraus, ist ausgelaufen und man hat erstmal geaber nicht so extrem. Das wird spannend. Es schaut, wie geht es weiter. Zu dem Zeitpunkt sind ja auch STICK TO YOUR GUNS dabei im Sommer, bot die amerikanische Seite von die momentan richtig gefeiert werden, die Metal Blade noch einige Punkte, mit denen werden uns sicher die Show stehlen. Das wir nicht einverstanden waren. Es ging nicht wird harte Arbeit für uns. Ich freue mich auf um Kohle, sondern eher um Rechte, die eindie Tour, denn das motiviert ja auch. geräumt wurden. 59


Metal Blade ist uns aber immer mehr entgegengekommen und dann war es klar, dass die Zusammenarbeit weitergehen soll. Es ist ja kein Geheimnis das die Branche in der Krise steckt. Die wollten eben zuerst auf den alten Modellen bestehen. Ich war selbst überrascht, dass es so lange gedauert hat, die sagen ja, wir sagen ja und wir kommen uns entgegen. So dachte ich mir das jedenfalls. Läuft aber natürlich nicht so. Das hab ich auch nach zehn Jahren nicht verstanden und habe immer noch meine rosarote Brille auf.

Wir haben es einfach in Relation gesetzt, haben mit Leuten gesprochen die Ahnung davon haben. Wir kennen ja auch die Leute die hier mit uns arbeiten. Das ist mittlerweile auch ein Stück Vertrauensbasis. Wir wissen einfach, dass die einen super Job machen. HEAVEN SHALL BURN und CALIBAN feiern ihr 15-Jähriges, ihr seid jetzt schon zehn Jahre dabei. Seien wir ehrlich Benny, du bist ein alter Mann geworden. Wie konnte die Zeit nur so schnell vorbeigehen?

Gab es auch mal die Überlegung, das Ganze Man bekommt das gar nicht so mit. Es ist so selbst in die Hand zu nehmen? erschreckend. Links und rechts zieht alles an dir vorbei und du denkst dir, ich bin doch Wir haben uns tatsächlich überlegt, ob wir immer noch 18. Man sieht auf einmal nicht das selber machen. Die heutigen Möglichkei- mehr so frisch aus morgens. Ich hab mich ten sind ja unbegrenzt. Wenn du viele Folsogar letztens dabei erwischt, wie ich im lower bei Facebook hast, ist das ja schon die Drogeriemarkt zu Antifaltencreme gegrifhalbe Miete. Die posten „Hey Leute, neues fen habe. Was ist nur mit uns passiert? So Album kommt raus“ und fertig. Das kann weit ist es schon, haha. Manchmal kommt eine Plattenfirma mit Promotion gar nicht so ein kurzer Schrecken. Wenn du bei einer erreichen. In unserem Fall macht es aber ein- Autogrammstunde mit jemanden redest, der fach mehr Sinn, eine Plattenfirma wie Metal 15 Jahre jünger ist wie du. Das ist krass, da Blade im Rücken zu haben. realisiert man das erst. 60


Die Bands mit denen ich aufgewachsen bin, gibt es zum Glück alle noch, man wird also zusammen älter, dann merkt man das nicht, man ist in dieser Kapsel drin. Zwischendurch schrecke ich Nachts schweißgebadet auf. Immer noch keine Kinder, nicht verheiratet, kein Häuschen. Schrecklich, haha.

Fotos: Lena Stahl (Unheard Pictures); Metal Blade Records

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Š David Leutert


Als das Unternehmen Quelle pleite ging, ahnte noch keiner, dass sich in dem leerstehenden Großversandhaus in Nürnberg nur ein paar Jahre später Kulturschaffende, Künstler und Freischaffende austoben würden. Das Gebäude wurde nach der Insolvenz Stück für Stück vermietet. Neben Büros von Designstudenten, Töpfertreffen, Bandräumen und Lagerflächen, hat sich eine Crew in den besten Mittzwanzigern ihren eigenen Kreativraum geschaffen, um zusammen die „Wackness“ zu bekämpfen. Ein Blick in die heiligen Hallen der „Homies und Spasten“. von Inka Klein Im vierten Stock des Quellegebäudes verbringt eine Gruppe von Freunden seit eineinhalb Jahren den größten Teil ihrer Freizeit. Sie haben sich drei Zimmer angemietet. Eins mit kleiner Bühne samt Schlagzeug und einer Bar, das andere mit Sofas sowie deckenhohen Schränken, die mit Platten gefüllt sind und ein Studio mit Equipment aller Art. Jeder der rund zwanzig „Homies und Spasten“ lebt hier seine Kreativität aus. Im sogenannten „Headquarter“ proben sieben Bands, bestehend aus Mitgliedern und Freunden.

Die anderen produzieren Beats, legen auf, oder sind illustrativ aktiv und manche sind auch einfach nur dabei, weil sie sich seit zehn Jahren kennen. Irgendwann hatten die Jungs und Mädels Lust sich zu organisieren. Jeder probte irgendwo anders, es gab keinen Treffpunkt. Spielplatz und Jugendhaus waren aufgrund ihres hohen Alters nicht mehr möglich, die Kneipe auf Dauer zu teuer und an Lärmschutzbedingungen gebunden.

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Also ab zum Quelleareal, Miete geteilt, Sofas und Gitarren rein und los geht’s. Roman, in mindestens einer Band aktiv und um Sauberkeit an der Bar bemüht, bringt es auf den Punkt: „Wir wollten unser gesamtes Kollektiv unter einen Hut bringen, damit wir einen leichteren Output haben. Wir sind ein Zusammenschluss, weil wir halt einfach zusammen stärker sind.“ Und das lässt sich schon seit einiger Zeit erkennen. Ob DJ oder Band, jedes Mitglied kann sich auf überschwängliche Unterstützung der anderen Crewmitglieder verlassen. Noch vor den Konzerten, ach was, vor der ersten Probe der neugegründeten Band, haben sie schon Aufkleber und Flyer entworfen und T-Shirts gedruckt. Die Gigs werden auch nie schlecht besucht sein, weil die „Homies und Spasten“ immer für mindestens zwanzig zahlende Gäste sorgen. Nürnberg weiß auf jeden Fall Bescheid, wenn sich diese Crew mal wieder was überlegt hat. Während den Bandproben wurde bereits die Hauspartei HSPA (inklusive aufwändiger, nicht allzu ernst gemeinter Wahlkampagne) und die Bail Brigade (der Teil der Gruppe, der nicht skaten kann) gegründet und sogar eigenes Geld gedruckt. Diese Crew sollte nicht all zu ernst genommen werden… ...und dann, könnte man sich aber trotzdem mal ansehen was diese selbstdarstellerischen Kids sonst noch so machen. Manches machen sie nämlich auch für uns. Im K4 in Nürnberg wurde bereits zweimal das schon jetzt legendäre ShinZen veranstaltet. Die Partyreihe lässt die Herzen von Hip Hopund Trapverliebten, im von allen anderen Musikrichtungen überfüllten Nürnberg, höher schlagen und führte jedes Mal zum Einlassstop. Irgendwann begann die Crew auch in ihrem „Headquarter“ kleine Shows zu veranstalten. „Wir wollten unbekannteren Bands, die in Nürnberg sonst keine Auftrittsmöglichkeit haben, eine Plattform geben und natürlich die Bands, die wir selber 64

gerne hören, zu uns bringen“, erzählt Jens, der unter anderem für einige Punkrockbands aus dem Ausland sorgte. Und das stemmt die Crew auch immer aus eigener Tasche. Die ersten Headquarter Shows folgten, eine Bühne gab es schließlich schon und auf einmal bespielten Bands aus England und den USA den kleinen Raum im Quelleareal. Neben Muncie Girls, All Aboard, The Manix und PJ Bond gelang es ihnen sogar, nach einem Konzert von Apologies I have none, die vier Londoner zu einem Tourzwischenstopp in Nürnberg zu überreden. Wer dabei war, konnte sich glücklich schätzen. Denn natürlich gibt es beim Quelleareal auch Auflagen, die Shows mussten genehmigt werden, es durften nicht zu viele Leute rein und mittlerweile gibt es strikte Bedingungen wegen Brandschutz und Notausgängen, die es dem selbsternannten „Kompetenzteam für sinnvolle Freizeitkultur“ nicht leicht machen. Die Headquarter Shows sind zurzeit auf Eis gelegt, aber man kann darauf wetten, dass sich die Bande auch hierzu etwas einfallen lassen wird. Solange hecken die Homies und Spasten in Locations wie der Kofferfabrik, dem Bela Lugosi, dem Zwingerkeller und dem K4 weiter ihre musikalischen Streiche aus. Diese Crew ist im Moment aus dem Nürnberger (Untergrund-)kulturleben nicht mehr wegzudenken, sie machen ihr eigenes Ding (und das gut!) und damit die Stadt auch irgendwie attraktiv. Mittlerweile wird auch seitens der Politik darüber diskutiert, ob das Quellegebäude abgerissen oder zu anderen Zwecken genutzt werden soll. Das würde den Rausschmiss der Warehousehipsterclique bedeuten. Neben der ganzen sarkastischen Selbstdarstellerei und der nervenzehrenden Ironie der Mitglieder, verspürt man bei genauerem Hinfühlen auch den nötigen Funken Ernst. Boris Besser, Exil-Homie in Kiel,


veranschaulicht den Antrieb der Homies und Spasten: „Klar, jeder will irgendwie stattfinden, in einem Format, musikalisch oder in einem Video. Aber uns es geht darum, wie WIR stattfinden wollen und nicht nach Maßstäben von anderen. Deswegen haben und brauchen wir unsere eigene Plattform.“ Trivia: Die Homies und Spasten legen Wert darauf, dass ihr Name richtig gedeutet wird. „Spasten sind bei uns keine Spastiker. Ein Spast ist ein Slangwort und wir meinen das äußerst lieb. Schließlich bezeichnen wir uns selber so. Dieses Wort ist bei uns keine Beleidigung.“ Mottos: Low life living the high life Fighting Wackness/Windmills since 1977 Get high to get by Die schäbigste Gang der Stadt

Der Eingang zum Headquarter

homiesundspasten.de

Flying Orca auf einem Konzert im HQ Fotos: Jonathan Danko

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Was sich allerdings bis heute nie verändert hat, ist die Maxime handgemachter Kosmetik. Das Unternehmen wirbt damit, dass kein Produkt von Maschinen erzeugt wird. Jede Gesichtsmaske wird von Hand gemischt, jede Erdbeere von Hand püriert und jedes Stück Massagebutter zuvor von Hand in Form gegossen. Die Inhaltsstoffe, die hier in einem langen Prozess zu einer symbiotischen Masse zusammen „gemantscht“ werden, sind dabei immer frisch, 100% vegetarisch und zu etwa 80% vegan. Den Rest bilden Honig, Milch und Eier. Ist die kosmetische Wunderpackung dann fertig, kommt auf jeden Pott, jede Flasche und überhaupt auf jedes Teil, was die Produktionsstätte verlässt, ein kleiner Sticker mit persönlicher Widmung des jeweiligen Fabrik-Mitarbeiters. Die Geschichte von Lush beginnt im britischen Poole, High Street 29. Dort eröffnet Nun ist aber die Frage, unter welchen BedinMark Constantine zusammen mit vier vegungen die Bananen unserer sympathischen getarischen Helfern und Helferinnen vor Creme gepflückt werden und wie die Kakaozwanzig Jahren den ersten Shop. Damals butter bestehend aus Kakaobohnen hineinerinnert er noch an einen Straßenverkauf, kommt, ohne dabei vielleicht Bauern und oben wurde produziert und unten verkauft. deren Helfer auszubeuten? Dass sich Lush Mittlerweile sind die Lush-Shops auf der als „ethical brand“ bezeichnet setzt voraus, ganzen Welt verteilt, gefüllt mit bunten Blub- dass alle Zutaten nur unter ethisch korrekten ber-Kugeln und käseförmigen Seifenstücken. Bedingungen bezogen werden. Kauft man einen Pott „Sympathy for the skin“, kauft man eine Hand- und Körpercreme, bestehend aus Kakaobutter und Banane. Zunächst einmal nichts Weltbewegendes. Wenn man allerdings die ganze Philosophie dahinter kennt, bekommt dieser kleine, schwarze Topf doch ganz schön viel Charme. „Sympathy for the skin“ ist ein kleiner Teil aus der großen Produktkette der Firma Lush, einem internationalen Kosmetikunternehmen aus England. Durch frische, handgemachte Kosmetik, hebt sich Lush von namenhaften Firmen ab - und weil vor allem der Schutz der Umwelt auf deren Fahne geschrieben steht, erfolgte nun die erste Grünovierung in einem deutschen Lush-Shop.

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Das heißt, egal von wo aus der Welt das Kokosöl, die Vanille-Schote oder die Banane herkommt, es wird darauf geachtet, dass jeder Inhaltsstoff fair gehandelt und ökologisch angebaut wurde. Tanja Umbach, Brand Managerin von Lush Deutschland und Lush Tschechien, kümmert sich nicht nur um das Marketing, sondern betreut auch die Charity-Projekte und stellt sicher, dass die ethischen Standards und Werte von Lush bewahrt bleiben. Sie weiß daher genau, woher zum Beispiel die Kakaobohnen kommen und was es damit auf sich hat: „Mit dem Kauf der Kakaobohnen aus Kolumbien unterstützen wir die Friedensgemeinschaft, die sich seit Jahren aus dem dort bestehenden Konflikt heraushält und damit freiwillig ein gefährliches und schweres Leben auf sich nimmt. Durch die Kooperation konnten nun schon Schulen und andere Dinge für die Gemeinde finanziert werden. Und wir bekommen tolle Kakaobutter“. Bei Lush zählt also nicht nur, was das Produkt später können muss und das um jeden Preis. Es muss alles stimmen, vom kleinen Samen der Kakaopflanze, über den Bauern, der sie großzieht, bis hin zur Ernte der Bohnen und der schonenden Weiterverarbeitung. Was dann letztendlich noch in dem schwarzen Pott steckt, ist transparent und verständlich aufgelistet. Wer kennt das nicht, das Entziffern verrückt klingender Wörter, um Gewissheit zu bekommen was man sich täglich in sein Gesicht massiert? Ingredients what?

Ebenso Teil der ganz eigenen Lush-Philosophie ist der Schutz der Umwelt. Deshalb wurde jetzt der erste Shop Deutschlands renoviert, um auch den Laden selber umweltfreundlich zu gestalten.

Im Laden geht es bunt zu 67


Ein Teil dieser Rundum-Verschönerung ist die „Living-Wall“: Es handelt sich dabei um eine bepflanzte und damit lebendige Wand. Sie sieht hübsch aus, kann aber laut ShopManager Chris noch mehr als das: „Unsere Wand sorgt hier für ein wesentlich besseres Raumklima, indem sie die Luft filtert. Das Gesamt-Konzept soll einfach passen, wenn man unseren Laden betritt.“ Aber nicht nur äußerlich wurde etwas verändert. Die größte Veränderung liegt im Verborgenen. So wurden in die Wasserleitungen Druckregulatoren eingebaut, um den Verbrauch zu drosseln, das Licht kommt nun nur noch aus Energiesparlampen und vor allem nur dann, wenn sich jemand im Raum befindet. Nach Ladenschluss sorgt eine zusätzlich eingebaute Zeitschaltuhr dafür, dass die Lichter im Laden schrittweise von hinten nach vorne nacheinander ausgehen. „Um 20:45 Uhr ist bei uns Schluss. Wir wollen keine Festbeleuchtung“, so Chris. Auch Wände und Boden wurden an ökologische Standards angeglichen. Alles ist emissionsarm und enthält keine Chemikalien oder Schadstoffe mehr. Die Möbel im Nürnberger Lush-Shop stammen aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung und sind PEFC-zertifiziert. Wo viele Menschen, da auch viel Müll. Hier sind die Nürnberger Lushies auch streng dahinter. „Jana, unsere gute Müllfee, haut ihrem Mann zuhause immer auf die Finger. Aus uns sind wahre Mülltrennungsexperten geworden“, scherzt Chris. Nun ist es für das Lush-Team noch nicht genug, nur die einzelnen Shops energiesparend umzubauen und Plastik von Papier zu trennen. Der gesamte Vertrieb von Kosmetikprodukten ist schließlich eng mit vielen Umweltfragen verbunden. Dabei handelt es sich um Fragen, die sich scheinbar sehr wenige Kosmetikunternehmen stellen. Bereits bei der Auswahl der Inhaltsstoffe, kann die Umwelt geschont werden. 68

Beim Studieren der Zutaten verschiedenster Lush-Produkzte fällt zum Beispiel auf, dass nur rein pflanzliche und keine mineralischen Öle verwendet werden. Auch durch den vollständigen Verzicht auf Palmöl, eines der umstrittensten Pflanzenöle zur Verwendung in Seifenbasis, wird der Umwelt entsprechend begegnet. Damit werden nicht nur die Regenwälder dieser Welt geschont, auch die vom Aussterben bedrohten Orang Utans werden mit Würde und Respekt behandelt, indem man ihnen keinen Lebensraum nimmt. Dadurch, dass Lush seine Zutaten aus aller Welt bezieht, ist die Transportfrage eine sehr wichtige. Manche Exoten kommen von weit her. Damit hier nur möglichst kleine Strecken zurückgelegt werden müssen, gibt es insgesamt sechs Fabriken weltweit. Von dort aus geht es meist mit dem Zug und später mit dem LKW in die einzelnen Shops. Weniger als fünf Prozent müssen dann doch per Flugzeug anreisen. In diesem Fall zahlt Lush freiwillig die CO2-Kompensation, das heißt pro Flugticket wird mehr gezahlt und dieses „Mehr“ fließt dann in verschiedene Klimaschutzprojekte. Wurden Bananen, Kakaobutter, Vanilleschoten,Zitronenöl, Labdanum und Sandelholz dann in eine gut riechende Lotion verzaubert, zählt nur noch das richtige Outfit oder auch nicht. Ist man schon einmal durch einen dieser Shops gelaufen, fällt auf, dass vieles offen im Verkauf liegt. Hier wird darauf geachtet, dass so wenig wie möglich verpackt ist. Wenn dann doch ein Kosmetikprodukt nicht ganz nackt sein möchte, steckt es in recycelbarer oder bereits recycelter Klamotte. Um die Positivwirkung einmal an Zahlen festzumachen: Indem Lush es als erstes Kosmetikunternehmen geschafft hat, festes Shampoo zu entwickeln, werden pro Jahr etwa 1,35 Millionen Liter Wasser und 6 Millionen Plastikflaschen eingespart. Neben festem Shampoo gibt es mittlerweile auch feste Massagebutter, Deos, Handcremes


und Körperpeelings. Was fest ist, braucht nicht extra verpackt werden und das schont die Umwelt. Damit ist nicht nur die Grünovierung bestens gelungen, auch alles andere stimmt mit dem Lush-Gesamtkonzept überein. Welcher Shop als nächstes grün gemacht wird, weiß Chris nicht. Aber er versichert, dass Nürnberg nicht der erste und letzte Standort bleivon Lorene Löffler ben wird.

Lush macht sich stark für Tiere. Seit über 18 Jahren entwickelt das Unternehmen tierversuchsfreie Produkte, das heißt sowohl die einzelnen Inhaltsstoffe als auch das fertige Produkt wurden niemals am Tier getestet. 2013 war deshalb ein Jahr des Triumphs: Hier wurde die EU-Kosmetikrichtlinie in über 850 Shops bejubelt, ab jetzt dürfen offiziell keine Kosmetikprodukte mehr am Tier getestet werden. Das Problem: Sobald ein Inhaltsstoff in einem anderen Bereich wie der Medizin Verwendung findet, darf nach Gesetz am Tier getestet werden. Das besagt die aktuelle Reach-Chemikalienverordnung. Sie besagt allerdings auch, dass nur dann am Tier getestet werden darf, sofern kein alternatives Verfahren existiert. Diese alternativen Testverfahren müssen laut Reach ständig auf den aktuellsten Stand der Wissenschaft gebracht werden. Leider ist das seit 2007 nicht mehr passiert. Deshalb ruft Lush nun auf, eine Petition zu unterschreiben, die das in Zukunft verhindern soll. Mach mit wenn du magst: lushpetitions.com/de/

Der Lush-Shop in der Nürnberger Innenstadt 69


Shop-Manager Chris vor der „Living Wall“ 70


Unsere Autorin Inka hat sich jahrelang durch den Musikdschungel gekämpft, um festzustellen, dass sie keine Lieblingsrichtung hat. Sondern viele. Bevor ich ein paar Jahre nach der Jahrtausendwende langsam anfing, mich von den Jungs aus der Backstreet und den Spicegirls zu lösen, hatte mich mein Vater als 5-Jährige schon gefühlte hundert Mal mit Nirvana beschallt und zu „Bicycle Race“ von Queen im Fahrradanhänger kutschiert. Ich konnte alle Chumbawamba Lieder trotz beschränktem Wortschatz und fehlender Englischkenntnisse mitgröhlen und das Leben hätte so weiter gehen können, wenn mir nicht die Boygroups und meine Pubertät dazwischen gekommen wären.

Zwischendurch lernte ich Freunde kennen, die man an ihrem Lieblings-Musikstil quasi identifizieren konnte. In Michis Keller konntest du dir soviel Kyuss, Jancee Pornick Casino, Tiger Army reinfahren wie du wolltest. Zu zweit auf ein Rezurex Konzert, weil kein anderer interessiert ist, kein Problem. Ich entdeckte den Psychobilly in mir und was noch viel wichtiger ist: Ich fand einen Verbündeten. Einen Anhänger eines ganz bestimmten Stils den ich mochte.

So lief das eigentlich die ganze Zeit. Ich entdeckte einen Musikstil für mich und fand Manchmal frage ich mich, wie das passieren daraufhin Leute, die diese Faszination mit konnte. Wie konnte ich Kurt mit Nick Carter mir teilten. Der vermeintliche Stilbruch kam betrügen? Ich schiebe es einfach mal auf die mit meiner Liebe zu Old School Hip Hop. Jahre der Unzurechnungsfähigkeit. Neun bis Das überschritt dann auch die freundschaftdreizehn. Danach kam ich endlich wieder zur liche Großzügigkeit von meinem Freund Vernunft, Kurt war leider tot und die BackMichi. street Boys sollten sich wiedervereinen, wenn ich 22 bin. Das wusste ich damals aber Zugegeben, wenn er gut drauf ist, darf ich noch nicht. Dann fing meine Suche an. auch mal Wu-Tang Clan anmachen. Also Es gab diese Zeit in meiner frühen Jugend, herrscht nicht wirklich Zero Tolerance. Dain der ich mich im Dschungel der Musikstile nach ist aber wieder Stoner Rock angesagt. ziemlich verloren gefühlt habe. Weil mir sehr Für meine Hip Hop Bedürfnisse habe ich vieles gut gefiel. Erst kam alles was laut ist, dann in verrauchten Kellern meiner Freunde Marcel. Der macht mich mit einer kompletder Stoner Rock und irgendwie blieb ich vor ten Rap Tracklist glücklich, wenn wir uns mal auf ein Bier bei ihm treffen und dann allem auf Neo Psychedelic Bands wie Brian Jonestown Massacre und Black bin ich aber auch wieder froh, wenn ich nach Rebel Motorcycle Club hängen. Gara- der ganzen Kopfnickerei ein bisschen Dire Straits hören kann. Die hört Marcel nämge Rock wurde mein Zuhause und ist es bis lich auch. Guter Mann. heute. 71


Natürlich nervt es, wenn ich von „MusikstilNerds“ nicht sonderlich ernst genommen werde. Wahrscheinlich, weil man mir meine Liebe zu bestimmten Musikrichtungen einfach nicht so wirklich ansieht. Verteilt sich eben alles gut.

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Aber ohne sie wäre ich aufgeschmissen. Niemand könnte mich besser in meiner Liebe zu Hip Hop, Stoner Rock oder Psychobilly bekräftigen als ein fanatischer Liebhaber. Und keiner könnte sich bei einem bestimmten Lied gemeinsam mit mir besser fühlen, als genau diese Leute.


„Titel des Bildes ist „bleeding rose“. Es ist ein Bild zum Thema Herzschmerz. Im Gegensatz zu meinen anderen Arbeiten, die sonst eher von Stärke und Selbstbewusstsein handeln, wollte ich einmal die Verletzlichkeit in einem Bild darstellen. Und was macht einen Menschen schon verletzlicher als die Liebe...? Hier geht’s aber nicht um das typische Herzschmerz-Szenario nach einer Trennung, sondern mehr um ein Gefühl, das noch davor entstehen kann. Das Gefühl, von einer Liebe erdrückt zu werden und wenn der Partner einem keine Luft zum Atmen lässt. Das Gefühl innerlich vor sich hinzusterben. Man taucht einfach so ab. Rosen, um den Bezug zum Thema Liebe herzustellen. Das Wasser stellt sozusagen die Liebe selbst dar. So, wie das Wasser die Rosen nährt, sollte die Liebe auch den Menschen nähren. Doch wird es zu viel, zu krankhaft, dann wird man ertränkt. Das Mädchen auf dem Bild ist eine dieser Rosen... Ich habe dieses Thema gewählt, weil ich auch mal eine Geschichte erzählen wollte. Nicht meine eigene Geschichte, sondern eine Geschichte, die viele Menschen täglich erleben ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.“ Angela Peron. Professionelle Fotografin und Fotodesign Studentin aus München 73


ONE DIRECTION

LUCKI ECK$

KIDS INSANE

Midnight Memories

Alternative Trap

Frustrated

Das Pop-Album des Jahres 2013 (Sorry, Miley!). Dafür reicht alleine die erste Hälfte des Albums. Großer Gott, ich habe mindestens eine Woche gebraucht um weiter als Lied Nummer neun zu kommen, so oft habe ich auf Repeat gedrückt. „Little Black Dress“ ist der beste Rocksong des Jahres, bei “Story Of My Life” und “Best Song Ever” möchte ich ein kleines Mädchen sein und die Jungs anhimmeln. Ich möchte das Gefühl haben, dass die Jungs in ihren Songs zu mir sprechen. So bin ich nur ein alter Mann, der Harry Styles anschmachtet. Ist mir egal was ihr denkt, er meint in den Songs mich und niemand anderen von euch Bitches. Auch du wirst dich richtig dreckig fühlen, wenn du das Album hörst, ich verspreche es dir. Genauso kann ich dir aber garantieren, dass du das Ganze mit mindestens einem Ohrwurm beendest. Schaut euch die Saturday Night Live Folge mit Paul Rudd (sowieso der geilste Mensch auf der Welt, schaut alle Filme von ihm, lasst uns gemeinsam einen Altar bauen) und ONE DIRECTION an. Diese Jungs sind nicht nur zuckersüß, sie sind auch noch cool und lässig. Die Welt ist so ungerecht. FE

Das SHICE Team möchte nur das Beste für dich. Wir lieben dich. Ja genau dich, du wunderschönes Geschöpf, das gerade dieses Heft in Händen hält. Und weil wir dich so sehr lieben, legen wir dir auch nur Musik ans Herz die überragend ist. So wie „Alternative Trap“ von LUCKI ECK$. Du wirst es hören und zuallererst nichts kapieren. Du wirst es aber nochmal hören, warum, das weißt du auch nicht so genau, beim ersten Hören wirkt das ganze ziemlich langweilig und einfach. Irgendwann macht es aber klick. Du wirst dich verlieben. In diese entschleunigte Variante von Trap, laid back, smooth aber mit einer unfassbaren Sogkraft. Alternative Trap eben. Vertrau uns einfach. Unfassbar gut. FE

Die Band aus Tel Aviv schafft es in gerade einmal elf Minuten, jedem zu zeigen wie geil oldschool Hardcore klingen kann, wenn er richtig gemacht ist. Frisch, wütend und ohne großes Gehabe bolzen sich die Jungs durch ihre Songs. Am Ende drückt man auf Repeat und zieht schon mal die alten RUINER, PAINT IT BLACK und MINOR THREAT Scheiben aus dem Schrank. Man möchte seine Shorts anziehen und durch die Gegend springen. Ganz ohne Kung Fu Einlagen. Glück kann so einfach sein, danke KIDS INSANE. FE

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JORDAN BRATTON

BORIS BESSER

BORIS BESSER

The Grey

Ostseefunk

Ostseefunk

Wart ihr von Channel Orange auch so enttäuscht? War das die Blase 2012? Versteht mich nicht falsch, Frank Ocean ist immer noch der geilste, aber er hat mit seinem Outing wohl mehr für die Sozial- als mit seinem Debüt für die Popkultur getan. Wollt ihr bei der nächsten Partydiskussion so richtig mit eurem Insiderwissen angeben? JORDAN BRATTON wird der neue Frank Ocean. Boom! Mic drop. R’n’B klang selten schöner. „The Grey“ ist ein großartiges Mixtape voller Höhepunkte, wen Jordan’s Stimme nicht berührt, ist innerlich tot, ehrlich. Also geht raus und posaunt es heraus, wen ihr gerade entdeckt habt, aber vergesst nicht wo ihr es zuerst gehört habt. You‘re welcome. FE

Hip Hop ist back! Wie, der war mal weg? Nee, nicht wirklich. Aber seit dem Frankfurt das neue Aggro Berlin ist, ist das ganze Street Ding ganz schön ausgelutscht, meint ihr nicht? Versteht mich nicht falsch, niemand möchte BLUMENTOPF zurück (niemand, hast du gehört?!), aber ein bisschen mehr Lockerheit würde doch mal gut tun. Boris macht es besser (ha!) und gibt sich sympathisch oldschool. Samples basierte Beats, ein angenehmer Flow und Geschichten die das Leben eines Normalos schreiben, mit Witz und Humor vorgetragen. Plus: Kein Koks, keine Amphetamine. Erfrischend anders wie eine kühle Ostseebrise (haha!). FE

Ich kann es nur jedem ans Herz legen gelegentlich Hip Hop zu hören. Es macht einfach entweder glücklich oder man nickt in einer Tour. „Aggro“ macht mich nur der nackte Weekend in der Juice. (Sorry Fangirls!) Und wenn mir dann Biggedy-biggedy-Boris in gediegener Lässigkeit von den „Ansichten eines Clowns“ erzählt und, dass er sich auch regelmäßig verzockt, bin ich irgendwie erleichtert, dass er so normal ist. Nicht wirklich gefährlich der Typ, aber Nähe zum Volk ist wieder in! Eminem darf gerne in seinem xten Album immer noch über seine Exfrau herziehen (gähn!), derweil krieg ich lieber Bock auf ne Portion Sprotten am Ostseestrand, ganz ohne Trailerpark. Kiel ist das neue Berlin! Irgendwie. Und Boris ist der Rest irgendwie auch herzlich egal. Weiter so! IK

Disclaimer: Nein, das hier ist kein Fehler. Ja, wir wissen das BORIS BESSER hier zweimal vorkommt. Inka und Frank sind beide verkappte Groupies geworden.

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THE HAVERBROOK DISASTER Weather The World Tschüss Metalcore des Debüts „Hopeward Bound“, hallo Positive Hardcore von „Weather The World“. Nach der Wandlung geblieben, sind die zum Nachdenken anregenden Lyrics und die pure Energie, die diese Band auf Platte zu jeder Zeit ausstrahlt. Diese Wildheit wurde jetzt allerdings besser kanalisiert und erinnert am ehesten an COMEBACK KID, was das Gespür für Melodien und die dargebotene Leidenschaft angeht. Die herrlich warme, nach Livesession klingende Produktion von Aljoscha Sieg (Pitchback Studios) erledigt den Rest. THE HAVERBROOK DISASTER war die beste Hardcore Formation in Deutschland. War, weil sie sich mittlerweile aufgelöst hat. Dieser perfekte Abgesang zeigt eine Band, die nicht stehen bleiben wollte und lieber etwas Neues geschaffen hat, das mit dem Frühwerk nur noch zwei Dinge gemeinsam hatte: Das Herzblut und den Mittelfinger. Das Eine für Hardcore, das Andere für Trends. THD holten das Beste aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Großartig. FE

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NEAERA

BRING ME THE HORIZON

Ours Is The Storm

Sempiternal

Über eine Band zu schreiben, mit der man selbst aufgewachsen ist, ist immer eine heikle Sache. Meistens leben sich Band und Hörer über so lange Zeit auseinander. NEAERA war schon immer eine Band, die niemals stillstehen wollte, die immer den Drang hatte sich weiterzuentwickeln. Nach dem Befreiungsschlag durch „Omnicide“ und der Rückbesinnung mit „Forging The Ecplise“, gehen NEAERA ihren eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Melodien stehen im Vordergrund, war man schließlich doch schon immer mehr AT THE GATES als CANNIBAL CORPSE. Endlich vorbei auch die Zeiten, in denen man in der Metalcore-Schublade gefangen war. Spätestens mit „Ours Is The Storm“ ist klar, das hier ist melodischer Death Metal, nichts anderes. Hardcore spielt sich nur noch in den Köpfen der Mitglieder ab, lieber bedient man sich an Trash oder Black Metal. NEAERA sind mit „Ours Is The Storm“ endgültig angekommen. Welch bessere Art gibt es, so etwas zu feiern als mit dem bisher besten Album der Karriere? FE

Es ist verdammt schwer, die richtigen Worte für dieses Werk zu finden, jeder sollte selbst die Erfahrung machen, um es zu verstehen. „Sempiternal“ ist mehr als nur die Summe seiner Teile, es ist ein Gesamtkunstwerk. Sempiternus ist lateinisch und bedeutet immer während oder beständig. Darunter geht für diese Band auch nicht mehr. Mit gängigem Metal- oder gar Deathcore hat das Ganze rein gar nichts mehr am Hut. Alternative vielleicht? Egal, hier ist „großartig“ der kleinste gemeinsame Nenner. Die Band fordert sowohl sich selbst als auch ihre Zuhörer heraus. Dabei sind sie immer Konsequent, auch wenn es manchmal wehtut. Diesmal mitverantwortlich für die Veränderung ist der verstärkte Einsatz von Keyboards, die noch mehr etabliert wirken als zuletzt. Genau diese erschließen der Band soundtechnisch eine völlig neue Dimension. Die elektronischen Einflüsse sind kein schmückendes Beiwerk, sondern essentieller Bestandteil und gleichzeitig der Anker des Albums. Hier handelt es sich schlicht um das beste Album einer der größten und wichtigsten Band dieser Generation. Es setzt sich über Genre-Grenzen hinweg, wird damit wieder zahlreiche Hörer vergraulen aber ganz sicher noch mehr für sich gewinnen. ‘This Is Sempiternal! Will We Ever See The End?’ FE


AGAINST ME!

CHANCE THE RAPPER

Ni No Kuni

Transgender Dysphoria Blues

Acid Rap

PS-3-Spiel

Nie zuvor war der Name einer Band bezeichnender als Against me! im Jahr 2013. Tom Gabel wird es nicht mehr geben, der Punkpoet ist jetzt eine Frau und heißt Laura Jane Grace. Seit ihrer Kindheit fühlte sie sich im falschen Körper geboren und hat das jetzt in aller Öffentlichkeit auf einer Platte verarbeitet, die sich gewaschen hat. Respekt! Der Blues legt sich langsam, „FUCKMYLIFE666“ und „Black Me Out“ sind wunderbare Hymnen, selbst mit Akustikgitarre. Bei so einem Seelenstriptease verabschieden sich aber leider auch immer ein paar Leute. Bassist Andrew Seward lobte die positiven Vibes im Tourbus und stieg kurze Zeit später doch aus, Jay Weinberg ist ebenfalls nicht mehr dabei. Against me! werden nie wieder so sein, wie sie waren. Das liegt aber nicht an Laura Jane Grace, sondern an der Hälfte der Band, die komplett neu ist. Ich werde (auch wenn sich ihre Stimme verändern sollte) immer begeistert sein von so viel Ehrlichkeit und Realness. Ab Januar Pflichtalbum! IK

Das einzige Album das ihr 2013 gehört haben solltet. Mehr gibt es zu „Acid Rap“ eigentlich nicht zu sagen, ich tue es trotzdem weil wir irgendwie diese Seite vollbekommen müssen. Es handelt sich hier um ein Mixtape, ist also für lau. Umsonst, das heißt es bringt dem Künstler noch weniger Kohle ein als die Streaming-Dienste, die ihr sonst so nutzt, ihr gottverdammten Schnorrer (das war ein Wink mit dem Zaunpfahl, kauft mehr Platten Herrgott!). CHANCE THE RAPPER stieg damit trotzdem in die Billboard Charts ein, so angesagt war dieses Album. Ganz schön viele Trottel haben also dafür gezahlt. In Wahrheit bist du aber der Depp, wenn du dieses Album noch nicht gehört hast. Hip Hop der kreativ, conscious und trotzdem verspielt und leicht daherkommt. So stelle ich mir einen Trip auf LSD vor, bewusstseinserweiternd. Sein Lohn sind Features mit James Blake, Childish Gambino und Justin Bieber. Everybody is somebody’s everything, dieser Typ sollte der einzige für euch sein! FE

Das Jahr 2013 verlief in Sachen Rollenspiele insgesamt recht zäh. Kein neues Mass Effect, Elder Scrolls oder gar Dark Souls. Keine todbringende sowie düstere Welt musste gerettet werden. Dafür aber ein buntes, hübsches und mit Liebe vollgepacktes “Zweites Land“. Zu deutsch: Ni No Kuni. Das geniale Filmstudio Ghibli (bekannt für die atemberaubenden erwachsenen Kinderfilme á la Prinzessin Mononoke oder dem Schloss im Himmel) schloss sich dem Entwickler Level 5 an und gebar dieses Zauberwerk. Als 13-jähriger Oliver macht sich der Spieler mit seinem treuen Begleiter Tröpfchen auf, dessen Welt und im gleichen Zuge die eigene Mutter vor dem Tod zu bewahren. Wo an dieser Stelle meist die Story eines westlichen Rollenspiels endet, fängt Ni No Kuni erst an: Gebrochene Menschen müssen mit Herzstücken gerettet werden, Gegner werden nicht getötet, sondern zur Vernunft gebracht. Außerdem geht es um Mitgefühl, die Umwelt und die Freude am Leben an sich. Das Spiel zeichnet die reale Welt, wie sie wahrlich sein müsste. Umwerfend! Ach ja: Der Schwierigkeitsgrad bleibt stets fordernd, liebe “Ich-will-sterbenZockergemeinde“. Liebe schadet keinem, auch wenn sie wie hier in einem Spiel verpackt ist. MG

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Quantenphilosophie und Interwelt

Hannibal

Ulrich Warnke

Eine Portion Lunge

Nicht nur ein Buch, sondern ein Sinnbild für alles was momentan so um uns herum passiert? Denn nicht nur Hip Hop-Größen wie Joey Bada$$ mitsamt seiner Pro Era Crew machen sich Gedanken um Karma und Co. Es scheint, als würde die ganze Menschheit kurz vor einem Umdenken stehen. Falls du noch nicht dazu gehörst wird dich das, was du gleich lesen wirst abschrecken, verstören und ein wenig an uns zweifeln lassen. Halt bitte trotzdem die Backen still und lies! Mit dem Buch versucht Dr. Ulrich Warnke für den Leser nicht nur begreifbar zu machen, dass alles was wir sehen nichts anderes, als Energie ist. Genauso wie wir nichts anderes als Energie sind. Und auch Gedanken sind eine Form von Energie. Alles ist Eins, bestehend aus lauter kleinen Atomen. Er versucht auch zu erklären, dass es fernab dieser vermeintlichen Realität noch eine Welt gibt, die Interwelt. Erst das Zusammenspiel zwischen der Alltagswelt und der Parallelwelt bildet laut Biologe und Buchautor die ganze Realität des Seins ab. Damit bringt Walke eine Thematik zur Sprache, die oftmals diskutiert und vom Großteil der Wissenschaft noch gerne ausgeklammert wird, nach dem Motto: Alles, was nicht greifbar ist, existiert nicht. Dass man es doch schafft, die Existenz einer Parallelwelt zu beweisen, zeigt Walke, indem er beeindruckende Beispiele anführt. Sie zeigen dem Leser, „es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumt“, wie Shakespeare an der Stelle sagen würde. Das Buch zu lesen ist allerdings harte Kost. Es ist definitiv kein romantisches „Wünsch- dich-glücklich-Buch“ aus der Esoterik-Ecke. Daher würde ich es auch nicht als Einsteiger-Exemplar für jene empfehlen, die gerade anfangen sich solchen Gedankenwelten zu öffnen. Trotzdem hat mich dieses Werk begeistert. Warum? Weil ich denke, dass es niemandem von uns schadet zu verstehen, dass es neben Geld, Leistung, Klamotte und Co. noch so viel anderes gibt, was den Menschen und diesen Planeten ausmacht. Und der Baum da draußen ist auch nicht nur klein und alt, er ist liebenswert, riecht nach Natur, spendet uns täglich Sauerstoff und bedeutet Leben. Gedanken formen die Realität, alles ist Eins. Faszinierend oder etwa nicht? LL

Wie skurril, abscheulich und widerwärtig muss der Job als Special Agent beim FBI in den Hochphasen sein? Ein Serienkiller, der reihenweise junge Mädchen tötet, hier – ein Apotheker, der Leichen als Nährboden für seine Pilzzucht verwendet, dort. Sicher, in der Realität sieht dieser Beruf dann doch anders aus. Aber an manchen Tagen schreibt die reale Welt auch solche Geschichten. Will Graham, eigentlich als Dozent für neue Rekruten eingesetzt, ist einer dieser Special Agents, der zudem eine besondere Gabe besitzt: Er kann am Tatort das Potpourri an äußeren Einflüssen ausblenden und sich nur auf die wahren Beweise und persönlichen Eindrücke fokussieren. Was er nicht kann? Den größten Serienkiller, den Chesapeake Ripper, zur Strecke zu bringen. Und dieser steht mit seinem zweiten Ich als helfende Hand quasi stets neben ihm – als Psychologe Dr. Hannibal Lector (grandios gespielt von Eisschrank Mads Mikkelsen). Die Serie basiert allgemein auf den Büchern von Thomas Harris, beleuchtet die Anfänge des Kannibalen Lector und spielt zeitlich vor den Filmen mit Anthony Hopkins. Auch wenn die Einschaltquoten bei der ersten Staffel in Übersee zu wünschen übrig ließen, ist eine zweite Fuhr Folgen schon bestellt. Lohnt es sich? Sicher, allerdings nur für Hartgesottene! Die Serie lässt einen wahrlich auf dem Sofa zusammenkauern, die erstarrten Hände können kaum die Trinkflasche halten. Spaß, Freude oder ein Happy End – Fehlanzeige! Als brutale Metzelei ist die Serie aber nicht anzusehen, da sie jeder Person, ob Opfer oder Täter, genug Raum gibt. Selbst aus den Toten weiß Mister Lector schließlich immer noch ein gutes Essen zu kochen. Guten Appetit! MG

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Diese sieben jungen Menschen haben sich von ihrem alten Wohnort verabschiedet, um sich auf das Abenteuer „Neues Zuhause“ einzulassen. Oft bleibt es nur bei einem kurzen One-Year-Stand mit der neuen Metropol-Liebe, aber manch einer bleibt in der neuen Heimat länger als geplant.

Verena, 21: Die in NRW geborene Studentin zog es aus ihrer Wahlheimat Berlin in das über 1000 Kilometer entfernte Birmingham. Dort absolvierte sie bis vor Kurzem ein Auslandssemester. Ein Seminar das sie dort belegt hat heißt „From the Stasi to the Sandmännchen: Remembering the GDR in the United Germany‘“.

Paola, 22: Die Römerin zog 2012 nach dem Studium nach Berlin und lernte dort Deutsch mit anderen jungen Menschen aus ganz Europa. Sie wohnte bei einem deutsch-italienischen Schauspielerpaar. Nach ungefähr einem Jahr zog es sie zurück nach Rom.

„Die Uni gefällt mir in Birmingham besser, weil die Atmosphäre viel familiärer ist. Die Leute sind definitiv nicht so arrogant wie die (meist selbst zugezogenen) Berliner. Dafür bleibt das Berliner Kultur- und Theaterangebot unübertroffen. Aber so ist es wohl immer, sobald man die Heimat verlässt und an verschiedenen Orten lebt – man vermisst immer irgendwas! Ich freue mich bald zurück nach Deutschland zu gehen, aber ich werde auf jeden Fall wieder nach Großbritannien und insbesondere Birmingham zurückkehren.“

„In Berlin gefällt es mir ganz gut! Für Kultur und Freizeit gibt es immer was Schönes und Interessantes zu tun. Was ich am Anfang am schwierigsten fand, war, meinen eigenen Freundeskreis auszubauen. Dazu gehörte aber nicht viel. Ich wohne jetzt wieder in Rom, was ich sehr toll finde, weil ich etwas mache, das mir gut gefällt. Das ist alles was zählt, wo auch immer man wohnt.“

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Mark Honrado, 28: Der Südkalifornier arbeitet gerade als „Licensed Clinical Social Worker“ in Ansbach und lebt seit dreieinhalb Jahren in Deutschland. Die hiesige Musikszene entschädigt ihn ausreichend für das traumhafte Wetter, das er gerade in Los Angeles verpasst. „Bevor ich nach Bayern gekommen bin, habe ich in Wiesbaden gelebt und der Unterschied ist riesig. Anscheinend hassen sie die Amerikaner hier, ständig wollen sie mit mir eine politische Diskussion über die USA anfangen. In Hessen hat es kaum jemanden interessiert, dass ich ein in Deutschland lebender Amerikaner bin. Viele denken, weil ich Amerikaner bin, bin ich egoistisch und materialistisch. Ich bin nichts davon, im Gegenteil. Als Südkalifornier habe ich eher eine “Hippie“-Persönlichkeit. Zum Glück habe ich hier wunderbare Freunde gefunden, Deutsche, die genauso drauf sind wie ich. Am meisten mag ich die Musikkultur hier und in Deutschland generell. Ich finde sogar, dass die Punk/D.I.Y. Szene besser als in den Staaten ist. Hier wirst du nicht für das, was du trägst oder hörst oder in deiner Freizeit machst, kritisiert. Wir sind ein „Melting Pot“ mit verschiedenen Backgrounds, Kulturen und Idealen. Das Essen, die Leute, die Musik sind großartig. Abgesehen vom Wetter könnte ich hier den Rest meines Lebens bleiben!“ 80


Valentina, 26: Die angehende Journalistin kommt aus Genua und hat auch schon in Dublin und Südfrankreich gewohnt. Letztes Jahr zog sie nach Sevilla, wo morgens mit der Chefin vor Dienstbeginn erst mal ein kleines Bier in einer der vielen Bodegas getrunken wird. In Spanien lernte sie einen Nürnberger kennen, bei dem sie gerade viel Zeit verbringt und Deutschland erkundet. „Das Leben in Sevilla war eine der großartigsten Erfahrungen meines Lebens! In dieser Stadt zu leben und zu studieren, gab mir die Möglichkeit mich auf verschiedenen Ebenen herauszufordern. Ich bin selbstbewusster und offener gegenüber neuen Situationen geworden. Sevilla ist eine magische Stadt: Die Kultur, die Leute, der Lifestyle… Definitiv eine super Wahl!“ Lotte, 23: Bevor die Niederländerin nach Ghana ging, lebte sie in Utrecht. Auf jeder Reise macht die Sportlerin vor einer Sehenswürdigkeit ein Foto, auf dem sie ein freihändiges Rad schlägt. Nach Akwatia ging sie aus Nächstenliebe und würde irgendwann gerne nach Australien, Amerika oder England reisen – der Natur wegen. „Ich bin nach Ghana gegangen um anderen Menschen zu helfen. Ich bin Krankenschwester und wollte dort auch in meinem Beruf arbeiten. Den ersten positiven Eindruck hatte ich noch im Flugzeug, weil mir dort ein Ghanaer geholfen hat. Ich werde nie die Menschen und den Duft vergessen, kurz nach meiner Ankunft. Jeden Morgen wenn ich zur Arbeit im Krankenhaus gekommen bin, hieß es: „Good morning, Obruni.“ Obruni bedeutet so etwas wie weißer Mensch. Da musste ich immer lächeln. Abends wurde ich immer gefragt, wie mein Tag war. Manchmal vermisse ich es hier in Holland, dass die Menschen so freundlich sind. Über die politische Lage in Ghana habe ich immer verschiedene Versionen gehört. Aber alle sind sich einig, dass die Machthaber sich nicht genug um die Leute in ihrem Land kümmern. Das lässt mich oft darüber nachdenken, wie wichtig es ist, eine Stimme in seinem Land zu haben.“ Peter, 24: In Madrid fühlt sich der Theaterwissenschaftsstudent vor allem wegen der spanischen Spontanität und Schnelligkeit wohl. Nach Nürnberg wird er trotzdem zurückkehren, um sein Studium zu beenden. „Die Spanier sind sehr offen und stecken voller Feierlaune. Es geht zwar nicht allen gut und es gibt offensichtlich genug Gründe um jeden zweiten Tag eine Demo im Herzen Madrids zu machen, aber die Bars sind voll, die Diskos teuer und laut - also alles, wie es sein sollte. Das Uni-Leben ist unorganisiert und unkompliziert. Auf dem Campus treffen sich am Wochenende alle zum Trinken und Feiern. Und wenn mal etwas nicht klappt, dann heißt es stets: „no pasa nada“ - was so viel heißt, wie: „macht nichts“.“ Manuel, 23: Nach einem Spanischkurs an der Hochschule und endlos vielen Folgen Simpsons auf Spanisch, entschied sich Manuel ein Zusatzsemester in Barcelona zu machen und wird wahrscheinlich nur wegen dem fränkischem Brot zurück nach Nürnberg kommen. „Die Katalanen sind super! Zwar ungemein stolz, aber spricht man ein paar Brocken catalan, wird man von jedem geliebt. Ich vermisse das deutsche Brot sehr, damit kann einfach niemand mithalten. Meine Brottrauer wird jedoch durch das örtliche Weed-Angebot gemildert, wenn nicht sogar neutralisiert.“ 81


Die letzte Seite Alles begann mit Schnaps und einer Idee. Nachdem ein paar unserer Redaktionsmitglieder schon an Magazinen mitgewirkt hatten, wollten wir es selbst wagen. Unser Ziel: Ein Heft produzieren, das wir selber gerne lesen würden. Es war eigentlich ein übermütiger Gedanke in einer feuchtfröhlichen Nacht. Aber wenn wir schon mal ein paar Monate Zeit haben? Also: Aus zwei mach vier, Redaktion aufgestockt und einfach mal machen. Jetzt freuen wir uns umso mehr, dass wir unser Baby nun endlich in den Händen halten. Es fühlt sich verdammt gut an! Unsere Sucht nach in Druckerschwärze verwandelten Ideen konnte verwirklicht werden. Und du hast unser Schätzchen durchgeblättert! Danke! Wir hoffen, du wurdest unterhalten, hast geschmunzelt, dich aufgeregt oder willst zumindest jetzt auch eine Crew gründen, alle von uns rezensierten LPs kaufen, Schiedsrichter werden oder betrunken wrestlen. Da wir das alles selbst gemacht haben, seien uns klitzekleine Fehler, die du in diesem Heft findest verziehen, oder? Großer Dank gebührt unserem Illu-It-Boy Dirk Diggler aka Jonas Stein. Er hat sich von uns stressen lassen und unserem Texthaufen Benehmen, Klasse und Stil beigebracht. Wir lieben dich. Jetzt sind wir bemüht, dass noch mehr Leute dieses feine Blatt in die Hände bekommen. Ob es noch eine Ausgabe geben wird? Sag niemals nie! (Wirf diese Ausgabe nicht weg, wir haben dafür unsere letzten Euros gegeben. Gib sie lieber an jemanden weiter, den du magst. Danke!)

Markus, Frank, Lorene und Inka

Redaktion: Hochschule Ansbach, Residenzstraße 8, 91522 Ansbach Fragen, Anregungen und Kritik an engelhardt.frank@gmx.net Autoren: Frank Engelhardt, Markus Grillenberger, Inka Klein, Lorene Löffler Fotografen: Bedenkzeit Fotografie, Jonathan Danko, Frank Engelhardt, Markus Grillenberger, Kickz GmbH, Inka Klein, Lorene Löffler, Rafael Josef Magosch, Metal Blade Records Europe, Angela Peron, Lena Stahl Grafik, Layout und Illustration: Jonas Stein (Dirk Diggler) Coverbild: Johannes Stahl - joemadetthis.de ©2014 SHICE Magazine 82


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